Urteil des OLG Hamm vom 21.03.2006

OLG Hamm: stadt, anschlussberufung, kabel, medienfreiheit, bauarbeiten, bestandteil, wiederholung, mitverschulden, gas, lärmschutzwand

Oberlandesgericht Hamm, 26 U 123/05
Datum:
21.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
26. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 U 123/05
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 9 O 141/05
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.07.2005 verkündete
Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 %
des vollstreckbaren Betrages abwenden wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in zu vollstreckender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, nimmt die Beklagte aus übergegangenem
Recht in Regress. Sie ist der Haftpflichtversicherer der Fa. H GmbH, einem
Tiefbauunternehmen. Die Beklagte war die Subunternehmerin einer Fa. M. Die Firma M
war ihrerseits von der Stadt N mit der Erschließung eines Baugebiets in N beauftragt
worden. Die Beklagte erteilte der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der Fa. H
GmbH, mit "Auftragsbestätigung" vom 25.09.2001 den Auftrag zur Errichtung einer
Lärmschutzwand an einer nahe des zu erschließenden Neubaugebiets gelegenen
Autobahn. Ausweislich der Auftragsbestätigung, wegen der Einzelheiten wird auf
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Bl. 73 ff der beigezogenen Akte 6 O 91/03 Landgericht Mönchengladbach Bezug
genommen, sollten u.a. die vollständigen Ausschreibungs- und Vertragsbedingungen
der Stadt N, die als Anlage beigefügt waren, sowie die VOB gelten. In der von der
Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Baubeschreibung der Stadt N,
die zu den Ausschreibungsunterlagen gehörte, wurde der Auftragnehmer "besonders
darauf hingewiesen", dass er sich vor Beginn der Bauarbeiten rechtzeitig mit den
innerhalb des Baubereichs zuständigen Versorgungsträgern in Verbindung zu setzen
hatte, um die Lage vorhandener Versorgungsleitungen zu erfahren. Zudem sollte er sich
mit den vorhandenen Bestandplänen vertraut machen. Als für Gas- und
Wasserleitungen zuständig waren die O AG (O AG) aufgeführt. Wegen der weiteren
Einzelheiten der Baubeschreibung wird auf die zu den Akten gereichte Ablichtung,
Bl. 85 ff d.A., Bezug genommen.
Die Versicherungsnehmerin der Klägerin unterzeichnete am 27.09.2001 die
Auftragsbestätigung der Beklagten.
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Dem Vertragsschluss vorausgegangen war ein Angebot der Versicherungsnehmerin der
Klägerin vom 10.09.2001. In diesem Angebot heisst es unter anderem, dass "mit Abruf
der Leistungen ... Medienfreiheit zugesichert" werde. In der Auftragsbestätigung der
Beklagten vom 25.09.2001 war dieses Angebot indes nicht als Vertragsbestandteil
aufgeführt.
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Bereits vor der Auftragsbestätigung, nämlich am 20.09.2001, hatte die Beklagte die O
AG über das Bauvorhaben informiert und sie um Zusendung der Bestandpläne
hinsichtlich der Lage etwaiger Versorgungsleitungen gebeten. Die O AG übersandte der
Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 28.09.2001 zwei Ausschnittspläne mit den Nr.
######1 und ######2, auf welcher die vorhandenen Gasleitungen eingezeichnet
waren. Die Pläne betrafen indes nicht das Gebiet, in welchem die Lärmschutzwand zu
errichten war, sondern in der Nähe befindliche Gebietsausschnitte, wobei der Plan
######2 unmittelbar südlich an das Baugebiet angrenzte.
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Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte der Versicherungsnehmerin der
Klägerin diese Pläne überlassen hatte. Unstreitig hatte sie ihr jedenfalls eine
Ausführungszeichnung der Stadt N überlassen. In dieser Ausführungszeichnung waren
lediglich Kabeltrassen und ein Mischwasserkanal, nicht aber auch Gas- oder sonstige
Versorgungsleitungen eingezeichnet.
