Urteil des OLG Hamm vom 12.01.2009

OLG Hamm: gemeinde, treu und glauben, täuschung, bebauungsplan, wirtschaftliche einheit, ausgleichszahlung, anfechtung, kaufvertrag, anpassung, bauer

Oberlandesgericht Hamm, 22 U 137/07
Datum:
12.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 137/07
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 8 O 36/07
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 13.7.2007 verkündete Urteil der
8. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 244.455,20 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 144.383,70 €
seit dem 22.11.2006 und aus weiteren 100.071,50 € seit dem
30.12.2007 sowie 1.586,01 € vorgerichtlicher Anwaltskosten zu zahlen.
Wegen der Mehrzinsforderung wird die Klage abgewiesen und die
Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derer der Streithilfe werden
der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Kläger und des
Streithelfers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden
Betrages leisten.
Gründe:
1
I.
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Die Kläger verkauften der beklagten Bauunternehmung durch notariellen Vertrag vom
6.9.2001 landwirtschaftliche Flächen zwecks Wohnbebauung gemäß einem von der
Gemeinde zu beschließenden Bebauungsplan. Am 17.12.2002 kam es vor dem
Hintergrund einer beabsichtigten Entschädigungszahlung der Beklagten an den
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benachbarten Bauern T zu einer (zweiten) notariellen Nachtragsvereinbarung zu dem
Kaufvertrag, durch die der ursprüngliche Kaufpreis reduziert wurde. Ende 2006 fochten
die Kläger die Nachtragsvereinbarung vom 17.12.2002 wegen arglistiger Täuschung an,
weil die Beklagte sich schon vor diesem Datum mit T auf eine erheblich geringere
Entschädigungszahlung geeinigt, ihnen diesen Umstand jedoch bei der Beurkundung
verschwiegen habe. Sie fordern nunmehr die Nachzahlung des in der Vereinbarung
nachgelassenen Kaufpreises.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 540 Abs.
1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob sich ein
Anspruch der Kläger bei wirksamer Anfechtung des Ergänzungsvertrages vom
17.12.2002 ergebe. Die Beklagte habe die Kläger nicht arglistig getäuscht. Eine
Täuschung durch aktives Tun scheide aus, da unstreitig sei, dass der Bauer T
ursprünglich einen Betrag von 500.000 € begehrt habe. Die Beklagte habe die Kläger
auch im Laufe der Vertragsverhandlungen nicht arglistig in einem Irrtum belassen, dass
T ausschließlich gegen Zahlung von 500.000 € bereit gewesen sei, kein Rechtsmittel
gegen den Bebauungsplan einzulegen. Es habe kein Informationsgefälle zu Lasten der
Kläger vorgelegen. Zwar hätten die Kläger nicht gewusst, dass T auch für eine Zahlung
von 350.000 € auf Rechtsmittel verzichten wollte. Sie seien aber in Kenntnis darüber
gewesen, dass sich die Gemeinde O mit 150.000 € an der Ausgleichszahlung beteiligen
werde. Denn die Beklagte habe den damaligen Rechtsanwalt der Kläger, den
Streithelfer, dessen Wissen sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, mit Schreiben
vom 13.12.2002 in Kenntnis setzen lassen, dass sie mit der Gemeinde O eine
Vereinbarung getroffen hätte, wonach sich diese an einer evtl. Ausgleichszahlung
beteiligen werde, und zwar durch Zahlung von 150.000 € an die Beklagte. Es komme
nicht darauf an, ob der seinerzeitige Vertreter der Kläger dieses Schreiben zur Kenntnis
genommen habe. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass dieser über den
Inhalt des Schreibens in Kenntnis gewesen sei.
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Für deliktische Ansprüche fehle es an einer Täuschung durch die Beklagte, jedenfalls
aber an einem darauf gerichteten Vorsatz. Wegen des den Klägern zurechenbaren
Wissens über die Beteiligung der Gemeinde O könne die Vorstellung der Kläger, sich
zur Hälfte an der Ausgleichszahlung zu beteiligen, nicht Grundlage des Vertrages
geworden sein.
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Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit der rechtzeitig eingelegten und
rechtzeitig begründeten Berufung. Nachdem sie erstinstanzlich lediglich einen Betrag
von 144.383,70 € begehrt haben, haben sie die Klage in der Berufungsinstanz auf
244.455,20 € erweitert. Mit Schreiben vom 20.12.2007 ist die Beklagte insoweit mit
einem Zahlungsziel von 10 Tagen zur Zahlung aufgefordert worden. Unter dem
24.1.2007 zahlten die Kläger die geltend gemachten vorprozessualen
Rechtsanwaltskosten an ihre Prozessbevollmächtigten.
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Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts. Das Landgericht sei rechtsirrig
davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht arglistig gehandelt habe, weil kein
Informationsgefälle bestanden habe. Ein solches Informationsgefälle habe gerade darin
bestanden, dass die Kläger von einem Abfindungsbetrag von 500.000 € ausgegangen
seien. Daran habe auch das Schreiben des Zeugen P vom 13.12.2002 nichts geändert.
Die darin mitgeteilte Verpflichtung der Gemeinde O zur Erstattung von 150.000 € an die
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Beklagte sei lediglich bedingt und nicht zeitnah zu erfüllen gewesen. Die Kläger hätten
die auszugleichende Verpflichtung nur als zusätzliche Verpflichtung gegenüber dem
Landwirt T werten können, die durch die Zahlung der Gemeinde neutralisiert worden
sei.
