Urteil des OLG Hamm vom 25.11.1988

OLG Hamm (kläger, eintritt des versicherungsfalls, herkunft, wohnung, überwiegende wahrscheinlichkeit, versicherung, wirtschaftliches interesse, zeuge, täuschung, firma)

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 82/87
Datum:
25.11.1988
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 82/87
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 9 O 461/86
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 6. Februar 1987 verkündete
Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts ... abgeändert.
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Zur Klärung der Anspruchshöhe wird der Rechtsstreit an das
Landgericht ... zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Berufung
zu befinden haben wird.
Tatbestand:
1
Der Kläger macht aus Anlaß eines zwischen den Parteien streitigen
Einbruchsdiebstahls Entschädigungsansprüche aus seiner bei der Beklagten
bestehenden Hausratsversicherung geltend. Dem Versicherungsvertrag, der auf der
Grundlage des vom Kläger am 26.10.1985 unterschriebenen Antrags (Bl. 182 bis 185
GA) zustande kam - Versicherungsbeginn war der 30.09.1985, Bl. 26 GA -, liegen die
Allgemeinen Hausratsversicherungsbedingungen (VHB 84) zugrunde.
2
Am 27.12.1985 zeigte der Kläger oder seine Lebensgefährtin, die Zeugin ..., der Polizei
in ... an, daß über Weihnachten in ihre Wohnung in ... eingebrochen worden sei. Es
seien Teppiche, Pelze, Schmuck und Silber entwendet worden. Die Kriminalpolizei
besichtigte die Wohnung und stellte fest, daß die Täter vermutlich über das Flachdach
einer angrenzenden Lagerhalle zu der im 1. Stock gelegenen Wohnung gelangt waren
und dort die Scheibe, einer in die Küche führenden Tür eingeschlagen hatten, wodurch
sie Zugang zu der gesamten Wohnung hatten. Die Polizeibeamten fanden u.a. die
Schlafzimmertür und Türen des Kleiderschranks aufgebrochen vor; im Eßzimmer waren
sämtliche Schränke geöffnet und augenscheinlich durchsucht worden (Bl. 1 bis 4 sowie
Lichtbilder Bl. 13 bis 18 der Ermittlungsakte 22 Js 485/86 StA Bielefeld).
3
Der Kläger meldete der Beklagten mit schriftlicher Schadensanzeige vom 27.12.1985
(Bl. 57, 58 GA) den Schaden, während die Zeugin ... den Verlust des bei dem
Einbruchsdiebstahl nach ihrer Darstellung entwendeten Schmucks bei der ...
Versicherung geltend machte, wo sie im Juli 1985 eine Schmuckversicherung
4
abgeschlossen hatte. Der - dort ebenfalls streitige - Diebstahl des Schmucks ist
Gegenstand des vom Senat gleichzeitig verhandelten und entschiedenen Rechtsstreits
20 U 148/87.
Die Beklagte beauftragte u.a. den Sachverständigen ... mit der Ermittlung der
Schadenshöhe. Dieser führte am 13.01.1986 ein Gespräch mit dem Kläger und der
Zeugin ... dessen Inhalt im einzelnen streitig ist. Nach einem Vermerk über dieses
Gespräch (Bl. 333, 343 GA) bat ... zwecks endgültiger Feststellung des Schadens um
Belege (Bestätigung von Lieferanten, Herkunftsangaben, Zertifikate) für einige der als
gestohlen gemeldeten Pelzwaren, für die als gestohlen gemeldeten Teppiche und für
einen Teil des als gestohlen gemeldeten Schmucks des Klägers.
5
Daraufhin legte der Kläger am 30.01.1986 im Büro der für die Beklagte arbeitenden
Versicherungsermittlungsagentur in ... u.a. 5 Zertifikate für als gestohlen gemeldete
Teppiche im Original vor, die dort fotokopiert und in Ablichtung an die Beklagte
weitergeleitet wurden. Diese Zertifikate (Bl. 75 bis 79 GA), die Angaben über Größe und
Herkunft der Teppiche enthielten, trugen Stempel und Unterschrift einer Firma ... in ...
und Datumsangaben - soweit lesbar - aus den Jahren 1962 bis 1964.
