Urteil des OLG Hamm vom 18.09.2006

OLG Hamm: treu und glauben, miteigentümer, miteigentumsanteil, beitragspflicht, grundbuchamt, bestandteil, abrechnung, nachforderung, entstehung, inhaber

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 259/05
Datum:
18.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 259/05
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 T 113/04
Tenor:
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird der
angefochtene Beschluss aufgehoben, soweit das Beschwerdegericht
die durch Beschluss des Amtsgerichts vom 20.08.2004 ausgesprochene
Zahlungsverpflichtung der Beteiligten zu 2) hinsichtlich des 36 € nebst
Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
dem 11.04.2004 Betrages, also weiteren 1.270,85 € nebst anteiliger
Zinsen, aufrecht erhalten hat.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung,
auch über die Gerichtskosten sowie die Anordnung der Erstattung
außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren
Beschwerde an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren
Beschwerde wird auf 1.306,85 € festgesetzt.
Gründe
1
I.)
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Die Beteiligten streiten vorliegend um die Verpflichtung der Beteiligten zu 2) zur
Wohngeldzahlung.
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Für die hier betroffene Teileigentumsanlage wurden aufgrund der Teilungserklärung
vom 03.05.1972 –ergänzt durch Erklärung vom 03.05.1972- im Juni 1972 die
Teileigentumsgrundbücher angelegt. Die Beteiligte zu 2) wurde im März 1990 als
Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes in den Teileigentumsgrundbüchern Blatt ###3,
###4, ###5 eingetragen. Nach dem in den Bestandsverzeichnissen in Bezug
genommenen Aufteilungsplan soll das Sondereigentum an den Stellplätzen E74, E75
und E76 bestehen. Insoweit handelt es sich nach dem Aufteilungsplan um ebenerdige
Flächen ohne eine Einbindung in ein Gebäude. Unstreitig sind die entsprechenden
Flächen nie der vorgesehenen Nutzung entsprechend befestigt worden. Es handelt sich
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vielmehr um eine begrünte Fläche.
Anfang der 90er Jahre wurde aus dem Kreis der eingetragenen Eigentümer heraus beim
Grundbuchamt angeregt, einzelne Teil- bzw. Miteigentumsrechte zu löschen. In der
Sache ging es hierbei primär um auf dem Freidach eines zur Anlage gehörenden
Garagengebäudes vorgesehene Stellplätze. Das Grundbuchamt wies diese Anregung
zurück. Auf die hiergegen eingelegten Beschwerden hin wies das Landgericht durch
Beschlüsse vom 16.06. und 10.08.1994 (7 T 183/91 und 7 T 217-319/91) das
Grundbuchamt an, entsprechende Löschungen vorzunehmen. Das Grundbuchamt hat
daraufhin u.a. in den o.a. Grundbüchern Blatt ###3-###5 den gesamten Eintrag des
Bestandsverzeichnisses –nicht jedoch die Eintragungen in den Abteilungen I bis III-
gelöscht. Gegen diese Löschungen sind in der Folgezeit in einzelnen der betroffenen
Grundbücher die Stellplätze auf dem Freidach des Garagengebäudes betreffen,
aufgrund von zwei auf weitere Beschwerden ergangenen Entscheidungen des Senats
Widersprüche eingetragen worden.
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Die Gemeinschaft nimmt die Beteiligte zu 2) vorliegend auf Zahlung von Wohngeld in
Anspruch. Ursprünglich hat die Beteiligte zu 1) den Anspruch überwiegend auf die
bestandskräftig beschlossenen Wirtschaftspläne für die Jahre 2000 bis 2003 gestützt,
wobei für das Jahr 2003 lediglich die Vorauszahlung für die beiden ersten Monate
geltend gemacht wurden. Durch Schriftsatz vom 14.04.2004 hat sie den Zahlungsantrag
auf 1.306,85 € erhöht und vortragen lassen, nunmehr werde der Rückstand aus der
Jahresabrechnung 2002 gestützt. Daneben werde für Januar und Februar 2003 ein
Vorauszahlungsanspruch von 6 € pro Monat geltend gemacht.
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Das Amtsgericht hat die Beteiligte zu 2) antragsgemäß zur Zahlung verpflichtet. Die
hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das Landgericht
zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2) mit der sofortigen weiteren
Beschwerde.