Das Landgericht habe fehlerhaft keine Täuschung durch aktives Tun angenommen. Die
Beklagte habe die Kläger eindeutig darüber getäuscht, dass sie verpflichtet sei, an den
Bauern T 500.000 und nicht nur 200.000 € zu zahlen. Die Beklagte habe sich bereits vor
dem 5.12.2002 mit T auf die Zahlung von 200.000 € geeinigt nebst der weiteren
Verpflichtung, unter bestimmten Bedingungen weitere 150.000 € zu zahlen. Dennoch
habe die Beklagte in den Verhandlungen bis zum 17.12.2002 stets behauptet, sofort
fällige 500.000 € an T zahlen zu müssen.
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Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Kläger spätestens am 10.12.2002 darüber zu
informieren, dass der Bauer T nur 200.000 € erhalten sollte. Zu diesem Zeitpunkt hätte
ihr der mit T geschlossene Vertrag sowie der Vertragsentwurf des Streithelfers
vorgelegen, in dem eine Abfindungssumme von 500.000 € genannt sei. Es habe eine
Aufklärungspflicht bestanden, weil die Beklagte aufgrund der schwierigen
Verhandlungen davon habe ausgehen können, dass die Kläger in Kenntnis der wahren
Umstände nicht bereit gewesen seien, den Kaufpreis um 250.000 € zu reduzieren.
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Den Klägern sei am 17.12.2002 nicht bekannt gewesen, dass die Gemeinde O am
18.12.2002 einen Vertrag abschließen würde, wonach sie unter bestimmten
Voraussetzungen 150.000 € an die Beklagte zahlt. Hiervon habe zu diesem Zeitpunkt
keine Partei fest ausgehen können. Der Streithelfer habe die Vereinbarung mit dem
Bauern T unstreitig nicht eingesehen. Es habe für ihn keine Veranlassung bestanden,
daran zu zweifeln, dass der von ihm aufgesetzte Vertragsentwurf zustande gekommen
sei.
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Sowohl die Kläger als auch der Streithelfer seien bei Vertragsschluss davon
ausgegangen, dass der Bauer T 500.000 € erhalte. Die Kläger hätten das Schreiben
vom 13.12.2002 nie gesehen. Auch der Beklagten sei es nicht bekannt gewesen. Die
Beklagte habe die Kläger lediglich darüber informiert, dass mit der Gemeinde verhandelt
werde; sie habe jedoch nicht darüber informiert, dass eine Ausgleichszahlung
Gegenstand der Verhandlungen gewesen sei. Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht
verletzt.
12
Die Kläger müssten sich das Wissen des Zeugen P nicht zurechnen lassen. Der Vertrag
vom 10.12.2002 sei dem Makler P bei Abfassen des Schreibens vom 13.12.2002
bekannt gewesen. Dieser sei verpflichtet gewesen, die Kläger hierüber zu informieren,
was er nicht getan habe. Er habe die Kläger und den Streithelfer vielmehr in dem
Glauben gelassen, die von ihm genannten Vereinbarung sei auf der Grundlage des
Entwurfs des Streithelfers und einer Ausgleichszahlung von 500.000 € geschlossen
worden.
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Der Ermäßigungsbetrag belaufe sich auf 244.455,20 €. Der Notar habe in der Urkunde
vom 17.12.2002 einen falschen Kaufpreis für die Bruttobaulandfläche genannt.
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Durch die erklärte Anfechtung sei keine Gesamtnichtigkeit des Vertragsverhältnisses
eingetreten. Zwar bildeten die drei abgeschlossenen Verträge eine wirtschaftliche
Einheit. Diese reiche aber für § 139 BGB nicht aus, da der Vertrag vom 17.12.2002 eine
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Selbständigkeit begründe. Auch ohne diesen sei der Hauptvertrag abwickelbar
gewesen. Gegenstand sei nur eine Preisänderung gewesen. Der aufschiebend
bedingte Vertrag vom 6.9.2001 sei mit dem Satzungsbeschluss des Gemeinderats vom
16.8.2002 wirksam geworden. Zudem könne sich die arglistig handelnde Beklagte nicht
auf die Gesamtnichtigkeit berufen.
Eine Anpassung des Vertrages könne nur so erfolgen, dass der Vertrag vom 6.9.2001 in
Verbindung mit dem Vertrag vom 31.5.2002 zur Abwicklung komme und der
Klagebetrag zurückgezahlt werde. Dieser Vertrag habe die Risiken beider Parteien
berücksichtigt. Die Beklagte als Käuferin von Bauerwartungsland habe
Planungsschwierigkeiten und die Geltendmachung von Ansprüchen Dritter
einzukalkulieren gehabt. Diese Risikoverteilung sei von den Parteien gewollt gewesen.
Die (durch den Vertrag vom 17.12.2002) weggefallene Verpflichtung aus § 3 des
Vertrages vom 31.5.2002 würde wieder wirksam. Die Parteien hätten ihr aber keine
wirtschaftliche Bedeutung zugemessen. Der Notar habe sie bei der Kostenrechnung mit
ca. 6.000 € angesetzt.
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Der Streithelfer ist der Ansicht, die Kläger hätten den Änderungsvertrag vom 17.12.2002
wirksam angefochten. Eine Täuschung durch die Beklagte ergebe sich bereits aus dem
unstreitigen Vorbringen. Es liege eine Täuschung durch aktives Tun vor.