6
Nachdem der von der Beklagten eingeschaltete Sachverständige ... festgestellt hatte,
daß die Firma ... erst im Jahre 1973 gegründet worden war, kam es am 10.03.1986 in
Frankfurt zu einer weiteren Besprechung zwischen dem Kläger, der Zeugin ... und dem
Sachverständigen ... an der auch der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des
Klägers teilnahm. In dieser Besprechung bestand Einigkeit darüber, daß die
Teppichzertifikate von der Zeugin ... nach dem ersten Gespräch mit dem
Sachverständigen ... am 13. Januar 1986 hergestellt worden waren. Insoweit ist
folgendes unstreitig:
7
Die Zeugin ... die früher mit ihrem inzwischen von ihr geschiedenen Ehemann einen
Möbelhandel betrieb, hatte in jener Zeit Geschäftsbeziehungen zu der in ... ansässigen
Firma ... unterhalten, wo - nach bestrittener Darstellung des Klägers - auch die als
gestohlen gemeldeten Teppiche erworben worden waren. Geschäftsführer dieser Firma
war der Zeuge ... gewesen. Zu ihm begab die Zeugin ... sich im Januar 1986 und ließ
sich von ihm Blanco-Zertifikate aushändigen, die er mit seiner Unterschrift und dem
Stempel seiner 1973 gegründeten Firma ... versah. Die Zeugin ... vervollständigte dann
die Zertifikate mit den Größen- und Herkunftsangaben und den angeblichen
Ausstellungsdaten, wobei ihr freilich entging, daß die Firma ... des Zeugen Hassan erst
1973 gegründet worden war.
8
Die Beklagte, die in der Vorlage dieser Teppichzertifikate den Versuch einer arglistigen
Täuschung sieht, lehnte mit Schreiben vom 30.05.1986 die Schadensregulierung ab.
9
Der Kläger hat den Versuch einer arglistigen Täuschung in Abrede gestellt und dazu
behauptet, er habe von der Herkunft der Teppichzertifikate nichts gewußt. Die Zeugin ...
habe sie ihm ausgehändigt, ohne ihn über die Herkunft aufzuklären, und er habe sie
gutgläubig an die Beklagte weitergegeben.
10
Den Hausratsschaden - entwendete Gegenstände und Beschädigungen an der
Einrichtung - hat der Kläger mit näherer Begründung (Bl. 2 bis 4, 12 bis 24 GA) auf
knapp 165.000,- DM beziffert.
11
Nach seiner Darstellung hatte die Zeugin ... ihm den größten Teil des aus ihrer
inzwischen geschiedenen Ehe stammenden Hausrats zur Sicherheit für Darlehen, die er
ihr gewährt habe, übereignet. Dazu hat der Kläger drei
Sicherungsübereignungsverträge mit Datum vom 21.12.1981, 22.11.1982 und
25.06.1983 (Bl. 65 bis 73 GA) in Ablichtung vorgelegt.
12
Einige Gegenstände. (3 Krokotaschen, eine Sonnenbrille, Bl. 61) hätten der Klägerin
persönlich gehört, einige weitere seien stets sein persönliches Eigentum gewesen, so
z.B. ein ererbter Siegelring.
13
Der Kläger hat beantragt,
14
die Beklagte zur Zahlung von 164.973,59 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 11.11.1986
zu verurteilen.
15
Die Beklagte hat beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Die Beklagte hat den Einbruchsdiebstahl bestritten und sich auf die in den
Versicherungsbedingungen vereinbarte Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung
im Rahmen der Schadensregulierung sowie wegen einer Obliegenheitsverletzung des
Klägers berufen. Letztere hat sie damit begründet, der Kläger habe sich gegenüber dem
Zeugen ... geweigert, die Originale der Teppichzertifikate herauszugeben.
18
Im übrigen hat die Beklagte die Schadenshöhe bestritten.
