Urteil des OLG Hamm vom 22.06.1993

OLG Hamm (höhe, gebäude, gutachten, sachverständiger, 150 jahre, architekt, vgb, vvg, entschädigung, stelle)

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 55/93
Datum:
22.06.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
20 U 55/93
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 2 O 255/91
Tenor:
Der Klägerin wird Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz nicht
bewilligt.
Gründe:
1
I.
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Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Feuerversicherung für das ihr gehörende
Haus ... in ... ein etwa 150 Jahre altes Fachwerkhaus. Den Vertragsbeziehungen liegen
die VGB der Beklagten (vgl. Bl. 37 ff. d.A.) zugrunde.
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Am 04.05.1990 ereignete sich ein Brand, durch den das Gebäude erheblich beschädigt
wurde. Am 08.05.1990 einigten sich die Parteien schriftlich auf die Durchführung eines
Sachverständigenverfahrens, wobei seitens der Klägerin der Sachverständige ... und
seitens der Beklagten der ... benannt wurde (vgl. Ablichtung des Protokolls über die
Ernennung der Sachverständigen Bl. 25, 26 d.A.). Am 08.06.1990 fand eine
Besichtigung des Brandschadens in dem Haus der Klägerin statt. Der Sachverständige
... erstellte unter dem 11.06.1990 eine Kostenaufstellung, die mit einem Schadensbetrag
in Höhe von 80.780,40 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) endete (Bl. 52 d.A.). Dem
Ehemann der Klägerin, der von der Klägerin schriftlich bevollmächtigt worden war (Bl.
77 d.A.), war die Aufstellung des Sachverständigen ... nicht präzise genug. Er teilte
daher der im Versicherungsbüro in ... tätigen Mitarbeiterin ... der Beklagten mit, daß der
Sachverständige ... von sämtlichen Aufgaben entbunden und als neuer
Sachverständiger der Architekt ... beauftragt worden sei. Der Architekt ... bewertete den
Schaden in einem Gutachten vom 17.08.1990 mit 162.249,50 DM.
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Unter dem 11.09.1990 stellten die Sachverständigen ... und ... den Schaden
übereinstimmend wie folgt fest:
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Schaden zum Neuwert:
85.567,- DM,
Schaden zum Zeitwert:
34.227,- DM
Aufräum- und Abbruchkosten:
8.584,- DM,
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Mietwert:
3.440,- DM.
Da die Klägerin das Gebäude zunächst nicht wiederherstellen ließ, zahlte die Beklagte
den Zeitwertentschädigungsanteil in Höhe von 34.227,- DM, die Aufräumungs- und
Abbruchkosten in Höhe von 8.584,- DM, die Entschädigung für den Mietwert in Höhe
von 3.440,- DM sowie Zinsen in Höhe von 854,36 DM, insgesamt somit 47.105,36 DM
(vgl. Schreiben der Beklagten vom 10.10.1990, Bl. 53 d.A.). In dem Schreiben vom
10.10.1990 teilte die Beklagte den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin unter
anderem mit, daß ein Anspruch der Klägerin auf den Teil der Entschädigung, der den
Zeitwertschaden übersteigt, nur dann besteht, wenn und soweit sie das Gebäude an der
bisherigen Stelle wiederhergestellt oder die Verwendung der Entschädigung für diesen
Zweck sichergestellt hat. Die Beklagte bat die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin
zugleich um Unterrichtung, wenn diese Voraussetzungen zur Auszahlung gegeben sein
sollten.
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem
im Gutachten ... genannten Schadensbetrag in Höhe von 162.949,50 DM und dem von
den Sachverständigen ... und ... angenommenen Neuwertschaden in Höhe von 85.567,-
DM.
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Die Klägerin hat behauptet, daß die Feststellungen der Gutachter ... und ... sachlich
fehlerhaft seien; die Unrichtigkeit dränge sich offenkundig auf, so daß das Gutachten
offenbar unbillig sei. Da der Sachverständige ... abgelöst worden sei, hätte die Beklagte
dafür Sorge tragen müssen, daß aus den Sachverständigengutachten ... und ... ein
gemeinschaftliches Gutachten erstellt wurde.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, einen
weiteren Betrag von 77.382,50 DM als Zeit- und Neuwertentschädigung zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Feststellungen der Sachverständigen ... und ...
verbindlich seien. Eine Abberufung des Sachverständigen ... sei nur mit Zustimmung der
Beklagten möglich gewesen; eine derartige Zustimmung sei jedoch nie erfolgt. Da die
Feststellungen der Sachverständigen ... und ... zutreffend seien, habe die Beklagte mit
der von ihr vorgenommenen Zahlung den Brandschaden ausgeglichen.
