Urteil des OLG Hamm vom 23.10.2003

OLG Hamm (abnahme, kläger, zpo, zug, rate, einrede, pastor, zahlung, beseitigung, bezug)

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 58/03
Datum:
23.10.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 58/03
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 O 77/01
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Januar 2003 verkündete
Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Verurteilung zum Zinsanspruch entfällt.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 1/8 und die
Beklagte zu 7/8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Begründung:
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Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das am 14. Januar 2003 verkündete Urteil
der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen, wegen dessen Inhalts gem. § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO auf Blatt 175 ff GA Bezug genommen wird, ist hinsichtlich der von den
Klägern verlangten Hauptforderung unbegründet und führt nur zur Aufhebung der zum
Zinsanspruch ergangenen Verurteilung.
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Die Kläger können die Zahlung des offenstehenden Restbetrages der 4. Rate
(9.401,91 DM) und die nach dem am 26. September 2000 bei Bezugsfertigkeit fällige 5.
Rate (29.500,30 DM) für die Erstellung der von der Beklagten erworbenen
Eigentumswohnung verlangen, so daß ihnen der vom Landgericht in Höhe von
38.902,21 DM, entsprechend 19.890,38 € zuerkannte Anspruch zusteht.
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I.
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Die Forderung ist unabhängig davon fällig, ob die im Vertrag vom 26. September 2000
orientiert an § 3 Abs. 2 MaBV getroffene Ratenzahlungsvereinbarung wegen Verstoßes
gegen wesentliche Grundgedanken des am 01.05.2000 in Kraft getretenen § 632 a BGB
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nach § 9 AGBGesetz unwirksam ist (s. zur Darstellung des Streitstandes z.B.
Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 10. Aufl., Rdn. 1230; Kniffka, IBR-Online-Kommentar
"Die Änderungen des gesetzlichen Bauvertragsrechts durch das Gesetz zur
Modernisierung des Schuldrechts", Stand: 02.06.2003, § 632 a BGB Rdn. 26; Palandt-
Sprau, BGB, 61. Aufl., § 632 a Rdn. 3; Ullmann NJW 2002, 1073, 1075 f.).
Wenn man die Ratenzahlungsvereinbarung für wirksam hält, ist neben der 4. auch die 5.
Rate ohne weiteres fällig. Eine Bezugsfertigkeit ist nämlich zu bejahen, wenn dem
Erwerber der Bezug zugemutet werden kann und das gesamte Objekt mit Ausnahme
der Außenanlagen und der Beseitigung von Mängeln, die nicht die Sicherheit des
Wohnens beeinträchtigen, fertiggestellt ist (Werner/Pastor, a.a.O., Rdn. 1235). Diese
Voraussetzungen lagen schon beim Einzug der Beklagten vor. Ihr war ein sicheres
Bewohnen des Objekts bereits damals möglich.
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Aber auch wenn man eine wirksame Ratenzahlungsvereinbarung verneinte, wären die
hier streitigen Forderungen der Kläger nach dem dann anwendbaren § 641 Abs. 1 BGB
in der gem. Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB maßgeblichen bis zum 1. Januar 2002 geltenden
Fassung fällig. Die Beklagte hat das Werk der Kläger nämlich gem. § 640 Abs. 1 BGB a.
F. abgenommen. Die Abnahme stellt die körperliche Hinnahme des Werkes verbunden
mit der Anerkennung des Werkes als in der Hauptsache vertragsgemäße Leistung dar.
Eine entsprechende Erklärung hat die Beklagte mit Unterzeichnung des
"Bauabnahmeprotokolls" am 11. Januar 2001 abgegeben. Zwar sind in dem Protokoll
mehrere Mängel aufgelistet, die die Parteien aber ersichtlich nicht als ein Hindernis für
eine Billigung des Werkes als im wesentlichen vertragsgemäß angesehen haben.
Obwohl das Schriftstück als "Bauabnahmeprotokoll" bezeichnet ist, hat die Beklagte
nicht zum Ausdruck gebracht, die Wirkungen einer Abnahme nicht eintreten lassen zu
wollen. Vielmehr ist in das Protokoll eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf
10 Jahre aufgenommen worden. Diese Regelung stand in einem unmittelbaren
Zusammenhang mit der Abnahme, weil die Verjährungsfrist gem. § 638 Abs. 1 S. 2 BGB
a.F. mit der Abnahme beginnt. Hinzu kommt, daß die Parteien die festgestellten Mängel
als relativ leicht behebbar angesehen haben, wie daraus folgt, daß eine Beseitigung bis
zum 12. Februar 2000 vereinbart worden ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß für
eine Auslegung des Verhaltens der Beklagten als Abnahmeerklärung aus Sicht der
Kläger darüber hinaus sprach, daß in § 9 Nr. 2 des am 26. September 2000
geschlossenen Vertrages die Unterzeichnung eines Übergabeprotokolls, in dem Mängel
und Restarbeiten aufgeführt sind, als Abnahme gelten sollte.