19
Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen und ausgeführt, der
Kläger habe mit der Vorlage der nachträglich hergestellten Teppichzertifikate arglistig
gehandelt. Das Gericht sei davon überzeugt, daß der Kläger von der Herkunft der
Zertifikate gewußt habe, weil er seit Jahren mit der Zeugin ... zusammenlebe. Jedenfalls
müsse er sich aber das arglistige Verhalten der Zeugin zurechnen lassen.
20
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch in Höhe von rd. 152.000,- DM
weiter.
21
Mit eingehender tatsächlicher und rechtlicher Begründung und unter Wiederholung
seines erstinstanzlichen Sachvortrages legt er die äußeren Umstände des behaupteten
Einbruchsdiebstahls und die Höhe seines Schadens dar.
22
Er hält an seiner Darstellung fest, von der Herkunft der Teppichzertifikate nichts gewußt
zu haben. Hiervon habe die Zeugin ihn erst anläßlich des zweiten Gesprächs mit dem
Sachverständigen ... in ... am 10.03.1986 informiert.
23
Der Kläger hält die Frage, ob die Zeugin ... arglistig gehandelt habe, für nicht
entscheidungserheblich, weil er sich deren mögliches Verschulden nicht zurechnen
lassen müsse.
24
Der Kläger beantragt,
25
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn
26
151.973,59 DM nebst Zinsen in Höhe von 1 % unter dem Diskontsatz der ... mindestens
jedoch 4 % und höchstens 6 %, vom 27.12.1985 bis zum 07.05.1986 sowie nebst
Zinsen in Höhe von 9,5 % seit dem 07.05.1986 zu zahlen;
ihm für den Fall der Zwangsvollstreckung zu gestatten, Sicherheitsleistung durch
Bürgschaft der ... leisten zu dürfen.
27
Die Beklagte beantragt,
28
die Berufung zurückzuweisen;
29
ihr für den Fall der Zwangsvollstreckung zu gestatten, Sicherheit durch Bürgschaft der
Deutschen Bank Köln leisten zu dürfen.
30
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für richtig. Sie wiederholt und
vertieft ihren bisherigen Sachvortrag mit eingehender tatsächlicher und rechtlicher
Begründung.
31
Sie behauptet unter Hinweis auf eine Reihe von Indizien, der Einbruchsdiebstahl sei
von dem Kläger und der Zeugin ... vorgetäuscht worden. Vorsorglich bestreitet die
Beklagte weiterhin die Schadenshöhe.
32
Sie hält den Einwand arglistiger Täuschung aufrecht und behauptet, der Kläger sei
zusammen mit der Zeugin ... in ... gewesen, um dort bei dem Zeugen ... die Blanco-
Teppichzertifikate zu beschaffen. Er habe daher gewußt, daß es sich nicht um
Originalzertifikate gehandelt habe. Im übrigen ist die Beklagte der Auffassung, der
Kläger müsse sich das Verschulden der Zeugin ... zurechnen lassen, weil diese seine
Repräsentantin im versicherungsrechtlichen Sinne sei, da sie den Hausrat gemeinsam
mit ihm genutzt habe.
33
Zusätzlich behauptet die Beklagte, der Kläger habe einige Gegenstände als gestohlen
gemeldet, die nicht gestohlen worden seien, sondern sich noch im Besitz des
geschiedenen Ehemannes der Zeugin ... befänden.
34
Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrags wird auf den Inhalt der
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und auf die in den nachstehenden
Entscheidungsgründen ergänzend mitgeteilten Tatsachen verwiesen.
35
Dem Senat haben die Akten des gleichzeitig verhandelten und entschiedenen
Parallelprozesses 20 U 148/87 ... sowie die zu jenem Verfahren beigezogenen
Ermittlungsakten 22 Js 485/86 = 17 VRs 3395/87 ... vorgelegen.
36
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... durch den
Einzelrichter. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.04.1988, Bl. 321 bis
327 GA, Bezug genommen. Die Zeugin ... hat den die Teppichzertifikate betreffenden
Teil ihrer Aussage vor dem Senat im Termin vom 25.11.1988 beschworen (Bl. 367 R
GA); im übrigen sind die Zeugen unvereidigt geblieben.
