Urteil des OLG Hamm vom 13.03.2008

OLG Hamm: gefährdung der gesundheit, unterbringung, innere medizin, drohende gefahr, öffentliche sicherheit, pfarrer, anhörung, belastung, zeugnis, klinik

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 54+64/08
Datum:
13.03.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 54+64/08
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 6 T 4+61/08
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss vom
24.01.2008 betreffend die Unterbringung der Betroffenen wird
zurückgewiesen.
Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluss vom 28.01.2008
teilweise, nämlich soweit die Erstbeschwerde zurückgewiesen worden
ist, aufgehoben. Der Beschluss des Amtsgerichts X. vom 12.12.2007
wird insgesamt aufgehoben.
G r ü n d e :
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I.
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Der Beteiligte zu 3) hat im August 2007 beim Amtsgericht Y. die Anordnung der
Unterbringung der Betroffenen auf der Grundlage der §§ 10, 11 PsychKG beantragt. Zur
Begründung hat er auf den (gerichtsbekannten) Sachverhalt verwiesen. Dieser stellt
sich in objektiver Hinsicht so dar, dass die Betroffene den örtlichen Gemeindepfarrer seit
Jahren in massiver Weise und fortlaufend belästigt, u.a. indem sie sich leicht bekleidet
oder nackt vor der Kirche oder dem Pfarrhaus zeigt und hierbei lauthals ihre sexuellen
Phantasien hinsichtlich des Pfarrers kund tut. Bei Auftritten des Pfarrers in der
Öffentlichkeit, auch im Gottesdienst oder anlässlich von Beerdigungen, sucht sie ihn auf
sich aufmerksam zu machen, teils durch laute Rufe, die teilweise wiederum einen
obszönen Inhalt haben. Weiter schickt sie dem Gemeindepfarrer fortlaufend Postkarten
und SMS mit ebensolchem Inhalt und versucht ihn telefonisch zu erreichen. Versuche,
die Betroffene wegen dieses Verhalten straf- und zivilrechtlich zur Verantwortung zu
ziehen, blieben in der Vergangenheit erfolglos, da die im Rahmen des Strafverfahrens
eingeschaltete psychiatrische Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen war, dass
die Betroffene schuldunfähig sei.
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Der Beteiligte zu 3) legte mit dem Antrag eine ärztliche Bescheinigung des Hausarztes
des Pfarrers, des Zeugen B. vor. Hierin führt der Facharzt für innere Medizin aus, dass
bei seinem Patienten eine Bluthochdruckerkrankung vorliege. Der durch die
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Nachstellungen der Betroffenen ausgelöste Stress gefährde die Gesundheit des
Patienten erheblich. Trotz des Einsatzes hochwirksamer Medikamente sei es nicht
gelungen, den Bluthochdruck zu normalisieren. Es seien bereits Folgeschäden in Form
einer Aortensklerose feststellbar, die zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen, so auch
zu einem Schlaganfall führen könnten. Auch zeigten sich stresstypische funktionale
Gesundheitsstörungen und eine depressive Verstimmung. Weiter wurde mit dem Antrag
das ärztliche Zeugnis einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt, wonach
die Betroffene an einer psychischen Erkrankung leidet.
Durch Beschluss vom 22.10.2007 hat das Amtsgericht Y. die sofortige Unterbringung
der Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus für bis zu sechs Wochen
angeordnet, der Betroffenen eine Verfahrenspflegerin bestellt und die Sache sodann an
das Amtsgericht X. abgegeben.
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Die Betroffene wurde ab dem 23.10.2007 in der LWL-Klinik in X. geschlossen
untergebracht. Die gegen den Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts Y. gerichtete
sofortige Beschwerde der Betroffenen wies das Landgericht in der Folgezeit zurück.
Auch nach der Unterbringung der Betroffenen sandte die Betroffene weitere Postkarten
und SMS an den Pfarrer und versuchte ihn telefonisch zu erreichen. Durch die Klinik
gewährte Möglichkeiten zum Ausgang nutzte sie, um erneut die Nähe des Pfarrers zu
suchen.
