Urteil des OLG Hamm vom 04.05.2010

OLG Hamm (einstweilige verfügung, kläger, frist, schuldner, uwg, berufungsfrist, höhe, wartefrist, zpo, verfügung)

Oberlandesgericht Hamm, I-4 U 12/10
Datum:
04.05.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 12/10
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 12 O 106/09
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. November 2009
verkündete Urteil der 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen –
des Landgerichts Bochum abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der
Rechtsanwälte M in Höhe von 626,40 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe
von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Juli 2009
freizustellen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Freistellung von Rechtsanwaltskosten für ein
Abschlussschreiben. Er meint, den Beklagten nicht verfrüht aufgefordert zu haben. Die
Zeit zwischen der Zustellung des Verfügungsurteils am 24. Februar 2009 und dem
Abschlussschreiben vom 19. März 2009 sei ausreichend gewesen.
2
Das Landgericht hat durch Urteil vom 10. November 2009 entsprechend dem Antrag des
Beklagten die Klage als unbegründet abgewiesen.
3
Das Abschlussschreiben sei verfrüht gewesen. Dazu hat das Landgericht auf die
einmonatige Berufungsfrist verwiesen und ausgeführt, dass der Kläger durch die
einstweilige Verfügung hinreichend gesichert gewesen sei. Zudem hätten die dem
Beklagten zur Last gelegten Verstöße den Geschäftsbetrieb des Klägers nicht
unmittelbar gefährdet. Hinsichtlich der gerügten Verstöße habe es kaum einschlägige
Rechtsprechung gegeben. Eine andere Kammer des Landgerichts Bochum habe
abweichend entschieden, so dass der Beklagte Veranlassung gehabt habe, solange
4
wie möglich abzuwarten, ob sich eine Klärung durch eine obergerichtliche
Entscheidung abzeichnete.
Wegen des Inhalts des Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 116 ff d.A. verwiesen.
5
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er
sein Freistellungsbegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.
6
Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages ist der Kläger der
Ansicht, eine regelmäßig ausreichende Überlegungsfrist betrage nicht einen Monat,
sondern zwei Wochen. Das gelte auch für den Fall einer Urteilsverfügung. Eine längere
Frist würde zu einer nicht sachgerechten Verzögerung führen. Da dem Antragsgegner
noch eine Frist gesetzt werden müsse bis zur Abgabe der Abschlusserklärung, könnten
bis zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens mitunter zwei Monate ins Land gehen.
Schon die mögliche Schadensersatzpflicht aus § 945 ZPO begründe ein berechtigtes
Interesse des Antragstellers, unnötigen Zeitverlust zu vermeiden. Hier sei das
Abschlussschreiben nicht verfrüht gewesen, weil es dem Beklagten sogar später als
zwei Wochen nach Zustellung des Urteils zugegangen sei. Zudem habe der Beklagte
schon im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2009 gewusst, dass
gegen ihn die einstweilige Verfügung erlassen wurde. Zumindest hätte sich der
Beklagte einen Tag später bei Gericht erkundigen können. Kenntnis von der
Urteilsverfügung habe der Beklagte durch die Übersendung des Protokolls am 3.
Februar 2009 erhalten. Es sei nicht einzusehen, dass bei einer Beschlussverfügung, die
in der Regel keine Begründung enthalte, zwei Wochen ausreichten, diese Frist aber bei
einer Urteilsverüfügung zu kurz sein solle, obwohl hier Entscheidungsgründe vorlägen.
7
Der Kläger beantragt,
8
den Beklagten und Berufungsbeklagten unter Aufhebung des am 10.11.2009
verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum, Az. I-12 O 106/09 zu verurteilen,
den Kläger und Berufungsläger von der Forderung der Rechtsanwälte M in Höhe
von 626,40 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit durch Zahlung an die Rechtsanwälte M
freizustellen.
9
Der Beklagte beantragt,
10
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
11
Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages hebt der Beklagte
hervor, dass die mit der Urteilsverkündung verbundenen Rechtsfragen von zwei
Kammern des Landgerichts Bochum unterschiedlich entschieden worden seien. Diese
Rechtsunsicherheit müsse zu einer längeren Überlegungsfrist führen. Es sei auch
keineswegs so gewesen, dass schon im Kammertermin festgestanden habe, dass eine
Urteilsverfügung erlassen werden würde. Zu Unrecht behandele der Kläger die
Zweiwochenfrist als generelle Frist. Auch der Senat habe betont, dass es auf die
Umstände des Einzelfalls ankomme. Dies habe das Landgericht zutreffend in diesem
Einzelfall beachtet. Vorliegend wäre dem Kläger auch kein Schaden entstanden, wenn
er die Monatsfrist abgewartet hätte.
12
Zudem habe der Kläger rechtsmissbräuchlich gehandelt, da es ihm nur darum
13
gegangen sei, Kosten zu generieren.
Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
14
Entscheidungsgründe:
15
Die Berufung des Klägers ist begründet. Das Landgericht hat ihm zu Unrecht die
Erstattung der Anwaltskosten für das Abschlussschreiben aberkannt.
16
Die Kosten des Abschlussschreibens sind grundsätzlich erstattungsfähig, entweder
unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder als Anspruch aus GOA nach
§§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB (Piper/Ohly/Sosnitza, UWG § 12 Rz. 186 mit weiteren
Nachweisen). Ein Erstattungsanspruch besteht aber nur für solche Kosten, deren
Aufwendung notwendig war. Das ist dann zu verneinen, wenn der Gläubiger das
Abschlussschreiben an den Schuldner absendet, ohne ihm zuvor Gelegenheit gegeben
zu haben, innerhalb angemessener Frist von sich aus eine Abschlusserklärung
abzugeben.
