Urteil des OLG Hamm vom 25.07.1995

OLG Hamm (höhe, zpo, nachforderung, beschwerde, rechtskraft, verrechnung, zahlung, 1995, betrag, erklärung)

Oberlandesgericht Hamm, 7 WF 231/95
Datum:
25.07.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
7. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 WF 231/95
Vorinstanz:
Amtsgericht Soest, 5 a F 57/95
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin werden der Beschluß des
Amtsgerichts - Familiengericht - Zwickau vom 22.06.1994 - 8 F 42/94 -
sowie der Nichtabhilfebeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht -
Soest vom 16.05.1995 teilweise abgeändert.
Der Klägerin wird Prozeßkostenhilfe bewilligt, soweit sie beantragen
will, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.724,29 DM
zuzüglich 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über Anwaltsbeiordnung und festzusetzende Raten
bleibt dem Amtsgericht vorbehalten.
Gründe:
1
I.
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Die Klägerin macht gegen den Beklagten vorliegend eine Nachforderung geltend. Im
Vorprozeß ... AG Zwickau hatte u.a. die jetzige Klägerin vom Beklagten ab Januar 1993
einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 2.724,09 DM geltend gemacht.
Außerdem hatte sie als Rückstand für die Monate Dezember 1991 bis einschließlich
Dezember 1992 22.691,48 DM eingeklagt. Für diesen Zeitraum berechnete sie damals
einen monatlichen Unterhaltsanspruch von 3.724,29 DM. Infolge eines Rechenfehlers
berechnete sie den Rückstand für den genannten Zeitraum mit 12 × 3.724,29 DM =
44.691,48 DM. Tatsächlich betrug er für den genannten Zeitraum 13 × 3.724,29 DM,
insgesamt also 48.415,77 DM. Bei der Berechnung dieses Rückstandes ist die Klägerin
davon ausgegangen, daß auf die von ihr errechneten 44.691,48 DM anzurechnen sind:
12.000,00 DM durch bei der Treuhand beigetriebene Zahlungen und weitere 10.000,00
DM. Bei diesen 10.000,00 DM geht es um eine Zahlung von 31.000,00 DM, die die
Klägerin mit monatlich 2.000,00 DM auf ihre Unterhaltsansprüche für die Monate August
bis Dezember 1991 verrechnet hat. Das Amtsgericht Zwickau hat den Beklagten durch
Versäumnisurteil vom 09.07.1993 u.a. verurteilt, an die jetzige Klägerin den von ihr
verlangten Rückstand in Höhe von 22.691,48 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 04.12.1992
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verlangten Rückstand in Höhe von 22.691,48 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 04.12.1992
zu zahlen. Dieses Versäumnisurteil ist rechtskräftig.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von
weiteren 10.724,29 DM als offenen Rückstand für die Zeit von Dezember 1991 bis
einschließlich Dezember 1992. Diesen Betrag errechnet sie folgt:
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1.
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Rückstand wegen des Rechenfehlers beim Abrechnungszeitraum Dezember 1991 bis
einschließlich Dezember 1992: 3.724,29 DM abzüglich weitere auf den fehlenden
Monat anzurechnende 1.000,00 DM.
6
2.
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Weiterer Anspruch wegen zu Unrecht berücksichtigter Zahlungen von 8.000,00 DM.
Hierzu trägt sie vor, daß die Zahlungen für die Zeit von August bis einschließlich
November 1991, also 4 × 2.000,00 DM nicht auf den Unterhaltsanspruch für den
Zeitraum von Dezember 1991 bis einschließlich Dezember 1992 hätten verrechnet
werden dürfen.
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Für diese Klage hat sie Prozeßkostenhilfe beantragt. Das Amtsgericht hat
Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen mit der Begründung, der
Nachforderungsklage stehe die Rechtskraft des erwähnten Versäumnisurteils entgegen.
9
II.
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Die Beschwerde ist teilweise begründet.
11
1.
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Vorab ist klarzustellen, daß sich der jetzt geltend gemachte Anspruch aus zwei
unterschiedlichen Faktoren zusammensetzt:
13
a)
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In Höhe eines Teilbetrages von 3.724,29 DM beruht er auf einem Rechenfehler der
damaligen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, die übersehen hatten, daß der
Zeitraum vom 01.12.1991 bis zum 31.12.1992 insgesamt 13 Monate umfaßt, wovon aber
nur der auf 12 Monate entfallende Teilbetrag geltend gemacht worden ist, ohne daß die
bemerkt oder gar zum Ausdruck gebracht wurde. Demgemäß ist auch die Anrechnung
von 1.000,00 DM hierauf als 13. Monatsbetrag aus der Zahlung der Treuhandanstalt
unterblieben.