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Der Geschäftsführer der Beklagten und der Zeuge P hätten im Gespräch am 5.12.2002
mehrfach betont, dass der Betrag von 500.000 € genannt und von den Klägern eine
hälftige Beteiligung verlangt worden sei. Es sei auch unstreitig geblieben, dass eine
mündliche Einigung auf den geringeren Betrag bereits an diesem Tag erfolgt gewesen
sei.
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Es gehe nicht um ein Informationsgefälle. Die Beklagte habe vielmehr die ihr
obliegende Hinweispflicht verletzt. Dem Schreiben vom 13.12.2002 lasse sich eine
Reduzierung der Forderung durch T nicht entnehmen. Der Streithelfer habe davon
ausgehen müssen, dass sein Entwurf lediglich um die Verschwiegenheitsklausel
ergänzt worden sei. So habe er das Schreiben auch verstanden. Auch die Beteiligung
der Gemeinde O lasse sich dem Schreiben nicht sicher entnehmen, da sie unter dem
Vorbehalt der Ratszustimmung gestanden habe. Es komme auch nicht auf eine
Kenntnis von der Beteiligung der Gemeinde an, da die Beklagte ungefragt über die
Forderungsreduzierung T habe aufklären müssen.
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Die Beklagte habe arglistig gehandelt. Dies ergebe sich aus der vorsätzlich falschen
Angabe am 5.12.2002. Zudem habe die Beklagte gewusst, dass die Forderung T für die
Kläger von entscheidender Bedeutung für den Abschluss des Änderungsvertrages
gewesen sei. Ansonsten bestehe ein Anspruch aus Verschulden beim Vertragsschluss.
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Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheiterten an der Kenntnis der
Beklagten vom Abschluss des Vertrages am 10.12.2002.
21
Es sei falsch, dass die Kaufpreisreduzierung auf anderen Gründen als der
Ausgleichsforderung des Bauern T beruhe. Die Reduzierung beruhe allein hierauf. Dies
sei auch durch den Betrag der Reduzierung indiziert. Der Vortrag der Beklagten sei
unsubstantiiert.
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Die Kläger und der Streithelfer beantragen,
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unter Abänderung des angefochtene Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die
Kläger 244.455,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 1.7.2003 sowie 1.586,01 € vorgerichtlicher
Anwaltskosten zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen und die Klageerweiterung abzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt hierzu sowie im Hinblick auf die
weitergehende Klage unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen wie folgt
aus:
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Vor Beurkundung der Nachtragsvereinbarung vom 17.12.2002 sei dem Streithelfer die
Vereinbarung mit der Gemeinde O und der Abschluss der Vereinbarung mit dem Bauern
T bekannt gewesen sowie von dem Makler P angeboten worden, diese vertraulich
einzusehen. Die Beklagte sei ihren Informations- und Aufklärungspflichten
vollumfänglich nachgekommen. Ihr sei das Schreiben des Maklers P vom 13.12.2002
bei der Nachtragsvereinbarung am 17.12.2002 bekannt gewesen, weil dieser es ihr
noch am 13.12.2002 in Abschrift per Fax habe zukommen lassen.
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Zudem sei sich die Beklagte sicher, dass der Zeuge P den Streithelfer vor dem
Beurkundungstermin darüber informiert habe, dass die Beklagte sich mit T geeinigt
habe. P habe der Beklagten über ein Telefonat mit dem Streithelfer am 17.12.2002
berichtet, in dem er auf die Gründe für die Geheimhaltung hingewiesen habe. Der
Streithelfer habe hierfür vollstes Verständnis geäußert. Es sei für den Zeugen P nicht
erkennbar gewesen, dass der Streithelfer von einer Vereinbarung entsprechend seinem
eigenen Entwurf ausgegangen sei. Der Streithelfer habe kein Interesse an der
Vereinbarung gezeigt.
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Die Beklagte habe dem Streithelfer keinen Auftrag erteilt, eine Vereinbarung im Hinblick
auf den Bauern T zu entwerfen. Der Streithelfer sei Interessenvertreter der Kläger, die
Beklagte und T seien anwaltlich beraten gewesen.
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Tatsächlich sei die Höhe der Ausgleichszahlung an T für den Kaufpreisnachlass nicht
von Bedeutung gewesen. Diese sei lediglich der Anlas für erneute
Kaufpreisverhandlungen gewesen. Die Beklagte habe vielmehr eine
Kaufpreisreduzierung um 250.000 € erreichen wollen, weil sie bereits ohne die
Forderung T erheblich mehr Immissionsschutzaufwand habe hinnehmen müssen als
geplant. Dies habe neben anderen Erschwernissen vor allem die
Lärmschutzmaßnahmen der Anlieger Q betroffen. Daher habe es keine konkrete
Bezugnahme auf die Ausgleichszahlung gegeben.
31
Es sei auch unzutreffend, dass der Zeuge P in einem Gespräch mit dem Kläger
mitgeteilt hätte, dass der Bauer T eine Entschädigung von 500.000 € für die Installation
eines Biofilters fordern würde. Die Kläger verwechselten dies mit der Forderung des
Bauern B, die im Dezember 2002 lange erledigt gewesen sei.
