Urteil des OLG Hamm vom 14.03.2017

OLG Hamm (juristische person, wirtschaftliche identität, person, gesellschaft mit beschränkter haftung, identität, eigentumswohnung, eintragung, abweisung der klage, treu und glauben, besteller)

Oberlandesgericht Hamm, 6 U 74/76
Datum:
03.12.1976
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 74/76
Vorinstanz:
Landgericht Siegen, 1 O 269/75
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten zu 3.) wird das am 20. Februar 1976
verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Siegen
abgeändert.
Die Klage gegen die Beklagte zu 3.) wird abgewiesen.
Den Beklagten zu 1.) und 2.) fallen als Gesamtschuldern von den Kosten
der ersten Instanz die Hälfte der Gerichtskosten und die Hälfte der
außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Last. Ihre eigenen
außergerichtlichen Kosten haben die Beklagten zu 1.) und 2.) selbst zu
tragen.
Von den Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin die Hälfte der
Gerichtskosten, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3.) und
die Hälfte ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer für die Klägerin beträgt 32.170,88 DM.
Tatbestand
1
Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen. Die Beklagte zu 1) war eine
Kommanditgesellschaft. Der Beklagte zu 2) war ihr persönlich haftender Gesellschafter.
Kommanditistin war die Ehefrau des Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 3) ist eine
Bauträgergesellschaft, die in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
betrieben wird. Gesellschafter waren der Beklagte zu 2) und seine Ehefrau. Beide waren
gleichzeitig auch zur alleinigen Geschäftsführung berechtigte Geschäftsführer der
Beklagten zu 3). Durch notariellen Vertrag vom 14.5.1974 übertrug der Beklagte zu 2)
seinen Gesellschafteranteil an der Beklagten zu 3) auf seine Ehefrau und seine Tochter.
Seit dem 1.7.1976 ist er auch nicht mehr Geschäftsführer.
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Der Beklagte zu 2) war Eigentümer des Grundstücks .... Die Beklagte zu 1)
beabsichtigte, auf diesem Grundstück ein Wohnhaus mit 5 Eigentumswohnungen,
errichten zu lassen. Am 19.10.1973 beauftragte sie die Klägerin mit den Entwässerungs-
, Maurer- und Betonarbeiten für das Bauvorhaben. Die Klägerin führte die Arbeiten aus.
Mit der vorliegenden Klage hat sie gegen die Beklagten zu 1) und 2) ihre Restforderung
aus dem Bauauftrag in Höhe von 32.170,88 DM geltend gemacht.
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Nach dem Verkauf von drei der Eigentumswohnungen veräußerte der Beklagte zu 2) mit
notariellem Vertrag vom 4.12.1974 - Urkundenrolle ... des Notars ... die ihm verbliebenen
zwei Eigentumswohnung A und C an die Beklagte zu 3) zu einem Kaufpreis von
125.000,- DM. Beide Eigentumswohnungen waren im Zeitpunkt des Verkaufs noch im
Rohbauzustand. Die größere Eigentumswohnung A hat eine Flache von 108 qm, die
Wohnung C ist 41,13 qm groß.
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In einem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ordnete das Amtsgericht ...
durch Urteil vom 3.4.1975 auf Antrag der Klägerin an, daß zur Sicherung des
Werklohnanspruchs der Klägerin an der Eigentumswohnung A eine Vormerkung zur
Eintragung einer Sicherungshypothek über eine Forderung von 7.548,12 DM und an der
Eigentumswohnung C eine Vormerkung zur Eintragung einer Sicherungshypothek über
einen Betrag von 2.874,57 DM einzutragen seien. Die Berufung der Beklagten zu 3)
gegen dieses Urteil wurde durch Urteil des Landgerichts ... vom 30.7.1975
zurückgewiesen.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 8.12.1975 - Urkundenrolle Nr. ... des Notars ... in ... -
verkaufte die Beklagte zu 3) die Eigentumswohnung A zu einem Kaufpreis von
168.000,- DM an die Eheleute .... Da in dem Kaufvertrag die lastenfreie Übertragung des
Wohnungseigentums vereinbart worden war, löste die Beklagte zu 3) die für das
Wohnungseigentum A eingetragene Vormerkung auf Eintragung einer
Sicherungshypothek durch Zahlung des Betrages von 7.548,12 DM ab. Die Eheleute ...
sind inzwischen als Eigentümer im Wohnungsgrundbuch eingetragen.
