Urteil des OLG Hamm vom 04.03.2008

OLG Hamm: grobe fahrlässigkeit, firma, kündigung, sicherheit, halle, aufrechnung, bestandteil, verschulden, lüftung, anschluss

Oberlandesgericht Hamm, 26 U 56/07
Datum:
04.03.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
26. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 U 56/07
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 15 O 75/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. März 2007 verkündete
Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Klägerin durch Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren
Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
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I.
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Nach vorausgegangenen Vertragsverhandlungen erteilte die Beklagte der Klägerin
unter dem 12./13.08.2001 schriftlich den Auftrag zur Errichtung einer Fertigungshalle mit
Büro in N. Das Auftragsschreiben wurde von der Beklagten gegengezeichnet. Wegen
der Einzelheiten wird auf das Auftragsschreiben, das auch der Klagebegründung
zugrunde liegt, verwiesen.
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Im weiteren Verlauf der Bauvorbereitung beauftragte die Beklagte die Klägerin unter
dem 14.12.01 noch mit der Planung der gesamten Gebäudetechnik nebst Elektroanlage
zum Gesamtpreis in Höhe von 30.000 DM.
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Die Klägerin erstellte die Planung und bereitete weitere Unterlagen vor, so dass die
Beklagte am 21.01.02 die Bauantragsunterlagen einreichen konnte. Mit Bescheid vom
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Beklagte am 21.01.02 die Bauantragsunterlagen einreichen konnte. Mit Bescheid vom
23.05.02 erteilte die Stadt N die Baugenehmigung.
Die Beklagte will der Klägerin unter dem 27.05.02 und nochmals am 19.09.02 eine
Kopie der Baugenehmigung übersandt haben. Die Klägerin begann mit den
Bauarbeiten jedoch nicht, sondern fragte ihrerseits unter dem 14.08.02, 13.12.02 und
18.03.03 nach dem Fortgang der Angelegenheit, wobei sie im letzten Schreiben darauf
hinwies, dass ihr keine Baugenehmigung vorliege. Nachdem es darüber einen
mehrfachen Schriftwechsel zwischen den Parteien gab, übersandte die Beklagte der
Klägerin nochmals eine Baugenehmigung unter dem 28.05.03.
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In der Folgezeit erstellte die Klägerin Detail- und Ausführungspläne, die der Beklagten
unzureichend waren. Die Klägerin forderte sodann eine Bürgschaft nach
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§ 648 a BGB, dem die Beklagte auch nachkam. Unter dem 26.09.03 kamen die Parteien
anlässlich einer Baubesprechung überein, dass der Baubeginn für die Klägerin auf den
13.10.03 festgelegt werden sollte.
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Während der Bauausführung kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten über den
Leistungsumfang der Klägerin, der schließlich zu Teilkündigungen in verschiedenen
Bereichen führten. So verlangte die Beklagte von der Klägerin die Erbringung der
gesamten Elektroanlage, während diese der Auffassung war, entsprechend dem
Wortlaut des Auftragsschreibens nur den Kabelkanal und die Beleuchtungskörper
leisten zu müssen. Die Beklagte ihrerseits wollte den geforderten Nachtragsauftrag in
Höhe von 52.946,49 € nicht akzeptieren, ohne den die Klägerin nicht bereit war,
weitergehende Leistungen zu erbringen. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben
vom 29.12.03 dieses Gewerk und ließ die Arbeiten durch eine andere Firma zum Preis
von 121.400 € netto erbringen.
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Unter dem 31.03.04 erteilte die Klägerin ihre Schlussrechnung und machte unter
Berücksichtigung der geleisteten Zahlung noch 340.979,46 € geltend. Auch nach der
Abnahme unter dem 05.07.04 verweigerte die Beklagte eine weitere Zahlung, weil sie
noch Mängel geltend machte und mit Gegenforderungen aufrechnete.