37
Der Senat hat ferner die Zeugen ... und ... uneidlich vernommen. Insoweit wird auf den
den Parteien bekannten Vermerk des Berichterstatters über die Beweisaufnahme im
Senatstermin vom 25.11.1988 (Bl. 374 bis 377 GA) Bezug genommen.
38
Entscheidungsgründe:
39
Die Berufung hat insoweit Erfolg, als die Entschädigungspflicht der Beklagten dem
Grunde nach festzustellen ist. Da die Anspruchshöhe im einzelnen in allen Punkten
streitig ist, hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gem. §304 ZPO über
den Anspruchsgrund vorab zu entscheiden und die Sache wegen der Anspruchshöhe
gem. §538 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweise.
40
I.
41
Der Eintritt des Versicherungsdiebstahls (§5 Ziffer 1 a und b VHB 84) ist nach dem Inhalt
der Ermittlungsakte und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hinreichend
wahrscheinlich. Die Möglichkeit, daß der Einbruchsdiebstahl vorgetäuscht worden sein
könnte, hat keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für sich. Damit steht die
Eintrittspflicht der Beklagten dem Grunde nach fest (BGH VersR 84, 29 ff und seither in
ständiger Rechsprechung, z.B. VersR 1987, 801).
42
1.
43
Die Polizeibeamten haben bei der Besichtigung der Wohnung Spuren vorgefunden, die
üblicherweise von Einbrechern hinterlassen werden. Es waren Türen und Schränke
gewaltsam aufgebrochen, die Wohnung war augenscheinlich durchsucht worden. Die
Tat fiel zudem auf einen Zeitpunkt, zu dem Wohnungseinbrüche - wegen der
Abwesenheit der Bewohner über die Weihnachtsfeiertage - gehäuft auftreten. Der vom
Landgericht in der Parallelsache 20 U 148/87 ... bereits als Zeuge vernommene
Polizeibeamte ... hat bestätigt, daß sich seinerzeit auch im Raum ... mehrere
Wohnungseinbrüche ereignet hatten (Bl. 88 d.A. 20 U 148/87).
44
2.
45
Die von der Beklagten aufgezeigten Verdachtsmomente begründen nicht die erhebliche
Wahrscheinlichkeit, daß die Einbruchsspuren von dem Kläger oder mit dessen Wissen
bewußt gelegt worden sind, um einen Versicherungsfall vorzutäuschen.
46
a)
47
Die Behauptung der Beklagten, der Kläger und die Zeugin ... hätten sich zur Tatzeit
nicht in ... aufgehalten, ist nicht bewiesen. Die hierzu vernommenen Zeugen ... Bruder
des Klägers, und ... haben glaubhaft die Darstellung des Klägers und der Zeugin ...
bestätigt, daß beide am 1. Weihnachtstag in ... und am 2. Weihnachtstag in ... waren.
48
b)
49
Zutreffend, ist der Hinweis der Beklagten, daß die Angaben zum Tatzeitpunkt
widersprüchlich sind. So ist mit der Klagebegründung ebenso wie in der Parallelsache
20 U 148/87 zunächst vorgetragen worden, der Diebstahl müsse sich in der Zeit
zwischen dem 25.12. und dem 27.12.1985 ereignet haben. Dies entspricht der in der
polizeilichen Diebstahlsanzeige wiedergegebenen Erklärung der Zeugin ..., wonach sie
und der Kläger die Wohnung am 1. Weihnachtstag verlassen hätten und am 27.12.1985
zurückgekehrt seien. Hiervon weicht die spätere Darstellung des Klägers im
50
Rechtsstreits ab, wonach er und die Zeugin nach einem Besuch in ... am 25.12. in der
Nacht zum 26.12.1987 noch einmal kurz in der Wohnung gewesen seien, um von dort
aus nach ... zu fahren. Hiernach verkürzt sich der Tatzeitraum auf die Zeit, zwischen
dem 26. und dem 27.12.1985.