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II.)
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Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs.1, 43 Abs.1 WEG, 27, 29 FGG
statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
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Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) ergibt sich daraus, dass ihre
Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
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In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde teilweise begründet, da die
Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, soweit die
ausgesprochene Zahlungsverpflichtung über die Wohngeldvorauszahlungsbeträge für
die Monate Januar und Februar 2003 hinausgeht.
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen
Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) ausgegangen. Ebenso fehlerfrei sind die
Vorinstanzen von der Zuständigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß
§ 43 Abs.1 WEG ausgegangen, da auf das Verhältnis der Beteiligten die Grundsätze der
faktischen Eigentümergemeinschaft Anwendung finden (dazu näher unten).
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In der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung nur
teilweise stand.
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Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht dem Grunde nach die Verpflichtung der
Beteiligten zu 2) bejaht hat, nach Maßgabe beschlossener Wirtschaftspläne oder
Jahresabrechnungen entsprechend § 16 Abs.2 WEG zu den Lasten der Gemeinschaft
beizutragen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerseite kommt es vorliegend
jedoch nicht auf die rechtlichen Konsequenzen der Senatsentscheidungen vom
26.01.1998 (15 W 502/97) und vom 15.08.2000 an. Diese betreffen allein die Frage, ob
die auf dem Freidach des Garagengebäudes befindlichen Stellplätze –vorbehaltlich
weiterer damals nicht zu prüfender Voraussetzungen- sondereigentumsfähig sind. Die
von der Beteiligten zu 2) erworbenen, noch zu errichtenden Stellplätze hingegen wären,
auch wenn sie befestigt und dauerhaft markiert wären, nicht sondereigentumsfähig. Es
entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass an Teilen der
Grundstücksfläche, die nicht Bestandteil eines Gebäudes i.e.S. sind, auch unter
Berücksichtigung von § 3 Abs.2 S.2 WEG Sondereigentum nicht gebildet werden kann
(Senat NJW-RR 1998, 516ff; DNotZ 2003, 945, 947; Kompaktkommentar (KK)-
WEG/Elzer, § 3 Rdn.107; Bärmann/Pick, WEG, 15.Aufl., § 3 Rdn.8 jew. m.w.N.).
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Soll bei der Teilung eines Grundstücks in Wohnungs- oder Teileigentum ein
Miteigentumsanteil mit dem Sondereigentum an einem nicht sondereigentumsfähigen
Bestandteil des Grundstücks verbunden werden und wird dies entsprechend in das
Grundbuch eingetragen, so handelt es sich hinsichtlich der Bildung von
Sondereigentum an dem betreffenden Bestandteil um eine unwirksame Eintragung, die
unzulässig im Sinne des § 53 Abs.1 S.2 GBO ist und nicht Grundlage eines
gutgläubigen Erwerbs sein kann (BGHZ 109, 179ff = NJW 1990, 447, 448). Dies berührt
regelmäßig jedoch weder die Entstehung anderer Sondereigentumsrechte, noch die
Entstehung des betroffenen Miteigentumsanteils (BGH a.a.O.). Letzterer entsteht
vielmehr als sog. isolierter oder sondereigentumsloser Miteigentumsanteil. Da ein
solcher isolierter Miteigentumsanteil grundsätzlich rechtsgeschäftlich übertragen werden
kann (BGH NJW 2004, 1798, 1800; 2005, 10, 11 sub c)), ist die Beteiligte zu 2) durch
ihre Eintragung im Grundbuch (sondereigentumslose) Miteigentümerin geworden.
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Der Senat hat sich mit der Frage, wie ein derartiger sondereigentumsloser
Miteigentümer hinsichtlich seiner Pflichten aus § 16 Abs.2 WEG zu behandeln ist,
bereits in seinem Beschluss vom 25.06.1991 (15 W 76/91), der ebenfalls die
vorliegende Gemeinschaft betrifft, befasst. Der Senat hat seinerzeit die Auffassung
vertreten, dass sich die Beitragspflicht analog § 16 Abs.2 WEG aus einer
entsprechenden Anwendung der Grundsätze der faktischen Gesellschaft ergebe.