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In der Folgezeit begann die Versicherungsnehmerin der Klägerin mit den Bauarbeiten,
ohne sich zuvor bei der O oder bei der Beklagten nach vorhandenen Leitungen oder
Leitungsplänen erkundigt zu haben. Am 06.02.2002 beschädigten die Mitarbeiter der
Versicherungsnehmerin der Klägerin im Rahmen der Bauarbeiten eine Gasleitung der O
AG. Da die Klägerin sich weigerte, den Schaden für ihre Versicherungsnehmerin zu
regulieren, erhob die O AG Klage gegen die Versicherungsnehmerin. Die
Versicherungsnehmerin der Klägerin hatte der Beklagten in dem Rechtsstreit den Streit
verkündet. Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
05.11.2004 wurde die Versicherungsnehmerin der Klägerin zur Zahlung von
24.991,44 € nebst Zinsen an Schadensersatz an die O AG verurteilt. Die Klägerin zahlte
daraufhin an die O AG die Urteilssumme nebst Zinsen in Höhe von insgesamt
30.406,88 € sowie Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 12.439,30 €.
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Sie hat die Beklagte auf Zahlung dieser Beträge aus vermeintlich übergegangenem
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Recht nach § 67 VVG in Anspruch genommen. Sie hat die Ansicht vertreten, dass
aufgrund des Angebots ihrer Versicherungsnehmerin vom 10.09.2001 die Beklagte
ausdrücklich "Medienfreiheit" zugesichert hätte. Aber auch ohne diese Zusicherung
hätte ausschließlich der Beklagten die Pflicht oblegen, sich nach vorhandenen
Leitungen in dem Baugebiet zu erkundigen und ihre Versicherungsnehmerin darüber zu
informieren. Ihre Versicherungsnehmerin sei als Subunternehmerin hierzu nicht
verpflichtet gewesen.
Die Klägerin hat hierzu behauptet, dass die Beklagte ihrer Versicherungsnehmerin
lediglich die Ausführungszeichnung der Stadt N, nicht aber auch die Pläne der O AG
überlassen hätte. Aus dieser Ausführungszeichnung habe sich für ihre
Versicherungsnehmerin keinerlei Anhaltspunkt dafür ergeben, dass in dem Baugebiet
Gasleitungen gelegen hätten. Aus diesem Grunde hätte keinerlei Veranlassung
bestanden, sich bei der O AG nach solchen Leitungen zu erkundigen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.846,18 € nebst in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat jedwede Verantwortlichkeit für den Leitungsschaden in Abrede gestellt und
behauptet, dass sie die ihr von der O AG überlassenen Pläne an die Klägerin
weitergereicht hätte. Alleinverantwortlich für den Leitungsschaden sei ausschließlich die
Versicherungsnehmerin der Klägerin als ausführendes Bauunternehmen gewesen.
Diese hätte sich der Risiken bewusst sein müssen und daher bei den
Versorgungsunternehmen Erkundigungen über Leitungen bzw. Pläne einholen müssen.
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Das Landgericht Bielefeld hat die Akten des Rechtsstreits der O AG gegen die
Versicherungsnehmerin der Klägerin, Landgericht Mönchengladbach 6 O 91/03 zu
Informationszwecken beigezogen. Mit dem am 25.07.2005 verkündeten Urteil hat es der
Klage zur Hälfte stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, dass der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte aus übergegangenem
Recht zustehe, der sich aus den Grundsätzen der schuldhaften Verletzung vertraglicher
Nebenpflichten ableite. Die Pflichtverletzung der Beklagten liege darin, dass sie der
Versicherungsnehmerin der Klägerin ohne Prüfung die das falsche Gebiet zeigende
Pläne der O AG übersandt habe.
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Die Klägerin müsse sich hingegen ein hälftiges Mitverschulden ihrer
Versicherungsnehmerin entgegenhalten, da auch dieser die Pflicht zu einer
umfassenden Prüfung im Hinblick auf vorhandene Leitungen gehabt habe.
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Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen
das angefochtene Urteil, soweit sie verurteilt wurde. Sie begehrt unter Wiederholung
und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die volle Klageabweisung.