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Die Klägerin hat beantragt.
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die Beklagten zu 1) und 2) zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie DM 32.170,88 DM
zu zahlen sowie 10 % Zinsen daraus seit dem 1.3.1975.
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Da die Beklagten zu 1) und 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.12.1975
nicht ordnungsgemäß durch einen beim Landgericht ... zugelassenen Rechtsanwalt
vertreten waren, hat das Landgericht ... am 19.12.1975 auf Antrag der Klägerin ein
Versäumnisteilurteil entsprechend dem Klageantrag gegen die Beklagten zu 1) und 2)
erlassen. In dem Versäumnisurteil ist die Kostenentscheidung dem Schlußurteil
vorbehalten worden. Das Versäumnisurteil ist inzwischen rechtskräftig geworden.
9
Nach Erlaß des Versäumnisurteils wurde über das Vermögen des Beklagten zu 2) das
Konkursverfahren eröffnet. Die Firma der Beklagten zu 1) wurde am 3.4.1976 als
erloschen im Handelsregister A 4660 des Amtsgerichts ... eingetragen.
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Die Klägerin hat behauptet: Den Kaufpreis von 125.000,- DM für den Kauf der
Eigentumswohnungen A und C habe die Beklagte zu 3) nicht an den Käufer, den
Beklagten zu 2) gezahlt. Die beiden Eigentumswohnungen seien das einzige Vermögen
des Beklagten zu 2) gewesen. Die Veräußerung sei in der Absicht vorgenommen
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worden, die Gläubiger der Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) zu benachteiligen.
Das ergebe sich daraus, daß die Beklagte zu 3) in dem Kaufvertrag nicht die Schulden
der Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) gegenüber den Bauhandwerkern
übernommen habe.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten: Die Beklagte zu 3) sei verpflichtet, in die
Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek gemäß § 648 BGB in die
Grundbücher der Eigentumswohnungen A und C einzuwilligen. Denn die vom Gesetz
geforderte Identität zwischen Besteller des Bauwerks und Grundstückseigentümer sei
nicht formal juristisch, sondern wirtschaftlich zu beurteilen. Da die Beklagte zu 3) als
Bauträgerin auftrete und die Beklagte zu 1) als Bestellerin, bestehe zwischen den
Beklagten eine wirtschaftliche Verflechtung mit der Folge, daß sie wirtschaftlich
gesehen als identisch anzusehen seien.
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Die Klägerin hat beantragt.
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die Beklagte zu 3) zu verurteilen, die Eintragung einer
Bauhandwerkersicherungshypothek in Höhe von DM 33.170,88 sowie 10 % Zinsen
daraus seit dem 1.3.1975 zu bewilligen, und zwar zu Lasten der Eigentumswohnung
gemäß Buchstabe A des Aufteilungsplanes, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von ...
Blatt ... sowie zu Lasten der Eigentumswohnung gemäß Buchstabe C des
Aufteilungsplanes, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von ... Blatt ...;
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hilfsweise,
15
die Beklagte zu verurteilen, die Eintragung von Bauhandwerkersicherungshypoteken zu
bewilligen, und zwar wie folgt:
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a)
17
zu Lasten der Eigentumswohnung gemäß Buchstabe A des Aufteilungsplanes,
eingetragen im Wohnungsgrundbuch von ... Blatt ..., in Höhe von DM 7.548,12 DM
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b)
19
zu Lasten der Eigentumswohnung gemäß Buchstabe C des Aufteilungsplanes,
eingetragen im Wohnungsgrundbuch von ... Blatt ... in Höhe von DM 2.874,57.
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Die Beklagte zu 3) hat beantragt,
21
die Klage abzuweisen.
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Sie hat behauptet: Der Erwerb der beiden Eigentumswohnungen sei nicht von
vornherein beabsichtigt gewesen. Erst als die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2)
nicht mehr in der Lage gewesen seien, die notwendigen Darlehen zur Finanzierung der
Fertigstellung der Wohnungen zu beschaffen, habe sie die Eigentumswohnungen
gekauft. Denn ihr sei es möglich gewesen, die notwendigen Gelder zu beschaffen. Da
sich beide Eigentumswohnungen noch im Rohbauzustand befunden hätten, sei der
Kaufpreis von 125.000,- DM für beide Wohnungen angemessen gewesen. Der
Kaufpreis sei auch an den Beklagten zu 2) gezahlt worden. Zwischen ihr und der
Beklagten zu 1) bestehe keine wirtschaftliche Identität. Das ergebe sich aus ihrer
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wirtschaftlichen Entflechtung. Der Beklagte zu 2) habe sich nie als ihr Geschäftsführer
betätigt.