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b)
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Sodann hat die Klägerin Unterhaltszahlungen von 8.000,00 DM, die sie in Höhe von
monatlich 2.000,00 DM für die Monate August bis November 1991 erhalten bzw.
verrechnet hatte, auf den für die Zeit ab 01.12.1991 bestehenden Rückstand
angerechnet.
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2.
18
Soweit es den Betrag von 2.724,29 DM angeht, ist die Beschwerde begründet.
19
a)
20
Dem insoweit jetzt geltend zu machenden Anspruch steht die Rechtskraft des im
Vorprozeß ... AG Zwickau ergangenen Versäumnisurteils nicht entgegen. Der Umfang
der Rechtskraft wird entscheidend durch den jeweiligen Klageantrag bestimmt. Dieser
stellte sich als (verdeckter) Teilanspruch dar, denn der ihm zugrunde liegende
Rechenfehler liegt auf der Hand. Mit der neueren Auffassung des Bundesgerichtshofes
(NJW 1985, 2825 f.; ihm folgend Gottwald in MK/ZPO 1992, § 322 Rdz 120) ist die
Zulässigkeit einer Nachforderung jedenfalls bei teilbaren Ansprüchen, wozu auch
Unterhaltsansprüche zu rechnen sind, zu bejahen. Dem steht nicht entgegen, daß für
Ansprüche, deren Höhe letztlich gerichtlicher Schätzung unterliegen (Beispiel:
Schmerzensgeldansprüche: BGH NJW 1980, 2754), oder wo es um die Höhe einer
angemessenen Enteignungsentschädigung geht (Beispiel: BGHZ 34, 337), andere
Gesichtspunkte gelten, die hier nicht einschlägig sind.
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b)
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Zwar sind Unterhaltsurteile nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 323
ZPO abänderbar. Insoweit entspricht es gefestigter Auffassung, daß eine Nachforderung
nur bei sogenannten offenen Teilklagen, also solchen, die entweder ausdrücklich als
Teilanspruch geltend gemacht werden oder doch den Hinweis enthalten, daß sich die
klagende Partei weitergehende Unterhaltsansprüche vorbehalte, zulässig ist, im übrigen
aber nur nach § 323 ZPO abänderbar sind (BGH FamRZ 1985, 371 und FamRZ 1987,
259 ff. und 368 ff.). Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß es dem §§ 323 ZPO
widerspräche, eine Nachforderung zuzulassen, die darauf gestützt wird, daß dem Kläger
infolge eines Rechen- oder Kalkulationsfehlers ein höherer Monatsbetrag als
ursprünglich tituliert zustehe (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl. § 323 Rdz 4). Um
einen solchen Fall geht es hier jedoch nicht, sondern darum, daß für einen von 13
Monaten der der Höhe nach unveränderte Anspruch nicht geltend gemacht worden ist.
Für dieses Ergebnis spricht auch, daß der Klageantrag auch so hätte gefaßt werden
können, daß für die Zeit vom 01.12.1991 bis zum 31.12.1992 monatlich je 3.724,29 DM
abzüglich durch Verrechnung gezahlter je 1.000,00 DM verlangt wurden.
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3.
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Anders verhält es sich mit der Nachforderung von 8.000,00 DM. Insoweit hat die
Klägerin im Vorprozeß sich Zahlungen von monatlich 2.000,00 DM, die sie für die
Monate August bis November 1991 erhalten oder auf ihre Ansprüche für diesen
Zeitraum verrechnet hat, auf spätere Ansprüche anrechnen lassen. Wenn - wie hier - der
Beklagte dieser Verrechnung zustimmt, mag dies auch lediglich konkludent erfolgt sein,
tritt die Wirkung des § 389 BGB ein: Der Anspruch der Klägerin, auf den sie die
Verrechnung vorgenommen hat, ist erloschen. Sieht man die Erklärung der Klägerin als
Prozeßhandlung an, ist sie ohnehin unwiderruflich und unanfechtbar. Sieht man sie
lediglich als außerprozessuale Willenserklärung an, so ist sie zwar mangels eines
Widerrufsvorbehalts nach den §§ 119 ff. BGB anfechtbar. Dieser Irrtum stellt sich jedoch
als bloßer Motivirrtum dar, ganz gleich, ob die Klägerin dem Beklagten die Grundlage
ihrer Erklärung, also ihre Kalkulation mitgeteilt hat oder nicht (hierzu näher Erman/Brox,
25
BGB, 9. Aufl., § 119 Rdz 38, 39, 50, 51). Motivirrtümer sind jedoch nicht nach § 119 ff.
ZPO anfechtbar.