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Im gerichtlichen Verfahren haben die Parteien schließlich vor dem Landgericht einen
Teilvergleich geschlossen, der die wesentlichen Streitpunkte der Parteien erledigt hat.
Umstritten blieb zum einen die niedrige Gutschrift im Hinblick auf die Elektroanlage von
lediglich 23.251 €, zum anderen die Schadensersatzansprüche der Beklagten infolge
der von ihr behaupteten Bauzeitverzögerung.
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Hinsichtlich der Elektroanlage vertrat die Beklagte die Auffassung, dass sie aus
wichtigem Grund gekündigt habe, so dass die Klägerin die Mehrkosten in Höhe von
94.045,88 € zu tragen habe. Da die Klägerin das Bauvorhaben auch nicht innerhalb der
vertraglich vereinbarten Zeit abgewickelt habe, sei sie auch zum Schadensersatz in
Höhe von 169.875 € verpflichte, mit dem die Aufrechnung erklärt werde. Der Schaden
sei entstanden, weil die Beklagte aufgrund einer Anfrage vom 19.09.03 der Firma J aus
E am 06.10.03 35.000 Parksensoren zum Preis von 120 €/Stück angeboten habe. Die
Firma habe den Auftrag am 05.12.03 mit einer Lieferfrist ab April 2004 erteilt, den die
Beklagte am 15.12.03 bestätigt habe. Da die Beklagte aber im Februar 2004 eine
rechtzeitige Lieferung nicht habe garantieren können, habe die Firma J gekündigt.
Dadurch sei ein Schaden in zuvor genannter Höhe entstanden.
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Das Landgericht die Beklagte im Wesentlichen auf der Grundlage des Teilvergleichs zur
Zahlung von 191.997,22 € nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass der Klägerin
noch weitere 43.252,26 € gegen Vorlage einer Gewährleistungsbürgschaft zustehen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagten hinsichtlich der
Elektroanlage kein aufrechenbarer Gegenanspruch zustehe, weil die Klägerin nicht
verpflichtet gewesen sei, die gesamte Elektroanlage zu erbringen.
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Hinsichtlich der Bauzeitverzögerung könne die Beklagte ebenfalls nicht mit einem
Gegenanspruch aufrechnen. Zum einen sei eine schuldhafte Bauzeitverzögerung der
Klägerin nicht feststellbar, zum anderen habe die Beklagte im Hinblick auf § 254 Abs. 2
BGB auf den Termindruck hinweisen müssen.
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Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
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Hinsichtlich der Elektroanlage vertritt sie weiterhin die Auffassung, dass man anhand
der Vertragsverhandlungen sowie sämtlicher einzubeziehenden Unterlagen feststellen
könne, dass die Klägerin die gesamte Elektroanlage geschuldet habe. Da sie sich
geweigert habe, diese zu erbringen, habe eine Kündigung aus wichtigem Grund
vorgelegen, so dass der Klägerin überhaupt kein Werklohnanspruch zustehe und sie
statt dessen die Mehrkosten zu tragen habe. In Höhe von 94.045,88 € werde daher die
Aufrechnung erklärt.
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Darüber hinaus werde in Höhe von 169.875 € mit einem Schadensersatz wegen der
Bauzeitverzögerung aufgerechnet. Die Firma J habe mit Schreiben vom 05.08.04 den
Nichterfüllungsschaden mit 169.875 € beziffert und aufgrund weiterer entstandener
Kosten insgesamt 171.680 € angefordert, die auch am 19.09.04 bezahlt worden seien.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des am 27.03.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts
Bielefeld, Aktenzeichen: 15 O 75/05 – die Klage gegen die Beklagte abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie
die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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II.
24
Die Berufung ist nicht begründet.
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Der Klägerin steht der Werklohnanspruch im ausgeurteilten Umfang zu.