Durch Urteil vom 20.2.1976 hat die erste Zivilkammer des Landgerichts ... die Beklagte
zu 3) verurteilt, die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in Höhe von
32.170,88 DM sowie 10 % Zinsen daraus seit dem 1.3.1975 zu Lasten der
Eigentumswohnungen A des Aufteilungsplans und der Eigentumswohnung C des
Aufteilungsplanes zu bewilligen.
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In dem Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, begründet das
Landgericht zunächst in längeren Ausführungen, daß die in § 648 BGB geforderte
Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer nicht gegeben sei. Es kommt
jedoch zu dem Ergebnis, daß es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht
vereinbar sei, wenn sich die Beklagte zu 3) auf ihre förmliche Selbständigkeit berufe.
Der Beklagte zu 2) habe die Eigentumswohnungen in der erkennbaren Absicht, seine
und die Gläubiger der Beklagten zu 1) zu benachteiligen, auf die Beklagte zu 3)
übertragen. Außerdem sei der Kammer aus einer Vielzahl von Prozessen bekannt, daß
die beiden Eigentumswohnungen das einzige Vermögen des Beklagten zu 2) gebildet
hätten. Nach dem Gedanken der Durchgriffshaftung sei es der Beklagten zu 3) deshalb
verwehrt, sich auf ihre förmliche Selbständigkeit zu berufen.
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Gegen das nicht zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 3) am 15.3.1976 Berufung
eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
17.5.1976 am 17.5.1976 begründet.
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Die Beklagte zu 3) wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:
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Aus dem Umstand, daß die Beklagte zu 1) und sie einen gemeinsamen Geschäftssitz
gehabt hätten und die Gesellschafter identisch gewesen seien, ergebe sich noch keine
wirtschaftliche Identität. Beide Gesellschaften hätten eigene Vermögen gehabt, die auch
völlig getrennt gehalten worden seien. Tatsächlich sei die wirtschaftliche Verflechtung
so gering, daß sie von dem Konkurs der Beklagten zu 1) und 2) nicht berührt worden sei.
Mit dem Verkauf der Eigentumswohnungen sei nicht beabsichtigt gewesen, die
Gläubiger der Beklagten ihren Gläubiger ... befriedigt, und zwar durch Ablösung der für
ihn eingeräumten Hypotheken. Außerdem habe die Beklagte zu 1) an das Finanzamt
eine Steuerschuld von 29.843,54 DM bezahlt. Der verbleibende Restbetrag sei an
andere Gläubiger ausgezahlt worden.
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Die Eigentumswohnungen seien auch nicht das einzige Vermögen des Beklagten zu 2)
gewesen. Der Beklagte zu 2) sei an einer Grundstücksgemeinschaft ... beteiligt
gewesen, die sich mit der Erstellung von Eigentumswohnungen in... befaßt habe. Für
das Ausscheiden des Beklagten zu 2) habe die Beklagten zu 1) und 2) gegen 5
Schuldner noch Forderungen in einer Gesamthöhe von ca. 28.000,- DM gehabt.
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Die Beklagte zu 3) beantragt,
30
die Klage abzuweisen.
31
Die Klägerin beantragt,
32
1.
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die Beklagte zu 3) zu verurteilen, die Eintragung einer
Bauhandwerkersicherungshypothek in Höhe von 24.622,76 DM nebst 10 % Zinsen von
32,170,88 DM für die Zeit vom 1.3.1975 bis zum 12.3.1976 und von 24.622,76 DM seit
dem 13.3.1976 zu bewilligen, und zwar zu Lasten der Eigentumswohnung gemäß
Buchstabe C des Aufteilungsplanes, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von ... Blatt
...;
34
2.
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die Berufung der Beklagten zu 3) zurückzuweisen;
36
3.
