Urteil des OLG Hamm vom 21.11.2000

OLG Hamm: geldwerter vorteil, fahrtkosten, trennung, nettoeinkommen, arbeitsstelle, wohnung, verfügung, fahrzeug, ehepartner, miete

Oberlandesgericht Hamm, 2 UF 283/00
Datum:
21.11.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 UF 283/00
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 106 F 307/99
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. Mai 2000 ver-kündete
Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen unter Zurückweisung
des weitergehenden Rechtsmittels teil-weise abgeändert.
Der Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1.
September bis zum 31. Dezember 1999 monatlich 253,00 DM Unterhalt
zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 85 % und der
Beklagte zu 15 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
1
Die zulässige Berufung des Beklagten hat weitgehend Erfolg. Dies beruht darauf, dass
sich die Erwerbseinkünfte der Parteien aufgrund der Änderung der Steuerklassen im
Jahre 2000 gegenüber dem Vorjahr in weitergehendem Umfang verändert haben, als
dies vom Familiengericht angenommen worden ist.
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Die Klägerin hat im Senatstermin ihren eigenen Berufungsantrag nicht mehr gestellt,
worin eine stillschweigende Berufungsrücknahme zu sehen ist.
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Für die Zeit von August bis Dezember 1999 ergibt sich gegenüber der
Berechnungsweise des Familiengerichts eine Änderung insoweit, dass auf Seiten der
Klägerin geringere berufsbedingte Fahrtkosten zu berücksichtigen sind und auf Seiten
des Beklagten anstelle der Pkw-Kreditrate die berufsbedingten Fahrtkosten von seinem
Einkommen abzuziehen sind.
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Die berufsbedingten Fahrtkosten der Klägerin hält der Senat mit monatlich 550,00 DM
für angemessen berücksichtigt. Dabei ist bei einer einfachen Wegstrecke zwischen der
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Wohnung der Klägerin und ihrer Arbeitsstelle von 50 km und 220 Arbeitstagen ein
Kilometersatz von 0,30 DM zugrunde gelegt worden. Diese von Ziffer 6 der Hammer
Leitlinien abweichende Ermittlung der berufsbedingten Fahrtkosten entspricht der
ständigen Rechtsprechung des Senats bei "Vielfahrern" und findet ihre Rechtfertigung
darin, dass bei Fahrleistungen von deutlich mehr als 15.000 km jährlich die mit der
Haltung eines Pkw verbundenen Festkosten bei einem Kilometersatz von 0,42 DM in
einem Umfang Berücksichtigung finden würden, der den tatsächlichen Aufwand für
einen Klein- bis Mittelklassewagen übersteigen würde. Von dem unstreitigen
Nettoeinkommen der Klägerin im Jahr 1999 von monatlich 1.695,18 DM sind somit
550,00 DM berufsbedingte Fahrtkosten abzusetzen, so dass in die Differenzmethode
einzustellendes bereinigtes monatliches Einkommen der Klägerin von 1.145,00 DM
verbleibt. Entgegen der Auffassung des Beklagten muss sich die Klägerin nicht auf die
Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verweisen lassen, da sie während des ehelichen
Zusammenlebens für die Fahrten zur Arbeitsstelle ebenfalls einen Pkw benutzt hat und
im übrigen neben ihrer Berufstätigkeit zwei Kinder im Alter von 15 und 16 Jahren zu
betreuen hat, was besondere Belastungen in zeitlicher Hinsicht mit sich bringt. Der
Umstand, dass es sich nicht um gemeinsame Kinder der Parteien handelt, ist für den
Trennungsunterhalt ohne Bedeutung, da die Betreuung der Kinder die ehelichen
Lebensverhältnissse geprägt hat. Aus dem gleichen Grunde kann die Klägerin während
der Trennungszeit auch nicht auf eine vollschichtige Erwerbstätigkeit anstelle ihrer
derzeit ausgeübten Teilzeittätigkeit verwiesen werden.
Auf Seiten des Beklagten ist für 1999 von dem unstreitigen monatlichen
Nettoeinkommen von 4.290,25 DM auszugehen. Hiervon abzusetzen sind die
berufsbedingten Fahrtkosten mit monatlich 231,00 DM (15 km x 2 x 220 Tage x 0,42 DM
: 12 Monate). Daneben kann die Kreditrate für den Pkw von monatlich 552,21 DM nicht
zusätzlich einkommensmindernd berücksichtigt werden. Nach nochmaliger Prüfung hält
der Senat an der im Verhandlungstermin geäußerten gegenteiligen Auffassung und
einer entsprechenden früheren Handhabung im Einzelfall nicht fest.
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Bei dem Pkw-Kredit handelt es sich zwar um eine Verbindlichkeit, die aus der Zeit des
Zusammenlebens der Parteien herrührt und somit ihre ehelichen Lebensverhältnisse
geprägt hat, jedoch ist andererseits auch von der Benutzung des Pkw eine die
ehelichen Lebensverhältnisse prägende Wirkung ausgegangen. Es handelt sich um
Nutzungen im Sinne des § 100 BGB, die als geldwerter Vorteil dem Einkommen
hinzuzurechnen sind. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen wie bei dem Vorteil des
mietfreien Wohnens im Eigenheim (vgl. zuletzt BGH FamRZ 2000, 950). Werden die
Nutzungen nach der Trennung der Eheleute nur noch von einem Ehepartner gezogen,
so sind sie diesem grundsätzlich als geldwerter Vorteil zuzurechnen, es sei denn er
würde aufgrund der durch die Trennung geänderten persönlichen Verhältnisse keinen
oder zumindest einen kleinen Pkw benutzen, wenn nicht aus der Zeit des
Zusammenlebens ein Pkw zur Verfügung stünde. Auch insoweit sind ähnliche
Überlegungen anzustellen wie bei der Frage des Wohnwertes unter dem Gesichtspunkt
der Nutzung des sogenannten toten Kapitals. Dies führt im Ergebnis dazu, dass den
Aufwendungen für die Nutzung des Pkw, die nach der Trennung der Eheleute ein
Ehegatte allein zieht, der geldwerte Vorteil dieser Nutzung gegenüber zustellen ist.
