Urteil des OLG Hamm vom 21.01.2009

OLG Hamm: fristlose kündigung, grundsatz der freien beweiswürdigung, treu und glauben, quittung, rechtliche qualifikation, wichtiger grund, räumung, herausgabe, mietzins, gesellschafter

Oberlandesgericht Hamm, 30 U 106/08
Datum:
21.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
30. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
30 U 106/08
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 6 O 202/07
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.05.2008 verkündete Urteil
des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung aus diesem Urteil
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Gründe
1
I.
2
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht von der Beklagten Räumung und
Herausgabe einer an die Beklagte vermieteten Werkhalle.
3
Die Beklagte schloss mit der I GbR (nachfolgend: Vermieterin) am 29.05.2002 einen
Mietvertrag über die rechte Werkhalle von drei Hallenschiffen auf dem Grundstück H-
Straße in T-X. Das Mietverhältnis begann am 01.06.2002 und war zunächst auf eine
Dauer von 10 Jahren befristet. Der Mietzins von pauschal 4.888,00 € war am 5. Werktag
eines jeden Monats fällig.
4
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 4 – 6 d.A. verwiesen.
5
Am 10.09.2003 schlossen die Mietvertragsparteien eine Vereinbarung über die Höhe
des Mietzinses. In einem Schreiben der Vermieterin an die Beklagte heißt es u.a.:
6
"Sehr geehrter Herr C2,
7
aufgrund der Insolvenz der S2 GmbH & Co. KG, N vom 04.09.2003 ändern wir
absprachegemäß den Mietvertrag vom 29.05.2002 in nachfolgenden Punkten wie folgt:
8
§ 4 Mietzins
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Der Mietzins reduziert sich ab Monat August 2003 auf 3.000,-- EUR monatlich, brutto
pauschal.
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Wir unterstellen, daß es mittelfristig gelingen wird, die bisher von S GmbH & Co. KG
genutzte Hallenfläche anderweitig zu vermieten.
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Aus diesem Grunde reduziert sich der Mietzins ab 01.07.2004 um weitere 1.500,-- EUR,
auf dann 1.500,-- EUR, brutto, pauschal.
12
Als Voraussetzung dieser Absenkung gilt jedoch eine Mietvorauszahlung über
insgesamt 36 Monate in Höhe von 1.500,-- EUR/Monat, d.h. über insgesamt EUR
54.000,--, die zum 01.07.2004 zu leisten ist.
13
§ 5 Mietanpassungsklausel
14
Aufgrund der allgemeinen aktuellen Wirtschaftslage wird § 5 des Mietvertrages ersatzlos
gestrichen.
15
Alle anderen Bestandteile des Vertrages vom 29.05.2002 bleiben unverändert
bestehen."
16
Das Schreiben trägt die Unterschriften des Zeugen I als Gesellschafter der Vermieterin
und des Geschäftsführers der Beklagten.
17
Die Beklagte leistete in dem Jahr 2003 unstreitig folgende Mietzahlungen:
18
24.02.2003: 4.780,00 €
19
21.05.2003: 2.390,00 €
20
16.06.2003: 2.390,00 €
21
06.08.2003: 3.000,00 €
22
September 2003 3.000,00 €
23
Oktober 2003 3.000,00 €
24
November 2003 3.000,00 €
25
Dezember 2003 3.000,00 €.
26
Im Jahr 2004 sind unstreitig folgende weitere Zahlungen erfolgt:
27
27.02.2004: 3.000,00 €
28
16.04.2004: 1.500,00 €
29
10.05.2004: 3.000,00 €
30
30.07.2004: 3.000,00 €
31
31.12.2004: 2.000,00 €
32
Am 01.09.2004 richtete die Vermieterin ein weiteres Schreiben an die Beklagte, in dem
es heißt:
33
"Sehr geehrter Herr C2,
34
in Verbindung mit der Änderung des Mietvertrages vom 10.09.2003 bestätige ich hiermit,
als Mietvorauszahlung für einen Zeitraum vom 36 Monaten (01.09.2004 – 31.08.2007)
35
EURO: 54.000,--
36
in Worten: vierundfünfzigtausend
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dankend erhalten zu haben."
38
Das Schreiben wurde vom Zeugen I als Gesellschafter der Vermieterin unterzeichnet.
39
Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17.11.2004 wurden die Ansprüche
des Zeugen I gegen die Beklagte zugunsten der D AG, E, aus einem vollstreckbaren
Titel des Notars A.Q vom 16.08.2001 gepfändet.