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hilfsweise im Falle einer der Revision unterliegenden Entscheidung ihr nachzulassen,
jegliche Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch durch
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder eines öffentlich-
rechtlichen Kreditinstituts erbracht werden kann, abzuwenden.
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Die Klägerin trägt vor:
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Der Beklagte zu 2) habe die Eigentumswohnungen A und C an die Beklagte zu 3)
verkauft, um seine Gläubiger und die Gläubiger der Beklagten zu 1) zu benachteiligen.
Denn beide Wohnungen seien mit einer Gesamtgrundschuld von 124.000,- DM belastet
gewesen. Um diese Grundschuld ablösen zu können, sei der Kaufpreis auf 125.000,-
DM festgesetzt worden. Lediglich der Restbetrag von 1.000,- DM sei für die Bezahlung
von Baurechnungen vorgesehen gewesen. Es müsse mit Nichtwissen bestritten
werden, daß die Firma ... etwas von dem "Erlös" erhalten habe. Da die Beklagten zu 1)
und 2) keine Finanzierungsmöglichkeiten mehr gehabt hätten, sei der Beklagten zu 3)
durch den Kauf der Eigentumswohnungen Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet worden.
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Die Eigentumswohnungen seien praktisch das einzige Vermögen des Beklagten zu 2)
gewesen. Sein Grundstück, in ... sei mit verschiedenen Zwangshypotheken weit über
seinen Wert hinaus belastet gewesen. Die der Grundstücksgesellschaft ... gehörenden
Grundstücke seien zugunsten der ... in ... mit Grundschulden von 110.000,- DM und
160.000,- DM belastet gewesen. Bei der Auseinandersetzung der Gesellschaft sei an
die Konkursmasse keine Abstandssumme von 12.000,- DM gezahlt worden. Die
angeblichen Forderungen in Höhe von ca. 28.000,- DM habe sie pfänden und sich zur
Einziehung überweisen lassen. Keiner der Schuldner sei jedoch zur Zahlung bereit
gewesen, da die erhebliche Gegenforderungen an die Beklagte zu 1) geltend gemacht
hätten.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
42
Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Beklagten zu 3) ist zulässig und auch begründet. Sie führt zur
Abänderung des Urteils und Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 3).
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Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 3) keinen Anspruch gemäß § 648 BGB auf
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Eintragung einer Sicherungshypothek. § 648 BGB gibt dem Bauunternehmer das Recht
zu verlangen, daß der Besteller an seinem Baugrundstück zur Sicherung der
Werklohnforderung aus dem Bauvertrag eine Sicherungshypothek eintragen läßt. Die
Voraussetzungen des § 648 BGB sind nicht gegeben. Die Beklagte zu 3) ist zwar
Eigentümerin des Baugrundstücks. Baugrundstück ist in diesem Fall die
Eigentumswohnung C, die nach dem Verkauf und die Übereignung der
Eigentumswohnung A an die Eheleute ... noch im Eigentum der Beklagten zu 3) steht.
Die Beklagte zu 3) ist jedoch nicht Bestellerin des Bauwerkes. Bestellerin war die
inzwischen nicht mehr existente Beklagte zu 1).