Die Zeugin ... hat diese Darstellung des Klägers bestätigt, daß beide in der Nacht zum
26.12.1985 noch einmal in der Wohnung waren. Die unterschiedlichen Zeitangaben
deuten jedoch nicht auf einen vorgetäuschten Diebstahl hin. Es ist vielmehr möglich,
daß die Zeugin ... oder aber auch der Kläger sich gegenüber der Polizei in der ersten
Aufregung mißverständlich geäußert haben; der Kläger ist zudem Ausländer und der
deutschen Sprache zwar gut, aber nicht vollkommen mächtig. Es mögen auch die
Polizeibeamten, die (korrekte) Zeitangabe mißverstanden haben. Jedenfalls hat der
Kläger bereits in seiner Schadensanzeige vom 27.12.1985 für die Beklagte die Tatzeit
auf den Zeitraum zwischen dem 26.12., 3.00 Uhr, und dem 27.12.1985, 14.00 Uhr,
eingegrenzt, also zu einem Zeitpunkt, als Tatzeit und Tathergang noch von niemandem
bezweifelt wurden. Dies spricht dafür, daß diese später im Prozeß wieder
aufgenommene Darstellung der Wahrheit entspricht und die Angaben in der Klageschrift
auf eine - mit den Worten der Berufungsbegründung - unreflektierte Übernahme der
Angaben aus der polizeilichen Diebstahlsanzeige durch den Prozeßbevollmächtigten
erster Instanz zurückzuführen ist.
51
Richtig und dem Senat aus der Parallelsache 20 U 148/87 bekannt ist, daß die Zeugin
... vorbestraft ist. Die Straftaten - Nichtbeantragung eines Konkursverfahrens, fahrlässig
falsche Versicherung an Eides Statt - sind aber nicht einschlägig und daher nicht
geeignet, Rückschlüsse auf einen versuchten Betrug gegenüber der Beklagten
zuzulassen. In Verbindung mit der Tatsache, daß die Zeugin ... versucht hat, die
Beklagte mittels nachträglich hergestellter Teppichzertifikate zu täuschen, und daß sie
ferner nach Überzeugung des Senats auch versucht hat, die ... mittels Vorlage eines
rückdatierten Sicherungsübereignungsvertrags für ihren Schmuck zu täuschen (vgl. das
in der Sache 20 U 148/87 ergangene Urteil), erschüttern diese Vorstrafen zwar die
Glaubwürdigkeit der Zeugin .... Gegen den Kläger läßt sich hieraus aber nichts herleiten.
Daß der Kläger von der Herkunft der Teppichzertifikate gewußt hätte, ist - wie noch
auszuführen sein wird - nicht bewiesen. Zudem geben die Täuschungsversuche der
Zeugin ... gegenüber den beiden Versicherungsgesellschaften auch dann einen Sinn,
wenn der Kläger und die Zeugin durch einen echten Einbruchsdiebstahl tatsächlich
geschädigt worden sind und die Zeugin lediglich versucht haben sollte, berechtigte oder
unberechtigte Versicherungsansprüche leichter durchzusetzen.
52
d)
53
Die Beklagte behauptet, die vom Kläger vorgelegten drei
Sicherungsübereignungsverträge seien erst später angefertigt und rückdatiert worden.
Das läßt sich jedoch nicht beweisen, weil nach unwiderlegter Darstellung des Klägers
nur noch Ablichtungen dieser Verträge zur Verfügung stehen. Außerdem gäbe eine
solche Manipulation auch im Falle eines echten Einbruchsdiebstahls einen Sinn, ließe
den Schluß auf einen vorgetäuschten Diebstahl also nicht ohne weiteres zu.
54
Letzteres trifft auch für den Sicherungsübereignungsvertrag mit Datum vom 12.02.1981
zu, welcher den Schmuck betrifft, und von dem der Senat überzeugt ist, daß er erst 1985
hergestellt und rückdatiert worden ist. (Wegen der Einzelheiten wird auf das den
Beteiligten bekannte Senatsurteil vom 25.11.1988 in der Sache 20 U 148/87 verwiesen.)
55
e)
56
Die Beklagte behauptet, die Vermögenssituation der Zeugin ... sei desolat gewesen.