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Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen
... abgewiesen. Der Klägerin, stehe gegenüber der Beklagten kein Anspruch gemäß
§§315, 319 Abs. 1 BGB zu, da die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
nicht davon überzeugt sei, daß die getroffenen Bestimmungen der im
Sachverständigenverfahren eingeschalteten Sachverständigen ... und ... unbillig seien.
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Der Sachverständige ... hatte - unter Einschluß von Abbruchkosten - einen
Neuwertschaden in Höhe von 105.130,85 DM (einschließlich Mehrwertsteuer)
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errechnet. Er hat ausgeführt, daß die erheblichen Differenzen zwischen den
Rechnungen der vorliegenden Gutachten aus der unterschiedlichen Annahme der
vorhanden gewesenen Qualitätsmerkmale resultieren. Insbesondere beim Gutachten ...
seien die Qualitätsannahmen teilweise sehr hoch und nicht den örtlichen
Gegebenheiten entsprechend angesetzt worden.
Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel.
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Sie ist zunächst der Auffassung, daß das Landgericht zu Unrecht unterstellt habe,
zwischen den Parteien sei eine Einigung über die Durchführung des
Sachverständigenverfahrens herbeigeführt worden. Der Ehemann der Klägerin habe
den Auftrag und die Bestellung des Sachverständigen ... gegenüber der Beklagten
widerrufen, bevor es zu einer abschließenden Abklärung zwischen den
Sachverständigen ... und ... gekommen sei. Der Architekt ... habe kein
Sachverständigengutachten, sondern lediglich eine Kostenaufstellung erstellt und sei
damit als Sachverständiger nicht tätig geworden. Der Ehemann der Klägerin habe
gegenüber der Mitarbeiterin des zuständigen Versicherungsbüros der Beklagten in ...
Frau ..., mitgeteilt, daß Herr ... von jeglicher Verpflichtung entbunden sei. Diese
Nachricht sei durch Frau ... auch an den zuständigen Sachbearbeiter im Hause der
Beklagten weitergegeben worden. Frau ... sei auch mitgeteilt worden, daß als neuer
Sachverständiger der Architekt ... mit der Sache beauftragt worden sei. Dies habe Frau
... ebenfalls dem zuständigen Sachbearbeiter im Hause der Beklagten, Herrn ...,
mitgeteilt, der diese Erklärung entgegengenommen habe und ihr nicht entgegengetreten
sei. Eine schiedsgutachterliche Regelung sei nicht zustandegekommen. Für die
Klägerin sei als Sachverständiger allein der Sachverständige ... zuständig gewesen.
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Das Gutachten des Sachverständigen ... berücksichtige einige Positionen, die der
Sachverständige ... in Ansatz gebracht habe überhaupt nicht oder nur unzureichend. So
seien die Positionen 03 Mauerwerk und Putz mit 27.844,- DM und die Position 03 Maler-
und Anstreicherarbeiten mit 20.561,- DM nicht gesondert berücksichtigt. Soweit diese
Arbeiten teilweise unter den Positionen Decken und Wände berücksichtigt worden
seien, seien die in Ansatz gebrachten Beträge vollkommen unzureichend. Es treffe nicht
zu, daß der Sachverständige ... einen überhöhten Standard zugrundegelegt habe.
Hinsichtlich der Positionen Fenster und Türen sei zu berücksichtigen, daß es sich bei
sämtlichen Türen nicht um Standardmodelle, sondern um Sonderanfertigungen
gehandelt habe. Hinsichtlich der Position Elektroinstallation und Sanitärinstallation sei
ein 50 %-iger Abzug nicht gerechtfertigt, da die Installationen zwar nicht neu, zum
Schadenszeitpunkt jedoch einwandfrei in Ordnung und voll funktionstüchtig gewesen
seien.
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Das Landgericht habe weiter zu Unrecht unterstellt, daß die Klägerin den Bau nicht
wiedererrichten lassen wolle. Richtig sei allerdings, daß zunächst überlegt worden sei,
ob es wirtschaftlich vertretbar sei, das schon ältere Gebäude wieder aufzubauen oder
gegebenenfalls auf dem Grundstück einen Neubau zu errichten. In diesem
Zusammenhang sei dann weiter die Überlegung erfolgt, das Gebäude nicht, wie bisher,
an der Straße zu errichten sondern einige Meter weiter nach hinten zu verrücken. Da der
Klägerin jedoch für einen Neubau keine Baugenehmigung erteilt worden sei, verbleibe
ihr nunmehr nur die Möglichkeit, das ursprüngliche Gebäude zu errichten. Sofern
feststehe, daß die Beklagte eine weitere Entschädigungsleistung erbringen werde,
werde das Gebäude auf jeden Fall wiederhergestellt.