Die in § 648 BGB vorausgesetzte Identität zwischen Besteller des Bauwerks und
Grundstückseigentümer läßt sich nicht durch eine wirtschaftliche Beurteilung feststellen
(für eine wirtschaftliche Beurteilung der Identität Palandt, 36. Aufl., § 648, Anmerkung 2
b; OLG München NJW 1975, 220; LG Köln, BB 1973, 1375). Die Frage nach der
wirtschaftlichen Identität stellt sich nur, wenn auf der Seite
Besteller/Grundstückseigentümer eine Personalgesellschaft oder eine juristische
Person als Bestellerin oder Grundstückseigentümerin beteiligt ist. Die Anwendbarkeit
des § 648 BGB ist unproblematisch, wenn beispielsweise Bestellerin des Bauwerks
eine offene Handelsgesellschaft und Grundstückseigentümer einer der Gesellschafter
ist. Denn als Gesellschafter haftet der Grundstückseigentümer persönlich für die Schuld
der oHG aus dem Bauvertrag. Will man jedoch die Möglichkeit einer wirtschaftlichen
Identität mit den Gesellschafter auch dann bejahen, wenn eine juristische Person als
Bestellerin oder Grundstückseigentümerin beteiligt ist, führt das dazu, daß die vom
Gesetz gewollte Eigenständigkeit der juristischen Person aufgelöst wird. Denn die
juristische Person wird so behandelt, als sei sie ohne eigene Rechtspersönlichkeit, da
sie je nach Fallgestaltung als identisch mit dem Besteller oder dem
Grundstückseigentümer angesehen wird. Es gilt jedoch der Grundsatz, daß "über die
Rechtsfigur einer juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos
hinweggegangen werden" darf (BGH NJW 1974, 1372). Auch wenn Ausnahmefälle
möglich sein können, besteht doch kein allgemeines Bedürfnis, im Rahmen der
Regelung des § 648 BGB von der Eigenständigkeit der juristischen Person
abzuweichen und bei enger wirtschaftlicher Verflechtung Identität zwischen Besteller
und Grundstückseigentümer anzunehmen, handelt es sich bei Besteller und
Grundstückseigentümer um zwei verschiedene natürliche Personen, muß es der
Bauunternehmer nach § 648 BGB in Kauf nehmen, daß seine Werklohnforderung nicht
durch Eintragung einer Sicherungshypothek am Baugrundstück abgesichert werden
kann. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Bauunternehmer besser gestellt werden soll,
wenn es sich bei Besteller und Grundstückseigentümer nicht um zwei natürliche
Personen handelt, sondern wenn eine juristische Person beteiligt ist. (Ablehnend auch
OLG Braunschweig BB 1974, 624 und OLG Bremen NJW 1976, 1321).
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Außerdem fehlt ein einleuchtendes Kriterium dafür, wann wirtschaftliche Identität
vorliegen soll. Das Oberlandesgericht München (NJW 1975, 220) stellt darauf ab, ob der
Besteller oder Grundstückseigentümer die Beteiligte juristische Person
"ausschlaggebend beeinflußt, steuert und bestimmt". Dem Begriff nach bedeutet
Identität Wesensgleichheit und völlige Übereinstimmung. Die Beherrschung eines
Unternehmens durch eine natürliche Person oder einer juristischen Person bedeutet
jedoch nicht, daß zwischen beiden wirtschaftlich gesehen eine völlige Übereinstimmung
und damit Identität besteht. So war im vorliegenden Fall der Beklagte zu 2)
Komplementär der Beklagten zu 1), der Bestellerin des Bauwerks, und gleichzeitig
neben seiner Ehefrau alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten zu 3).
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Selbst wenn die Beklagte zu 1) durch die Person des Beklagten zu 2) die Beklagte zu 3)
wirtschaftlich beherrschte, werden beide damit noch nicht wirtschaftlich wesensgleich.
Hätte eine wirtschaftliche Identität zwischen ihnen bestanden, hätte die Beklagte zu 3)
das Schicksal der Beklagten zu 1) teilen müssen. Zusammen mit dem Beklagten zu 2)
geriet die Beklagte zu 1) in Vermögensverfall und mußte schließlich als Firma gelöscht
werden. Dagegen übt die Beklagte zu 3) nach wie vor ihre geschäftliche Tätigkeit aus.
Der Versuch, die Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer wirtschaftlich
zu begründen, ist im Grunde nur eine Verallgemeinerung der in der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze zur Durchgriffshaftung. Nach diesen Grundsätzen ist "der
Durchgriff auf die von der juristischen Person verdeckten Kräfte und Verhältnisse" dann
zugelassen, wenn entweder "die Rechtsform der juristischen Person absichtlich
mißbraucht wird" oder "ihre Verwendung nicht dem Zweck der Rechtsordnung
entspricht" (BGH NJW 1974, 1372). Auch unter dem Gesichtspunkt der
Durchgriffshaftung kann die Klägerin nicht von der Beklagten zu 3) die Bewilligung der
Eintragung einer Sicherungshypothek für ihre Werklohnforderung verlangen. Denn
einmal bestehen erhebliche Bedenken, ob die Grundsätze der Durchgriffshaftung im
vorliegenden Fall angewandt werden können. Das Institut der Durchgriffshaftung ist
geschaffen, um unbillige mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbarende Ergebnisse zu
vermeiden, die dadurch entstehen können, daß die eigentlich Verantwortlichen durch
die Haftungsbeschränkung einer juristischen Person geschützt werden. Der "Schutz"
der juristischen Person soll durchbrochen werden. Im vorliegenden Fall geht es aber
nicht darum, die Haftungsbeschränkung der Beklagten zu 3.) als Folge ihrer Rechtsform
als GmbH aufzuheben und den Durchgriff auf die hinter ihr stehenden Kräfte
freizugeben. Vielmehr will die Klägerin genau das Gegenjuristischer Person.
