Urteil des OLG Hamm vom 23.11.2010

OLG Hamm (freie wahl, zpo, beteiligung, beitritt, verbraucher, gesellschaft, anlage, zeitpunkt, widerrufsrecht, wohnung)

Oberlandesgericht Hamm, I-27 U 59/10
Datum:
23.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-27 U 59/10
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 1 O 150/09
Tenor:
Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das am 20. April 2010
verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe (abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO):
1
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer hat zu Recht
festgestellt, dass das Gesellschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten
zu 1) seit dem 18.6.2008 beendet ist und gegen die Klägerin keine Ansprüche aus der
Beteiligung mehr bestehen. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer
Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden
Tatsachen eine andere Entscheidung.
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I.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse der Klägerin
gemäß § 256 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Wirksamkeit des Widerrufs.
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II.
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Das zwischen den Parteien bestehende Gesellschaftsverhältnis wurde durch den
Widerruf der Klägerin beendet.
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1.
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Das erstinstanzliche Gericht hat zutreffend die §§ 312 ff. BGB auf den Beitritt der
Klägerin angewendet. Denn der Zweck des Beitritts der Klägerin lag unstreitig nicht
vorrangig in der Beteiligung an der Gesellschaft, sondern in der Anlage von Kapital.
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Damit ist der Beitritt einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung gleichzustellen und
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist § 312 BGB dann
einschlägig (BGH NJW-RR 2005, 180; BGH ZIP 2010, 1540). Dies gilt auch unabhängig
von der gewählten Gesellschaftsform, also auch für die Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 69. Auflage 2010, § 312 Rn. 7 m.w.N.).
2.
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Das Landgericht hat zu Recht eine Haustürsituation im Sinne des § 312 Abs. 1 S. 1
BGB angenommen. Die Klägerin ist durch Verhandlungen in ihrer Wohnung zur
Unterzeichnung der Beitrittserklärung bestimmt worden. Es ist grundsätzlich Sache des
Tatrichters, die besonderen Umstände des Vertragsabschlusses zu würdigen (BGH ZIP
2009, 1054). Die entsprechenden Ausführungen der Kammer sind nicht zu
beanstanden.
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Der Vertragsabschluss am 28.05.2007 fand nur fünf Tage nach dem unangemeldeten
und ungebetenen Besuch der Vermittler am 23.05.2007 in der Wohnung der Klägerin
und damit in einem engen zeitlichen Zusammenhang statt. Am 28.5.2007 dauerte die
Überrumpelungssituation noch an. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde die Anlage konkret
vorgestellt und es konnte ermittelt werden, in welcher Höhe sich die Klägerin an der
Beklagten beteiligen konnte. Direkt im Anschluss unterzeichnete die Klägerin die
Beitrittserklärung.
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Die am 01.07.2007 erfolgte Reduzierung der Vertragshöhe durch die Anpassung der
Einmalzahlung und die Verkürzung der Laufzeit lässt die Haustürsituation nicht
entfallen. Denn durch diese Reduzierung wurde lediglich die bereits bestehende
vertragliche Verpflichtung der Klägerin vom 28.05.2007 angepasst. Dies ergibt sich
insbesondere aus der auf dem Formular vom 01.07.2007 von den Vermittlern
aufgebrachten Überschrift "Reduzierung: 46679331". Damit wurde deutlich zum
Ausdruck gebracht, dass es sich dabei um eine Modifikation des Vertrages vom
28.05.2007 mit der Nummer 46679331 und nicht um einen neuen Vertragsschluss oder
eine Bestätigung des Vertragsschlusses handeln sollte. Die Klägerin hatte zu diesem
Zeitpunkt nicht mehr die freie Wahl, ob sie der Beklagten beitritt.
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3.
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Die Klägerin hat durch Erklärung 18.06.2008 wirksam ihre Beteiligung widerrufen.
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Das Widerrufsrecht war nicht gemäß § 355 Absatz 3 Satz 3 BGB a.F. erloschen, da die
Belehrung über das Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß war. Dabei kann offen
bleiben, worüber genau die Beklagte hätte belehren müssen. Die Belehrung enthält
jedenfalls keine ausreichenden Hinweise zu den Rechten der Klägerin für den Fall des
Widerrufs. Diese richten sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach
den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft (vgl. BGH ZIP 2010, 1540; BGH NJW
2003, 2821).
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Eine ausreichende Belehrung kann auch nicht dem Zusammenhang der
Widerrufsbelehrung oder der Formulierung "Mit dem Widerruf meiner Willenserklärung
kommt auch meine Beteiligung an der J GbR nicht wirksam zustande." entnommen
werden. Zwar wird die die richtige Rechtsfolge angedeutet; die konkrete Ausgestaltung,
den Anspruch lediglich auf das Auseinandersetzungsguthaben, wird jedoch nicht in der
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gebotenen Deutlichkeit erkennbar. Zum Schutz des Verbrauchers ist aber die Belehrung
möglichst umfassend, unmissverständlich und aus dem Verständnis der Verbraucher
eindeutig zu formulieren (BGH ZIP 2002, 1730, 1731). Dies ist hier nicht der Fall.
Während die Widerrufsbelehrung der Beklagten über die Pflichten des Verbrauchers
verständlich über sechs Zeilen aufklärt, wird die Pflicht des Unternehmers nur in einer
halben Zeile außerhalb des Zusammenhangs und für den Verbraucher unverständlich
angedeutet. Sie ist geeignet, den Verbraucher zu verunsichern, da sie ihn im Unklaren
darüber lässt, welche Pflichten die Beklagte treffen. Eine solche Belehrung entspricht
nicht den Anforderungen des § 312 Abs. 2 BGB a.F. und ist damit unwirksam (vgl. BGH
NJW 2007, 1946).
4.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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