40
Mit Schreiben vom 09.02.2007 erklärte die Vermieterin gegenüber der Beklagten die
Kündigung des Mietverhältinsses. In dem Schreiben heißt es u.a.:
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"wie Ihnen bereits in unserem Gespräch Anfang dieser Woche in Ihrem Büro vorab
mitgeteilt, kündige ich hiermit den o.g. Mietvertrag zum Ende dieses Quartals, d.h. zum
31.3.07".
42
Das Schreiben wurde lediglich nur von dem Zeugen I als Gesellschafter der Vermieterin
unterzeichnet.
43
Mit anwaltlichem Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom
23.05.2007 erklärte die Vermieterin erneut die Kündigung des Mietvertrages. Die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben darin ausgeführt:
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"in der Anlage finden Sie im Original eine auf uns ausgestellte Vollmacht des Herrn I.
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Namens und in Vollmacht unseres Mandanten erklären wir Ihnen hiermit nochmals die
46
fristlose Kündigung
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Ihres Mietverhältnisses mit der Aufforderung, die Mieträume nunmehr bis zum
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05.06.2007 zu räumen und geräumt an Herrn I oder die Firma C herauszugeben.
Die fristlose Kündigung wird darauf gestützt, dass Sie in den Jahren 2004, 2005, 2006
und 2007 bisher lediglich 12.500,00 € auf die monatliche Miete von 3.000,00 €, gültig ab
August 2003, gezahlt haben."
49
Unter dem 21.09.2007 schlossen die Vermieterin und die Beklagte einen
Abtretungsvertrag, in dem es u.a. heißt:
50
"Die I GbR tritt die ihr zustehenden Ansprüche auf Räumung und Herausgabe gegen die
Firma F GmbH, H-Straße, ####1 T, an Firma C ab, die die Abtretung annimmt. Mit
abgetreten werden etwaige Ansprüche auf Nutzungsentschädigung wegen Ablaufs des
Mietverhältnisses sowie auf Räumung und Herausgabe gegen Dritte, die sich auf dem
an Firma F vermieteten Gelände befinden. Der vertragliche Anspruch auf Räumung und
Herausgabe besteht gem. § 546 BGB.
51
Die Abtretung beinhaltet ausdrücklich das Recht, Herausgabe von dem Mieter und
etwaigen Dritten sowie Zahlung von Nutzungsentschädigung zu verlangen und ggf.
einzuklagen."
52
Mit anwaltlichem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 02.10.2007
erklärte die Vermieterin erneut die Kündigung des Mietvertrages. Die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben darin ausgeführt:
53
"wie Sie wissen, vertreten wir Eheleute I und L I, B, C-Straße b.
54
Entsprechende Originalvollmacht liegt an.
55
Namens und in Vollmacht unseres Mandanten erklären wir Ihnen hiermit nochmals die
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fristlose Kündigung
57
Ihres gewerblichen Mietverhältnisses über die Hallenräume in T, I4 T2, mit der
Aufforderung, diese Räume bis zum 10.10.2007 zu räumen und geräumt
herauszugeben.
58
Die fristlose Kündigung stützt sich darauf, dass Sie in den Jahren 2004, 2005, 2006 und
2007 lediglich folgende Zahlungen geleistet haben:
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2.000,00 €, 9.500,00 €, 7550,00 € und 250,00 €.
60
Die monatlich zu zahlende Miete beträgt jedoch seit August 2003 3.000,00 €."
61
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Vermieterin sei aufgrund des Rückstandes
der Beklagten mit der Zahlung der Mietzinsen für die Jahre 2004 bis 2007 zur
Kündigung berechtigt gewesen. Sie hat dazu zunächst in der Klageschrift behauptet, die
Beklagte habe in diesen Jahren nur folgende Mietzahlungen erbracht:
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Jahr 2004: 2.000,00 €
63
Jahr 2005: 9.500,00 €
64
Jahr 2006: 750,00 €
65
Jahr 2007: 250,00 €.
66
Sie hat weiter behauptet, der Zeuge I habe im Glauben daran, dass die Beklagte die
Vorauszahlung von 54.000,00 € noch leisten werde, die Quittung vom 01.09.2004
unterzeichnet, obwohl er das Geld tatsächlich nicht erhalten habe.
