Urteil des OLG Hamm vom 31.08.2010

OLG Hamm (anzeige, obiter dictum, vertragsstrafe, kläger, auslegung, bezug, gut, werbung, anlage, gabe)

Oberlandesgericht Hamm, I-4 U 58/10
Datum:
31.08.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 58/10
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 16 O 205/09
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 28. Januar 2010 verkündete
Urteil der III. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,- EUR nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01. Oktober 2009 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
A.
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Die Beklagte gab unter dem 16.03.2006 die folgende strafbewehrte
Unterlassungserklärung ab, die der Kläger vorformuliert hatte und die von der Beklagten
nicht verändert wurde (Anl. 1), dahin,
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es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei
dem Erstellen, Erstellenlassen, Weitergeben oder auf andere Weise Verwenden
von Werbeschriften (…) nicht sicherzustellen, dass darin Angaben über den
offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO-2-Emissionen
der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen im Sinne des § 5 Pkw-
Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVkV) vom 28.05.2004
nach Maßgabe der Anlage 4 zu § 5 der Pkw-
Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung gemacht werden.
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Vereinbart wurde für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 10.000,- €.
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Dieser Unterlassungserklärung lag eine Werbung der Beklagten zugrunde, in der die
nach der Pkw-EnVKV erforderlichen Angaben fehlten.
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In den "Ruhr Nachrichten" vom 01.08.2009 schaltete die Beklagte die folgende
Werbung (Anl. 2):
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Die Parteien streiten nun darüber, ob die Beklagte durch diese Anzeige die
Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 € verwirkt hat.
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Der Kläger bejaht dies. Zwar enthalte die Anzeige die erforderlichen Pflichtangaben.
Diese seien aber nicht gut lesbar und sie seien weniger hervorgehoben als der
Hauptteil der Werbebotschaft.
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Die Beklagte ist der Zahlungsklage entgegengetreten. Sie meint, angesichts der sehr
hohen Vertragsstrafe von 10.000 € sei eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung
geboten. Da die Anzeige, die der strafbewehrten Verpflichtungserklärung zugrunde
gelegen habe, keine Pflichtangaben enthalten habe, sei die Vertragsstrafe nur verwirkt,
wenn sie wieder eine Anzeige ohne Pflichtangaben geschaltet hätte. Das sei unstreitig
nicht geschehen. Aber selbst wenn man dies anders sehen wollte, sei die Vertragsstrafe
nicht verwirkt, da die Pflichtangaben in ausreichender Größe und damit hinreichend
deutlich dargestellt worden seien.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar hat es angenommen, dass die
strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auch den Fall erfasse, dass
in einer Anzeige Pflichtangaben nicht hinreichend deutlich gemacht worden seien. Ein
solcher Fall sei hier aber nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird
auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen
11
.
12
Der Kläger greift das Urteil mit der Berufung an, mit der er seinen erstinstanzlichen
Zahlungsantrag weiter verfolgt. Er schildert im Einzelnen die verschiedenen Teile der
streitgegenständlichen Anzeige und legt mit näheren Ausführungen dar, warum seines
Erachtens ein Verstoß gegen die Verpflichtungserklärung der Beklagten zu bejahen sei.
Er hebt insbesondere hervor, dass die Pflichtangaben erst am unteren Ende der
Anzeige erschienen und dass sie im kleinsten Schriftbild der gesamten Anzeige
gemacht worden seien, so dass sie auch wegen der Einzeiligkeit wie eine Fußnote
wahrgenommen würden. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass die
Pflichtangaben dadurch hervorgehoben seien, dass sie grau unterlegt seien. Genau das
Gegenteil sei der Fall. Insgesamt verkenne die Beklagte mit ihrer Anzeigengestaltung
den Inhalt der Pkw-EnVKV.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an ihn
10.000,- € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2009 zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Sie hält die Angaben zum
Kraftstoffverbrauch und zum Schadstoffausstoß für hinreichend deutlich, was sich
insbesondere durch die farbliche Hinterlegung und den Erläuterungstext gleich zu
Beginn des farblich unterlegten Blocks ergebe. Die Auslegung der
Unterlassungserklärung betreffe nur Sachverhalte, bei denen keine Pflichtangaben
gemäß Pkw-EnVKV gemacht worden seien. Die Beklagte verweist ferner auf
Entscheidungen anderer Instanzgerichte dahingehend, dass insbesondere vor dem
Hintergrund der Massenrechtsverfolgung des Klägers eine einschränkende Auslegung
der Vorschrift und erst recht der Auslegung von Vertragsstrafeverpflichtungen angezeigt
sei. Wie im Fall des Landgerichts Hildesheim, Urt. v. 17.02.2010, Az. 11 O 40/09, werde
die Pflichtangabe vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Verbraucher nicht überlesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19
B.
