Urteil des OLG Hamm vom 07.10.2003

OLG Hamm: scheinehe, gegenleistung, täuschung, erschleichung, lebensgemeinschaft, datum

Oberlandesgericht Hamm, 11 WF 103/03
Datum:
07.10.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 WF 103/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Bottrop, 14 F 154/03
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 16.06.2003 wird der
Beschluss des Amtsgerichts Bottrop vom 04.06.2003 abgeändert.
Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt E aus C
Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage auf Eheaufhebung
bewilligt.
Gründe
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I.
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Die Antragstellerin ist Deutsche, der Antragsgegner Türke. Sie haben am 30.07.2002 in
der Türkei geheiratet. Danach ist der Antragsgegner nach Deutschland eingereist,
jedoch nicht zu seiner Frau gezogen, so dass es zu keinem Zeitpunkt zur Begründung
einer ehelichen Lebensgemeinschaft gekommen ist.
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Sie begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Eheaufhebung. Sie hat zunächst
vorgetragen, es liege eine Scheinehe vor, die ausdrücklich zu dem Zweck geschlossen
worden sei, dem Antragsgegner unter Umgehung der ausländerrechtlichen Vorschriften
eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen. Nach der Aufforderung des Amtsgerichts,
die Gegenleistung für die Eingehung der Scheinehe zu nennen, hat sie ihren Vortrag
korrigiert und geltend gemacht, sie sei von ihrem Ehemann über dessen Absichten zur
Erschleichung der Aufenthaltsgenehmigung getäuscht worden. Geld habe sie nicht
erhalten.
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Das Amtsgericht hat daraufhin den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, der Vortrag der Antragstellerin sei widersprüchlich. Entweder liege keine
Scheinehe vor, so dass der Antrag auf Eheaufhebung unbegründet sei, oder es sei
davon auszugehen, dass die Aufhebungsklage aus der empfangenen Gegenleistung zu
finanzieren sei.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
6
II.
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Die Beschwerde ist zulässig und begründet, denn die Antragstellerin ist bedürftig und
die beabsichtigte Eheaufhebungsklage bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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1.
9
Die Antragstellerin kann nicht an ihrem ursprünglichen Vortrag festgehalten werden, die
Ehe mit dem Antragsgegner habe diesem nur eine Aufenthaltsgenehmigung verschaffen
sollen. Es spricht vieles dafür, dass dieser Vortrag auf einem Missverständnis zwischen
der Antragstellerin und ihrem Anwalt beruhte und erst eine zweite Besprechung geklärt
hat, dass nur der Antragsgegner keinen ernsthaften Ehewillen hatte.
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Auf der Grundlage des korrigierten Vortrags besteht ein Grund zur Aufhebung der Ehe
gemäß § 1314 Abs. 2 Ziffer 3 BGB (Täuschung über den Willen zur Ehe), so dass die
beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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2.
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Aber auch wenn eine Scheinehe vorliegen sollte, hat die Antragstellerin Anspruch auf
Prozesskostenhilfe. Wenn die staatliche Rechtsordnung die Aufhebung der Scheinehe
trotz deren Missbilligung von der Durchführung eines Kosten verursachenden
Verfahrens abhängig macht, müssen auch die dazu erforderlichen Mittel bereit gestellt
werden (OLG Hamm, FamRZ 2001, S. 1081 unter Bezug auf BVerfG, FamRZ 1984, S.
1205).
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Für die Vermutung, die Antragstellerin habe für ihre Bereitschaft zur Scheinehe eine
Gegenleistung erhalten, gibt es bisher keine hinreichenden Anhaltspunkte, zumal der
Antragsgegner eine Stellungnahme im Prüfungsverfahren abgelehnt hat. Sie kann
daher nicht so behandelt werden, als hätte sie daraus die für die Eheaufhebung
erforderlichen Mittel zurückgelegt.
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