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Sie hat beantragt,
68
die Beklagte zu verurteilen, die von der Beklagten genutzte Werkshalle
(Hallenschiff) zur Größe von ca. 1.766 m² Hallenflächen auf dem gewerblichen
Gelände in T, I4 T2, sowie die in dieser Werkshalle vorhandenen Büro- und
Sozialräume zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
71
Sie hat dazu behauptet, sie habe neben weiteren Mietzahlungen an die Vermieterin
auch den Vorauszahlungsbetrag in Höhe von 54.000,00 € gemäß der Vereinbarung
vom 10.09.2003 geleistet. Diese Zahlung habe der Zeuge I am 01.09.2004 quittiert. Sie
hat die Auffassung vertreten, dass daher kein zur Kündigung berechtigender
Mietrückstand bestanden habe.
72
Der Einzelrichter der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen hat nach
Beweisaufnahme durch uneidliche Vernehmung des Zeugen I die Beklagte
antragsgemäß verurteilt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung am 21.04.2008 Bezug genommen.
Zur Begründung hat der Einzelrichter im wesentlichen ausgeführt:
73
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Räumung der im Klageantrag bezeichneten
Gebäude und Räume aus § 546 Abs. 1 BGB i.V.m. § 398 BGB gegen die Beklagte zu.
Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis sei durch die außerordentliche
Kündigung der Klägerin mit Schreiben vom 02.10.2007 beendet worden. Insofern könne
dahinstehen, ob auch die außerordentlichen Kündigungen vom 09.02.2007 und
23.05.2007 schon zu einer Beendigung des Mietvertrages geführt hätten.
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Es liege ein wichtiger Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses vor. Die Beklagte sei
mit der Entrichtung der Miete für zwei aufeinander folgende Termine in Verzug, da sie
die monatliche Miete von 3.000,00 € spätestens seit dem Jahre 2005 nicht mehr
regelmäßig gezahlt habe.
75
Die monatliche Miete habe sich auch nicht auf eine monatliche Zahlung von 1.500,00 €
reduziert, da die Beklagte die Vereinbarung zwischen der I GbR und der Beklagten nicht
erfüllt habe. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass am 01.09.2004 eine Zahlung von
54.000,00 € an die I GbR erfolgt sei. Zwar streite für die Beklagte die vom Zeugen I
unterzeichnete Quittung, die Klägerin habe jedoch die dadurch begründete Vermutung,
dass der quittierte Betrag auch tatsächlich gezahlt worden sei, zu erschüttern vermocht.
Der Zeuge I2 habe stimmig und glaubhaft bekundet, das Geld trotz Unterzeichnung der
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Quittung nicht erhalten zu haben. Damit habe die Klägerin den Nachweis einer
ernsthaften Möglichkeit eines anderweitigen Geschehensverlaufs, also die Nichtzahlung
der 54.000,- Euro erbracht.
Der Mietzins sei auch nicht wegen eines Mangels der Mietsache gemindert. Der Vortrag
der Beklagten zum Vorhandensein von diversen Mängeln sei unsubstantiiert, zudem sei
nicht zur Höhe der Mietminderung vorgetragen worden.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten
Berufung, mit der sie unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens eine Abänderung des angefochtenen Urteils und Klageabweisung verlangt.
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Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht.
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Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die Quittung des Zeugen I3 vom
01.09.2004 belege, dass dieser Betrag von der Beklagten an die I3 GbR gezahlt worden
sei.
80
Die Beklagte ist der Ansicht, das Landgericht habe nicht aufgrund der Aussage des
Zeugen I über den Inhalt dieser Quittung hinweggehen dürfen. Es handele sich um eine
Quittung im kaufmännischen Verkehr, auf die Verlass sein müsse. Zudem habe das
Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung die Interessenlage und den zeitlichen
Ablauf zu Unrecht nicht beachtet. So habe der Zeuge I ein erhebliches Eigeninteresse
am Ausgang des Rechtsstreits und die I GbR habe während der gesamten durch die
Vorauszahlung abgedeckten Zeit von 2004 bis Anfang 2007 die monatlichen Mietzinsen
nicht angemahnt. Die plötzliche Kündigung vom 09.02.2007 habe der Zeuge I dann
auch nicht erklären können.
81
Sie beantragt,
82
das angefochtene Urteils abzuändern und die Klage abzuweisen.
83
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und nimmt zur Begründung auf ihr
erstinstanzliches Vorbringen Bezug.
86
Das landgerichtliche Urteil weise keinen Rechtsfehler auf, da das Landgericht unter
zutreffender Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt sei, dass eine Zahlung von
54.000,00 € nicht erfolgt sei.