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Die Abnahme bezog sich nicht nur auf das Sondereigentum der Beklagten, sondern
ersichtlich auch auf das Gemeinschaftseigentum. Dies gilt nicht nur für die Teile des
Gemeinschaftseigentums, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
Sondereigentum standen (z.B. umschließende Wände), sondern auch für alle Teile des
Gemeinschaftseigentums mit Ausnahme der Außenanlagen. § 9 Nr. 4 des
geschlossenen Vertrages sieht nämlich lediglich für die Außenanlagen eine weitere
Abnahme durch den Verwalter oder den Verwaltungsbeirat vor. Die Abnahme des
Gemeinschaftseigentums durch die Beklagte ist bezogen auf ihre Person auch ohne
Beteiligung der anderen Wohnungseigentümer wirksam, da die Abnahme des
Gemeinschaftseigentums durch jeden Wohnungseigentümer einzeln mit Folgen jeweils
nur für ihn vorzunehmen ist (BGH BauR 1985, 314, 316; Werner/Pastor, a.a.O.,
Rdn. 507). Eine weitere Abnahme des Gemeinschaftseigentums war soweit ersichtlich
über die Abnahme vom 11. Januar 2001 hinaus nicht vorgesehen.
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Im übrigen kann die Beklagte mit dem Vortrag, das Werk nicht abgenommen zu haben,
auch aus formalen Gründen nicht mehr gehört werden. Der gegenteiligen Behauptung
der Kläger ist sie erstinstanzlich nicht entgegengetreten. Ihre beiläufig geäußerte
Meinung, die Klageforderung sei nicht fällig (s. S. 3 des Schriftsatzes vom 10.05.2001,
Bl. 43 GA), hat sie nicht auf eine unterbliebene Abnahme gestützt. Das erstmals
zweitinstanzlich erfolgte Bestreiten, am 1. November 2001 eine Abnahme erklärt zu
haben, kann deshalb gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen werden. Zwar ist der
Begriff der Abnahme ein Rechtsbegriff, er enthält jedoch für die anwaltlich vertretene
Beklagte offensichtlich einen Tatsachenkern, dem sie schon erstinstanzlich hätte
entgegentreten müssen.
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Hinsichtlich der evtl. noch nicht abgenommenen Außenanlagen ist inzwischen
zumindest eine Abnahmereife eingetreten. Dies folgt aus dem von den Klägern
vorgelegten Mängelprotokoll über eine Begehung der Anlage durch den klagenden
Ehemann und den Verwalter Atzert am 15. Juli 2003. Relevante Mängel der
Außenanlagen behauptet die Beklagte mit ihrem letzten Schriftsatz vom 2. Oktober 2003
inzwischen selbst nicht mehr. Die nicht näher dargestellte Notwendigkeit der
Bereitstellung einer Bank für den Sandkasten steht einer Abnahmereife nicht entgegen.
Im übrigen ergibt sich aus den handschriftlichen Anmerkungen auf dem Protokoll der
Ortsbegehung vom 15. Juli 2003, daß inzwischen eine Lieferung erfolgt ist.
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II.
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Die erfolgte Abnahme steht der Geltendmachung der Einrede des nicht erfüllten
Vertrages nach §§ 320, 322 BGB, die zur Verurteilung zur Zahlung Zug um Zug gegen
Mangelbeseitigung führt, zwar nicht entgegen. Die Beklagte kann den Ansprüchen der
Kläger auf Zahlung der 4. und 5. Rate jedoch kein weitergehenderes als das vom
Landgericht bereits berücksichtigte Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten. Die Einrede
des nicht erfüllten Vertrages kann auch gegenüber nach Baufortschritt fälligen Raten
erhoben werden. Dabei kann der Eigentümer neben Mängeln an seinem
Sondereigentum Mängel am Gemeinschaftseigentum geltend machen (Werner/Pastor,
a.a.O., Rdn. 481 f., 2524). Über die vom Landgericht anerkannten Mängel hinaus kann
die Beklagte weitere von den Klägern zu beseitigende Mängel jedoch nicht einwenden.