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Trotz einer zunehmenden kontroversen wissenschaftlichen Diskussion über die
Behandlung sog. isolierter Miteigentumsanteile (für eine direkte Anwendung der §§ 1 ff
WEG etwa Hügel ZMR 2004, 549, 553; ders. in Bamberger/Roth, BGB, Stand 2003, § 3
WEG Rdn.13; ablehnend etwa Demharter NZM 2000, 1196, 1198f) ist es in den
Folgejahren zu keiner höchstrichterlichen Klärung der Frage gekommen, inwieweit die
§§ 1 ff WEG auf einen sondereigentumslosen Miteigentümer anwendbar sind. Allerdings
hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 05.12.2003 (NJW 2004, 1798ff)
in argumentativem Zusammenhang ausgeführt, dass sich die Rechte und Pflichten
eines derartigen Miteigentümers - wie bei einer faktischen oder werdenden
Eigentümergemeinschaft - nach dem WEG bestimmen. Ausdrücklich darauf erkannt,
dass der Inhaber eines isolierten Miteigentumsanteils auch zur anteiligen Lastentragung
gemäß § 16 Abs.2 WEG verpflichtet ist, hat der BGH hiermit allerdings nicht, da
Gegenstand des dortigen Verfahrens allein die Verpflichtung zur Anpassung der
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(sachenrechtlichen) Grundlagen der Gemeinschaft war. Gleichwohl wird die
Entscheidung in der Literatur ganz überwiegend dahin verstanden, dass der
Bundesgerichtshof von einer uneingeschränkten Anwendbarkeit der §§ 1 ff WEG
ausgeht (Staudinger/Wenzel, BGB Stand 2005, § 43 Rdn.4; Staudinger/Bub, a.a.O., § 28
WEG Rdn.184; KK-WEG/Elzer, a.a.O. Rdn.75; Hügel, a.a.O.).
Der Senat ist nach wie vor der Auffassung, dass der Inhaber eines
sondereigentumslosen Miteigentumsanteils hinsichtlich seiner Gemeinschaftsrechte
und Gemeinschaftspflichten entsprechend der mittlerweile weitgehend anerkannten
Figur der faktischen Eigentümergemeinschaft zu behandeln ist. Dabei kann in diesem
Zusammenhang der grundsätzlich bestehende Unterschied zwischen der faktischen
und werdenden Eigentümergemeinschaft, der auf den voneinander zu
unterscheidenden Regelungsnotwendigkeiten beruht, dahinstehen. Allein durch eine
analoge Anwendung der Verwaltungsregelungen der jeweiligen Teilungserklärung und
des WEG lassen sich Abwicklungsschwierigkeiten vermeiden, die andernfalls die
Handlungsfähigkeit einer betroffenen Gemeinschaft nachhaltig in Frage stellen könnten.
Die bereicherungsrechtliche Problematik, die durch die Figur der faktischen
Gemeinschaft gerade vermieden werden soll, betrifft nicht allein die Rückabwicklung
tatsächlich erbrachter Beiträge. Würde man den sondereigentumslosen Miteigentümer
durch eine Umrechnung des Kostenverteilungsschlüssel auf die entstandenen
Sondereigentumsrechte von der Beitragspflicht freistellen (so Demharter, a.a.O.) ergäbe
sich etwa das Folgeproblem, dass die Gemeinschaft im Einzelfall dann auch Kosten
übernehmen müsste, hinsichtlich derer die Verpflichtung materiell allein aus dem
Miteigentum folgt (Haftpflichtversicherungsbeiträge, einzelne Grundbesitzabgaben etc.).
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Der betroffene Miteigentümer wird hierdurch nicht rechtlos gestellt. Zunächst folgen aus
dem Erwerb eines sondereigentumslosen Miteigentumsanteils in aller Regel
Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche gegenüber dem Veräußerer (vgl.
BGH NJW-RR 2005, 10). Bei diesem kann sich der Betroffene mithin jedenfalls wegen
solcher Kosten, denen infolge des Gründungsfehlers kein Vorteil gegenüber steht,
schadlos halten. Darüber hinaus dient die analoge Anwendung der §§ 1 ff WEG
lediglich der Regelung eines begrenzten Zeitraums. Das Bestehen eines isolierten
Miteigentumsanteils ist ein gesetzeswidriger Zustand, der durch die Miteigentümer
umgehend beseitigt werden muss (vgl. nur BGH a.a.O. sub b); NJW 1995, 2851, 2854,
auch zu den Lösungsmöglichkeiten). Da Sondereigentum an den hier betroffenen
Stellplätzen weder durch bauliche Maßnahmen, noch durch eine Änderung der
Teilungserklärung begründet werden kann, erscheint es wenig zweifelhaft, dass die
Beteiligte zu 2) hier einen Anspruch auf Übertragung ihrer Miteigentumsanteile auf die
verbliebenden Miteigentümer hat (vorliegend mit der Besonderheit, dass die vorherige
oder gleichzeitige Berichtigung der Löschung der Miteigentumsanteile erforderlich ist).