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Sie behauptet dazu, die Vereinbarung vom 10.09.2003 sei zustande gekommen,
nachdem die Beklagte seit dem Jahr 2003 mit Mietzahlungen in Verzug geraten sei.
Daher habe man sich auf die Reduzierungen in der Vereinbarung geeinigt. Zudem habe
der Zeuge I eine Pfändung seiner Mietzinsansprüche durch die D befürchtet und sich
auch aus diesem Grund auf die Vereinbarung zur Reduzierung der Miete unter der
Voraussetzung einer Sonderzahlung von 54.000,00 € eingelassen. Er habe diese
Vereinbarung im Vertrauen auf die Zahlungszusage der Beklagten unterschrieben. Eine
Mahnung an die Beklagte, die Mietzinsen zu zahlen, sei nicht erfolgt, weil die Mieten
88
aufgrund der Pfändung der D zugestanden hätten. Die D sei jedoch untätig geblieben
und habe schlussendlich einer freihändigen Veräußerung des Grundbesitzes an den
Geschäftsführer der Klägerin zugestimmt. Der Zeuge I sei daher am Rechtsstreit
wirtschaftlich nicht mehr interessiert. Die Beklagte habe demgegenüber nicht dargelegt,
wann die behauptete Zahlung erfolgt sei und woher das Geld stamme. Zudem sei dann
nicht nachvollziehbar, dass sie in der Folgezeit noch Zahlungen erbracht habe.
Sie vertritt weiter die Ansicht, auch im Falle der Zahlung des Betrages von 54.000,00 €
sei eine Reduzierung des Mietzinses nicht eingetreten, da die Zahlung nicht – wie nach
der Vereinbarung vom 10.09.2003 vorgesehen - bis zum 01.07.2004 erfolgt sei. Aus der
Erklärung vom 01.09.2004 folge jedenfalls nicht, dass durch die Vorauszahlung eine
Reduzierung des Mietzinses eintreten solle.
89
Jedenfalls müsse sich die Zedentin die Quittung nicht als Erfüllungsnachweis
entgegenhalten lassen, da die Quittung nur von einem Gesellschafter unterschrieben
sei.
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Zudem habe auch für den Fall, dass die Zahlung von 54.000,00 € tatsächlich erfolgt sei,
ein erheblicher Zahlungsrückstand von 25.500,00 € bestanden. Denn die Zahlungen ab
2004 seien mangels Leistungsbestimmung der Beklagten gem. § 366 Abs. 1 BGB auf
die ältesten Rückstände zu verrechnen gewesen, mithin auf den Rückstand aus dem
Jahr 2003 iHv. 27.046,00 €.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in dieser Instanz wird auf
die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen; diese sind Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen I.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom
18. Dezember 2008 Bezug genommen.
93
II.
94
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
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Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht Räumung und Herausgabe der von der I
GbR an die Beklagte vermieteten Gewerbehalle verlangen, §§ 546 Abs. 1, 543 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3, 398 BGB.
96
1.
97
Das Mietverhältnis vom 29.05.2002 zwischen der Beklagten und der I GbR ist durch die
mit anwaltlichem Schreiben vom 02.10.2007 erklärte fristlose Kündigung des
Mietverhältnisses beendet worden.
98
Die vorhergehenden Kündigungen vom 09.02.2007 und 23.05.2007 waren unwirksam.
Zwar verbleibt das Kündigungsrecht trotz Abtretung des Herausgabeanspruchs beim
Vermieter (Erman/Jendrek, BGB, 12. Aufl. 2008, § 542 BGB, Rn. 4), die Kündigung vom
09.02.2007 und die der Kündigung vom 23.05.2007 zugrunde liegende Vollmacht waren
jedoch unstreitig nicht von beiden Gesellschaftern der GbR unterzeichnet. Die
Kündigung durch eine Außen-GbR muss im Falle der Gesamtvertretung durch sämtliche
99
Gesamtvertretungsberechtigte erfolgen (Erman/Jendrek, BGB, 12. Aufl. 2008, § 542
BGB, Rn. 10).
2.
100
Die Beklagte befand sich am 02.10.2007 mit der Zahlung von mehr als zwei
Monatsmieten in Verzug, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB.
101
a)
102
Allerdings bestand entgegen den Feststellungen des Landgerichts kein
Kündigungsgrund wegen eines Rückstandes mit Mietzahlungen aus dem Jahr 2007.