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Auf das Schuldverhältnis der Parteien finden die Gesetze in der bis zum 31. Dezember
2001 geltenden Fassung Anwendung ( Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB ). Darüber hinaus ist
die Geltung der VOB/B vereinbart.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Werklohnanspruch der Klägerin in Höhe
von 2.735,41 € netto für die Teilspauschale "Elektroanlage" gemäß § 8 Nr. 1 VOB/B
gegeben; denn eine Kündigung aus wichtigem Grund hat die Beklagte nicht darlegen
können. Insoweit obliegt ihr für das Vorliegen entsprechender Kündigungsgründe die
Darlegungs- und Beweislast ( Ingenstau/Korbion-Vygen, VOB, 15 Auflage, § 8 Rnr. 7
m.w.N. ).
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Es ist nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass sich die Klägerin in
vertragswidriger Weise geweigert hat, die Elektroinstallation komplett ohne weitere
Vergütung auszuführen.
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Zwischen den Parteien ist ein Pauschalvertrag geschlossen worden, der
unterschiedliche Teilpauschalen enthält.
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Dem Wortlaut nach handelt es sich bei der Teilpauschale " Elektroanlage" um eine
Detailpauschale, bei dem ein genau definierter Leistungsumfang festgelegt ist, den die
Klägerin auch nur in diesem Umfang hinsichtlich Kabelkanal und Beleuchtungskörper
zu leisten hatte. Dagegen spricht auch nicht, dass im Vorspann des Auftragsschreibens
davon die Rede ist, dass es sich um eine "teilschlüsselfertige Gesamtleistung, die
betriebsbereit und funktionssicher" sein soll, handelt und die Klägerin die einzelnen
Gewerke fachgerecht als Gesamtleistung ausführt, auch wenn die Auflistung die
Präzisierung nicht aufführt; denn schon der Begriff "teilschlüsselfertige Gesamtleistung"
ist in sich widersprüchlich. Auch aus den Zeichnungen vom 16.07.01 lassen sich
Angaben zum Leistungsumfang nicht entnehmen. Daraus ergeben sich lediglich die
Lichtbänder in der Halle, nicht jedoch etwaige Maschinenanschlüsse.
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Soweit das Angebot vom 16.05.01 ebenfalls zur Vertragsgrundlage gemacht worden ist,
enthält dies zu einem wesentlich höheren Preis zwar bei der Elektroinstallation keinerlei
Einschränkungen, ist aber nach dem Wortlaut des Auftragsschreibens nur im Umfang
der Kostenaufgliederung vom 16.07.01 Bestandteil des Vertrages geworden; denn
unstreitig ist auch die Position Heizung/Klima/Lüftung der Klägerin nicht sofort in Auftrag
gegeben worden, obwohl auch sie Bestandteil des Angebots vom 16.05.01 war. In der
Kostenaufgliederung selbst sind wiederum bei der Elektroanlage lediglich der
Kabelkanal und die Beleuchtungskörper aufgeführt.
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Gegen eine Verpflichtung der Klägerin, die gesamte Elektroinstallation zu erbringen,
spricht – unabhängig von dem ungewöhnlich niedrigen Preis, der sich als komplette
Fehlkalkulation darstellen würde - vor allem der Umstand, dass die Beklagte im
Anschluss an die Beauftragung vom 12./13.08.01 die Klägerin zu dem nicht
unerheblichen Preis von 30.000 DM zusätzlich mit der Planung der Gebäudetechnik
beauftragt hat, die auch die Elektroinstallation beinhaltete. Eine solche Beauftragung
wäre für das Gewerk "Elektro" völlig sinnlos gewesen, wenn die Klägerin schon mit
dieser Gesamtleistung beauftragt gewesen wäre.
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Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht mit hinreichender Gewissheit zu dem
Ergebnis gelangen, dass die Klägerin verpflichtet war, die komplette Elektroinstallation
auszuführen. Ihre Weigerung, die Arbeiten ohne eine entsprechende
Zusatzbeauftragung auszuführen, war demnach nicht vertragswidrig, so dass auch kein
Grund für ein außerordentliches Kündigungsrecht bestand.