Dies läßt sich jedoch so nicht feststellen, und es ließe zudem auch nicht unbedingt
Rückschlüsse auf die Vermögensverhältnisse des Klägers, die im einzelnen nicht
bekannt sind, und auf ein daraus abzuleitendes Tatmotiv für einen Versicherungsbetrug
zu. Richtig und dem Senat ebenfalls aus der Parallelsache 20 U 148/87 bekannt ist, daß
die Zeugin ... wenigstens zweimal im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
die eidesstattliche Versicherung abgegeben und dabei Angaben gemacht hat, die mit
dem anläßlich des Einbruchsdiebstahls als verlustig gemeldeten wertvollen Hausrat
und Schmuck nicht vereinbar sind. Nach den eidesstattlichen Versicherungen war die
Zeugin praktisch vermögenslos (eidesstattliche Versicherung vom 13.07.1982 im
Verfahren 5 M 346/82 und vom 12.09.1985 im Verfahren 4 M 709/85 Amtsgericht ...).
57
Andererseits ist aus der Parallelsache 20 U 148/87 bekannt, daß die Zeugin dort im Juli
1985 einem Juwelier Schmuck vorgelegt hat, den dieser mit über 80.000,- DM bewertet
hat. Ferner sind Lichtbilder zur Akte gereicht worden, die auf das Vorhandensein
wertvollen Hausrats hindeuten. Es liegt daher die Annahme nahe, daß die
eidesstattlichen Versicherungen nicht den Tatsachen entsprochen haben.
58
Immerhin hat die Zeugin auch aufgrund der eidesstattlichen Versicherung vom
12.09.1985 eine Verurteilung wegen fahrlässig falscher eidesstattlicher Versicherung
hingenommen (17 VRs 3395/87 = 22 Js 485/86 StA ...). Es kann daher zumindest nicht
ausgeschlossen werden, daß die Vermögensverhältnisse nur gegenüber den die
Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigern schlechter dargestellt werden sollten, als
sie tatsächlich waren. In diese Richtung deuten auch die vom Kläger behaupteten
Sicherungsübereignungen zu seinen Gunsten. Denn solche Sicherungsübereignungen
dienen nicht selten dazu, Gläubigern pfändbares Vermögen zu entziehen.
59
f)
60
Die Beklagte verweist auf den Umstand, daß der Kläger den Versicherungsvertrag erst
knapp 2 Monate vor dem Diebstahl abgeschlossen hat. Ein enges zeitliches
Zusammentreffen zwischen Versicherungsabschluß und Eintritt des Versicherungsfalls
ist zwar auffallend, es läßt für sich allein aber sichere Rückschlüsse auf einen fingierten
Versicherungsfall nicht zu. Denn es gibt keinen durch die Lebenserfahrung gesicherten
Satz, daß Versicherungsfälle sich nicht kurz nach Vertragsabschluß zu ereignen
pflegen. Zudem erklärt sich der Umstand, daß der Kläger erst im Oktober 1985 um eine
Hausratsversicherung nachgesucht hat, möglicherweise auch daraus, daß die Zeugin
im Hinblick auf die im September 1985 abzuleistende eidesstattliche Versicherung
wesentliche Teile ihres Hausrats auf den Kläger übertragen haben könnte, so daß der
Kläger auch erst danach Anlaß gehabt haben könnte, sich angemessen zu versichern.
61
g)
62
Nicht bewiesen ist schließlich - wie noch auszuführen sein wird -, daß der Kläger von
der Herkunft der fingierten Teppichzertifikate gewußt hat oder daß Gegenstände als
gestohlen gemeldet worden sind, die sich in Wirklickeit im Besitz des geschiedenen
Ehemannes der Zeugin ... befinden.
63
h)
64
Auch bei einer zusammenfassenden Betrachtung der von der Beklagten aufgezeigten
Verdachtsmomente, die für sich allein, wie ausgeführt, nicht auf einen fingierten
Einbruchsdiebstahl hindeuten, vermag der Senat die erhebliche Wahrscheinlichkeit,
daß der Versicherungsfall vorgetäuscht worden sein könnte, nicht zu erkennen. Daß die
Möglichkeit eines vorgetäuschten Diebstahls nicht völlig ausgeschlossen sein mag,
genügt nicht.
65
II.