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Die Klägerin beantragt demgemäß Prozeßkostenhilfe für folgende Anträge:
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Abändernd festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, einen weiteren Betrag in
Höhe von 77.382,50 DM als Zeit- und Neuwertentschädigung zu zahlen;
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hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin einen weiteren
Betrag von 77.382,50 DM zu zahlen, sofern sie innerhalb von 18 Monaten nach
Rechtskraft des Urteils sichergestellt hat, daß sie die Entschädigung verwenden wird,
um ein Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung wie das am 04.05.1990 zerstörte
an bisheriger Stelle wiederherzustellen.
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Die Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme im Prozeßkostenhilfeverfahren
erhalten. Sie hat innerhalb der ihr gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben.
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II.
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Der Klägerin konnte die begehrte Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden, da die von
der Klägerin in der Berufungsinstanz beabsichtigte Rechtsverfolgung keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§114 Abs. 1 ZPO).
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1.
27
Das Landgericht ist entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung zutreffend
davon ausgegangen, daß die Parteien sich gemäß §§17 VGB, 64 VVG auf die
Durchführung eines Sachverständigenverfahrens mit den Sachverständigen ... und ...
geeinigt haben. Die am 08.05.1990 erfolgte schriftliche Benennung der
Sachverständigen war gegenüber der anderen Partei jeweils verbindlich und konnte
nicht einseitig, sondern nur mit Zustimmung der jeweils anderen Partei geändert werden
(vgl. Prölss/Martin, §64 VVG, Anm. 5). Auf diese Weise wird gewährleistet, daß im Sinne
der Zielsetzung des Schadensfeststellungsverfahrens, die Schadensfeststellung
möglichst rasch mit sachverständiger Hilfe zu erledigen, unnötiger Leerlauf vermieden
wird. Insbesondere wird dadurch vermieden, daß eine Partei die Ablösung eines
Sachverständigen zu einem Zeitpunkt begehrt, zu dem das Ergebnis der
sachverständigen Begutachtung - und sei es auch nur mündlich - bereits mitgeteilt
worden ist. Im Sachverständigenverfahren soll gerade nicht an die Stelle eines
Sachverständigen ein anderer, zufällig der einen Partei günstigerer Sachverständiger
gesetzt werden (vgl. dazu BGH in VersR 1987, 601, 602).
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Vorliegend hat die Beklagte ihre Zustimmung zur Ablösung des von der Klägerin
ernannten Sachverständigen ... zu keinem Zeitpunkt erteilt. Der Sachvortrag der
Klägerin, die Mitarbeiter der Beklagten hätten die Erklärung des Ehemannes der
Klägerin, daß nunmehr der Architekt ... als neuer Sachverständiger beauftragt worden
sei, entgegengenommen und seien dieser Mitteilung nicht entgegengetreten, reicht zur
Annahme einer Zustimmungserklärung nicht aus. Die Mitarbeiterin ... der Beklagten
konnte und wollte nach dem Sachvortrag der Klägerin insoweit keine Erklärung
abgeben, dem zuständigen Sachbearbeiter ... im Hause der Beklagten ist die Erklärung
der Klägerin lediglich mitgeteilt worden, ohne daß der Sachbearbeiter der Beklagten
seinerseits eine Erklärung abgegeben hat. Da die Parteien die Sachverständigen ... und
... mit Protokoll vom 08.05.1990 schriftlich ernannt hatten, konnte die Klägerin auch nicht
davon ausgehen, daß die bloße Entgegennahme des Ablösungswunsches bezüglich
des von ihr benannten Sachverständigen und die Weiterleitung dieses Wunsches an
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den zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten als Zustimmungserklärung der
Beklagten angesehen werden konnte. Der vom Ehemann der Klägerin erklärte
"Widerruf" der Bestellung des Sachverständigen ... war somit ohne rechtliche Wirkung.