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Die Kläger erläuterten nicht, wie die Forderungsverzichte der Beklagten zu der hälftigen
Teilung der Ausgleichsforderungen passen sollten. Diese sowie das Faxschreiben des
33
Zeugen P vom 13.12.2002 entziehe der Klage die Grundlage. Der Anspruchsverzicht
der Beklagten sei nach damaligen Verhältnisses mit rund 200.000 € zu bewerten. Die
Entschädigungsleistung habe eine Gesamtfläche von 54.484 qm betroffen. Die
Verhandlung mit der Gemeinde O über die Entwicklung dieser Fläche zu Wohnbauland
seien unmittelbar nach dem grundbuchlichen Vollzug des Ausgangsvertrages vom
6.9.2001 aufgenommen worden und in den Jahren 2005 und 2006 intensiv geführt
worden. Die Gegenansprüche hätten daher voll valutiert. Dies hätten die Kläger
ausweislich der Klageschrift, Seiten 5 bis 7, selbst so bewertet.
Zudem seien die Kaufpreise für die von den Klägern für ihre Töchter
zurückzuerwerbenden Grundstücke ebenfalls um 3,60 € pro qm reduziert worden. Beide
Bauplätze hätten eine Größe von etwa 1.000 qm, sodass sich ein weiterer Verzicht um
3.600 € ergebe.
34
Zudem ließen die Kläger außer acht, dass die Anfechtung der Nachtragsvereinbarung
nicht zu einer geltungserhaltenden Reduktion auf den Kaufvertrag führte. Hätten die
Kläger den Nachlass nicht gewährt, wäre die Beklagte vom Kaufvertrag zurückgetreten.
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Bei einer Rückabwicklung des gesamten Kaufvertrages ergebe sich unter keinem
erdenklichen Anspruch ein Zahlungsanspruch der Kläger, insbesondere im Hinblick auf
die erheblichen Investitionen der Beklagten.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen U und P. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.12.2008
Bezug genommen.
37
II.
38
Die Berufung einschließlich der in der Berufungsinstanz eingeführten Klageerweiterung
ist zulässig und hat auch in der Sache bis auf einen Teil der Zinsforderung Erfolg. Die
Kläger können den jetzt geltend gemachten Betrag als Restkaufpreis gemäß § 433 Abs.
2 BGB von der Beklagten nachverlangen.
39
1.
40
Durch den notariellen Kaufvertrag vom 6.9.2001 i. V. m. der (ersten)
Nachtragsvereinbarung vom 31.5.2002 ist die Beklagte zur Entrichtung eines
Kaufpreises i. H. v. 1.971.510,05 € verpflichtet worden. Die Gegenleistung der Kläger ist
erbracht. Die Beklagte hat bisher Zahlungen in Gesamthöhe von 1.727.054,85 €
geleistet, so dass sich eine Differenz von 244.455,20 € ergibt.
41
2.
42
In Höhe dieser Differenz ist der Kaufpreisanspruch nicht durch die (zweite)
Nachtragsvereinbarung vom 17.12.2002 im Wege der einvernehmlichen Reduzierung
untergegangen. Diese zweite Nachtragsvereinbarung ist nämlich gemäß § 142 Abs. 1
BGB rückwirkend nichtig, nachdem sie am 17.11.2006 von den Klägern wirksam wegen
arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB angefochten worden ist.
43
a)
44
Der von den Klägern geltend gemachte Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung
war nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme entgegen dem
angefochtenen Urteil tatsächlich gegeben.
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aa) Die Täuschung ist von der Beklagten durch Unterlassen begangen worden, indem
sie die Kläger vor Abschluss der notariellen Nachtragsvereinbarung vom 17.12.2002
nicht darüber informiert hat, dass sie am 10.12.2002 mit dem Bauern T eine niedrigere
Entschädigungszahlung vereinbart hatte als es deren Erwartung, welche wiederum auf
der von ihr selbst gemachten und ursprünglich auch richtigen Angabe beruhte,
entsprach.
46
(1) Unstreitig hatte die Beklagte die Kläger Ende November 2002 davon in Kenntnis
gesetzt, dass T für den Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Bebauungsplan einen
Ausgleichsbetrag von 500.000 € forderte. Es mag entsprechend dem Vortrag der
Beklagten unterstellt sein, dass dies zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich der Fall war.
Da weiter unstreitig dieser Umstand zumindest der Anlas für die anschließenden
Nachtragsverhandlungen und den an deren Ende stehenden Abschluss der zweiten
Nachtragsvereinbarung war, musste es für die Beklagte bei wirtschaftlich vernünftiger
Betrachtung auf der Hand liegen, dass die Höhe der tatsächlich mit T ausgehandelten
Summe von zentraler Bedeutung für die Willensentschließung der Kläger sein würde,
ob und inwieweit sie sich im Rahmen der Nachtragsverhandlungen ihrerseits auf ein
Entgegenkommen ihr gegenüber einließen. Das gilt umso mehr, als die Beklagte
jedenfalls zu Beginn der Nachtragsverhandlungen ausdrücklich eine quotale
Beteiligung der Kläger an der Ausgleichszahlung, nämlich zur Hälfte, verlangt hatte.
Auch das ist von ihr nicht bestritten worden und folglich zu Recht – und unangefochten –
im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils als unstreitig festgehalten worden. Wenn
daher nunmehr gegenüber T noch vor Abschluss der Nachtragsverhandlungen eine
mehr als unerhebliche Reduzierung der an ihn zu zahlenden Entschädigung erreicht
werden konnte, so war dies ein Umstand, den die Beklagte den Klägern hätte
offenbaren müssen.
47
Demgegenüber kann sie sich auch nicht darauf berufen, dass Grund für die
Kaufpreisreduzierung gar nicht die Zahlung an T allein, sondern die Erhöhung ihrer
Immissionsschutzaufwendungen insgesamt gewesen sei. Es mag sein, dass aus Sicht
der Beklagten auch weitere Gründe für die Abänderungsvereinbarung vorlagen.