66
Die Beklagte ist nicht wegen arglistiger Täuschung (§22 Ziffer 1 VHB 84) oder wegen
einer Obliegenheitsverletzung des Klägers (§21 Ziffer 2 b VHB 84) leistungsfrei
geworden.
67
1.
68
Die Vorlage der erst während der Regulierungsverhandlungen hergestellten und
rückdatierten Teppichzertifikate erfüllt zwar objektiv die Voraussetzungen einer
versuchten arglistigen Täuschung der Beklagten. Es ist jedoch nicht mit der nötigen
Sicherheit nachzuweisen, daß dem Kläger bei Vorlage dieser Zertifikate deren Herkunft
bekannt war. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Zeugin ... den Kläger über
den Ursprung dieser Zertifikate bewußt im unklaren gelassen und ihn damit gegenüber
der Beklagten als gutgläubiges Werkzeug eingesetzt hat.
69
Der hierzu vernommene Zeuge ... hat nicht mit der nötigen Sicherheit bestätigen
können, daß der Kläger anwesend war, als die Zeugin ... bei ihm die Blanco-Zertifikate
abholte. Er hat zwar "mit fast absoluter Gewißheit" geglaubt sagen zu können, daß der
Kläger zusammen mit der Zeugin bei dieser Gelegenheit bei ihm gewesen sei. Er hat
aber gleichzeitig erklärt, er könne dies nicht beschwören und auch nicht ausschließen,
daß die Zeugin einmal alleine bei ihm gewesen sei. Diese Aussage ist, auch wenn
gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht die geringsten Bedenken bestehen, eine
zu unsichere Grundlage für die Feststellung, der Kläger sei zusammen mit der Zeugin
bei dem Zeugen ... gewesen, um die Zertifikate zu holen. Immerhin hat der Kläger eine
ärztliche Bescheinigung beigebracht, daß er in dem in Betracht kommenden Zeitraum
zwischen dem 13.01. und dem 30.01.1986, nämlich vom 10. bis zum 30.01.1986
arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei (Bl. 305 GA). Das schließt zwar nicht aus, daß er
gleichwohl zu dem Zeugen ... fahren konnte. Die Zeugin ... hat aber bestätigt, daß der
Kläger im Januar 1986 bettlägerig erkrankt gewesen sei und daß während dieser Zeit
die Zeugin ... einmal allein - angeblich zu ihrem geschiedenen Ehemann - weggefahren
sei. Es erscheint daher möglich, daß die Darstellung des Klägers und der Zeugin ... die
diesen Teil ihrer Aussage auf ihren Eid genommen hat, zutrifft und der Zeuge ... den - für
ihn damals vergleichsweise bedeutungslosen Vorgang - ungenau in Erinnerung hat.
70
An diesem Beweisergebnis kann auch der Umstand nichts ändern, daß der Zeuge ... der
erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers, die Darstellung des Klägers und
der Zeugin ... nicht hat bestätigen können, daß der Kläger erst anläßlich der
Besprechung vom 10.03.1986 in ... von der Zeugin in die Herkunft der Zertifikate
eingeweiht worden sei und sich darüber außerordentlich aufgeregt habe. Der Zeuge hat
an einen solchen Vorgang keine Erinnerung gehabt. Der sichere Schluß, daß die
Darstellung des Klägers und der Zeugin deshalb unzutreffend sei, ist danach nicht
71
möglich.
Der Zeuge ... hat im übrigen die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe von der
Herkunft der Zertifikate gewußt, auch nicht bestätigen können. Nach seinen
seinerzeitigen Aufzeichnungen hat der Kläger ihm erklärt, er habe davon erst erfahren,
als die Manipulation schon aufgefallen gewesen sei.
72
2.
73
Der Kläger braucht sich das Verhalten der Zeugin ... auch nicht zurechnen zu lassen.