Es ist allerdings auch Sache der Beteiligten zu 2), diesen Anspruch zu formulieren, an
die anderen Miteigentümer heranzutragen und im Falle der Erfüllungsverweigerung
einzelner Miteigentümer gerichtlich durchzusetzen.
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Ob die Beteiligte zu 2) diesen Anspruch hier erhoben hat, kann dahinstehen. Da die
analoge Anwendung der §§ 1 ff WEG an die Existenz des isolierten Miteigentumsanteils
anknüpft, unterliegt die Beteiligte zu 2) bis zur Übertragung desselben, also der
Behebung des Gründungsmangels (vgl. hierzu Wenzel a.a.O.), auch der
Beschlusskompetenz der Gemeinschaft gemäß § 23 WEG. Da jedoch keiner der
Beschlüsse, die hier als Grundlage des Zahlungsanspruchs in Betracht kommen,
rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist (§ 23 Abs.4 S.1 WEG), ist die Beteiligte zu 2)
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an die hieraus folgende Zahlungspflicht gebunden. Ob die Beteiligte zu 2) eine evtl.
Erfüllungsverweigerung hinsichtlich ihres o.a. Anspruchs auf Behebung des
Gründungsmangels ihrer Zahlungspflicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben
(§ 242 BGB) im Wege der Anfechtung (§ 43 Abs.1 Nr.4 WEG) der Beschlussfassung
über Wirtschaftsplan oder Jahresabrechnung entgegen halten könnte, ist eine Frage des
Einzelfalls, die sich einer abstrakten Beantwortung entzieht. Der Senat weist allerdings
vorsorglich darauf hin, dass es sich bei dem Anspruch auf Behebung des
Gründungsmangels um einen Anspruch handelt, der gegen die einzelnen Miteigentümer
gerichtet ist, während der Zahlungsanspruch der teilrechtsfähigen Gemeinschaft zusteht.
Auch der Einwand der Beteiligten zu 2), dass die Stellplätze rein tatsächlich nicht
existent seien, greift nicht durch. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die
Nichterrichtung der Stellplätze in keinem zwingenden Zusammenhang mit der
Sondereigentumsunfähigkeit derselben steht. Die Situation der Beteiligten zu 2) ist
insoweit nicht anders als diejenige des Erwerbers eines noch zu errichtenden
Sondereigentums, wie es praktisch bei der sukzessiven Errichtung einer
Eigentumsanlage vorkommt. Für diese Konstellation ist jedoch anerkannt, dass die
Beitragspflicht aus einem beschlossenen Wirtschaftsplan / einer beschlossenen
Jahresabrechnung nicht alleine deshalb entfällt, weil das Raumeigentum (noch) nicht
fertiggestellt ist. Vielmehr ist das Wohnungseigentumsgesetz, mithin auch § 16 abs.2
WEG bereits ab der Anlage der Wohnungsgrundbücher anwendbar und nicht erst mit
der (vollständigen) Errichtung der Baulichkeiten (Bamberger/Roth/Hügel, a.a.O. § 3
WEG Rdn.11; Weitnauer/Briesemeister, WEG, 9.Aufl., § 3 Rdn.46 jew. m.w.N.). Kommt
es aber schon nach den allgemeinen Regeln für die Beitragspflicht nicht darauf an, ob
der Gegenstand des Sondereigentums bereits errichtet ist, so muss dies
konsequenterweise auch für die analoge Anwendung der §§ 1 ff WEG auf einen
sondereigentumslosen Miteigentumsanteil gelten. Letztendlich folgt damit die
Zahlungspflicht der Beteiligten zu 2) auch unter diesem Aspekt, vorbehaltlich der noch
zu erörternden Ungenauigkeit des Antragsvorbringens, aus der Bindungswirkung der
dem Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Eigentümerbeschlüsse.
