Urteil des OLG Hamm vom 08.05.2008

OLG Hamm: dringender tatverdacht, untersuchungshaft, verdunkelungsgefahr, haftbefehl, beweismittel, fluchtgefahr, vollzug, kaution, strafverfahren, datum

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ws 124/08
Datum:
08.05.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 124/08
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 12 KLs 35 Js 188/07
Tenor:
Die Haftbeschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Das vorliegende Strafverfahren ist Teilkomplex eines umfangreichen Strafverfahrens
gegen mehrere Angeklagte, denen Bildung einer kriminellen Vereinigung und
betrügerisches Verhalten zu Lasten verschiedener Mobilfunkanbieter vorgeworfen wird.
In diesem befindet sich der Angeklagte seit dem 29. November 2006 in
Untersuchungshaft. Diese ist zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts
Bochum vom 14. November 2006 vollzogen worden. Inzwischen besteht gegen den
Angeklagten der Haftbefehl der Strafkammer vom 14. März 2008, der dem Angeklagten
am selben Tage verkündet worden ist. Gegen diesen hat der Angeklagte
Haftbeschwerde eingelegt, der die Strafkammer durch Beschluss vom 28. April 2008
nicht abgeholfen hat.
3
Der Senat hat im Verfahren nach den §§ 121, 122 StPO durch Beschlüsse vom 18. Juni
2006 (2 OBL 41/07 OLG Hamm bzw. 2 Ws 149/07 OLG Hamm) und vom 4. Oktober
2007 (2 OBL 99/07 OLG bzw. 2 Ws 285/07 OLG Hamm) die Fortdauer der
Untersuchungshaft über sechs bzw. neun Monate hinaus angeordnet. Inzwischen hat
gegen den Angeklagten die Hauptverhandlung am 3. Januar 2008 begonnen. Sie hat
seitdem an etwa 20 Hauptverhandlungstagen stattgefunden. Weitere
Hauptverhandlungstermine sind bis August 2008 terminiert.
4
II.
5
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch derzeit keinen Erfolg.
6
Zur Begründung seiner Entscheidung nimmt der Senat auf die im Wesentlichen
zutreffenden Gründe der angefochtenen Haftentscheidung der Kammer Bezug. Er legt
seiner Entscheidung außerdem den Nichtabhilfebeschluss vom 28. April 2008
zugrunde.
7
Darüber hinaus weist der Senat auch unter Berücksichtigung der Eingaben vom
8
07. Mai 2008 auf Folgendes hin:
9
Der Senat ist mit der Strafkammer der Auffassung, dass dringender Tatverdacht
hinsichtlich der dem Angeklagten im Haftbefehl vom 14.03.2008 zur Last gelegten Taten
besteht. Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts i.S.d. § 112 Abs. 1 StPO, die das
erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt nach
ständiger Rechtsprechung aller Obergerichte, die auch der des erkennenden Senats
entspricht (vgl. nur Beschluss des Senats vom 26. Juli 2004 in 2 Ws 193/04), im
Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das
Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in
der Lage, deren Ergebnis aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen,
sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem
erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das
Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Kenntnisse über
den Verlauf der Beweisaufnahme (vgl. BGH StV 2004, 142 m.w.N.). In die Einschätzung
des Fortbestehens des dringenden Tatverdachts durch das erkennende Gericht kann
das Beschwerdegericht nur dann eingreifen und die Beurteilung des dringenden
Tatverdachts durch das Tatgericht durch eine abweichende eigene Bewertung nur dann
ersetzen, wenn der Inhalt der angefochtenen Haftentscheidung grob fehlerhaft ist und
den dringenden Tatverdacht aus Gründen bejaht, die in tatsächlicher oder rechtlicher
Hinsicht nicht vertretbar sind (vgl. BGH, a.a.O.). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
Vielmehr hat die Kammer in ihrem Nichtabhilfebeschluss vom
10
28. April 2008, dessen Begründung der Senat sich zu eigen macht, eingehend und
ausführlich die in der Hauptverhandlung bisher erhobenen Beweise gewürdigt. Eine
Bewertung der in die Hauptverhandlung eingeführten Mitschnitte aus den
Telefonüberwachungen ist dem Senat, der an der Beweisaufnahme nicht teilgenommen
hat, nur eingeschränkt möglich. Die von der Strafkammer vorgenommene Bewertung
erscheint dem Senat nachvollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewertung der
Strafkammer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht vertretbar ist, sind nicht
ersichtlich. Etwas anderes folgt aus den Eingaben vom 7. Mai 2008 nicht.
11
Der Senat ist auch mit der Strafkammer der Auffassung, dass noch Haftgründe gegeben
sind. Allerdings liegt der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr i.S.d. § 112
12
Abs. 2 Nr. 3 StPO nach Auffassung des Senats derzeit nicht mehr vor. Jedenfalls trägt
die Begründung der Strafkammer im Haftbefehl vom 14. März 2008 (Bl. 19) die
Annahme von Verdunkelungsgefahr nicht. Für den von der Strafkammer
angenommenen Verdacht, der Angeklagte werde auf Beweismittel oder auf Zeugen
unlauter einwirken, hat die Strafkammer Tatsachen nicht angeführt. Nach Auffassung
des Senats handelt es sich lediglich um Vermutungen, die aber die Annahme von
Verdunkelungsgefahr nicht stützen (vgl. Senat in StV 2002, 205 = wistra 2002, 236;
StraFo 2004, 134). Die Verdunkelungsgefahr folgt insbesondere auch nicht aus dem
Verhalten des Angeklagten zu Beginn der Ermittlungen. Zudem setzt sich die
Strafkammer nicht mit der Frage auseinander, wie der Angeklagte, der sich in
Untersuchungshaft befindet, überhaupt auf Beweismittel und Zeugen unlauter einwirken
können soll.
13
Entgegen der Auffassung des Angeklagten besteht aber noch Fluchtgefahr. Insoweit
14
übersieht der Senat nicht, dass der Angeklagte sich bereits seit Ende November 2006 in
Untersuchungshaft befindet, diese also bereits 18 Monate andauert. Angesichts des
Gesamtumfangs des ihm zur Last gelegten strafrechtlichen Verhaltens hat er jedoch -
auch unter Berücksichtigung der in den durch Urteil bereits abgeschlossenen Verfahren
erkannten Strafen - immer noch mit einer so erheblichen Straferwartung zu rechnen,
dass ein erheblicher Fluchtanreiz besteht. Insoweit geht der Senat von einer
Straferwartung von insgesamt maximal fünf Jahren Freiheitsstrafe aus. Der Senat
verkennt in dem Zusammenhang auch nicht die persönlichen Bindungen des
Angeklagten, auf die seine Verteidigerin in der Beschwerdebegründung hingewiesen
hat. Diese vermögen jedoch den bestehenden Fluchtanreiz nicht ausreichend zu
mildern. In dem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass der
Angeklagte Kontakte zu Freunden und Bekannten nach N hat.
Der bestehende Fluchtanreiz ist nach Überzeugung des Senats derzeit auch noch so
groß, dass ihm nicht durch andere mildere Mittel, wie z.B. einer Kaution, begegnet
werden könnte. Der Senat ist schließlich auch der Ansicht, dass der weitere Vollzug der
Untersuchungshaft auch noch verhältnismäßig ist. Dabei geht er allerdings davon aus,
dass das Verfahren weiterhin zügig betrieben und entsprechend der derzeitigen
Terminplanung im August 2008 abgeschlossen werden wird.
15
III.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
17