Sie rügt zum einen eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht. Sie
könne entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Pflicht verletzt haben, die –
auch nach den Ausführungen des Landgerichts – nicht bestanden habe. Allein die
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Versicherungsnehmerin der Klägerin habe die Pflicht gehabt, sich nach Leitungen zu
erkundigen.
Sie behauptet erstmals in zweiter Instanz, dass ihr seitens ihres Auftraggebers, der Fa.
M, sowie seitens der Stadt N ausdrücklich Medienfreiheit zugesichert worden sei.
Weiterhin trägt sie erstmals in der Berufungsinstanz vertiefend dazu vor, aus welchen
Gründen sie vermeintlich davon habe ausgehen können, dass keine Gasleitungen in
dem Baugebiet vorhanden gewesen seien. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der
Beklagten wird insoweit auf die Berufungsbegründung, Bl. 72 - 84 d.A., Bezug
genommen.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte auf die Erklärung der
Klägerin, ihrer Versicherungsnehmerin sei nur die Ausführungszeichnung der Stadt N,
nicht aber auch die der Beklagten von der O AG überlassenen Pläne übergeben
worden, trotz ausdrücklichen Vorhalts keine Gegenerklärung abgegeben.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit ihr günstig, unter Wiederholung und
Vertiefung ihres Vorbringens. Sie vertritt nach wie vor die Auffassung, dass es alleinige
Aufgabe der Beklagten gewesen sei, sich nach vorhandenen Leitungen zu erkundigen
und die vorhandenen Pläne auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen.
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Die Klägerin begehrt mit ihrer Anschlussberufung die volle Verurteilung der Beklagten
und macht hierzu geltend, dass ihre Versicherungsnehmerin kein Mitverschulden träfe.
Diese hätte sich vollumfassend auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in
der Ausführungszeichnung der Stadt N verlassen dürfen.
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Die Klägerin beantragt im Wege der Anschlussberufung,
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das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an
sie insgesamt 42.846,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Die Akte 6 O 91/03 Landgericht Mönchengladbach ist beigezogen worden und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet; die Anschlussberufung der
Klägerin hat hingegen keinen Erfolg.
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1. Zur Berufung der Beklagten
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Die zulässige Klage der Klägerin ist unbegründet.
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Ihr steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung des begehrten Betrages aus
§ 67 VVG in Verbindung mit den nach Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB anwendbaren
Grundsätzen der schuldhaften Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, der hier einzig in
Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu.
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Die Beklagte hat keine ihr aus dem geschlossenen Werkvertrag obliegende Pflicht
verletzt, was Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre.
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a)
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Dies gilt insbesondere für die Pflicht, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um
eine Beschädigung von fremden Sachen zu vermeiden, wozu auch gehört, sich nach
vorhandenen Versorgungsleitungen zu erkundigen. Die Beklagte macht zu Recht
geltend, dass diese Pflicht nach dem zwischen ihr und der Versicherungsnehmerin der
Klägerin geschlossenen Vertrag im Innenverhältnis nicht ihr, sondern ausschließlich der
Versicherungsnehmerin oblegen hat. Zwischen der Versicherungsnehmerin der
Klägerin und der Beklagten ist nämlich wirksam vereinbart worden, dass sich
ausschließlich die Versicherungsnehmerin nach etwaigen Versorgungsleitungen zu
erkundigen hatte. Dies ergibt sich aus der erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten
Baubeschreibung der Stadt N, deren Inhalt nicht nach § 531 ZPO ausgeschlossen ist,
da er zwischen den Parteien unstreitig ist.
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Der Inhalt der Baubeschreibung ist als Bestandteil der - von der Versicherungsnehmerin
unterzeichneten - Auftragsbestätigung der Beklagten vom 25.09.2001 wirksamer
Vertragsbestandteil geworden. Unstreitig gehörte die Baubeschreibung zu den in der
Auftragsbestätigung erwähnten Ausschreibungsunterlagen der Stadt N und war der
Auftragsbestätigung beigefügt. Da die Auftragsbestätigung der Beklagten, die die
Baubeschreibung zum Inhalt des Vertrags machte, eine detaillierte und abschließende
Aufzählung der Vertragsunterlagen enthielt, die von dem Angebot der
Versicherungsnehmerin der Klägerin vom 10.09.2001 abwichen, handelte es sich um
ein neues Angebot nach § 150 Abs. 2 BGB. Dieses Angebot hat die
Versicherungsnehmerin der Klägerin ausdrücklich durch ihre Unterzeichung dieses
Angebots angenommen.
