Urteil des OLG Hamm vom 17.06.2002

OLG Hamm: versicherer, verdacht, versicherungsbetrug, erfahrung, spurensicherung, anfang, beweislast, datum, straftat

Oberlandesgericht Hamm, 23 W 171/02
Datum:
17.06.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
23 W 171/02
Vorinstanz:
Landgericht Siegen, 2 O 52/99
Tenor:
In Abänderung der angefochtenen Entscheidung hat der Kläger an die
Beklagte weitere Kosten von 1.228,12 Euro (2.402,00 DM) nebst 4 %
Zinsen seit dem 15. Dezember 2000 zu erstatten.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der
Kläger nach einem Gegenstandswert von 522,19 Euro.
G r ü n d e :
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Die als sofortige Beschwerde zulässige Erinnerung der Beklagten gegen die Absetzung
der für den Sachverständigen N vorprozessual aufgewandten Kosten von 1.173,92 DM
hat vollen Erfolg. Dadurch erhöht sich der weitere Erstattungsanspruch der Beklagten
von 1.380,69 DM um 1.021,31 DM (87 % von 1.173,92 DM) auf nunmehr 1.228,12 Euro.
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Allerdings stellt die Rechtspflegerin im Ansatz zutreffend darauf ab, daß die Kosten
eines vorgerichtlich eingeholten Privatgutachtens nur dann erstattungsfähig sind, wenn
der Sachverständige im Hinblick auf einen konkret bevorstehenden Rechtsstreit
beauftragt wurde, um der Darlegungs- und Beweislast zu genügen (vgl. Senatsbeschluß
vom 18. Dezember 1995 in OLGR 1996, 105 f.), und wenn diese Maßnahme
vorbereitend zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei verständiger Würdigung
der Parteibelange aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten veranlaßt war (vgl.
Senatsbeschluß vom 08. Juni 1998 in OLGR 1999, 111 f.). Gibt ein Versicherer schon
auf die Schadensmeldung hin zur Prüfung seiner Einstandspflicht ein Privatgutachten in
Auftrag, so liegen Anhaltspunkte für eine Deckungsklage in der Regel noch nicht vor
und fehlt mithin der Einschaltung des Sachverständigen die konkrete
Prozeßbezogenheit. Diese Kosten sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
nicht erstattungsfähig (vgl. Beschluß vom 26. November 1991 in JurBüro 1992, 818).
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Abweichendes gilt aber dann, wenn der Versicherer sogleich den nicht fernliegenden
Verdacht hegt, daß er Opfer eines Versicherungsbetruges werden soll. Dann muß er
von Anfang an damit rechnen, daß es zum Prozeß kommen wird, selbst wenn er seine
Einstandspflicht mit stichhaltiger Begründung ablehnt. Denn zur Charakteristik dieser
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Straftat gehört es, daß der Täter versucht, sein Ziel einer sachlich nicht gerechtfertigten
Regulierung des Schadens unter Ausnutzung aller Möglichkeiten - insbesondere durch
einen Rechtsstreit - zu erreichen. Nach kriminologischer Erfahrung kann nicht davon
ausgegangen werden, daß ein solcher Tatplan schon dann aufgegeben wird, wenn das
von dem Versicherer eingeholte Schadensgutachten für den Anspruchsteller ungünstig
ausfällt. Deshalb ist ein Versicherer im Eigeninteresse gehalten, bei Verdacht auf
Versicherungsbetrug umgehend alle Maßnahmen zu ergreifen, um einer zu erwartenden
gerichtlichen Inanspruchnahme wirksam begegnen zu können (vgl. unveröffentlichte
Senatsbeschlüsse vom 09. August 2001 zu 23 W 280/01, 30. März 2000 zu 23 W
155/00, 08. Februar 1999 zu 23 W 539/98, 19. August 1996 zu 23 W 244/96).
Die Besonderheiten der Schadensmeldung des Klägers legten die Vermutung nahe,
daß die Beschädigungen an dem Pkw anders als behauptet eingetreten waren. Als
Begründung hierfür konnte die Beklagte nur mutmaßen, daß bei wahrheitsgemäßer
Schilderung der Schadensursachen ihre Leistungspflicht nicht in Betracht gekommen
wäre, daß also gezielt versucht wurde, sich auf ihre Kosten zu bereichern. Sie mußte
sich deshalb von vornherein auf einen Deckungsprozeß einstellen. Um ihren Verdacht
dort vortragen und unter Beweis stellen zu können, war es geboten, einen
Sachverständigen mit der Spurensicherung zu beauftragen. Denn es stand zu
befürchten, daß tatsächliche Anhaltspunkte für eine unrichtige Sachdarstellung des
Klägers bis zur Klageerhebung keinen Bestand haben würden, weil sie dann beseitigt
worden oder verwischt sein konnten. Mithin sind auch die vorprozessual aufgewandten
Kosten für den Sachverständigen N prozeßbezogen und prozeßnotwendig gewesen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Gegenstandswert folgt aus dem
Abänderungsbegehren.
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