Urteil des OLG Hamm vom 13.09.2007

OLG Hamm: vormerkung, gutgläubiger erwerb, grundstück, grundbuchamt, eigentumsübertragung, pfändung, einziehung, schenkung, rückübertragung, eigentümer

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 298/07
Datum:
13.09.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 298/07
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 5 T 509/07
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) im
Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen
zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Beteiligte zu 2) war Eigentümer des eingangs genannten Grundstücks, das mit
einem Wohnhaus bebaut ist. Mit notariellem Vertrag vom 18.09.1978 (UR-
Nr. #####/####Notar B in C2) schenkte er dieses Grundstück seiner damaligen Ehefrau,
der Beteiligten zu 1), und ließ es ihr auf. In § 4 dieses Vertrages vereinbarten die
Vertragsbeteiligten, dass der Beteiligte zu 2) die Schenkung unter bestimmten
Voraussetzungen widerrufen könne, u.a. dann, wenn die Ehe geschieden wird. Zur
Sicherung des Anspruchs auf Rückübertragung im Falle des Widerrufs der Schenkung
bewilligten die Beteiligten zu 1) und 2) die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch.
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Am 24.11.1978 wurde das Eigentum umgeschrieben und die Vormerkung in Abt. II des
Grundbuchs unter lfd. Nr. 1 eingetragen.
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Die Beteiligte zu 1) betreibt gegen den Beteiligten zu 2) die Zwangsvollstreckung aus
dem vor dem 8. Familiensenat des Oberlandesgerichts Hamm geschlossenen Vergleich
vom 17.11.2004 (Az. 8 UF 21/04). Sie hat am 07.06.2005, 15.12.2005 und 01.08.2006
jeweils einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (Amtsgericht Detmold – 9M
####### - , Amtsgericht Steinfurt – 18 M #####/####- und Amtsgerichts Steinfurt -18 M
#####/####-) erwirkt, durch den wegen Forderungen in Höhe von 4.276,73 €,
113.910,93 € und 14,882,53 € das angebliche Anwartschaftsrecht des Beteiligten zu 2)
"aus der Rückauflassung" des eingangs genannten Grundstücks an ihn gepfändet und
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ihr zur Einziehung überwiesen worden ist.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind seit November 2006 rechtskräftig geschieden.
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Mit notariellem Vertrag vom 19.04.2007 (UR-Nr. 288/2007 Notar F in T) veräußerte die
Beteiligte zu 1) das Grundstück an den Beteiligten zu 3). Unter dem 24.04.2007
beantragte sie die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Beteiligten
zu 3) und die Löschung der zugunsten des Beteiligten zu 2) eingetragenen Vormerkung.
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Am 14.05.2007 löschte das Grundbuchamt antragsgemäß die in Abt. II unter Nr. 1
zugunsten des Beteiligten zu 2) eingetragene Vormerkung und trug am selben Tag in
Abt. II Nr. 2 eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 3) ein.
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Gegen diese Löschung hat der Beteiligte zu 2) Beschwerde mit dem Ziel der Eintragung
eines Amtswiderspruchs eingelegt. Das Landgericht gab der Beschwerde mit Beschluss
vom 13.07.2007 statt und wies das Grundbuchamt an, im Grundbuch einen
Amtswiderspruch gegen die Löschung der Vormerkung einzutragen.
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Hiergegen haben die Beteiligten zu 1) und 3) weitere Beschwerde eingelegt. Der
Beteiligte zu 3) hat sein Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 20.08.2007 zurückgenommen.
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Das Grundbuchamt hat mittlerweile am 21.08.2007 einen Amtswiderspruch gegen die
Löschung der Vormerkung eingetragen und den bisherigen Vormerkungsberechtigten,
den Beteiligten zu 2), als Begünstigten des Widerspruchs vermerkt.
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II.
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Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist nach den §§ 78, 80 GBO statthaft und
formgerecht eingelegt worden. Die weitere Beschwerde, die sich ursprünglich gegen die
Anweisung des Landgerichts richtete, kann nach deren Vollzug mit dem Ziel der
Löschung der erfolgten Eintragung im Grundbuch fortgesetzt werden. In einem solchen
Fall sind zwar gem. § 80 Abs. 3 GBO für die weitere Beschwerde dieselben
Beschränkungen zu beachten, die sich aus § 71 Abs. 2 GBO allgemein für die
Beschwerde gegen eine im Grundbuch erfolge Eintragung ergeben (Budde in
Bauer/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 78, Rdrn. 11). Die Beschränkung der Beschwerde in
§ 71 Abs. 2 GBO betrifft jedoch nach anerkannter Auffassung nur solche Eintragungen,
an die sich ein gutgläubiger Erwerb anknüpfen kann. Dies ist bei einem
Amtswiderspruch nicht der Fall, der seiner rechtlichen Funktion nach lediglich einen
gutgläubigen Erwerb verhindern soll (Budde, a.a.O., § 71, Rdnr. 47). Die
Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass sie durch die auf der
Grundlage der Entscheidung des Landgerichts erfolgte Eintragung in ihren Rechten
betroffen ist. Bei der Eintragung eines Amtswiderspruchs trifft dies auf denjenigen zu,
gegen dessen im Grundbuch verlautbarte Rechtsstellung sich der Widerspruch richtet
(BayObLGZ 1986, 294, 296 f.; MittBayNot 1991, 78; Budde, a.a.O., § 71, Rdnr. 74). Der
Widerspruch richtet sich hier gegen die im Grundbuch seit dem 14.05.2007 verlautbarte
Rechtsstellung der Beteiligten zu 1), dass ihr Eigentum nicht mehr mit der ursprünglich
zugunsten des Beteiligten zu 2) in Abt. II Nr. 1 eingetragenen Auflassungsvormerkung
belastet ist.