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Durch Beschluss vom 26.11.2007 verlängerte das Amtsgericht X. die
Unterbringungsdauer nach vorheriger Anhörung der Betroffenen und gutachterlicher
Stellungnahme der behandelnden Ärzte bis zum 22.01.2008. Nachdem der Pfarrer sich
über anhaltende Belästigungen durch Postkarten, SMS und Anrufe beklagt hatte, stellte
das Amtsgericht der Betroffenen am 03.12.2007 die Unterbindung des Schrift- und
Telekommunikationsverkehrs in Aussicht und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Durch Beschluss vom 12.12.2007 schränkte das Amtsgericht den Schrift- und
Telefonverkehr der Betroffenen dahingehend ein, dass das Absenden von
Schriftstücken oder Faxschreiben und das Führen von Telefonaten nur noch insoweit
gestattet sei, als sichergestellt sei, dass diese nicht an den Pfarrer oder das Pfarramt
gerichtet seien. Weiter untersagte es der Betroffenen den Besitz von Telefonen.
Zugleich veranlasste es die Erstattung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der
Notwendigkeit einer längerfristigen Unterbringung. Gegen den Beschluss vom
12.12.2007 legte die Betroffene am 17.12.2007 "Einspruch" ein.
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Der Sachverständige Dr. M, der ärztliche Direktor der LWL-Klinik, erstattete am
24.12.2007 ein schriftliches Gutachten. In diesem kam er zu dem Ergebnis, dass bei der
Betroffenen eine psychische Erkrankung vorliege. Gleichwohl verneinte er die
Voraussetzungen für eine geschlossene Unterbringung nach dem PsychKG, da er
davon ausging, dass durch das Verhalten der Betroffenen keine unmittelbare
Gefährdung erheblicher Rechtsgüter, sondern lediglich eine (erhebliche) Belästigung
entstehe. Weiter zweifelte der Sachverständige die Schuldunfähigkeit der Betroffenen
an.
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Durch Beschluss vom 09.01.2008 verlängerte das Amtsgericht, nach vorheriger
Anhörung der Betroffenen, die Unterbringungsdauer bis zum 09.07.2008, wobei es zur
Begründung u.a. ausführte, dass eine erhebliche Gefährdung als Folge des Verhaltens
der Betroffenen durch das ärztliche Zeugnis des Dr. B. nachgewiesen sei. Eine
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relevante Verhaltensänderung bei der Betroffenen infolge der angelaufenen
Behandlung sei nach den ergänzenden Angaben des Sachverständigen frühestens
nach einem halben Jahr zu erwarten.
Das Landgericht hörte die Betroffene am 18.01.2009 u.a. im Hinblick auf ihre
Beschwerde vom 17.12.2007 persönlich an. Im Rahmen der Anhörung erklärte die
Betroffene zu Protokoll, gegen den Beschluss vom 09.01.2008 sofortige Beschwerde
erheben zu wollen. Nachdem die Kammer am 23.01.2008 den betroffenen Pfarrer, ...,
sowie Dr. B. als Zeugen gehört hatte, hat sie durch Beschluss vom 24.01.2008 die
sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der weiteren Unterbringung (Beschluss
vom 09.01.2008) zurückgewiesen und für das weitere Verfahren die Beteiligte zu 2) zur
Verfahrenspflegerin bestellt. Durch Beschluss vom 28.01.2008 hat das Landgericht den
amtsgerichtlichen Beschluss vom 12.12.2007 betreffend die Beschränkung des Schrift-
und Telefonverkehrs aufgehoben, soweit der Telefonverkehr beschränkt und der
Betroffenen der Besitz von Telefonen untersagt worden war. Gegen beide Beschlüsse
hat die Beteiligte zu 2) "sofortige weitere Beschwerde" erhoben.
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II.
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Zur Unterbringung:
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Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 70 m Abs. 1, 70 h Abs. 1, 70 g Abs. 3,
27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt.
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In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts
nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen
sofortigen Erstbeschwerde der Betroffenen ausgegangen. Auch die Sachentscheidung
des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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Gegen oder ohne seinen Willen kann ein Betroffener in einem psychiatrischen
Fachkrankenhaus, einer psychiatrischen Fachabteilung, einem Allgemein-Krankenhaus
oder einer Hochschulklinik nur untergebracht werde, wenn er im Sinne des § 1 Abs. 2
PsychKG NRW vom 17.12.1999 psychisch erkrankt ist und durch sein
krankheitsbedingtes Verhalten gegenwärtig eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine
erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer besteht, die nicht anders
abgewehrt werden kann, § 11 Abs. 1, § 10 Abs. 2 PsychKG NRW. Von einer
gegenwärtigen Gefahr ist nach § 11 Abs. 2 PsychKG NRW dann auszugehen, wenn ein
schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar
unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist. Dabei
müssen die gefährdeten Rechtsgüter von erheblichem Gewicht und die den geschützten
Rechtsgütern drohende Gefahr erheblich sein (BayObLGZ 1999, 216 = NJW 2000, 881).