Ausschlaggebend für die Kläger war aber – wie auch die Zeugen übereinstimmend
erklärt haben – die Forderung des Bauern T.
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(2) Eine derartige Offenbarung gemäß der vorstehend begründeten Pflicht lag nicht
bereits in dem Faxschreiben vom 13.12.2002.
49
Dass der Zeuge P darin dem Streithelfer anbot, die inzwischen getroffene Vereinbarung
mit T vertraulich einzusehen, führt nicht dazu, dass die Kläger hierdurch als vom Inhalt
der Vereinbarung informiert angesehen werden konnten. Unter der von dem Zeugen
gestellten Bedingung der Vertraulichkeit war es dem Streithelfer als Interessenvertreter
der Kläger nämlich erkennbar nicht zuzumuten, von der Einsichtsmöglichkeit tatsächlich
Gebrauch zu machen, weil er, wenn er sich an die Vertraulichkeitsbedingung gehalten
und die Kläger von dem Inhalt der Vereinbarung nicht informiert hätte, dadurch eine
schwerwiegende Pflichtverletzung gegenüber ihnen als seinen Mandanten begangen
hätte. Es ist auch zweifelhaft, ob ein solchermaßen unter der Bedingung der
Vertraulichkeit erlangtes Wissen des Streithelfers den Klägern überhaupt hätte
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zugerechnet werden können. Ferner hatte der Streithelfer auch in der Sache keinen
Anlas, von der Einsichtsmöglichkeit Gebrauch zu machen, weil er aufgrund des Inhalts
des Faxschreibens keinen Anhaltspunkt dafür haben musste, dass sich an dem
entscheidenden Punkt, nämlich an der Höhe des Entschädigungsbetrages, gegenüber
dem bisher bekannten Stand etwas geändert hatte. Die Höhe der an T zu zahlenden
Entschädigung von 500.000 € war nämlich bis dahin im Rahmen der
Nachtragsverhandlungen zwischen den Parteien niemals so dargestellt worden, als ob
sie noch zu verhandeln o. ä. wäre.
Die dem Faxschreiben beigefügten Anlagen, wonach eine Beteiligung der Gemeinde an
dem Entschädigungsbetrag zu einem Teilbetrag von 150.000 € zumindest in Aussicht
stand, führten entgegen dem landgerichtlichen Urteil ebenfalls nicht dazu, dass
zwischen den Parteien kein maßgebliches "Informationsgefälle" mehr vorgelegen hätte.
Der Streithelfer bzw. die Kläger mussten aufgrund dieser Information nur davon
ausgehen, dass der Beklagten ein Teil der von ihr zu tragenden Hälfte des
Entschädigungsbetrages durch die Gemeinde abgenommen werden, nicht jedoch, dass
sich auch das Gesamtvolumen dieses Betrages reduzieren würde. Damit hätten die von
ihnen nachzulassenden ca. 250.000 € immer noch die Hälfte des an T zu zahlenden
Betrages dargestellt. Selbst wenn man den von der Gemeinde in Aussicht gestellten
Beteiligungsbetrag vorweg abzieht, hätte sich immer noch ein von den Parteien dieses
Rechtsstreits aufzubringender Entschädigungsbetrag i. H. v. 350.000 € ergeben und
nicht, wie tatsächlich mit T ausgehandelt worden ist, von nur 200.000 €.
51
(3) Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass der Beklagte
oder der für sie handelnde Zeuge P den Streithelfer als Vertreter der Kläger auch nicht
telefonisch über den tatsächlichen Inhalt der Einigung mit T informiert hat.
52
Nachdem die Beklagte eine solche telefonische Information auf Nachfrage im
Senatstermin vom 15.12.2008 zulässigerweise als vermutete Tatsache behauptet hat
(vgl. NJW-RR 1988, 1529), hat der Senat die vorsorglich geladenen Zeugen U (= den
Streithelfer) und P vernommen. Der Zeuge U hat dabei glaubhaft bekundet, dass es
über das o. g. Faxschreiben hinaus keine telefonische Information über den Inhalt der
Einigung mit T gegeben habe. Die Überzeugungskraft dieser Aussage ergab sich dabei
zum einen aus der nachvollziehbaren Erinnerung des Zeugen aufgrund der
Vorbereitung anhand seiner umfangreichen Unterlagen, zum zweiten aus seinen
umfassenden und widerspruchsfreien Schilderungen zur Vorgeschichte, und zum dritten
aus dem von ihm hinterlassenen einwandfreien persönlichen Eindruck, der keinen
Zweifel an der Richtigkeit der Aussage erweckte. Dafür spricht auch, dass auch der von
der Beklagten gegenbeweislich benannte Zeuge P keine Erinnerung daran hatte, dem
Zeugen U über das Faxschreiben vom 13.12.2002 hinaus telefonisch Informationen
über den Inhalt der mit T getroffenen Einigung gegeben zu haben, also die in sein
Wissen gestellte Behauptung der Beklagten selbst nicht bestätigt hat.