Wenn die Zeugin ihm die Zertifikate ohne Hinweise auf deren Herkunft übergeben und
er sie gutgläubig weitergegeben hat, sind weder §278 BGB noch - wie vom Landgericht
angenommen - §166 Abs. 1 BGB anwendbar. Zurechenbar wäre das Verhalten der
Zeugin dem Kläger allenfalls dann, wenn die Zeugin seine Repräsentantin im
versicherungsrechtlichen Sinne gewesen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
74
a)
75
Nach der heute üblichen und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem
gefestigten Definition ist ein Dritter dann als Repräsentant des Versicherungsnehmers
anzusehen, wenn er allgemein in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko
gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des
Versicherungsnehmers getreten ist. Er muß befugt sein, selbstständig in einem
gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln
und auch dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrzunehmen (so
z.B. BGH VersR 1964, 475, 65, 149, 150, 69, 695, 696; 69, 1086, 1087; 71, 538, 539;
weitere Nachweise - auch zur Entwicklung der Rechtsprechung - bei Prölss/Martin,
Versicherungsvertragsgesetz, 24. Aufl. 1988, §6 VVG Anm. 8 B).
76
Es ist anerkannt, daß die Ehegatteneigenschaft alleine grundsätzlich nicht die
Repräsentantenstellung begründet. Bei Lebensgefährten, die in einer eheähnlichen
Gemeinschaft leben, kann nichts anderes geltend.
77
Eine Ausnahme ist auch nicht für den Fall der Hausratsversicherung zu machen, weil
die Eheleute oder die Lebensgefährten den Hausrat gemeinsam benutzen. Der
gegenteiligen Ansicht von Prölss/Martin (a.a.O. Seite 92) vermag der Senat im Anschluß
an BGH VersR 1965, 425, 429 und OLG ... VersR 86, 331 nicht zu folgen, wie er bereits
im Urteil vom 21.10.1986 (20 U 134/86; VersR 88, 240) ausgeführt hat.
78
b)
79
Dem Kläger ist das Verhalten der Zeugin auch nicht unter dem rechtlichen
Gesichtspunkt der Versicherung auf fremde Rechnung zuzurechnen, soweit der Hausrat
dem Kläger zur Sicherheit übereignet gewesen sein soll und die Zeugin insoweit einen
bedingten Anspruch auf Rückübertragung ihres Eigentums und damit ein eigenes
rechtliches und wirtschaftliches Interesse gehabt haben mag (§§74 ff., 79 VVG i.V.m.
§17 Ziffer 3 VHB 84). Auch diese Zurechnung wäre nur möglich, wenn die Zeugin
Repräsentantin des Klägers gewesen wäre (Prölss/Martin a.a.O. §79 Anm. 1), weil der
Kläger als Sicherungseigentümer neben der Klägerin ein eigenes versicherbares
Interesse hatte.
80
3.
81
Der Kläger hat keine zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheitsverletzung begangen.
Es ist bereits nicht feststellbar, daß er sich ernsthaft geweigert hätte, dem
Sachverständigen ... die Originale der Teppichzertifikate auszuhändigen. Zudem
bestand auch keine Notwendigkeit zur Vorlage der Originale mehr, nachdem Buchwald
die Manipulation schon anhand der Ablichtungen aufgedeckt und der Kläger diese
sofort - nach entsprechender Information durch die Zeugin ... - auch eingeräumt hatte.
Berechtigte Belange der Beklagten konnten von dem Kläger daher nicht mehr verletzt
werden.
82
III.
83
Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe Gegenstände als gestohlen gemeldet,
die in Wirklichkeit noch im Besitz ... des geschiedenen Ehemannes der Zeugin ... seien,
ist von dem Zeugen ... und von der Zeugin ... nicht bestätigt worden. Auch insoweit kann
die Beklagte sich daher nicht mit Erfolg auf Leistungsfreiheit wegen arglistiger
Täuschung gem. §22 Ziffer 1 VHB 84 berufen. Ob damit festzustellen ist, daß die
Gegenstände sich im Zeitpunkt des Diebstahls im Besitz des Klägers befunden haben,
ist eine andere Frage, die nicht hier, sondern im Rahmen der Prüfung der
Anspruchshöhe zu beantworten sein wird.
84
IV.
85
Eine Kostenentscheidung ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht veranlaßt. Die
Beschwer der Beklagten liegt über 40.000,- DM.
86