Urteil des OLG Hamm vom 05.12.2002

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Oberlandesgericht Hamm, 4 U 121/02
Datum:
05.12.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 121/02
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 22 O 8/02
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 5. Juni 2002 verkündete
Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 38.000,- EUR
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
dieser Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung kann durch unbedingte, unwiderrufliche,
unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und
Steuerbürge anerkannten Kreditinstituts in der Europäischen Union
erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in H, das den Abschluß von Sportwetten
betreibt. Sie ist seit ca. 10 Jahren tätig und wirbt in ganz Deutschland über Internet
sowie in Zeitschriften und auf Werbeplakaten. Mit Bescheid vom 14.09.1990 ist der
Klägerin durch den Magistrat der Stadt H – Gewerbeamt – die Erlaubnis zum Abschluß
von Sportwetten erteilt worden. Die Rechtmäßigkeit dieser Erlaubnis ist Gegenstand
von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren.
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Mit Bescheid vom 11.09.1996 untersagte das Thüringer Landesverwaltungsamt der
Klägerin, Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen abzuschließen oder zu
vermitteln. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung
angeordnet. Gegen diese Untersagungsverfügung und die Anordnung der sofortigen
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Vollziehung ist die Klägerin vor den Verwaltungsgerichten im Wege der Klage und mit
dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage
vorgegangen. Durch Urteil vom 30.08.2000 hat das Verwaltungsgericht Gera die
Untersagungsverfügung und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Über die von der
Stadt Gera beantragte Zulassung der Berufung hat das Thüringische
Oberverwaltungsgericht noch nicht entschieden. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht
Gera mit Beschluß vom 13.01.1997 die aufschiebende Wirkung der Klage
wiederhergestellt bzw. angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Stadt H
wurde durch Beschluß des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts vom 21.10.1999
zurückgewiesen.
Der Beklagte betätigt sich gewerblich jedenfalls in Hagen. Er unterhält dort ein
Gewerbelokal unter der Firmenbezeichnung "H2" und betätigt sich als privater Anbieter
von Sportinformationsdienstleistungen. Seine weitere Tätigkeit besteht darin, für die Fa.
N mit Sitz auf der Isle of Man als Vermittler Wetteinsätze entgegen zu nehmen und diese
Wetten online an die Fa. N weiterzuleiten. Er nimmt zu diesem Zweck Wettscheine wie
aus der Anlage 3 zum Schriftsatz vom 21.08.2001 (Bl.11 GA) ersichtlich und den zu
leistenden Einsatz von Dritten entgegen. Der Beklagte ist nicht im Besitz einer
behördlichen Erlaubnis zur Durchführung eines öffentlichen Glückspiels.
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Die Klägerin erblickt in dem Verhalten des Beklagten einen Verstoß gegen § 1 UWG
i.V.m. § 284 StGB.
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Das Landgericht hat durch Urteil vom 5. Juni 2001 gegen den Beklagten im
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wesentlichen antragsgemäß wie folgt für Recht erkannt:
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1.
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Der Beklagte wird -unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu
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250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder der Verhängung
von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung- verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für
ausländische Wettunternehmen, die nicht Inhaber einer deutschen
Gewerbeerlaubnis sind, Sportwettangebote entgegenzunehmen und/oder den
Abschluß von Wetten solcher ausländischer Wettunternehmen zu vermitteln
und/oder für den Abschluß von Wetten solcher ausländischer Wettunternehmen zu
werben.
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2.
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Es wird festgestellt daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu
ersetzen, der ihr durch die in Ziffer 1 des Tenors bezeichneten Handlungen
entstanden ist und künftig entstehen wird.
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Wegen des Inhaltes des Urteiles im einzelnen wird auf Bl. 162 ff der Akten verwiesen.
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Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der
er sein Klageabweisungsbegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.
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Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages ist der Beklagte der
Ansicht, daß es der Klägerin schon an der Aktivlegitimation fehle. Da sie selbst
jedenfalls eine gültige Gewerbeerlaubnis für die Durchführung von Sportwetten in
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Nordrhein-Westfalen nicht besitze und nach dem dortigen Sportwettengesetz auch nicht
erwerben könne, könne sie auch Dritten solche Wettveranstaltungen nicht verbieten.
