Urteil des OLG Hamm vom 23.03.1999

OLG Hamm (verhältnis zu, berufliche tätigkeit, fahrzeug, kündigung, tätigkeit, zahlung, höhe, inhalt, verhältnis, unterzeichnung)

Oberlandesgericht Hamm, 7 U 81/98
Datum:
23.03.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 U 81/98
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 5 0 50/98
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Juli 1998 ver-kündete
Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dort-mund wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsmittels, ein-schließlich der
Kosten der Berufungsbeklagten zu 2).
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert die Klägerin in Höhe von 15.697,14 DM.
Die Beklagten schlossen unter der in ihrem Antrag vom 23.3.1995 aufgeführten
Bezeichnung 1. und 2. Leasingnehmer mit der Klägerin einen Leasingvertrag über einen
Pkw Citröen für die Dauer von 48 Monaten zu monatlichen Leasingraten von 1.164,21
DM, einer vereinbarten Fahrleistung von 40.000 km jährlich und einer vereinbarten
Ausgleichs-/Erstattungspflicht bei einer Mehr- bzw. Minderkilometerleistung.
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Bei dem Beklagten zu 1) war unter "Beruf" Handelsvertretung, bei der Beklagten zu 2)
Verwaltungsangestellte eingetragen.
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Nachdem die Beklagten die Zahlung der Leasingraten ab April 1997 eingestellt hatten,
kündigte die Klägerin ihrerseits mit Schreiben von 18.7.1997 (Fotokopie Bl. 19/20 d. A.)
den Vertrag wegen des bestehenden Zahlungsrückstandes fristlos.
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Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung rückständiger Raten für die
Zeit von April bis Juli 1997 in Höhe von 4.656,84 DM und leasingtypischen
Schadensersatz - unter
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Anrechnung eines Mehrerlöses von 5.830,54 DM und Hinzurechnung von
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Mängelbeseitigungskosten von 4.242,20 DM - in Höhe von insgesamt 21.914,20 DM.
Die Parteien streiten darüber, ob bei Unterzeichnung des Leasingantrags von dem
Beklagten erklärt worden sei, daß das Fahrzeug für die bereits ausgeübte Tätigkeit des
Beklagten zu 1) als selbständiger Handelsvertreter dienen solle und die Beklagte zu 2)
lediglich zu Sicherungszwecken als zweite Leasingnehmerin mit unterzeichnet habe.
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Die Beklagten behaupten, derartige Erklärungen seien nicht abgegeben worden. Das
Fahrzeug habe allein privaten Zwecken unter Einschluß der Fahrten zur Arbeitsstätte
dienen sollen.
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Das Landgericht hat die rückständigen Raten bis zum 20.7.1997, dem Zugang der
Kündigung, in Höhe von 4.055,96 DM zugesprochen sowie - der Höhe nach in erster
Instanz unstreitige - Reparaturkosten von 2.121,10 DM.
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Die weitergehende Klage ist mit der Begründung abgewiesen worden, daß die
Kündigung mangels Einhaltung der Voraussetzungen des § 12 VerbrKrG unwirksam
sei. Nach dem maßgeblichen Inhalt des Vertrages, wie er sich aus den schriftlichen
Erklärungen erschließe, sei das Fahrzeug nicht für eine bereits ausgeübte berufliche
Tätigkeit bestimmt gewesen.
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Mit der Berufung macht die Klägerin gegen den Beklagten zu 1) - nach Rücknahme der
Berufung gegenüber der Beklagten zu 2) - weitere 16.797,14 DM als leasingtypischer
Schadensersatz geltend. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, daß jedenfalls im
Verhältnis zu dem Beklagten zu 1) das Verbraucherkreditgesetz keine Anwendung
finde.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des ihr durch eine von den Beklagten zu
vertretende vorzeitige Vertragsbeendigung entstandenen Schadens nach den
Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung besteht nicht, da die von ihr erklärten
Kündigungen nicht zu einer Beendigung des Leasingvertrages geführt haben.
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1.
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Die Klägerin war, nachdem sich die Beklagten mit der Zahlung von mehr als zwei
monatlichen Raten in Verzug befanden, zur Kündigung des Vertrages gemäß § 554
Abs. 1 BGB berechtigt.
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Die von ihr abgegebenen Kündigungserklärungen erfüllten jedoch nicht die gem. § 12
Abs. 1 S. 1 Ziffer 2 VerbrKG geforderte Voraussetzung einer vorherige Fristsetzung zur
Zahlung des rückständigen Betrages mit der Erklärung, daß bei Nichtzahlung innerhalb
der Frist die gesamte Restschuld verlangt werde, die jedenfalls gegenüber der
Beklagten zu 2) einzuhalten war.
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Denn der zwischen den Parteien geschlossene Leasingvertrag unterfällt als sonstige
Finanzierungshilfe dem VerbrKrG (vgl. zuletzt BGH WM 1998, 928 m.w.N.). Es kann
dahingestellt bleiben, ob - entsprechend dem in zweiter Instanz unter Beweis gestellten
Vortrag der Klägerin - das Fahrzeug nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen
für eine bereits ausgeübte gewerbliche Tätigkeit des Beklagten zu 1) bestimmt war, § 1
Abs. 1 letzter HS VerbrKrG. Jedenfalls im Verhältnis zu der Beklagten zu 2) als zweite
Leasingnehmerin finden die Vorschriften des VerbrKrG Anwendung mit der Folge, daß
zumindest die ihr gegenüber erklärte Kündigung unwirksam und damit eine
Vertragsbeendigung insgesamt nicht eingetreten ist. Die Kündigung eines
Dauerschuldverhältnisses, insbesondere eines Mietvertrages mit mehreren Mietern als
Gesamtschuldnern kann nur gemeinsam allen Vertragspartnern gegenüber erklärt
werden und setzt die Wirksamkeit jeweils im Verhältnis zu den einzelnen
Vertragspartnern voraus (vgl. Palandt-Heinrichs, § 425 Rz. 9 m.w.N.).