17
Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der Kläger hier dem Beklagten eine
ausreichende Frist gelassen, von sich aus die Abschlusserklärung abzugeben. Denn
das Landgericht hat diese Frist mit einem Monat zu lang bemessen. Es hat sich dabei zu
Unrecht an der Berufungsfrist orientiert. Im Ansatz ist dabei richtig, dass dem Schuldner
durch den Zwang zur Abschlusserklärung nicht die Überlegungsfrist verkürzt werden
darf, ob er gegen das Verfügungsurteil Berufung einlegen will (OLG Frankfurt GRUR-RR
2003, 274, 278). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das Abschlussschreiben
seinerseits eine Frist zur Abgabe der Abschlusserklärung setzen muss. Erst die Summe
dieser beiden Fristen darf die Berufungsfrist nicht unterschreiten.
18
Nähme man mit dem Landgericht eine Monatsfrist für das Abschlussschreiben an,
könnte der Gläubiger unter Berücksichtigung der Frist für die Abschlusserklärung nicht
vor dem Ablauf von sechs Wochen Hauptsacheklage erheben. Eine solch lange
Wartezeit ist dem Gläubiger im Regelfall nicht zuzumuten.
19
Dementsprechend hat der Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 10. November
2009 (4 U 123/09) und 19. November 2009 (4 U 136/09) eine Wartefrist von regelmäßig
zwei Wochen angenommen, die im vorliegenden Fall eingehalten worden ist. Denn die
Urteilszustellung ist bereits am 26. Februar 2009 erfolgt, während das
Abschlussschreiben dann erst am 19. März 2009 erfolgt ist. Auch die ganz
überwiegende Meinung geht von einer solchen regelmäßig gebotenen Wartefrist von
zwei Wochen aus (vgl. zu den in den Senatsurteilen angegebenen Fundstellen noch:
Piper/Ohly/Sossnitza § 12 Rz. 186; Hartel/Henning vor § 12 UWG Rz. 257; Fezer UWG
§ 12 Rz. 182; Köhler/Bornkamm UWG § 12 Rz. 3.73; BGH WRP 2008, 805 –
Abschlussschreiben eines Rechtsanwalts, OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 294).
20
Der Schuldner muss es hinnehmen, dass damit auch schon während des Laufs der
Berufungsfrist ein weiterer Gebührentatbestand gesetzt wird, den er durch eine
unaufgeforderte Abschlusserklärung hätte vermeiden können. Wenn der Schuldner also
diesen Kostentatbestand nicht entstehen lassen will, steht ihm die volle Ausnutzung der
Berufungsfrist nicht zur Verfügung. Diese Folge seines Wettbewerbsverstoßes muss der
Schuldner aber hinnehmen. Dafür braucht er eben nicht zu befürchten, aus heiterem
21
Himmel mit einer Hauptsacheklage überzogen zu werden. Wenn diese Vergünstigung
mit einem Kostentatbestand verbunden ist, werden dadurch die Interessen des
Schuldners nicht über Gebühr hintangesetzt.
Es ist in diesem Zusammenhang mit der regelmäßigen Wartefrist von zwei Wochen
allerdings zu betonen, dass es sich dabei nur um eine Durchschnittsfrist handelt, die
nach den Umständen des Einzelfalls auch länger sein kann. Solche Umstände sind hier
aber nicht ersichtlich. Es handelt sich zwar um eine Fülle von Verboten. Der Sach- und
Streitstand war aber so einfach gelagert, dass sich der Beklagte ohne besondere
Schwierigkeiten anhand des Urteils klar machen konnte, wie seine Chancen standen.
Es ging um Internetangebote mit dabei erforderlichen üblichen Informationen. Es mag
sein, dass zum damaligen Zeitpunkt noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen zu
den anstehenden Fragen vorlagen. Die Wartefrist für das Abschlussschreiben ist aber
nicht dazu da, solche Entscheidungen dritter Gerichte abwarten zu können. Sie soll dem
Schuldner nur eine zweckgerechte Auseinandersetzung mit dem anzufechtenden Urteil
ermöglichen.
22
Auch der Missbrauchseinwand greift vorliegend nicht durch.
23
Das Schreiben vom 24. März 2009 (Bl. 89 d.A.) ist zwar in der Form recht scharf
gehalten, wenn der Kläger dort droht, nach 90.000,00 Euro abrechnen zu wollen, wenn
der Beklagte die geforderte Gebühr für das Abschlussschreiben nicht zahlen will. § 8
Abs. 4 UWG regelt aber den Missbrauchseinwand nicht für jeden einzelnen Akt der
Rechtsverfolgung, sondern knüpft an die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs
an. Diese Geltendmachung muss missbräuchlich sein, um auch alle weiteren
Gebührentatbestände entfallen zu lassen.
24
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass aus dem Schreiben vom 24. März 2009
rückgeschlossen werden muss, dass schon die Abmahnung nur ausgesprochen worden
ist, um Gebühren zu provozieren. Das lässt sich hier nicht feststellen. Denn bis zu dem
Schreiben vom 24. März 2009 lassen sich keine Unregelmäßigkeiten feststellen, die auf
ein missbräuchliches Verhalten schließen ließen.
25
Dass der Kläger das Abschlussschreiben ausnutzen will, um möglichst hohe Gebühren
zu bekommen, mag zwar mit dem Sinn und Zweck des Abschlussschreibens nicht zu
vereinbaren sein. Dies kann aber nicht dazu führen, dass der Kläger für sein
Abschlussschreiben gewissermaßen zur Strafe nun überhaupt nichts an Gebühren
bekommen soll.
26
Die Höhe der Gebühren ist nicht im Streit.
27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
28
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10 ZPO.
29