Die Voraussetzung der erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
erfordert eine Prognose anhand tatsächlicher Feststellungen. Hierfür maßgeblich sind
insbesondere die Persönlichkeit des Betroffenen, sein früheres Verhalten, seine aktuelle
Befindlichkeit und seine zu erwartenden Lebensumstände (BayObLG, a. a. O. mit
weiteren Nachweisen).
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Das Landgericht ist von den dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen ausgegangen
und hat hierzu im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
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Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. M leide die Betroffene
an einer histrionischen Persönlichkeitsstörung und einer posttraumatischen
Belastungsstörung, ... . Ihr liebeswahnhaftes Verhalten stelle sich als intrapsychische
Abwehrreaktion dar.
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Aufgrund dieses Verhaltens bestehe eine gegenwärtige erhebliche Gefährdung
bedeutender Rechtsgüter, nämlich der Gesundheit des Herrn P.. Nach dem ärztlichen
Zeugnis des Dr. med. B. und dessen Bekundungen vor der Kammer sei festzustellen,
dass Herr P. an sog. essentiellem Bluthochdruck leide, ... (wird weiter ausgeführt). Die
Beeinträchtigungen gingen über bloße Belästigungen deutlich hinaus. Herr P. habe der
Kammer als Zeuge glaubhaft und ohne eine überschießende Belastungstendenz
geschildert, wie intensiv er durch die vielfältigen Nachstellungen der Betroffenen, die
regelrecht Jagd auf ihn mache, beeinträchtigt werde.
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Die von der Betroffenen ausgehende Fremdgefährdung sei auch gegenwärtig. Ein
schadenstiftendes Ereignis sei im Sinne des § 11 Abs.2 PsychKG zwar unvorhersehbar,
nach den besonderen Umständen jedoch jederzeit zu erwarten. Nach den glaubhaften
Bekundungen des Dr. B. sei es jederzeit möglich, dass es aufgrund der anhaltenden
starken psychischen Belastung zu weiteren erheblichen gesundheitlichen
Beeinträchtigungen komme, insbesondere drohe jederzeit ein Herzinfarkt oder ein
Schlaganfall.
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Schließlich sei diese Gefahr gegenwärtig auch nicht anders als durch die Unterbringung
der Betroffenen abzuwehren. Straf- und zivilrechtliche Sanktionen seien auch dann,
wenn man von der Schuldfähigkeit der Betroffenen ausgehe, jedenfalls zum
gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht geeignet, eine Verhaltensänderung der
Betroffenen herbeizuführen. Eine betreuungsrechtliche Unterbringung scheitere an der
Unwilligkeit der Betroffenen, sich in einem solchen Rahmen behandeln zu lassen.
Während einer ambulanten Therapie sei nach der ärztlichen Stellungnahme der Frau
Dr. I jedenfalls zunächst mit einer Fortsetzung des bisherigen Verhaltens zu rechnen.
Zudem sei die Erklärung der Betroffenen, sich einer ambulanten Therapie unterziehen
zu wollen, nach dem Eindruck der Kammer aufgrund der persönlichen Anhörung
unglaubwürdig.
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Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Feststellungen des Landgerichts nur
beschränkt darauf überprüfen, ob es den Sachverhalt ausreichend und ohne
Gesetzesverletzung aufgeklärt (§ 12 FGG), keine wesentlichen Umstände außer acht
gelassen (§ 25 FGG), nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verstoßen, keinen Rechtsbegriff verkannt und keine allgemeinen Bewertungsmaßstäbe
unberücksichtigt gelassen hat (Jansen, FGG, 2. Auflage, § 27 Rn. 27). Derartige
Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
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Die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der Erkrankung der Betroffenen
beruhen auf dem ausführlichen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. M.
Die von ihm aus einer ausführlichen Exploration der Betroffenen gewonnenen
Erkenntnisse werden von der sofortigen weiteren Beschwerde auch nicht in Zweifel
gezogen.