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a)
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Nach dem Inhalt des Vertrages, wie er sich aus den vorgelegten Urkunden ergibt, kann
nicht festgestellt werden, daß der Kredit für eine bereits ausgeübte gewerbliche und
selbständige Tätigkeit auch nur des Beklagten zu 1) bestimmt war. Dafür spricht
lediglich die Eintragung "Handelsvertretung" als Beruf des Beklagten zu 1). Unter der
maßgeblichen Rubrik "Verwendungszweck" ist ausweislich der von dem Beklagten zu
1) im Senatstermin überreichten Originalantragsdurchschrift keine Eintragung erfolgt. In
der von der Klägerin überreichten Fotokopie des Antrages (Bl. 18) befindet sich zwar der
handschriftliche Eintrag "gew.". Die Originalurkunde konnte von dem
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Senatstermin nicht vorgelegt werden. Dafür,
daß bei Abschluß des Leasingvertrages von einer privaten Nutzung ausgegangen
worden ist, spricht eindeutig die Unterzeichnung einer Widerrufsbelehrung durch beide
Beklagte.
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Der Beklagte zu 1) hat in seiner Anhörung vor dem Senat dazu angegeben, daß das
Fahrzeug sowohl von ihm als auch von seiner Ehefrau genutzt werden sollte und
genutzt worden sei. Er sei mit dem Fahrzeug täglich zur Arbeitsstelle hin- und
zurückgefahren. Zur Ausübung seines Berufes habe er es nicht benutzt. Über den
Zweck der Nutzung sei im Zusammenhang mit der Antragstellung nicht gesprochen
worden.
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b)
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Einer Beweiserhebung über die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 1) habe
erklärt, daß er das Fahrzeug für seine bereits ausgeübte Tätigkeit als selbständiger
Handelsvertreter benötige und daraufhin sei handschriftlich nachträglich der
gewerbliche Verwendungszweck vermerkt worden, bedurfte es nicht, da die Vorschriften
des VerbrKrG jedenfalls im Verhältnis zu der Beklagten zu 2) als zweite
Leasingnehmerin weiterhin Anwendung finden.
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Der Senat ist mit der wohl überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur
(OLG Stuttgart NJW 1994, 867, 868 - für den Fall des Schuldbeitrittes -, von Westphalen,
VerbrKrG, 2. Aufl., § 1 Rz. 73, Bülow, VerbrKrG, 3. Aufl., § 1 Rz. 43 a; a.A. Ulmer in
MünchKom., 3. Aufl., § 1 VerbrKrG Rz. 32, 33) der Auffassung, daß bei einer
gesamtschuldnerischen Mitverpflichtung die Anwendbarkeit des VerbrKrG für jeden der
Vertragspartner gesondert zu untersuchen ist, sog. Einzelbetrachtung, und nicht eine
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Gesamtbetrachtung des Inhalts stattfinden kann, ob der Vertrag ganz oder überwiegend
für eine bereits ausgeübte gewerbliche und selbständige berufliche Tätigkeit eines der
Verpflichteten dient. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 VerbrKrG wird an die Person des
Verpflichteten angeknüpft. Zwar kann darunter unstreitig nicht nur ein einzelner
Vertragspartner gemeint sein, sondern auch eine Mehrheit von Gesamtschuldnern
(Ulmer a.a.O.). Dies spricht jedoch nicht zwingend für eine Gesamtbetrachtung,
entscheidend ist vielmehr der Schutzzweck des im Gegensatz zum Abzahlungsgesetz,
das nur den Schutz des Käufers bezweckte, bewußt weitgefaßte VerbrKrG, das jede
schuldrechtliche Vereinbarung eine entgeltliche Kreditgewährung umfaßt (OLG Stuttgart
a.a.O.). Die Schutzbedürftigkeit der Beklagten zu 2) entfällt nicht im Hinblick darauf, daß
- nach der Behauptung der Klägerin - sie nur "zu Sicherungszwecken" als
Vertragspartnerin einbezogen wurde. Sie hat nicht nur formal die Stellung als
Leasingnehmerin mit einem eigenen Forderungsrecht erhalten, sondern ist auch bewußt
und gewollt mit dem vollen Haftungsrisiko belastet. Wie bei einem Schuldbeitritt wäre in
diesem Fall noch eine erhöhte Schutzbedürftigkeit anzunehmen, da dem Haftungsrisiko
nicht die freie Verfügbarkeit über die Leasingsache als Ausgleich gegenübersteht (OLG
Stuttgart a.a.O., von Westphalen, a.a.O. Rz. 71).
Jedenfalls die gegenüber der Beklagten zu 2) erklärte Kündigung war somit unwirksam.
Eine Beendigung des Vertrages insgesamt ist daher nicht eingetreten.
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2.
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Ein über den durch das angefochtene Urteil zuerkannter Anspruch auf Zahlung der
vertraglich vereinbarten Leasingraten gem. § 535 S. 2 BGB ist gem. § 323 Abs. 1 BGB
erloschen. Den Beklagten ist jedenfalls ab dem 28.7.1997 die Gebrauchsmöglichkeit
des Fahrzeuges von der Klägerin endgültig entzogen worden. Bereits zuvor wurde in
den Kündigungsschreiben die weitere Nutzung untersagt. Daß nach Zugang der
Kündigungserklärungen eine weitere Nutzung erfolgt ist, ist von der Klägerin nicht
behauptet und unter Beweis gestellt.
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Die Berufung war daher zurückzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3
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S. 1, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
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