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In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet, weil die Entscheidung des
Landgerichts im Ergebnis nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, §§ 78 GBO,
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546, 561 ZPO.
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) als
zulässig angesehen, § 71 GBO. Die Entscheidung des Landgerichts trägt der
Beschränkung der Beschwerde durch § 71 Abs. 2 S. 1 GBO Rechnung. Die erfolgte
Löschung der Vormerkung Abt. II Nr. 1 des Grundbuchs ist eine Eintragung, die unter
dem Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs steht. Dies ist auch bei der
Löschung solcher Eintragungen der Fall, die ihrerseits dem öffentlichen Glauben des
Grundbuchs nicht unterliegen, wie etwa im Allgemeinen auch Vormerkungen (BGHZ 60,
46, 51 = NJW 1973, 323, 325; NJW 1994, 2947, 2949; BayObLG NJW 1983, 1567,
1568). Die Eintragung eines Amtswiderspruchs kann einen gutgläubigen Erwerb
gegenüber der nach materiellem Recht fortbestehenden Vormerkungswirkung in
Ansehung künftiger Verfügungen der Beteiligten zu 1) verhindern, die derzeit weiterhin
als Grundstückseigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Auf die Frage, ob der
Beteiligte zu 3) seinerseits am 14.05.2007 gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB gutgläubig eine
Auflassungsvormerkung mit der Maßgabe erworben hat, dass ihm gegenüber die zum
Zeitpunkt seines Erwerbs gelöschte Vormerkung Abt. II Nr. 1 als nicht bestehend zu
behandeln ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
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In der Sache hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für
die Eintragung eines Amtswiderspruchs gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO vorliegen. Denn die
Löschung der Vormerkung Abt. II Nr. 1 des Grundbuchs ist unter Verletzung gesetzlicher
Vorschriften erfolgt. Infolge der Löschung ist das Grundbuch auch unrichtig geworden.
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Nach § 19 GBO kann eine Eintragung im Grundbuch nur erfolgen, wenn derjenige sie
bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Die Löschung eines im Grundbuch
eingetragenen Rechts bedarf deshalb der Bewilligung des eingetragenen Berechtigten,
hier also des Beteiligten zu 2). An seiner Rechtstellung als Inhaber des (Rück-
)Auflassungsanspruchs und damit der ihn sichernden Vormerkung hat sich durch die
von der Beteiligten zu 1) ausgebrachten Pfändungen nichts geändert.
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Gegenstand der eingangs wiedergegebenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse
ist jeweils das angebliche Anwartschaftsrecht des Beteiligten zu 2) "aus der
Rückauflassung" des eingangs genannten Grundstücks. Ein - heute allgemein
anerkanntes - Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn von dem mehraktigen
Entstehungstatbestand eines Rechtes schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von
einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der
andere an der Entstehung des Rechtes Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören
vermag. Ein derartiges Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers ist zu bejahen,
wenn er entweder selbst den Antrag auf Eintragung als Eigentümer gestellt hat oder
wenn zu seinen Gunsten des Auflassungsempfängers eine Vormerkung im Grundbuch
eingetragen ist, die nach den §§ 883 Abs. 2, 888 BGB Schutz vor einer anderweitigen
Verfügung des Veräußerers gewährt (BGHZ 83, 395 =NJW 1982, 1639 m.w.N.). Diese
Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil eine Auflassung des bezeichneten
Grundstücks zum Zweck der Rückübertragung des Eigentums an ihn bislang ersichtlich
noch nicht erklärt ist. Die erfolgte Auflassung ist aber Grundvoraussetzung für die
Bejahung eines Anwartschaftsrechtes. Ohne Auflassung hat der mehraktige
Rechtsübergang vom Veräußerer auf den Erwerber noch nicht begonnen. Daran ändert
nichts, dass zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung eine Vormerkung
im Grundbuch eingetragen ist. Die Vormerkung hindert zwar eine dem Erwerber
nachteilige Verfügung über das Grundstückseigentum; sie allein führt aber nicht dazu,
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dass die mehraktige Eigentumsübertragung bereits begonnen hat (so ausdrücklich
BGHZ 89, 41 = NJW 1984, 973, 974).