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In dieser Baubeschreibung wurde indes unmissverständlich darauf hingewiesen, dass
es Sache des Auftragnehmers ist, sich vor Beginn der Bauarbeiten rechtzeitig mit den
innerhalb des Baubereichs zuständigen Versorgungsträgern in Verbindung zu setzen,
um die Lage vorhandener Versorgungsleitungen zu erfahren. Weiterhin wurde dem
Auftragnehmer in der Baubeschreibung aufgegeben, sich mit den Bestandsplänen
vertraut zu machen. Durch die Annahme des Auftrags ist der Versicherungsnehmerin
der Klägerin diese Aufgabe von der Beklagten übertragen worden. Entgegen der
Ansicht der Klägerin ist daher der Bestandteil ihres Angebot vom 10.09.2001, wonach
mit Abruf der Leistung seitens der Beklagten "Medienfreiheit" zugesichert werden sollte,
nicht Bestandteil des Vertrages geworden.
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Eine Pflicht der Beklagten zur Information der Versicherungsnehmerin der Klägerin über
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vorhandene Versorgungsleitungen ergibt sich auch weder aus § 3 Nr. 1 VOB/B noch
aus den entsprechenden DIN-Vorschriften der VOB/C, welche über § 1 II VOB/B
ebenfalls Bestandteil des Vertrags geworden sind.
Die Vorschrift des § 3 Nr. 1 VOB/B, wonach der Auftraggeber dem Auftragnehmer die für
die Ausführung nötigen Unterlagen unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben hat, ist,
unabhängig davon, dass sie durch den Inhalt der Baubeschreibung hinsichtlich der
Versorgungsleitungen wirksam abbedungen wäre, nicht einschlägig. Diese Vorschrift
soll lediglich die ordnungsgemäße und mangelfreie Herstellung des Werks, nicht aber
den Schutz des Eigentums von dritten Personen gewährleisten.
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Im Übrigen ist die Regelung abdingbar.
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Auch soweit die Beklagte nach der DIN 18299 0.1.13, 0.1.14 und 0.1.16 an sich die
Pflicht hatte, in der Leistungsbeschreibung Versorgungsleitungen und Kabel sowie
besondere Anordnungen und Maßnahmen der Eigentümer anzugeben, ist diese Pflicht
durch die Anweisungen in der Baubeschreibung wirksam abbedungen worden.
Unabhängig hiervon ist die Beklagte den Anforderungen der DIN durch die Benennung
der O AG in der Baubeschreibung als zuständige Ansprechpartnerin für die Herausgabe
von Kabelplänen und Informationen über vorhandene Leitungen nachgekommen.
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b)
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat die Beklagte auch nicht eine
Pflichtverletzung durch die angebliche Übergabe von unvollständigen bzw. unrichtigen
Plänen begangen. Eine Pflichtverletzung konnte vorliegend nur unter dem
Gesichtspunkt in Betracht kommen, dass, wenn eine Partei ihrem Vertragspartner
Informationen zukommen lässt, diese umfassend und vollständig zu erteilen sind, und
zwar unabhängig davon, ob ihr überhaupt eine Informationsbeschaffungspflicht oblag.
Dies hätte indes vorausgesetzt, dass die übergebenen Pläne falsch oder unvollständig
gewesen wären. Wenn die Beklagte der Klägerin die ihr von der O AGG überlassenen
Pläne, die nicht das hier in Rede stehende Baugebiet darstellten, übergeben hätten,
hätte die Klägerin unter Umständen tatsächlich darauf vertrauen können, dass keine
Gasleitungen in dem Baugebiet verlegt waren und sie aufgrund dessen keine weiteren
Erkundigungen mehr hierüber einholen musste. Dies ist aber nicht der Fall. Die
Beklagte hat nämlich bereits nach dem eigenen Vorbringen der darlegungspflichtigen
Klägerin nicht die in ihrem Besitz befindlichen Leitungspläne der O AG mit den Nr.