103
Denn die Beklagte hatte ihre Verpflichtung zur Zahlung der monatlichen Miete für den
Zeitraum von September 2004 bis einschließlich August 2007 durch die Vorauszahlung
in Höhe von 54.000,00 € am 01.09.2004 erfüllt.
104
Die Zahlung der Beklagten wurde durch den Zeugen I am 01.09.2004 schriftlich
bestätigt. Bei dieser unstreitig vom Zeugen unterzeichneten Quittung vom 01.09.2004
handelt es sich um eine Privaturkunde, die nach § 416 ZPO vollen Beweis dafür
erbringt, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden
sind (Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 416 Rn. 3).
105
Die Klägerin hat den Beweis, dass die Zahlung entgegen der schriftlichen Erklärung des
Zeugen I nicht erfolgt ist, nicht geführt.
106
Der Senat ist insoweit nicht an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, § 529
Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Ob die in einer Privaturkunde enthaltenen Angaben zutreffen, ob
insbesondere ein in der Urkunde bestätigtes Rechtsgeschäft zustande gekommen ist
und welchen Inhalt es hat, unterliegt der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung (BGH
NJW-RR 1993, 1379 mwN.). Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist zu
beurteilen, inwieweit die formell beweiskräftige Urkunde dem Gericht die Überzeugung
davon verschaffen kann, dass die beurkundeten Tatsachen und Vorgänge der
Wirklichkeit entsprechen (Musielak/Huber, a.a.O., § 415 ZPO, Rn. 3). Das
Berufungsgericht hat zu prüfen, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den
Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die
Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und
Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW-RR 1993, 1379 m.w.N.).
107
Das Landgericht hat jedoch schon nicht festgestellt, dass dass es nach § 286 ZPO
davon überzeugt ist, dass die Zahlung von 54.000,00 € nicht erfolgt ist, sondern nur den
Nachweis einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensverlaufes als
erbracht angesehen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat sich das Landgericht nicht
mit der Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen auseinandergesetzt, der ungeachtet der
Pfändung seiner Mietzinsansprüche ein eigenes Interesse am Ausgang des
Rechtsstreits haben dürfte, da er bei einer erwiesenen Nichtzahlung des Betrages von
54.000,00 € diesen Betrag von der Beklagten fordern könnte. Auch die Erwägungen des
Landgerichts zur Glaubhaftigkeit der Aussage sind nur knapp und zeigen nicht auf,
warum das Landgericht dem Zeugen dahingehend gefolgt ist, dass er aufgrund eines
Fehlers trotz Nichtzahlung eine Quittung über einen Betrag von 54.000,00 €
unterzeichnet habe. Es fehlt jede Erklärung, aus welchen Gründen der Zeuge davon
108
ausgegangen sein will, das Geld in der Folgezeit zu erhalten.
Der Senat ist nach der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen I3 nicht davon
überzeugt, dass die Beklagte entgegen der schriftlichen Bestätigung durch den Zeugen
den Vorauszahlungsbetrag von 54.000,00 € nicht gezahlt hat. Zwar hat der Zeuge
bestätigt, den Betrag nicht erhalten zu haben. Die Aussage des Zeugen vermochte den
Senat jedoch nicht zu überzeugen, da Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen
bestehen. Denn der Zeuge hat ein erhebliches eigenes Interesse am Ausgang des
Rechtsstreits. Er hat selbst bekundet, dass die von ihm erklärte Kündigung auf dem
Wunsch der Klägerin beruhte, die einen Erwerb des Gesamtobjektes beabsichtigte.
Hinzu kommt, dass der Zeuge nicht nachvollziehbar erläutern konnte, welche Gründe
ihn bewegt haben, eine Quittung über den nicht unerheblichen Betrag von 54.000,00 €
auszustellen, wenn das Geld tatsächlich nicht gezahlt worden ist.
109
b)
110
Die Beklagte befand sich jedoch zum Zeitpunkt der Kündigung unstreitig mit der
Zahlung der Mieten für die Monate Januar 2004, März 2004, Juni 2004 und August 2004
im Rückstand.
111
Dieser Rückstand ist auch nicht durch die weiteren Zahlungen der Beklagten im Jahr
2005 in Höhe von insgesamt 9.500,00 € erloschen, da diese Zahlungen gem. § 366
Abs. 2 BGB auf die Forderungen der Vermieterin aus dem Jahr 2003 in Höhe von
insgesamt 26.544,00 € zu verrechnen waren. Für das Jahr 2003 errechnet sich ein
Mietzins iHv. 51.104,00 € (8 x 4.888,00 € + 4 x 3.000,00 €), so dass abzüglich der
unstreitigen Zahlungen der Beklagten von insgesamt 24.560,00 € ein Betrag von
26.544,00 € offen stand.