Die Anwartschaft als dem Vollerwerb wesensgleiche dingliche Rechtsposition ist
aufgrund des Abstraktionsprinzips zu unterscheiden von dem lediglich
schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsübertragung, dessen Sicherung die
ursprünglich in Abt. II Nr. 1 des Grundbuchs eingetragene Vormerkung diente.
Auflassungsanspruch und Anwartschaftsrecht sind selbständige Vermögensrechte. Ein
Pfändungspfandrecht am schuldrechtlichen Eigentumsübertragungsanspruch hätte die
Beteiligte zu 1) nur erlagen können, wenn sie zumindest auch diesen Anspruch
gepfändet und sich zur Einziehung hätte überweisen lassen. Es ist anerkannt, dass ein
Gläubiger neben einem etwaigen Anwartschaftsrecht wahlweise oder ergänzend auch
den schuldrechtlichen Eigentumsübertragungsanspruch pfänden kann (BayObLG NJW-
RR 1997, 1173). Eine Pfändung nur des Anwartschaftsrechts erfasst daher nicht den
schuldrechtlichen Anspruch und umgekehrt. Eine Auslegung des Pfändungsausspruchs
über den Wortlaut der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse hinausgehend, dass
zusätzlich auch der Eigentumsübertragungsanspruch gepfändet werde, ist
ausgeschlossen (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 848, Rdnr. 15).
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Unabhängig davon hätte auch eine Pfändung des schuldrechtlichen
Eigentumsübertragungsanspruchs nicht zur Beseitigung der Bewilligungsbefugnis des
Beteiligten zu 2) in Ansehung der Vormerkung geführt. Das Pfändungspfandrecht
beschränkt lediglich zugunsten des Pfändungsgläubigers die Verfügungsbefugnis des
Schuldners am Eigentumsübertragungsanspruch. Dieser kann über seinen Anspruch
nicht mehr allein verfügen, insbesondere ihn nicht übertragen oder aufheben. Das
Pfändungspfandrecht verschafft infolge der ausgesprochenen Überweisung dem
Pfändungsgläubiger darüber hinaus eine Befugnis zur Verwertung des gepfändeten
Anspruchs, die sich bei einem gepfändeten Anspruch auf Eigentumsübertragung eines
Grundstücks nach § 848 Abs. 2 ZPO vollzieht: Das Grundstück ist an den Schuldner,
hier also den Beteiligten zu 2), aufzulassen. Mit dessen Eigentümereintragung im
Grundbuch erwirbt der Pfändungsgläubiger kraft Gesetzes zugleich eine
Sicherungshypothek für seine Forderung an dem übertragenen Grundstück, die im
Wege der Grundbuchberichtigung in das Grundbuch einzutragen ist. Dieselbe Wirkung
tritt im Übrigen ein, wenn nach erklärter, aber im Grundbuch noch nicht vollzogener
Auflassung das Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers gepfändet wird (vgl.
BGHZ 49, 197 = NJW 1968, 493).
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Da weitere Gründe für ein Erlöschen des Eigentumsübertragungsanspruchs des
Beteiligten zu 2) nicht ersichtlich sind und auch sonst auch keine Anhaltspunkte für eine
materiell-rechtliche Aufgabeerklärung (§ 875 BGB) in Ansehung der Vormerkung
bestehen, muss deshalb vom materiell-rechtlichen Fortbestand der Vormerkungslage
ausgegangen werden. Es ist deshalb glaubhaft, dass die Verlautbarung des Erlöschens
der Vormerkung im Grundbuch auch weiterhin unrichtig ist.
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Das Landgericht hat daher zu Recht das Grundbuchamt zur Eintragung eines
Amtswiderspruchs angehalten. Allerdings ist seine Tenorierung erkennbar
unvollständig, weil es nicht einen Begünstigten des Widerspruchs gegen die erfolgte
Löschung der Vormerkung benannt hat. Dies wäre deshalb erforderlich gewesen, weil
ohne Eintragung des Widerspruchsberechtigten der Widerspruch unzulässig ist
(Schöner/Stöber, a.a.O. Rn. 1617 und 410). Dieser formelle Gesichtspunkt ist jedoch
durch die am 21.08.2007 erfolgte Eintragung des Amtswiderspruchs, in der der
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Beteiligte zu 2) als Widerspruchsberechtigter ausdrücklich genannt wird, erledigt.
Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen beruht auf der
zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 S. 2 FGG. Demgegenüber bestand kein Grund
für eine Anordnung, dass auch der Beteiligte zu 3) sich an einer Kostenerstattung zu
beteiligen hat, weil er sein Rechtsmittel zurückgenommen hatte, noch bevor der
Beteiligte zu 2) sich zum Verfahren gemeldet hat.
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Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO
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