Der Sachverständige ... hat nach seiner Ernennung entgegen der in der
Berufungsbegründung vertretenen Auffassung der Klägerin auch
Sachverständigentätigkeit entfaltet. Er hat seine Feststellungen in der Kostenaufstellung
vom 11.06.1990 getroffen und den Schaden in Übereinstimmung mit dem von der
Beklagten benannten Sachverständigen ... am 11.09.1990 festgestellt. Soweit der
Sachverständige ... der Klägerin mit Schreiben vom 29.10.1990 (Bl. 10 a d.A.)
hinsichtlich der Beendigung seiner Tätigkeit Gegenteiliges mitgeteilt hat, trifft dies
offensichtlich nicht zu.
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2.
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Die von den Sachverständigen ... und ... festgestellte Schadenshöhe ist verbindlich. Von
der Unverbindlichkeit der Feststellungen der Sachverständigen ... und ... wäre nur dann
auszugehen, wenn deren Feststellungen von der wirklichen Sachlage offenbar
erheblich abweichen. Die Feststellung würde dann gemäß §64 Abs. 1 S. 2 VVG durch
gerichtliches Urteil erfolgen. Die Voraussetzungen für eine Feststellung durch Urteil
gemäß §§17 Nr. 6 VGB, 64 Abs. 1 VVG sind jedoch auch unter Berücksichtigung des
Vertrags der Klägerin in der Berufungsbegründung aller Voraussicht nach nicht
gegeben.
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Der vom Sachverständigen ... in erster Instanz ermittelte Neuwertschaden in Höhe von
105.130,85 DM übersteigt den von den Sachverständigen ... und ... festgestellten Betrag
in Höhe von 94.151,- DM (85.567,- DM zzgl. Abbruchkosten in Höhe von 8.584,- DM) um
11,66 %. Da die Anfechtungsmöglichkeit der im Sachverständigenverfahren getroffenen
Feststellungen auf die wenigen Fälle ganz offensichtlichen Unrechts beschränkt werden
soll, kann eine Abweichung von weniger als 15 % regelmäßig nicht als erheblich im
Sinne von §64 VVG angesehen werden (vgl. dazu z.B. BGH in VersR 1987, 601; Senat,
VersR 1988, 509; Prölss/Martin, §64 VVG Anm. 7 m.w.N.).
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Soweit die Berufung das Gutachten des Sachverständigen ... als nicht überzeugend und
unzureichend rügt, setzt die Klägerin an die Stelle dieses Gutachtens erneut das ihr
günstigere Gutachten des Architekten ... und beruft sich hinsichtlich einzelner Positionen
zusätzlich auf die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Hinreichende
Aussicht dafür, daß ein vom Senat beauftragter weiterer Sachverständiger das
Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne von §§17 Nr. 6 VGB, 64 VVG der von
den Sachverständigen ... und ... getroffenen Feststellungen bejahen wird, besteht
allerdings nicht. Der Vortrag der Klägerin, daß die Bewertung des Sachverständigen ...
in einzelnen Positionen nicht überzeugend oder unzureichend sei, reicht dafür nicht aus.
Aus dem Gutachten des Sachverständigen ... ergibt sich insbesondere, daß der von der
Klägerin beauftragte Architekt ... die Berechnung der Neuwertentschädigung nicht
gemäß §6 Nr. 1 S. 1 VGB vorgenommen hat. Danach ist der Versicherungswert eines
Gebäudes der ortsübliche Neubauwert. Die erhebliche Differenz des vom Architekten ...
ermittelten Wertes zu den Werten der übrigen Gutachter ergibt sich jedoch nach dem
Gutachten des Sachverständigen ... gerade daraus, daß die Qualitätsannahmen des
Architekten ... nicnt den örtlichen Gegebenheiten entsprechen.