112
Die Kündigung kann auch unbeschadet des Umstandes, dass die Mieten aufgrund der
Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse an die D zu zahlen waren, auf diesen
Zahlungsrückstand gestützt werden. Denn ausweislich der Pfändungs- und
Überweisungsbeschlüsse lag keine Beschlagnahme im Wege der Zwangsverwaltung
vor. Es handelte sich um eine Forderungspfändung auf der Grundlage eines in der
Grundschuldurkunde des Notars A.Q vom 16.08.2001 liegenden vollstreckbaren Titels.
Auch wenn dieser dinglicher Natur war, wurde hierdurch die rechtliche Qualifikation der
Mietzinsforderung nicht berührt; die Gläubigerin konnte diese Forderung nur in dem
Umfange geltend machen, in dem sie die Vermieterin selbst hätte geltend machen
können (vgl. OLG N2, GmbHR 2002, 65).
113
Die Zahlung dieser rückständigen Mieten aus dem Jahr 2004 durch die Beklagte wurde
spätestens mit Erhebung der Klage angemahnt.
114
Entgegen § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB war im Streitfall vor Ausspruch der fristlosen
Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Zwar tritt der Zahlungsverzug des Mieters
auch dann ohne Abmahnung ein, wenn der Vermieter über einen längeren Zeitraum
verspätete Zahlungen unbeanstandet hinnimmt (Erman/Jendrek, BGB, 12. Aufl. 2008, §
543 Rn. 21). Nimm aber der Vermieter einen Rückstand, der ihn zur Kündigung nach §
543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB berechtigt hätte, längere Zeit ohne Beanstandung hin, so
muss er vor Ausspruch der Kündigung dem Mieter unter Berücksichtigung von Treu und
Glauben unmissverständlich zu verstehen geben, dass er bei weiterem Verzug
kündigen werde bzw. dass er in Zukunft eine pünktliche Zahlung erwartet (OLG Hamm,
115
ZMR 1994, 560; Erman/Jendrek, BGB, 12. Aufl. 2008, § 543 BGB, Rn. 21). Eine
Abmahnung ist insbesondere dann unentbehrlich, wenn der Vermieter den Rückstand
über längere Zeit rügelos hingenommen hat (BGH, NJW 1959, 766).
Im vorliegenden Fall durfte die Beklagte aufgrund der Vereinbarung vom 10.09.2003
zwischen den Mietvertragsparteien und der Bestätigung der Vermieterin vom
01.09.2004 darauf vertrauen, dass die Vermieterin eine fristlose Kündigung nicht auf die
bis zum 01.09.2004 entstandenen Rückstände stützen werde. Denn bei Abschluss der
Vereinbarung vom 10.09.2003 war unstreitig beiden Mietvertragsparteien aufgrund der
Insolvenz der Firma S2 GmbH & Co KG die finanzielle Bedrängnis der Beklagten und
der Rückstand der Mietzahlungen bekannt. Auch bei Abgabe der Bestätigung vom
01.09.2004 bestand ein weiterer Rückstand von 14.500,00 €, der einen Grund zur
fristlosen Kündigung darstellte. Die Beklagte konnte aufgrund der Annahme des
Betrages von 54.000,00 € durch den Zeugen I als Gesellschafter der Vermieterin davon
ausgehen, dass die Vermieterin auch nicht wegen des bis dahin erneut eingetretenen
Rückstandes kündigen werde.
116
Dieser Vertrauenstatbestand bestand jedoch nach Zustellung der Klageschrift nicht
mehr fort, da die Klägerin darin ihren abgetretenen Räumungsanspruch ausdrücklich
auch auf den Rückstand für das Jahr 2004 gestützt hat. Auch wenn die Beklagte für das
Jahr 2004 einen Betrag von insgesamt 12.500,00 € – und nicht, wie von der Klägerin
behauptet, von nur 2.000,00 € gezahlt hat – konnte die Beklagte aufgrund der
Klageerhebung nicht mehr davon ausgehen, dass die Klägerin eine – erneute –
Kündigung nicht mehr auf den Rückstand aus dem Jahr 2004 stützen würde.
117
3.
118
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
119
4.
120
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
121