53
(4) Die Kenntnis des Zeugen P über den wahren Inhalt der Einigung ist den Klägern
auch nicht schon ohne Mitteilung an sie selbst oder an den Streithelfer unter dem
Gesichtspunkt zuzurechnen, dass er (auch) für sie als Makler tätig gewesen und daher
als sog. Wissensvertreter entsprechend § 166 BGB zu behandeln wäre. Das hätte
nämlich vorausgesetzt, dass P von ihnen mit der Führung der Verhandlungen – gerade
über die hier streitige Nachtragsvereinbarung, d. h. noch Ende 2002 – betraut gewesen
wäre und zu diesem Aufgabenkreis die Erlangung rechtserheblichen Wissens gehört
hätte. Das aber war in diesem Stadium nicht schon aufgrund des bloßen Umstandes der
54
Fall, dass die Kläger ihm im Juli 2001 einen Maklerauftrag erteilt hatten. Jedenfalls seit
die Kläger sich für die Verhandlungen ausdrücklich eines Rechtsanwalts, nämlich des
Streithelfers, bedienten, der anders als P ausschließlich ihre Interessen wahrnahm,
kann von einer Repräsentantenfunktion des Zeugen P nicht mehr gesprochen werden.
Er hat dies selbst bei seiner Vernehmung bestätigt.
bb) Die Täuschung war auch dafür ursächlich, dass die Kläger sich noch am 17.12.2002
auf eine Kaufpreisreduzierung in der Größenordnung von ca. 250.000 € einließen.
Selbst wenn man die erwartete Beteiligung der Gemeinde von 150.000 €, die den
Klägern aufgrund des Faxes vom 13.12.2002 als bekannt zuzurechnen ist, in der Weise
berücksichtigt, dass sich die von den Parteien aufzubringende Leistung an T auf
350.000 € reduzieren würde (vgl. oben aa) (2) a. E.), so wären die Kläger immer noch
davon ausgegangen, dass immer noch ein von der Beklagten selbst zu tragender Teil
übrigblieb, wenn er auch nicht mehr die Hälfte betrug. Dass die Gesamtentschädigung
hingegen so weit heruntergehandelt worden war, dass sie nach Abzug des von der
Gemeinde zu erwartenden Anteils sogar um ca. 50.000 € unterhalb der zu
vereinbarenden Kaufpreisreduzierung lag, stellt eine grundlegend andere Sachlage dar.
Dass die Kläger nicht bereit gewesen wären, den Kaufpreis um eine höhere Summe zu
reduzieren als überhaupt insgesamt von den Parteien an T zu zahlen war, kann keinem
vernünftigen Zweifel unterliegen. Auch wenn sie im Gegenzug die in den Abschnitten IV
und V des zweiten Nachtrages vereinbarten Vorteile erhielten, die sich erst in der
Zukunft auswirken sollten und deren Werthaltigkeit noch weitgehend ungewiss war,
kann das nicht angenommen werden. Zumindest ist davon auszugehen, dass sie bei
Kenntnis der wahren Sachlage nur zu einer deutlich niedrigeren Kaufpreisreduzierung
bereit gewesen wären oder zumindest versucht hätten, über deren Höhe noch einmal
nachzuverhandeln. Schon letzteres reicht für die Ursächlichkeit im Rahmen des § 123
BGB aus (vgl. BGH NJW 1964, 811).
55
b)
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Die Anfechtung ist von den Klägern auch innerhalb eines Jahres seit Entdeckung der
Täuschung (§ 124 Abs. 1, 2 BGB) erklärt worden. Eine frühere Entdeckung als von
ihnen vorgetragen am 7.11.2006 hat die beweisbelastete (vgl. BGH NJW 1992, 2346)
Beklagte nicht behauptet und unter Beweis gestellt.
57
3.
58
Durch die Nichtigkeit der zweiten Nachtragsvereinbarung ist die Wirksamkeit des
Kaufvertrages im übrigen nicht berührt worden. Eine auch den Ursprungsvertrag sowie
die erste Nachtragsvereinbarung erfassende Gesamtnichtigkeit gemäß § 139 BGB liegt
nicht vor.
59
Die Voraussetzung des § 139 BGB, dass das gesamte Rechtsgeschäft ohne den
nichtigen Teil nicht vorgenommen worden wäre, ist hier nämlich nicht gegeben. Das
ergibt sich daraus, dass es sich bei dem nichtigen Teil des Gesamtgeschäfts eben um
eine Nachtragsvereinbarung handelte, also um eine Abänderung eines zeitlich schon
vorher sowohl objektiv als auch aus der Sicht der Parteien vollwirksam bestehenden
Rechtsgeschäfts. Sie stellte eine Reaktion auf ebenfalls erst nachträglich eingetretene
Umstände – nämlich auf die Rechtsmittelandrohung und das Entschädigungsbegehren
des Bauern T – dar, beruhte also nicht etwa darauf, dass die Parteien eine schon
anfänglich bestehende Unvollständigkeit oder einen sonstigen anfänglichen Mangel
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des Ursprungsvertrages bemerkt hätten.
4.
61
Infolge der rückwirkenden Vernichtung der zweiten Nachtragsvereinbarung ist nicht
umgekehrt auch der Beklagten gegen die Kläger ein Ausgleichsanspruch erwachsen,
der mit dem klägerischen Anspruch aufzurechnen gewesen oder zu saldieren wäre.
62
Die Kläger haben nämlich nicht durch Leistung der Beklagten ein vermögenswertes
"Etwas" i. S. v. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB erlangt, als dessen Rechtsgrund die
nichtige zweite Nachtragsvereinbarung anzusehen wäre.