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Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Er kann von der Beklagten aus § 339
S. 2 BGB in Verbindung mit der Unterlassungsvereinbarung vom 16.03.2006 die geltend
gemachte Vertragsstrafe von 10.000,- € verlangen.
21
I.
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Die Parteien haben die streitgegenständliche Unterlassungsvereinbarung wirksam
abgeschlossen. Die vom Kläger geforderte und vorformulierte Unterlassungserklärung
wurde von der Beklagten unverändert unterzeichnet. Insofern ist bereits in der
Forderung des Klägers nach Abschluss eines bestimmten Unterlassungsvertrages ein
diesbezügliches Angebot zu sehen (und nicht nur eine invitatio ad offerendum), die die
Beklagte dann angenommen hat. Über den Abschluss der Vereinbarung besteht
zwischen den Parteien auch kein Streit.
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II.
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Die Beklagte hat durch die Werbeanzeige in den Ruhr Nachrichten vom 01.08.2009
(Anl. 2) gegen die strafbewehrte Unterlassungserklärung schuldhaft verstoßen. Hierin
sind die nötigen Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen
spezifischen CO-2-Emissionen der beworbenen Neufahrzeuge nicht im Sinne des § 5
Pkw-EnVkV nach Maßgabe der Anlage 4 zu § 5 hierzu gemacht worden.
25
1.
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Nach der Unterlassungsvereinbarung vom 16.03.2006 ist zunächst, wie es auch das
Landgericht angenommen hat, nicht nur der Fall erfasst, dass überhaupt keine Angaben
gemäß der EnVKV gemacht werden, wie dies auch Gegenstand der ursprünglichen
Abmahnung war, sondern auch der Fall, dass diese "nicht richtig" im Sinne von § 5
Pkw-EnVKV gemacht werden. Eine andere Auslegung der Vereinbarung kommt
vorliegend angesichts des eindeutigen Wortlauts nicht in Betracht.
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Unterlassungsverträge sind nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden
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Grundsätzen auszulegen. Maßgeblich ist danach der wirkliche Wille der
Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem
Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und
Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die
Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage
heranzuziehen sind (BGH GRUR 1997, 931, 932 - Sekundenschnell; GRUR 2006, 878
– Vertragsstrafevereinbarung; GRUR 2010, 167 – Unrichtige Aufsichtsbehörde). Dabei
muss nach BGH GRUR 2003, 545 - Hotelfoto auch Berücksichtigung finden, dass um so
eher eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung des Unterlassungsvertrages geboten
ist, je höher eine vereinbarte Vertragsstrafe im Verhältnis zur Bedeutung des
gesicherten Unterlassungsanspruchs ist.
In Bezug auf Letzteres ist der Beklagten zuzugestehen, dass sich die vereinbarte
Vertragsstrafenhöhe von 10.000,- € zweifelsohne im obersten Bereich einer
Vertragsstrafenverpflichtung für Verstöße der vorliegenden Art ansiedelt. Der Wortlaut
der vorliegenden Unterlassungserklärung, der explizit die Sicherstellung der Angaben
über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO-2-
Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen im Sinne des § 5 der
Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVkV) nach Maßgabe der
Anlage 4 hierzu zum Gegenstand hat, ist insofern zu Lasten der Beklagten jedoch
eindeutig. Die Worte "im Sinne der" sind übergreifend und beziehen sich insgesamt auf
diese Verordnung, sowohl in Bezug auf die Notwendigkeit eines Neufahrzeugs wie
auch auf die Angaben, die gemäß der Verordnung gemacht werden müssen. So sind
gerade die Anforderungen der Pkw-EnVKV selbst zum Gegenstand der
Unterlassungserklärung gemacht worden. Die Beklagte hat sich insgesamt unterworfen,
im Sinne der Verordnung bei Neufahrzeugen die nötigen Angaben zu machen. Dazu
gehört auch die Art der Darstellung in einer leicht verständlichen, gut lesbaren und nicht
weniger hervorgehobenen Schrift als beim Hauptteil der Werbebotschaft. Eine
Einschränkung dahin, dass überhaupt die fraglichen Angaben gemacht werden müssen,
kann nicht mehr hierein gelesen werden, auch wenn in der vormaligen Werbeschrift, die
zuvor abgemahnt war, überhaupt keine Angaben über den Kraftstoffverbrauch und die
CO2-Emissionen gemacht waren und in der zugrunde liegenden Abmahnung
beanstandet war, dass die notwendigen Angaben nach § 5 Pkw-EnVKV gänzlich
fehlten.
