Urteil des OLG Hamm vom 14.07.2004

OLG Hamm: verjährungsfrist, korrespondenz, haftpflichtversicherer, steuerberater, zugang, auflage, datum, sicherheitsleistung, hinweispflicht

Oberlandesgericht Hamm, 25 U 1/04
Datum:
14.07.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 U 1/04
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 2 O 392/03
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Oktober 2003 verkündete
Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster
wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten abwenden
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages, falls nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender
Höhe leistet.
G r ü n d e
1
I.
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Der Kläger nimmt den Beklagten, seinen früheren Steuerberater, auf Schadensersatz in
Höhe von 298.980,92 € nebst Zinsen in Anspruch.
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Das Landgericht hat die Klageforderung für verjährt gehalten und deswegen die Klage
abgewiesen. Wegen der hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen sowie der
Begründung im einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang
weiter, während der Beklagte das landgerichtliche Urteil verteidigt.
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Wegen der Einzelheiten des Prüfungsvorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, weil ein etwaiger Schadensersatzanspruch
des Klägers gemäß § 68 StBerG verjährt ist.
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a)
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Mit zutreffender Begründung ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die
dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG mit dem Zeitpunkt der Darlehenseinlagen
des Klägers am 5. März 1997 in Lauf gesetzt wurde und sich damit am 5. März 2000
vollendete. Ob sich daran – wie vom Landgericht angenommen – unter dem
Gesichtspunkt der Sekundärhaftung eine weitere dreijährige Verjährungsfrist anschloß,
erscheint nicht zweifelsfrei. Denn anders als das Landgericht zu meinen scheint, folgt
dies nicht bereits daraus, daß der Beklagte den Kläger unstreitig nicht auf
möglicherweise gegen ihn bestehende Regreßansprüche und deren Verjährung
hingewiesen hat. Eine solche Hinweispflicht setzt nämlich nach ständiger
Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGH NJW 01, 826) voraus, daß der Steuerberater
innerhalb der Primärverjährung begründeten Anlaß für eine entsprechende Belehrung
gegen sich selbst hatte, wozu das Landgericht keine Feststellungen getroffen hat und
wozu sich nach im bisherigen Parteivorbringen auch kaum sichere Feststellungen
treffen lassen.
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b)
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Die Voraussetzungen einer etwaigen Sekundärhaftung des Beklagten bedürfen indes
keiner Prüfung. Denn selbst wenn zu Gunsten des Klägers hiervon auszugehen wäre,
ist die Klageforderung verjährt.
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1.
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Zutreffend macht die Berufung zwar geltend, daß § 203 BGB n.F. über Artikel 229 § 6
Abs. 1 Satz 1 EGBGB zeitlich an sich anwendbar wäre, weil die
Schadensersatzforderung des Klägers bei Inkrafttreten des § 203 BGB n.F. am 1. Januar
2002 im Falle der Bejahung einer Sekundärhaftung des Beklagten zu diesem Zeitpunkt
noch nicht verjährt gewesen wäre. Die Berufung übersieht aber, daß § 203 BGB n.F. nur
für solche Ansprüche gilt, deren Verjährung sich nach dem BGB richtet (Palandt-
Heinrichs, 63. Auflage, Rdnr. 1 zu § 203), während Vorschriften außerhalb des BGB, die
– wie hier § 68 StBerG – Sonderregelungen für die Dauer oder den Beginn der
Verjährung enthalten, nicht in die Neuregelung der Verjährungsvorschriften des
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 einbezogen
worden sind, sondern nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers erst in einem
zweiten Reformschritt überprüft und gegebenenfalls abgeändert werden sollen (Palandt-
Heinrichs, a.a.O., Rdnr. 3 zu Überblick vor § 194). Ob die in der Zeit vom 11. August
2002 bis zum 5. März 2003 zwischen dem Kläger und dem Haftpflichtversicherer des
Beklagten geführte Korrespondenz den Tatbestand von Verhandlungen im Sinne des §
203 BGB n.F. erfüllt, bedarf daher keiner Entscheidung, zumal eine Hemmung der
Verjährung analog §§ 852 Abs. 2, 639 Abs. 2 BGB ebenfalls nicht in Betracht kommt,
weil die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften im Rahmen des § 68 StBerG
abzulehnen ist (BGH NJW 96, 1895).
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2.
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Daß zwischen den Parteien kein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen
vereinbart worden ist, hat das Landgericht mit zutreffender und von der Berufung auch
nicht beanstandeter Begründung festgestellt.
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3.
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Schließlich kann auch dahinstehen, ob der Kläger durch die Korrespondenz mit dem
Haftpflichtversicherer des Beklagten möglicherweise davon abgehalten worden ist, die
entsprechend den vorstehenden Erörterungen spätestens am 5. März 2003 ablaufende
Verjährungsfrist rechtzeitig durch Klageerhebung zu unterbrechen. Denn selbst wenn zu
seinen Gunsten unterstellt würde, daß durch diese Korrespondenz ein
Vertrauenstatbestand für den Kläger dahin gesetzt worden wäre, seine Ansprüche
würden auch ohne Rechtsstreit erfüllt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft
werden (BGH NJW 96, 1895), so endete dieses Vertrauen doch spätestens mit dem
ablehnenden Schreiben des Haftpflichtversicherers vom 5. März 2003. Vom Zugang
dieses Schreibens an wäre dem Kläger dann allenfalls noch eine angemessene
Überlegungsfrist für die Klageerhebung zuzubilligen (BGH NJW 98, 1488), die im
Zeitpunkt der tatsächlich erst am 4. Juli 2003 eingereichten Klage – wie die
Berufungserwiderung zu Recht geltend macht – weit überschritten war.
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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 zurückzuweisen.
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Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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