Sollte die Klägerin aber als Folge einer fortgeltenden thüringischen Erlaubnis auch in
Nordrhein-Westfalen tätig sein dürfen, werde sie grundlos gegenüber Wettbewerbern,
die durch die strenge Fassung des Sportwettengesetzes NW vom Wettgeschäft
ferngehalten würden, bevorzugt. Daraus werde deutlich, daß das generelle Verbot für
Privatleute in Nordrhein-Westfalen, Sportwetten zu veranstalten, gegen Art. 12 Abs. 1
GG verstoße, was zur Zeit von mehreren Betroffenen mit einer Verfassungsbeschwerde
geltend gemacht werde, über die noch nicht entschieden worden sei.
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Darüber hinaus sei er auch nicht passivlegitimiert, da er nicht gegen § 284 StGB
verstoße. Das Veranstalten eines Fußballtotos sei kein Glücksspiel im Sinne des § 284
StGB, weil die Entscheidung über Gewinn und Verlust dabei nicht allein oder
hauptsächlich vom Zufall abhänge, sondern wesentlich auch von Kenntnissen aus dem
Bereich der Sportszene.
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Er veranstalte eine solche Sportwette auch nicht. Denn er, der Beklagte, nehme
lediglich Wetteinsätze entgegen und leite sie online an die auf der Isle of Man ansässige
Firma N weiter, die über eine dortige Gewerbeerlaubnis verfüge. Damit liege überhaupt
keine dem deutschen Strafrecht unterfallende Tathandlung im Inland vor.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vortrages,
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die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin tritt den einzelnen Berufungsangriffen entgegen und betont, dass der
maßgebliche Sachverhalt, soweit es um das Verhalten des Beklagten gehe, unstreitig
ist. Sie meint unter Auswertung der in den letzten Jahren ergangenen Entscheidungen
des Bundesgerichtshof und des Senats, dass die Rechtsausführungen des Beklagten
unzutreffend seien.
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Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im einzelnen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
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Die Klägerin ist zumindest nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG als Konkurrenzunternehmen
klagebefugt, wenn man sie nicht ohnehin schon als unmittelbar Verletzte ohne weiteres
als klagebefugt ansehen will, weil sich die Parteien bei Fußballwetten unmittelbar
Konkurrenz machen.
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Auf diese Wettätigkeit könnte sich die Klägerin zur Stützung ihrer Klagebefugnis zwar
nicht berufen, wenn diese Tätigkeit ihrerseits wettbewerbswidrig wäre. Das ist
vorliegend aber nicht der Fall. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die der
Klägerin erteilte Wetterlaubnis jedenfalls derzeit noch bestandskräftig. Insoweit sind die
Zivilgerichte an die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte über die Bestandskraft der
streitgegenständlichen Verwaltungsakte gebunden. Zu Gunsten der Klägerin ist damit
für das vorliegende Verfahren davon auszugehen, daß sie ihrerseits eine ausreichende
Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten besitzt, so daß sie damit auch gegen
Konkurrenten, die eine solche Erlaubnis nicht besitzen, auf wettbewerbsrechtlichem
Wege nach § 13 Abs. 2 Ziffer 1 UWG vorgehen kann (BGH, GRUR 2002, 269, 271 –
Sportwetten-Genehmigung).
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Dem steht auch nicht entgegen, daß sie eine Erlaubnis vom Land Nordrhein-Westfalen
nicht bekommen könnte. Aufgrund der fortgeltenden thüringischen Erlaubnis, die für das
ganze Bundesgebiet gilt, darf sie Wetten auch in Nordrhein-Westfalen veranstalten und
sich daher auch gegen Wettbewerber wenden, die dort ohne Erlaubnis tätig werden wie
der Beklagte.
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Anspruchsgrundlage für das begehrte Verbot ist § 1 UWG in Verbindung mit § 284
StGB.
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Nach dieser Vorschrift kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen
die guten Sitten verstoßen. Ein solcher Sittenverstoß im Sinne des § 1 UWG liegt auch
vor, wenn gegen Normen außerhalb des Wettbewerbsrechts verstoßen wird,
insbesondere gegen solche des Strafrechts.
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Hier verstößt der Beklagte gegen § 284 Abs. 1 StGB, wonach die öffentliche
Veranstaltung eines Glücksspiels ohne Erlaubnis strafbar und damit verboten ist.