63
a)
64
Zwar war die zweite Nachtragsvereinbarung bzw. der durch sie gewährte
Kaufpreisnachlass kein einseitiges "Geschenk" der Kläger an die Beklagte, sondern ihm
sollte vielmehr auch auf ihrer Seite ein als gleichwertig angesehener Vorteil
gegenüberstehen. Dieser Vorteil sollte darin liegen, dass die Beklagte die
Entschädigungszahlung an T im Außenverhältnis allein übernahm und damit das
Risiko, dass es infolge eines Rechtsmittels T gegen den Bebauungsplan zu einem
Scheitern des Gesamtvorhabens kommen würde, auch für die Kläger minimiert wurde.
65
Bei diesem faktischen Vorteil handelt es sich jedoch nicht um einen konkreten
Gegenstand, um den die Beklagte das Vermögen der Kläger bewusst und
zweckgerichtet vermehrt hätte:
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aa) Die Entschädigungszahlung der Beklagten an den Bauern T als solche kann
bereicherungsrechtlich, d. h. aus der Empfängersicht der Kläger, nicht als Leistung der
Beklagten an sie selbst eingeordnet werden, denn sie, die Kläger, waren ja ihrerseits zu
einer solchen Entschädigungszahlung nicht verpflichtet und sind deshalb auch nicht von
einer eigenen Verpflichtung freigeworden.
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bb) Ein "erlangtes Etwas" ist auch nicht in einem Verzicht der Beklagten auf ihr
Rücktrittsrecht gemäß § 7 Abs. 2 oder auf die Wirksamkeitsbedingung gemäß § 7 Abs. 1
des Ursprungsvertrages zu sehen. Einen solchen Verzicht hat die Beklagte in der
Vereinbarung vom 17.12.2002 nämlich nicht erklärt.
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cc) Schließlich stellt auch die rein tatsächliche Minimierung der Wahrscheinlichkeit,
dass das Gesamtvorhaben infolge eines Rechtsmittels des Bauern T gegen den
Bebauungsplan scheitern würde, keinen fassbaren Vermögensvorteil dar.
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Wesentlicher Gesichtspunkt dabei ist, dass zum Zeitpunkt der zweiten
Nachtragsvereinbarung die Wirksamkeitsbedingung gemäß § 7 Abs. 1 des
Ursprungsvertrages gar nicht mehr scheitern konnte und der Beklagten infolgedessen
auch kein Recht zum Rücktritt gemäß § 7 Abs. 2 mehr zustand.
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Die Wirksamkeit war nämlich in § 7 Abs. 1 S. 1 lediglich an die Beschlussfassung über
den Bebauungsplan im Rat geknüpft; allenfalls vorbehalten war in § 7 Abs. 1 S. 3 die
Versagung einer etwa erforderlichen aufsichtsbehördlichen Genehmigung. Im Rat der
Gemeinde O war der Bebauungsplan jedoch schon im August beschlossen worden, und
dass eine aufsichtsbehördliche Genehmigung noch ausgestanden und konkret versagt
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zu werden gedroht hätte, ist nicht vorgetragen. Dass im Rahmen des § 7 Abs. 1 S. 3
einer solchen Versagung eine erfolgreiche Anfechtung des Bebauungsplanes im
gerichtlichen Normenkontrollverfahren hätte gleichstehen sollen, ergibt die
Vertragsauslegung nicht. Eine Nichtigerklärung im Normenkontrollverfahren wäre
nämlich noch bis zu mehreren Jahren nach dem Ratsbeschluss möglich gewesen, und
es ist nicht anzunehmen, dass die Parteien die Wirksamkeit ihres Kaufvertrages über so
lange Zeit in der Schwebe lassen und sich damit sogar über den Abschluss der
Bebauung hinaus einem ungewissen Rückabwicklungsrisiko aussetzen wollten.
Ebensowenig ist anzunehmen, dass die Parteien den Begriff des Satzungsbeschlusses
in § 7 Abs. 1 S. 1 des Kaufvertrages im engen Sinne eines rechtsfehlerfreien
Satzungsbeschlusses gemeint haben, weil sie damit die Wirksamkeit ihres Vertrages
bzw. die Berechtigung eines etwaigen Rücktritts von einer Inzidentprüfung der
Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes abhängig gemacht und sich dadurch hohes
Streitpotential geschaffen hätten.
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Wenn die Beklagte dennoch ihren Rücktritt vom Kaufvertrag und/oder zumindest einen
Rücktritt von ihrem städtebaulichen Vertrag mit der Gemeinde vom 28.5.2002 angedroht
hatte, so mag das zwar ein rein wirtschaftliches Risiko für die Kläger bedeutet haben,
denn auch wenn sie die Beklagte rechtlich an dem Kaufvertrag hätten festhalten
können, wäre es ungewiss gewesen, ob sie bei einem faktischen Unterbleiben der
Bebauung einen Kaufpreisanspruch gegen die Beklagte als GmbH hätten realisieren
können. Wie hoch dieses wirtschaftliche Risiko aber tatsächlich gewesen wäre, ist so
unbestimmt, dass die Befreiung von ihm nicht als konkreter Vermögenswert i. S. d. § 812
BGB angesehen werden kann.