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Es blieb daher bei einer Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B mit einem in diesem Umfang
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zu Recht zugesprochenen Vergütungsanspruch. Insoweit kann auf die Ausführungen
des angefochtenen Urteils verwiesen werden.
Aus den vorgenannten Gründen kann die Beklagte auch gegenüber dem weiteren
Werklohnanspruch der Klägerin nicht erfolgreich mit den Mehrkosten des
Nachfolgeunternehmers in Höhe von 94.045,88 € gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B aufrechnen.
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Der Klägerin steht auch wegen der von ihr behaupteten Bauzeitverzögerung kein
aufrechenbarer Schadensersatzanspruch zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich
dieser Anspruch wegen der erfolgten Teilkündigung aus § 286 Abs. 1 BGB a.F. ergibt
oder infolge der behaupteten allgemein zögerlichen Arbeitsweise der Klägerin aus § 6
Nr. 6 VOB/B. In jedem Fall scheitert der Anspruch daran, dass der Schaden vor allem
durch das unverantwortliche und leichtfertige Verhalten der Beklagten herbeigeführt
worden ist, § 254 Abs. 1 BGB. Im Zeitpunkt der Angebotsabgabe vom 06.10.03 an die
Firma J war noch nicht einmal der Bau begonnen worden; denn die Parteien hatten den
Baubeginn einverständlich erst auf den 13.10.03 gelegt. Selbst wenn die Beklagte zur
damaligen Zeit davon ausgegangen ist, dass die Klägerin entsprechend den
vertraglichen Verpflichtungen die Halle innerhalb von 3 Monaten erstellen würde,
konnte sie spätestens bei Auftragserteilung unter dem 05.12.03, die infolge Zeitverzugs
und hinsichtlich der Lieferfristen als neues Angebot zu werten war, und ihrer
Bestätigung am 15.12.03, die dann die Annahme dieses Angebots war, erkennen, dass
sie ihrer Lieferverpflichtung innerhalb der geforderten Zeit nicht würde nachkommen
können. Zu diesem Zeitpunkt hatte es bereits erhebliche Verzögerungen gegeben, weil
die Parteien sich über den Umfang der klägerischen Leistungspflichten nicht einig
waren. Es kommt hinzu, dass im Rahmen der Herstellungsfrist die gesamte
Gebäudetechnik keine Berücksichtigung gefunden hat, so dass die Beklagte schon
deswegen nicht davon ausgehen konnte, dass sie 3 Monate nach Baubeginn in den
Räumlichkeiten würde produzieren können. Vor diesem Hintergrund ist sie sehenden
Auges ein erhebliches Risiko eingegangen. Ein solches Verschulden wiegt so schwer,
dass dahinter ein etwaiges Verschulden der Klägerin im Rahmen der behaupteten
Bauzeitverzögerung zurücktreten würde. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass die
Bauzeitverzögerung auf ein besonders schwere Vertragsverletzung der Klägerin
zurückzuführen ist, weil sie z.B. die Herstellung verzögert hat, um bei einem anderen
Bauvorhaben mehr Gewinne zu erzielen oder einer dortigen Vertragsstrafe wegen
Überschreitung der Herstellungsfrist zu entgehen. Allein die Tatsache, dass die Klägerin
mit der Herstellung der Halle in Verzug geraten ist, reicht für grobe Fahrlässigkeit oder
etwa Vorsatz nicht aus ( BGHZ 48, 78, 82 ).
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Änderung der
Kostenentscheidung des Landgerichts hatte nicht zu erfolgen, da das Landgericht zu
Recht die zunächst erklärte Hilfsaufrechung in Höhe von 169.875 € zu berücksichtigen
hatte.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Sache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und sie weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.
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