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Das vom Beklagten vermittelte Fußballtoto ist ein solches Glücksspiel. Denn das Wesen
solcher Wetten besteht darin, dass die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den
Spielbedingungen und den Verhältnissen, unter denen sie gewöhnlich betrieben
werden, nicht wesentlich von den geistigen und körperlichen Fähigkeiten, den
Kenntnissen, der Übung und der Aufmerksamkeit der durchschnittlichen Spieler
abhängt, sondern jedenfalls hauptsächlich vom Zufall,
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der ihrer Einwirkungsmöglichkeit entzogen ist (BGH WRP 2002, 688, 689 –Sportwetten;
Bundesverwaltungsgericht NJW 2001, 2648). Unstreitig verfügt der Beklagte auch über
keine behördliche Erlaubnis für die Veranstaltung von Glücksspielen in Nordrhein-
Westfalen oder einem anderen Bundesland.
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Der Beklagte haftet auch als Mitstörer und Gehilfe, weil er die Veranstaltung solcher
verbotenen Sportwetten durch die ausländische Firma N durch seine
Vermittlungstätigkeit fördert. Denn ohne diese kämen solche Wetten nicht zustande. Es
fehlt auch nicht an einer dem deutschen Strafrecht unterliegenden Haupttat, wie der
Beklagte meint. Die auf der Isle of Man ansässige N veranstaltet Glückspiele auch im
Inland. Ein unerlaubtes Veranstalten eines Glückspiels im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB
liegt schon dann vor, wenn der Abschluss entsprechender Spielverträge angeboten
wird. Dies geschieht durch die N jedenfalls über den Beklagten und andere Betreiber
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von "H2"-Büros gegenüber inländischen Wettinteressenten (vgl. BGH, a.a.O. –
Sportwetten). Hinzu kommt, dass auch die Abgabe der korrespondierenden Erklärungen
der Mitspieler in Deutschland stattfindet. Im übrigen ist bereits die Werbung, die die N für
die von ihr veranstalteten Glücksspiele jedenfalls über die Vermittler betreibt, nach §
284 Abs. 4 StGB strafbar und somit verboten. Der Beklagte übersieht, daß ausländische
Erlaubnisse für das Veranstalten von Glückspielen in Deutschland generell keine
Wirkung haben. Es ist Sache der nationalen Stellen der Mitgliedsstaaten, das
Glückspielwesen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens zu regeln. Dabei ist es
auch zulässig, nur bestimmten Einrichtungen die Erlaubnis zur Veranstaltung von
Glücksspielen zu erteilen (BGH a.a.O. S. 690 –Sportwetten; EuGH WRP 1999, 1272,
1275 –Zenatti). Die im vereinten Deutschland weitergeltenden Erlaubnisse früherer
DDR-Behörden sind ein Sonderfall, der im Verhältnis zu anderen EU-Staaten aber als
nationale Regelung anzusehen ist.
Dieser Verstoß des Beklagten gegen § 284 StGB stellt sich auch ohne weiteres als
sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG dar, weil es sich bei § 284 StGB um eine
wertbezogene Norm handelt (BGH a.a.O. – Sportwetten-Genehmigung). Denn diese
Strafvorschrift richtet sich gegen ein unerwünschtes, weil sozial schädliches Verhalten.
Zielsetzung des § 1 UWG ist es aber auch, zu verhindern, daß Wettbewerb unter
Mißachtung gewichtiger Interessen der Allgemeinheit betrieben wird.
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Der Schadensersatzanspruch der Klägerin folgt ebenfalls aus § 1 UWG. Es liegt eine
ausreichende Schadenswahrscheinlichkeit vor. Denn nach der Lebenserfahrung ist hier
davon auszugehen, daß Wetten beim Beklagten für die Klägerin jedenfalls in einer
Vielzahl von Fällen verloren sind, weil die Wettbeträge bei den Wetteilnehmern
begrenzt sind. Die Klägerin unterhält aber in I und I2 ebenfalls Vertriebsstellen, die von
der Werbung des Beklagten betroffen sind, so daß eine Überschneidung der
Kundenkreise vorliegt.
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Im Hinblick auf die beiden genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes
(Sportwetten-Genehmigung und Sportwetten) besteht keine Veranlassung, die Revision
zuzulassen, da die in Rede stehenden Rechtsfragen durch diese Entscheidungen
geklärt sind.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711
ZPO.
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