######1 und ######2 an die Versicherungsnehmerin der Klägerin, sondern lediglich
die Ausführungszeichnung der Stadt N weitergeleitet. Die Klägerin hat zu keinem
Zeitpunkt behauptet, dass die Beklagte auch die Pläne der O AG übergeben habe. In
der Berufungsinstanz ist sogar unstreitig geworden, dass die Beklagte der
Versicherungsnehmerin der Klägerin lediglich die Ausführungszeichnung der Stadt N
übergeben hat. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat dies in dem Senatstermin
auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat
hierzu, ebenfalls ausdrücklich befragt, keine Erklärung abgegeben, so dass das
Vorbringen der Klägerin unstreitig ist, § 138 IV ZPO. An die scheinbar
entgegenstehende – Feststellung des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil ist der
Senat auch aus einem anderen Grunde nicht gebunden. Zwar ist in den
Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die vermeintliche Behauptung der
Klägerin als unstreitig aufgeführt. Die Beweiskraft von § 314 ZPO greift indes nicht ein.
Der Tatbestand liefert insoweit keine Beweiskraft, da er in sich widersprüchlich ist. So ist
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in dem Tatbestand die von der Beklagten tatsächlich nicht aufgestellte Behauptung, die
Pläne der O AG seien der Klägerin übergeben worden, als streitiges Vorbringen der
Beklagten dargestellt worden. Dies steht im Widerspruch zu der "unstreitigen"
Feststellung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.
Hat aber die Beklagte nach dem unstreitigen Vortrag beider Parteien der
Versicherungsnehmerin der Klägerin lediglich die Ausführungszeichnung der Stadt N,
nicht aber auch die Leitungspläne der O AG überreicht, hat sie keine Pflichtverletzung
begangen. Es handelte sich – für die Versicherungsnehmerin der Klägerin – ersichtlich
– um keinen Plan eines Versorgungsunternehmens oder um einen Plan, der einen
solchen ersetzen konnte, sondern lediglich um eine Ausführungszeichnung der Stadt N.
Die Beklagte konnte und durfte sicher daher darauf verlassen, dass die Klägerin auch
nach Übergabe der Ausführungszeichnung ihrer vertraglichen Pflichten nachkam und
sich bei den Versorgungsträgern nach vorhandenen Leitungen erkundigte. Auch für die
Klägerin war offenkundig, dass sie aufgrund der bloßen Ausführungszeichnung nicht
von ihrer Pflicht zur sorgfältigen Erkundigung nach Versorgungsleitungen befreit war.
Sie wusste, dass sie sich nach dem Vertrag bei den Versorgungsunternehmen nach
Leitungen zu erkundigen und Bestandspläne von diesen Versorgungsunternehmen zu
beschaffen hatte. Ihr musste auch bekannt sein, dass eine Ausführungszeichnung
anderen Zwecken dient als demjenigen, über sämtliche vorhandene
Versorgungsleitungen und Kabel von verschiedensten und privat organisierten
Versorgern Auskunft zu geben. Sie konnte daher nicht ernsthaft darauf vertrauen, dass
die Beklagte sie mit der Überlassung der Ausführungszeichnung von ihrer Pflicht zur
Beschaffung von Bestandsplänen der Versorgungsunternehmen befreien oder auch
eine vermeintlich eigene – tatsächlich nicht bestehende Pflicht. hinsichtlich der
Informationsbeschaffung über vorhandene Kabel und Leitungen erfüllen wollte.
Entgegen der Ansicht der Klägerin konnte sich ihre Versicherungsnehmerin nicht
aufgrund des bloßen Studiums der Ausführungszeichnung darauf verlassen, dass keine
weiteren Leitungen oder Kabel in dem Baugebiet vorhanden waren.
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2. Anschlussberufung der Klägerin
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Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin war zurückzuweisen, da der Klägerin
aus den oben genannten Gründen gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch
zusteht.
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3.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
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