Dabei dürften in der Regel die Aufwendungen für das Fahrzeug dem geldwerten Vorteil
der Nutzung in der Regel entsprechen, so dass es nach Ziffer 6 der Hammer Leitlinien
gerechtfertigt ist, die Aufwendungen für die Finanzierung eines Pkw in der Regel nicht
zusätzlich zu den berufsbedingten Fahrtkosten einkommensmindernd zu
berücksichtigen (ebenso OLG Hamm – 6. Familiensenat – FamRZ 2000, 1367).
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Bei einem bereinigten Einkommen des Beklagten von rund 4.059,00 DM (4.290,25 DM
abzüglich 231,00 DM Fahrtkosten) und einem bereinigten Einkommen der Klägerin von
rund 1.145,00 DM ergibt sich eine Einkommensdifferenz von 2.914,00 DM. Der nach der
3/7-Quote zu ermittelnde Differenzunterhaltsbedarf der Klägerin beträgt monatlich
1.249,00 DM. Unter Berücksichtigung der freiwillig vom Beklagten geleisteten
Unterhaltszahlungen von monatlich 952,24 DM verbleibt für die Zeit von September bis
Dezember 1999 ein Unterhaltsanspruch der Klägerin zumindest in Höhe der vom
Familiengericht ausgerurteilten Beträge von monatlich 253,00 DM, so dass die Berufung
des Beklagten insoweit keinen Erfolg hat. Für den Monat August 1999 gilt die
Besonderheit, dass die Parteien sich unstreitig erst in der Mitte des Monats getrennt
haben und der Klägerin daher lediglich die Hälfte des vorstehend ermittelten
Differenzunterhaltsbedarfs, also einen Betrag von 624,50 DM beanspruchen kann. Ein
Zahlungsanspruch gegen den Beklagen steht ihr jedoch nicht zu, da sie zum einen die
Feststellung in dem angefochtenen Urteil, dass der Beklagte auch für den Monat August
1999 eine freiwillige Zahlung von 952,24 DM erbracht habe, nicht widerlegt hat. Im
übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte unstreitig die Miete für den gesamten
Monat in Höhe von 1.485,00 DM für die bis zur Trennung gemeinsam und danach von
der Klägerin allein genutzte Wohnung bezahlt hat. Die Klage ist daher hinsichtlich des
Unterhalts für den Monat August 1999 unbegründet, so dass die Berufung des
Beklagten insoweit Erfolg hat.
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Für die Zeit ab Januar 2000 besteht kein Anspruch der Klägerin auf Trennungsunterhalt.
Die Klägerin hat nach dem Wechsel der Lohnsteuerklasse von V auf II bis Juli 2000
ausweislich der Verdienstabrechnungen ein durchschnittliches monatliches
Nettoeinkommen von rund 2.400,00 DM erzielt. Dabei ist noch nicht das Krankengeld
berücksichtigt, welches sie im Mai 2000 erhalten hat. Nach ihren Angaben im
Senatstermin sind dies rund 800,00 DM gewesen, so dass von einem
Monatseinkommen von rund 2.500,00 DM auszugehen ist. Dabei sind die von dem
Beklagten geäußerten Bedenken, die sich daraus ergeben, dass in der
Verdienstbescheinigung für Januar einerseits Gesamtbezüge von 3.175,27 DM
ergeben, während andererseits die ebenfalls in der Bescheinigung enthaltenen
Monatssummen, die in den Folgemonaten fortgeschrieben worden sind, Bruttobezüge
von insgesamt 2.608,00 DM ausgewiesen sind. Dieser Frage brauchte jedoch nicht
weiter nachgegangen zu werden, da sie für das Ergebnis ohne Bedeutung ist. Auf
Seiten des Beklagten ergeben sich aus den für die Zeit von Januar bis Juni 2000
vorgelegten Vedienstnachweisen durchschnittliche Nettoeinkünfte von monatlich rund
3.300,00 DM. Abzüglich der berufsbedingten Fahrtkosten in gleicher Höhe wie im
Vorjahr, nämlich monatlich 550,00 DM auf Seiten der Klägerin und 231,00 DM auf
Seiten des Beklagten, beträgt die Einkommensdifferenz 1.119,00 DM. 3/7 hiervon
ergeben einen Differenzbedarf der Klägerin von monatlich 479,57 DM. Dieser Betrag
liegt unterhalb des vom Beklagten freiwillig gezahlten Unterhalts von monatlich 607,44
DM, so dass für die mit der Klage verfolgte Titulierung eines weitergehenden
Unterhaltsanspruchs kein Raum besteht. Aus dem gleichen Grund bedarf die Frage der
unterhaltsrechtlichen Berücksichtigungsfähigkeit der vom Beklagten ab Mai 2000
geltend gemachten Kreditrate bei der D-Bank von monatlich 527,22 DM zum Ausgleich
seines Girokontos keiner weiteren Aufklärung.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 97 Abs. 1, 515 Abs. 3, 708 Nr. 10
ZPO.
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