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Auch die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich des Vorliegens einer
gegenwärtigen Gefahr für bedeutende Rechtsgüter sind rechtsfehlerfrei. Die Rüge der
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sofortigen weiteren Beschwerde, die Kammer habe nicht hinreichend nachgeprüft,
inwieweit die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Herrn P. tatsächlich auf dem
Verhalten der Betroffenen beruhten, geht fehl. Soweit die sofortige weitere Beschwerde
sich hier auf eine "Wortlautinterpretation" des ärztlichen Zeugnisses bezieht, ist dies
verfehlt. Die Kammer hat ihre Überzeugung, dass das Verhalten der Betroffenen für die
gesundheitliche Gefährdung des Herrn P. ursächlich ist, im Wesentlichen auf die
zeugenschaftliche Vernehmung des Hausarztes und des Herrn P. gestützt. Die von der
Kammer hieraus gezogenen Schlussfolgerung, dass Herrn P. bei einer Fortdauer des
massiven psychischen Belastung aufgrund seiner Vorerkrankung eine krisenhafte
Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bis hin zu einer vitalen Gefährdung
droht, wird von den Zeugenaussagen getragen und ist im Übrigen in sich schlüssig und
anhand der allgemeinen Lebenserfahrung ohne weiteres nachvollziehbar. Schon aus
diesem Grund ist diese tatsächliche Würdigung des Landgerichts für den Senat als
Rechtsbeschwerdegericht bindend.
Im Übrigen verkennt die sofortige weitere Beschwerde mit ihrer Interpretation des
(schriftlichen) ärztlichen Zeugnisses grundlegend, dass die Kammer nicht auf die
Vorerkrankung des Herrn P. abgestellt und diese dem Verhalten der Betroffenen
zugeschrieben hat. Anknüpfungspunkt der Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich
einer durch die Betroffenen verursachten unmittelbaren Gefährdung der Gesundheit des
Herrn P. ist vielmehr die durch die psychische Belastung verursachte Therapieresistenz
dieser Erkrankung und die sich hieraus ergebende Gefahr von schwerwiegenden
Folgeschäden.
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Soweit die sofortige weitere Beschwerde rügt, die Kammer habe nicht hinreichend
geprüft, ob diese Gefährdung auch ohne das Verhalten der Betroffenen, etwa aufgrund
berufsbedingter Stressfaktoren vorläge, ist auch dies unbegründet. Die Kammer konnte
aufgrund der nachvollziehbaren Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. B. davon
ausgehen, dass eine exakte Gewichtung des Einflusses der Stressfaktoren nicht
möglich ist. Es ist jedoch ohne weiteres nachvollziehbar, dass die massiven
Nachstellungen durch die Betroffene zu einer psychischen Belastung führen, die weit
über das hinausgeht, was ein -auch anstrengender- Beruf mit sich bringt. Die
Schlussfolgerung des Landgerichts, dass die nach den Angaben des Zeugen
grundsätzlich gegebene Möglichkeit einer medikamentösen Normalisierung der
Blutdruckwerte hier durch das Verhalten der Betroffenen vereitelt wird, ist danach
sachlich möglich, wenn nicht naheliegend, und damit für den Senat als
Rechtsbeschwerdegericht bindend. Für die Annahme einer drohenden Gefährdung der
Gesundheit einer Person im Sinne des § 11 PsychKG reicht bereits die Feststellung der
Mitursächlichkeit des krankheitsbedingten Verhaltens der Betroffenen neben anderen
Ursachenfaktoren aus. Die gegenteilige Auffassung der weiteren Beschwerde liefe auf
das unerträgliche Ergebnis hinaus, dass ein gesundheitlich vorbelastetes
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Stalking-Opfer vom Schutz der öffentlich-rechtlichen Unterbringung ausgeschlossen
wäre, weil eine exakte Abgrenzung der Ursachenanteile verschiedener Risikofaktoren
ohnehin kaum, bei prognostischer Beurteilung im Rahmen der Gefahrenabwehr schon
gar nicht möglich erscheint. Vielmehr reicht es für die getroffene Maßnahme aus, dass
das Verhalten der Betroffenen auf dem Boden der bestehenden gesundheitlichen
Vorbelastung zu einem nachvollziehbaren, erheblichen zusätzlichen
Gefährdungspotential führt.
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Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Landgericht von einer unmittelbaren Gefahr im
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Sinne des § 11 Abs.2 2.Alt. PsychKG ausgegangen ist. Der vorliegende Fall ist durch
die Besonderheit gekennzeichnet, dass die Betroffene ihr krankheitsbedingtes
Verhalten auf eine konkrete Person konzentriert, die aufgrund ihrer Vorerkrankung
hierdurch ernstlich gefährdet wird. Das Verhalten, dass für Dritte immer noch höchst
ärgerlich und anstößig ist, mag im Verhältnis zu diesen nicht über eine massive
Belästigung hinausgehen. Bezogen auf die Person des Herrn P. ist nach den
tatsächlichen Feststellung des Landgerichts hingegen aufgrund des Zusammenspiels
seiner Vorerkrankung mit dem ihn gezielt attackierenden Verhalten der Betroffenen eine
erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bis hin zu einer
lebensbedrohenden Krise zwar nicht sicher vorhersehbar, aber jederzeit möglich.