Das Landgericht hat sie Zug um Zug gegen Beseitigung der Feuchtigkeit im Keller, der
Risse in der Garage und der Mängel am Balkon verurteilt, wobei der Tenor dahin zu
verstehen ist, daß nur die in ihrem Besitz befindlichen Räumlichkeiten gemeint und die
Feststellungen des Sachverständigen Brackhan nur hinsichtlich der aufgefundenen
Mängel, nicht jedoch hinsichtlich der vorgeschlagenen Sanierungsmethode in Bezug
genommen worden sind (s. S. 8 des landgerichtliche Urteils, Bl. 182 GA). Dies war
richtig, weil der Unternehmer grundsätzlich Art und Weise der Nachbesserung
bestimmen kann. Der Besteller kann ausnahmsweise dann eine bestimmte Art der
Nachbesserung verlangen, wenn der Mangel nur durch diese beseitigt werden kann
(Palandt-Sprau, a.a.O., § 633 Rdn. 5 c). Die Beklagte hat dementsprechend im
Kammertermin vom 14. Januar 2003 nur allgemein ein "Zurückbehaltungsrecht" wegen
der vom Sachverständigen festgestellten Mängel erhoben (Bl. 172 GA), ohne die
Einrede auf eine bestimmte Sanierungsmethode zu konkretisieren. Im übrigen ist der
erstinstanzliche Vortrag im Schriftsatz vom 26. November 2002 (Bl. 171 GA) dahin zu
verstehen, daß sie einer Sanierung durch ein Injektionsverfahren nicht mehr
entgegentreten wollte. Ein abweichendes Vorbringen ist ihr deshalb zweitinstanzlich
gem. § 531 Abs. 2 ZPO auch verwehrt.
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Im Hinblick auf § 641 Abs. 3 BGB a.F. ist im übrigen unerheblich, ob der
Sachverständige Brackhan die Sanierungskosten zu niedrig bemessen hat, weil das
Landgericht bereits die gesamte Klageforderung unter einen Zug-um-Zug-Vorbehalt
gestellt hat.
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Soweit sich die Beklagte zweitinstanzlich auch wegen der anderen
Eigentumswohnungen zugehörigen Keller, Balkone und Garagen auf ein
Zurückbehaltungsrecht beruft, mag es dabei wegen der betroffenen Decken und Wände
(teilweise) auch um Gemeinschaftseigentum und nicht nur um Sondereigentum der
anderen Eigentümer gehen, so daß sie im Prinzip Rechte geltend machen kann. Sie hat
sich erstinstanzlich ausdrücklich aber nur hinsichtlich der vom Sachverständigen C
festgestellten Mängel, die sich auf ihre Räumlichkeiten bezogen, auf ein
Zurückbehaltungsrecht berufen, so daß ihre darüber hinausgehend zweitinstanzlich
geltend gemachte Einrede gem. § 531 Abs. 2 ZPO ein neues unzulässiges
Verteidigungsmittel darstellt, da ihr diese behaupteten Mängel auch schon
erstinstanzlich bekannt sein mußten.
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Soweit die Beklagte darüber hinaus wegen der in ihrem Schriftsatz vom 2. Oktober 2003
erwähnten vermeintlichen weiteren Mängel ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen
will, ist sie damit für die bereits während der ersten Instanz ersichtlichen Mängel
wiederum nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Zu Beanstandungen am
Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer ist sie ohnehin nicht befugt. Schließlich
hat sie das Fortbestehen von Mängeln angesichts der von den Klägern vorgelegten
Erledigungsliste zur Ortsbegehung vom 15. Juli 2003 auch unter Berücksichtigung der
Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 2. Oktober 2003 nicht nachvollziehbar gemacht.
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III.
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Das Landgericht hat den Klägern allerdings zu Unrecht Zinsen zugesprochen. Allein
das objektive Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechtes nach §§ 320, 322 BGB,
das das Landgericht zu Recht angenommen hat, ohne daß dies von den Klägern
zweitinstanzlich in Frage gestellt wird, hindert den Eintritt des Schuldnerverzuges
(Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 320 Rdn. 12) und steht deshalb einem
Verzugszinsanspruch entgegen.
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IV.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 S. 1, 708 Nr. 10, 711,
713, 543 Abs. 2 ZPO.
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