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Soweit die Klägerin insbesondere die Position "Türen" anspricht, hat der
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Sachverständige ... dazu ausgeführt, daß Türen von unterschiedlicher Qualität
vorhanden waren und von den insgesamt 12 Türen 6 infolge der Zerstörung durch den
Brand ersetzt werden müssen (Bl. 124 d.A.). Die vorhanden gewesenen Türen mit
Rahmen und Futter seien von einfacher Qualität gewesen, so daß eine
Sonderanfertigung mit unverhältnismäßigem Aufwand nicht gerechtfertigt sei. Der
erheblich höhere Wertansatz des Architekten ... beruht demgegenüber darauf, daß die
alten Türen kein einheitliches Maß aufwiesen (94/186, 93/187, 94/185, 92/186, 84/184,
84/185) und die Klägerin daher eine Sonderanfertigung von zumindest zwei Typen zum
Mittelpreis je Typ von 1.450,- DM verlangen könne. Dieses Verlangen ist indes nicht
gerechtfertigt. Die Klägerin hat bei der Neuwertversicherung Anspruch darauf, daß sie
Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand erhält. Für den
Versicherungswert ist dabei im Rahmen des Zumutbaren die preisgünstigste Art und
Weise der Wiederbeschaffung zugrundezulegen (vgl. z.B. bei Martin,
Sachversicherungsrecht, Q IV Rdz. 108). Im vorliegenden Fall ist es für die Klägerin
ohne weiteres zumutbar, die vom Sachverständigen ... in Ansatz gebrachten Türen als
solche mittlerer Art und Güte zu akzeptieren, die den ursprünglich vorhandenen Türen
gleichwertig sind. Die Sonderanfertigung von Türen mit einer Maßabweichung von
wenigen cm zum serienmäßig hergestellten Maß bringt für die Klägerin keinerlei
Vorteile. Da das Gebäude bei einem Neuaufbau auch im übrigen nicht in einen mit dem
Zustand vor dem Brandereignis völlig identischen Zustand versetzt werden kann, muß
die Klägerin eine geringfügige Abweichung bei den Türmaßen hinnehmen. Eine
offenbar erhebliche Abweichung von der wirklichen Sachlage ergibt sich jedenfalls nicht
dadurch, daß die Sachverständigen ... und ... in Übereinstimmung mit dem
Sachverständigen ... nicht die von dem Architekten ... angesetzten Preise für
Sonderanfertigungen in die Wertberechnung eingestellt haben.
Bezüglich der Position Elektroinstallation hat die Beweisaufnahme vor dem Landgericht
ergeben, daß die Neuinstallation auch zu einem Preis von 9.112,59 DM möglich ist; der
Architekt ... hatte demgegenüber insoweit einen Betrag in Höhe von 15.594,06 DM
angesetzt. Im übrigen ergibt sich hinsichtlich der Positionen Elektro- und
Sanitärinstallation aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht, daß insoweit eine offenbare
Unrichtigkeit vorliegt, die dazu führt, daß die von den Gutachtern ... und ... getroffenen
Feststellungen in ihrem Gesamtergebnis von der wirklichen Sachlage erheblich
abweichen. Insoweit ist auch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß das Erfordernis
der "offenbaren" Diskrepanz und das Kriterium der "Erheblichkeit" die
Anfechtungsmöglichkeit auf die wenigen Fälle ganz offensichtlichen Unrechts
beschränken soll.
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Insgesamt wird sich daher auch durch die Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens aller Voraussicht nach nicht feststellen lassen, daß die
von den Sachverständigen ... und ... getroffenen Feststellungen von der wirklichen
Sachlage offenbar erheblich abweichen.
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3.
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Die Klägerin kann schließlich nicht den über den Zeitwert hinausgehenden
Neuwertanteil gemäß §7 Nr. 3 VGB verlangen. Insoweit fehlt es auch nach dem Vortrag
in der Berufungsbegründung daran, daß die Klägerin das Gebäude an der bisherigen
Stelle wiederhergestellt oder die Verwendung der Entschädigung zu diesem Zweck
sichergestellt hat (§§7 Nr. 3 a, 19 Nr. 3 VGB). Da die Klägerin das Gebäude bislang
unstreitig nicht wiederhergestellt hat, hätte sie zur Sicherstellung der zweckgerechten
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Verwendung der Entschädigung die Wiederherstellung so vorbereiten müssen, daß bei
wirtschaftlich normalem Verlauf die Wiederherstellung in vollem Umfang erfolgen wird.
Die bloße Absichtserklärung der Klägerin reicht dafür nicht aus. Aussagekräftige
Unterlagen für die beabsichtigte Wiederherstellung hat die Klägerin nicht vorgelegt (vgl.
z.B. Senat, VersR 1984, 175, 176; Senat, VersR 1984, 833).
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Der Hilfsantrag der Klägerin bietet ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Die Beklagte hat,
wie u.a. ihr Schreiben vom 10.10.1990 zeigt, zu keinem Zeitpunkt ihre Verpflichtung in
Abrede gestellt, den Neuwertanteil auf der Grundlage der von den Sachverständigen ...
und ... getroffenen Feststellungen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen
zu zahlen. Das gemäß §256 ZPO erforderliche rechtliche Interesse für den hilfsweise
angekündigten Feststellungsantrag der Klägerin ist somit nicht gegeben.
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