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch die Notwendigkeit und
Verhältnismäßigkeit der geschlossenen Unterbringung bejaht. Die Ausführungen des
Landgerichts dazu, dass andere Möglichkeiten der Gefahrenabwehr derzeit nicht
vorhanden sind, werden von der sofortigen weiteren Beschwerde nicht angegriffen. Der
Senat nimmt daher zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf diese Ausführungen,
die einen Rechtsfehler nicht erkennen lassen, Bezug. Der Senat teilt auch die in den
Ausführungen des Landgerichts zum Ausdruck kommende Auffassung, dass die
Notwendigkeit der Unterbringung zur Gefahrenabwehr nicht erst bei einer möglichen
Verlängerung, sondern bereits während des jetzt angeordneten
Unterbringungszeitraums im Hinblick auf den Stand der therapeutischen Einflussnahme
einerseits sowie der Einwirkungsmöglichkeiten anderer öffentlicher Stellen der
fortlaufenden Überprüfung bedarf.
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Zur Beschränkung des Schriftverkehrs:
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Insoweit ist zunächst zu bemerken, dass gegen den Beschluss des Landgerichts vom
28.01.2008 die nicht fristgebundene weitere Beschwerde gegeben ist, da der Beschluss
des Amtsgerichts vom 12.12.2007 seinerseits der einfachen Beschwerde unterlag, § 29
Abs.2 FGG. Denn die amtsgerichtliche Entscheidung ist zwar im Rahmen des
Unterbringungsverfahrens ergangen, sie fällt jedoch mangels einer dahingehenden
gesetzlichen Regelung nicht unter § 70m FGG, der nach § 70g Abs.3 S.1 FGG nur für
die Anordnung oder Ablehnung einer Unterbringung gilt.
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Gleichwohl ist die Beteiligte zu 2) auch insoweit beschwerdebefugt, denn ihre
Rechtsstellung bezieht sich, wie sich insbesondere aus § 70b Abs.4 FGG ergibt, auf das
gesamte gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Unterbringung. Der
Umstand, dass die Erstbeschwerde vorliegend nicht von der Beteiligten zu 2), sondern
von der Betroffenen eingelegt wurde, bleibt vorliegend ohne Bedeutung, da die
Beteiligte zu 2) erst während des laufenden Beschwerdeverfahrens bestellt wurde,
mithin auch die Möglichkeit haben muss, die in der Person der Betroffenen begründete
verfahrensrechtliche Position wahrzunehmen.
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht mit der vorgenannten Maßgabe von
einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. In sachlicher
Hinsicht hält die Entscheidung, soweit die Erstbeschwerde zurückgewiesen wurde, der
rechtlichen Prüfung hingegen nicht stand.
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Die Vorinstanzen haben § 21 Abs.3 PsychKG als Rechtsgrundlage der den
Schriftverkehr einschränkenden gerichtlichen Anordnung angesehen. Dabei haben sie
verkannt, dass diese Vorschrift keine Eingriffsbefugnisse des Gerichts, sondern vielmehr
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eine entsprechende Handlungskompetenz der Leitung der Anstalt begründet, in der die
Unterbringung vollzogen wird (vgl.Dodegge/Zimmermann, PsychKG, 2. Aufl., § 21
Rdn.2). Dem entspricht die Regelung des § 70l FGG, der den Rechtsschutz u.a. gegen
Maßnahmen der Kontrolle des Schriftverkehrs regelt (Dodegge/Zimmermann, a.a.O.
Rdn.9 m.w.N.) und das Gericht auf die Rolle einer Kontrollinstanz beschränkt.
Auch wenn danach die Kontrolle des Schrift- und Telekommunikationsverkehrs im
Interesse der Gefahrenabwehr geboten sein mag, fehlt es für eine gerichtliche
Anordnung an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Vielmehr hat insoweit die
Krankenhausleitung die ihr obliegende Verantwortung wahrzunehmen und dabei zu
berücksichtigen, dass an Herrn P. gerichtete Schreiben und Telefonate der Betroffenen
nach Aktenlage Einzelhandlungen im Rahmen einer Straftat nach § 238 StGB sind. Ggf.
ist daher, soweit die Anstaltsleitung keine eigene Eingriffsbefugnis
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besitzt, die Hilfe die Polizei- und Ordnungsbehörden in Anspruch zu nehmen, um eine
fortgesetzte Begehung zu unterbinden. Die Frage der strafrechtlichen Schuldfähigkeit
der Betroffenen ist in diesem Zusammenhang belanglos.
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