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Ohne dass es darauf noch ankommt, wird ferner auf das Urteil des BGH "Unrichtige
Aufsichtsbehörde", GRUR 2010, 167, hingewiesen, in dem dieser in einem obiter dictum
in Bezug auf das Fehlen der Anbieterinformationen i.S.v. § 6 S. 1 Nr. 3 TDG (heute § 5 I
Nr. 3 TMG) in einem insoweit durchaus vergleichbaren Fall (die Unterwerfung lautete:
"… ohne … Informationen … verfügbar zu halten") ausgeführt hat, dass es sich auch bei
der unrichtigen Angabe insoweit um einen kerngleichen Verstoß handele. Die
unzureichende Angabe der nötigen Informationen über den Kraftstoffverbrauch und die
CO2-Emmissionen, die sich hier unverhältnismäßig klein und nachrangig am Ende der
Werbeanzeige findet und auf die der Leser auch nicht in gleicher Weise stößt, wie in
Bezug auf die Hauptbotschaft der Werbung (dazu sogleich unter Ziff. 2), stellt sich
insofern letztlich nicht völlig anders dar als die Nichtangabe.
30
2.
31
Entgegen der Auffassung des Landgerichts stellt die streitgegenständliche Werbung
einen Verstoß gegen § 5 I EnVKV i.V.m. mit der der Nr. 2, Abschnitt I der Anlage 4 dar.
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Hiernach müssen die Angaben auch bei flüchtigem Lesen leicht verständlich, gut lesbar
und nicht weniger hervorgehoben sein als der Hauptteil der Werbebotschaft (vgl. hierzu
bereits Senat, Urt. v. 17.01.2008, 4 U 159/07). Die sehr klein- und engzeiligen
Pflichtangaben in dem unteren, grau unterlegten Balken innerhalb der Werbeanzeige
sind insofern keinesfalls bei flüchtigem Lesen gut lesbar. Es bedarf auch unter
Berücksichtigung einer Darstellung im dortigen Fließtext erheblicher Mühen, um diese
überhaupt richtig lesen und aufzunehmen zu können, zumal die diesbezüglichen
Angaben erst nach der Werbebotschaft und weiteren Werbeangaben hintangestellt sind.
Jedenfalls sind diese Pflichtangaben ganz erheblich weniger hervorgehoben als der
Hauptteil der Werbebotschaft. Letzterer betrifft das vorangestellte Fahrzeugangebot mit
den genannten Fahrzeugtypen, Fahrzeugbeschreibungen und den Preisangaben.
Diese Angaben sind übersichtlich strukturiert, farblich teilweise auch hervorgehoben
und fallen überaus gut und deutlich ins Auge, sie sind (so insbesondere zu den
Fahrzeugtypen und ihrer Motorisierung) nach dem Gesamtgefüge der Anzeige erheblich
deutlicher hervorgehoben als die nach der EnVKV nötigen Pflichtangaben. Auch die
graue Unterlegung in dem angehängten "Balken", wo sich die Pflichtangaben finden,
rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Im Gegenteil ist der Text, der sich in sehr kleintypiger
schwarzer Schrift auf grauem Untergrund befindet, noch schwieriger zu lesen als der
vorherige Werbetext, der jedenfalls auf insoweit hellerem Untergrund abgedruckt ist. Der
Kontrast zur Schrift wird eingeschränkt wie in gleichem Zuge dann die Lesbarkeit des
textlichen Inhalts.
III.
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Die vereinbarte Vertragsstrafe ist von daher erwirkt. Eine rechtsmissbräuchliche
Rechtsverfolgung im Hinblick auf eine vermeintliche Massenrechtsverfolgung durch den
Kläger ist insoweit nicht feststellbar. Eine Reduzierung der Strafenhöhe kann unter
Berücksichtigung von § 348 HGB nicht erfolgen.
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IV.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 I ZPO.
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