Urteil des OLG Hamm vom 29.09.2006

OLG Hamm: verfügung, unterzeichnung, leistungsfähigkeit, begriff, zustellung, fristablauf, abänderungsklage, auflage, datum, erlass

Oberlandesgericht Hamm, 11 UF 198/06
Datum:
29.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 UF 198/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Ibbenbüren, 41 FH 14/06
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des
Amtsgerichts Ibbenbüren vom 23.06.2006 aufgehoben. Die Sache wird
zur weiteren Ver-handlung und Entscheidung an das Amtsgericht
Ibbenbüren zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im
übri-gen hat das Amtsgericht in seiner abschließenden Entscheidung
auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden.
Gründe
1
I.
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Der Antragsgegner ist der Vater der Antragsteller. Nachdem ihm deren Anträge auf
Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren zugestellt worden sind und die
Frist zur Erhebung von Einwendungen am 20.06.2006 abgelaufen war, hat die
Rechtspflegerin den Festsetzungsbeschluss am 23.06.2006 unterschrieben. Den am
gleichen Tag eingegangenen Einwand des Antragsgegners, er sei nicht leistungsfähig,
hat sie durch gesonderten Beschluss vom 29.06.2006 als verspätet zurückgewiesen
und zugleich verfügt, den Beschluss vom 23.06.2006 nunmehr an den Antragsgegner
zuzustellen. Die Zustellung ist am 28.07.2006 erfolgt.
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Gegen den Festsetzungsbeschluss wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde
und macht geltend, seine Einwendungen zur fehlenden Leistungsfähigkeit hätten
berücksichtigt werden müssen, weil der Festsetzungsbeschluss beim Eingang seines
Schriftsatzes vom 22.06.2006 noch nicht im Sinne von § 648 Abs. 3 ZPO verfügt
gewesen sei.
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II.
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Die Beschwerde ist gemäß § 652 ZPO zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt.
Das Rechtsmittel vom 19.07.2006 richtet sich nicht nur gegen die Versagung der
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Prozesskostenhilfe, sondern auch gegen die Unterhaltsfestsetzung als solche, deren
Erlass sich aus dem Beschluss vom 29.06.2006 ergab. Es konnte eingelegt werden,
auch wenn der Festsetzungsbeschluss selbst, der vom 23.06.2006 datierte, zu diesem
Zeitpunkt noch nicht zugestellt war.
Auf Grund der Beschwerde ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache
gemäß § 572 Abs. 3 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht
zurückzuverweisen. Zwar ist gemäß den Angaben der Rechtspflegerin im
Nichtabhilfebeschluss davon auszugehen, dass ihr bei Abfassung und Unterzeichnung
des Festsetzungsbeschlusses am 23.06.2006 der am 23.06.2006 beim Amtsgericht
eingegangene Schriftsatz der Rechtsanwälte L vom 22.06.2006 mit den Belegen zur
Leistungsfähigkeit des Antragsgegners noch nicht vorlagen, dennoch hätte der
Festsetzungsbeschluss
nicht mehr herausgeschickt werden dürfen
gemäß § 648 Abs. 2 ZPO zulässigen Einwendungen der Rechtspflegerin vorgelegt
worden waren und sie zur Abfassung des Beschlusses vom 29.06.2006 veranlasst
hatten. Vielmehr wären die Parteien gemäß § 650 ZPO darauf hinzuweisen gewesen,
dass eine Titulierung des Unterhalts nur noch im streitigen Verfahren in Betracht
komme.
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Zwar sind gemäß § 648 Abs. 3 ZPO
Einwendungen nicht mehr zu berücksichtigen,
wenn der Festsetzungsbeschluss verfügt ist,
Unterzeichnung aber noch keine Verfügung in diesem Sinn.
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Zwar wird auch die Meinung vertreten, dass der Beschluss bereits mit seiner
Unterzeichnung verfügt ist (OLG Hamm, FamRZ 2000, 901; OLG Brandenburg, FamRZ
2001, S. 1069), richtiger Weise kann eine Verfügung gemäß § 648 Abs. 3 ZPO aber erst
angenommen werden, wenn der Beschluss zur Zustellung an die Beteiligten aus dem
inneren Geschäftsbetrieb herausgegeben ist
OLG Hamm, MDR 2005, S. 694; Zöller. ZPO, 25. Auflage, § 648 ZPO, Rdnr. 12;
Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 648 Rz. 13). Auch wenn dem Antragsteller durch das
vereinfachte Verfahren möglichst schnell ein Unterhaltstitel verschafft werden soll, so ist
doch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Frist des § 647 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
ZPO nicht zu einer Ausschlussfrist ausgestaltet hat. § 648 Abs. 3 ZPO wurde eingeführt,
weil auch nach Fristablauf eingehende Einwendungen berücksichtigt werden sollten,
um zu vermeiden, dass der Antragsgegner bereits bei Versäumung der Monatsfrist den
Weg der Abänderungsklage nach § 654 ZPO beschreiten muss (vgl.
Mühlens/Kirchmeier/Greßmann/Knittel, Kindschaftsrecht, 2. Aufl., S. 400). Dann
erscheint es auch sachgerecht, vom Vorliegen einer Verfügung i. S. von § 648 Abs. 3
ZPO erst beim Existentwerden des Beschlusses nach den allgemeinen Regeln
auszugehen.
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Nur so wird auch ein Gleichklang der Auslegung mit dem Begriff der Verfügung erreicht,
wie er im ähnlich gelagerten Mahnverfahren gebraucht wird (vgl. § 692 Abs. 1 Nr. 3, 4
ZPO). Nach § 694 ZPO kann ein Antragsgegner gegen den Anspruch bei dem Gericht,
das den Mahnbescheid erlassen hat, schriftlich Widerspruch erheben, solange der
Vollstreckungsbescheid nicht
verfügt
633) entschieden, dass damit der Zeitpunkt gemeint sei, zu dem
Gerichtsentscheidungen allgemein wirksam würden - nämlich dann, wenn sie zur
Kenntnis von Personen außerhalb des Gerichts hinausgegeben werden. Es müsste auf
Unverständnis stoßen, wenn der Begriff der Verfügung im
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Unterhaltsfestsetzungsverfahren anders ausgelegt würde, als es der BGH für das
Mahnverfahren vorgegeben hat.
III.
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Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 21 GKG. Im übrigen enthält der
zurückverweisende Beschluss keine Kostenentscheidung, denn das Verhältnis des
Obsiegens und Unterliegens richtet sich nach dem endgültigen Ergebnis des
Verfahrens.
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