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b)
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Bezüglich der in Abschnitt IV und V des nichtigen zweiten Nachtrages zugunsten der
Kläger enthaltenen Regelungen, dass eine (künftige und bedingte)
Erstattungsverpflichtung gegenüber der Beklagten aus § 3 des ersten Nachtrages
wegfallen und dass sich eine Rückerwerbsoption bezüglich zweier Grundstücke aus § 8
Abs. 1 des Ursprungsvertrages verbilligen solle, bedarf es keiner
bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung an die Beklagte. Die genannten, für die
Kläger ungünstigeren Regelungen der früheren Verträge leben nämlich infolge der
Nichtigkeit der zweiten Nachtragsvereinbarung von selbst wieder auf. Aus ihnen
resultieren indes derzeit keine fälligen Ansprüche gegen die Kläger, die der
Klageforderung entgegengehalten werden könnten. Soweit aufgrund der
Rückerwerbsoption bereits Grundstücke zu dem niedrigeren Preis zurückerworben
worden sind, ist das nach eigenem Vortrag nicht durch die Kläger, sondern durch deren
Töchter geschehen.
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5.
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Schließlich ist der Vertrag auch nicht wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§
313 n. F. BGB) anzupassen.
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a)
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Eine Anpassung der zweiten Nachtragsvereinbarung an den niedrigeren, an den
Bauern T tatsächlich gezahlten Entschädigungsbetrag, also eine verhältnismäßige
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Herabsetzung auch des Reduzierungsbetrages zugunsten der Kläger, kommt
denklogisch nicht in Betracht. Da nämlich die zweite Nachtragsvereinbarung durch die
wirksame Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet worden ist, ist
sie rechtlich als nicht existent zu betrachten und kann daher auch nicht mehr angepasst
werden.
b)
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Anzupassen wäre vielmehr nur der verbliebene Ursprungsvertrag (einschließlich des
ersten Nachtrages). Grund der Anpassung könnte dann nur sein, dass die Beklagte die
Entschädigungszahlung, die an den Bauern T zur Abwendung eines Scheiterns des
Gesamtprojektes und damit im wirtschaftlichen Interesse beider Parteien zu erbringen
war, im Außenverhältnis allein übernommen hatte im Vertrauen darauf, dass ihr die
Kläger im Innenverhältnis rechtswirksam eine hälftige Beteiligung daran zugesagt
hatten.
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Eine solche Anpassung – zugunsten der Beklagten – ist aber im Ergebnis ebenfalls
nicht gerechtfertigt, weil es sich bei der Rechtsfigur der Störung der Geschäftsgrundlage
um eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben handelt, so
dass die Anwendung des Tatbestandsmerkmals der Unzumutbarkeit (§ 313 Abs. 1 a. E.
BGB) in besonderem Maße unter wertenden Gesichtspunkten erfolgen muss. Von
entscheidender Bedeutung muss dabei der Umstand sein, dass die Beklagte als
diejenige Partei, zu deren Gunsten sich die Anpassung auswirken würde, die Störung
der Geschäftsgrundlage selbst vorsätzlich verschuldet hat, indem sie beim Abschluss
der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, welche den Vertrauenstatbestand bildete (d. h.
des zweiten Nachtrages), arglistig getäuscht und sich infolgedessen ihre Anfechtbarkeit
und letztlich Nichtigkeit selbst zuzuschreiben hat. Einer derart arglistig handelnden
Partei kann es nicht unzumutbar sein, sich nunmehr ohne Anpassung an dem
Ursprungsvertrag festhalten lassen und die Störung der Geschäftsgrundlage folglich
allein tragen zu müssen.
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Darüber hinaus wäre ein Festhalten an dem Ursprungsvertrag der Beklagten jedenfalls
deshalb nicht unzumutbar, weil als weiterer Gesichtspunkt hinzukommt, dass sie infolge
des nicht mehr bestehenden Rücktrittsrechts (s. oben 4 a) cc)) das eigentliche Risiko
eines Rechtsmittels gegen den Bebauungsplan ohnehin allein trug. Sie hätte also auch
ohne die zweite Nachtragsvereinbarung, auf deren Wirksamkeit sie ggf. vertraute, gar
keine Handlungsalternative gehabt. Dieser Umstand lag jedoch in ihrer eigenen
Risikosphäre, denn eine drohende Störung des Bauplanungsverfahrens stellt kein
unvorhersehbares, sondern um ein typisches Risiko bei der Entwicklung eines neuen
Baugebietes in einem ländlichen Raum dar; die Beklagte hätte dieses Risiko daher von
vornherein einschätzen und ihm z. B. durch Vereinbarung eines weiterreichenden
Rücktrittsrechts mit den Klägern Rechnung tragen können. Eine derartige Regelung
enthält der Vertrag jedoch nicht, so dass ein späteres Scheitern der Planung im
Risikobereich der Beklagten lag.
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6.
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Die Ansprüche auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlichter, nicht anrechenbarer
Anwaltskosten sind gemäß §§ 280, 286, 288 BGB gerechtfertigt. Als Verzugs- und damit
Zinsbeginn ist jedoch bezüglich der ursprünglichen Klageforderung von 144.383,70 €
erst der 22.11.2006 zugrundezulegen, als die Beklagte durch anwaltliches Schreiben
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jegliche Zahlungsansprüche der Kläger bestimmt und uneingeschränkt zurückwies.
Vorher lag schon mangels vollständiger kalendermäßiger Bestimmtheit der
Kaufpreisfälligkeit in § 2 Abs. 4 des Ursprungsvertrages kein Verzug vor, im übrigen
aber auch bis zum 17.11.2006 wegen der noch nicht erklärten Anfechtung der zweiten
Nachtragsvereinbarung nicht. Im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 4.1.2008 geltend
gemachten weiteren 100.071,50 € ist Verzug durch das Mahnschreiben vom 20.12.2007
eingetreten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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