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Zum anderen spricht ein weiterer Grund gegen die Anwendbarkeit der Grundsätze der
Durchgriffshaftung: Die Durchgriffshaftung trägt subsidiären Charakter. Die Aufhebung
der Eigenständigkeit der juristischen Person ist eine Ausnahme. Sie ist nur zulässig,
wenn auf andere Art und Weise ein nach der Rechtsordnung mißbilligte Ergebnis nicht
vermieden werden kann. Die Klägerin hatte jedoch die Möglichkeit, auf einem anderen
Wege ihr Ziel zu erreichen. Nach ihrer Meinung und nach der Ansicht des Landgerichts
kommen die Grundsätze der Durchgriffshaftung deshalb den Eigentumswohnungen A
und C in der Absicht gehandelt hat, die Gläubiger der Beklagten zu 1) und 2) zu
benachteiligen. Mit dieser Begründung konnte sie den Verkauf der beiden
Eigentumswohnungen durch den Beklagten zu 2) nach § 3 Anfechtungsgesetz
anfechten. Denn gem. § 3 Abs. 1 Ziff. 1 Anfechtungsgesetz sind alle Rechtshandlungen
anfechtbar, die der Schuldner, in diesem Fall der Beklagte zu 2), in der dem anderen
Teil, in diesem Fall der Beklagten zu 3), bekannten Absicht, seine Gläubiger zu
benachteiligen, vorgenommen hat. Durch die Anfechtung konnte die Klägerin ebenso
wie durch die Eintragung einer Sicherungshypothek ihr Sicherungsbedürfnis
befriedigen. Denn gem. § 7 Anfechtungsgesetz hätte die Beklagte zu 3) bei wirksamer
Anfechtung die beiden Eigentumswohnungen der Klägerin zur Zwangsvollstreckung
wegen ihrer Restwerklohnforderung zur Verfügung stellen müssen. Wenn es die
Klägerin versäumt hat, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die ihr das
Anfechtungsgesetz bot, ist es nicht möglich, das Anfechtungsgesetz durch die
Anwendung der Grundsätze der Durchgriffshaftung zu ersetzen.
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Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Eintragung einer Sicherungshypotek auch nicht
daraus herleiten, daß die Beklagte zu 3) mit den beiden Eigentumswohnungen das
gesamte Vermögen der Beklagten zu 1) und 2) übernommen hat und damit gemäß §
50
419 BGB in deren Verpflichtung gegenüber der Klägerin eingetreten ist. Denn die
Voraussetzungen für eine Vermögensübernahme nach § 419 BGB sind nicht schlüssig
dargetan. Der Vortrag der Klägerin bezieht sich auf die Vermögenssituation der
Beklagten zu 1) und 2) im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens über das
Vermögen des Beklagten zu 2) und auf Versuche, in den Jahren 1975, 1976
Forderungen der Beklagten zu 1) und 2) gegen Dritte pfänden und sich zur Einziehung
überweisen zu lassen. Über die Vermögenslage der Beklagten zu 1) und 2) im Zeitpunkt
des Verkaufs der beiden Eigentumswohnungen am 4.12.1974 ist nichts vorgebracht.
Die Klägerin hat auch nicht zu dem unstreitigen Umstand Stellung genommen, daß das
Konkursverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 2) eröffnet worden ist. Dieser
Umstand spricht dafür, daß der Beklagte zu 2) nicht ganz vermögenslos war. Denn es
kann angenommen werden, daß bei Vermögenslosigkeit des Beklagten zu 2.) die
Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt worden wäre. Wenn keine
Konkursmasse vorhanden war, ist es wenig wahrscheinlich, daß ein Gläubiger einen
Kostenvorschuß gemäß § 107 Abs. 1, Satz 2 KO geleistet hat, um die Eröffnung des
Konkursverfahrens zu erreichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziff. 7 ZPO.
Die Festsetzung der Beschwer folgt aus § 546 Abs. 2 ZPO.
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