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Der Höhe nach hat die Beteiligte zu 1) bislang jedoch allein den Wohngeldvorschuss
aus dem Wirtschaftsplan für 2003 betreffend die Monate Januar und Februar in Höhe
von jeweils 12 € für jede der drei Einheiten schlüssig dargelegt. Soweit die
Vorinstanzen einen weitergehenden Betrag zugesprochen haben, ist dies
rechtsfehlerhaft.
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Mit der Antragsänderung vom 14.04.2004 hat die Beteiligte zu 1) erklärt, dass neben
dem o.a. Vorauszahlungsbetrag die Nachforderung aus der Jahresabrechnung für das
Jahr 2002 geltend gemacht werde. Diese Erklärung bestimmt grundsätzlich den Streit-
oder Verfahrensgegenstand. Dessen Bestimmtheit ist von grundlegender Bedeutung.
Da der Streitgegenstand die Reichweite der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung
bestimmt, dürfen insoweit keine Unklarheiten bestehen. Es ist daher eine der
Hauptpflichten des Gerichts entsprechend § 139 ZPO bzw. gemäß § 12 FGG, durch
geeignete Hinweise und Nachfragen vor einer Entscheidung jegliche Unklarheiten oder
Doppeldeutigkeiten zu beseitigen.
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Die Auffassung der Vorinstanzen sowie der Beteiligten zu 1), der geforderte
Nachzahlungsbetrag ergebe sich aus der Jahresabrechnung für das Jahr 2002 ist
rechtlich unzutreffend. Rechnerisch ergibt sich der Nachforderungsbetrag, wenn man
von dem in den Abrechnungen ausgewiesenen "Kontostand" zum 31.12.2002 und der
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daraus abgeleiteten "Abrechnungsergebnisnachforderung" ausgeht. Hierbei handelt es
sich jedoch ersichtlich um einen Saldovortrag aus Wirtschaftsplänen nicht allein des
Jahres 2002 sowie Nachforderungen aus Abrechnungen der Vorjahre. Über die
Zusammensetzung des Saldovortrages kann man dabei, mangels eines dahingehenden
Vortrages, nur Vermutungen anstellen. Derartige Bestandteile einer Abrechnung mögen
zur Information des einzelnen Miteigentümers sinnvoll sein, jedoch nehmen sie an der
Beschlussfassung über die Abrechnung und deren Rechtswirkungen allenfalls dann teil,
wenn sich ein dahingehender rechtsgeschäftlicher Wille der Eigentümergemeinschaft
positiv feststellen lässt (BGH NZM 1999, 1102f; MK-BGB/Engelhardt, 4.Aufl., § 28 WEG
Rdn.14).
Ein derartiger, nur ausnahmsweise anzunehmender Wille der Eigentümerversammlung
vom 17.07.2003 lässt sich dem auszugsweise vorgelegten Versammlungsprotokoll nicht
entnehmen und ist auch sonst nicht dargetan. Da sich aus der Abrechnung für das Jahr
2002 infolge der (hier wohl fiktiven) Einstellung von Vorauszahlungen kein
Nachzahlungsbetrag, sondern vielmehr ein Guthaben ergibt, sind die
Einzelabrechnungen 2002 zur Begründung einer Nachforderung gegen die Beteiligte zu
2) nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ungeeignet. Gleichwohl ist die Sache
nicht im Sinne eine Abweisung des weitergehenden Zahlungsantrages
entscheidungsreif.
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Bei der vorgenannten Sachlage hätte das Landgericht der Beteiligten zu 1) im Rahmen
der gerichtlichen Hinweispflicht nämlich entweder Gelegenheit geben müssen, zu
einem entsprechenden Regelungswillen der Versammlung weiter vorzutragen, oder
aber es hätte sie darauf hinweisen müssen, dass die in den Saldo eingestellten
Rückstände nicht hinreichend spezifiziert sind. Da zugunsten der Beteiligten zu 1)
davon ausgegangen werden muss, dass diese jedenfalls in der Lage ist, die
Zusammensetzung des Saldos nach den betroffenen Zeiträumen und die Fassung
entsprechender Eigentümerbeschlüsse darzulegen, beruht die Entscheidung auf der
Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Da eine Änderung des Streitgegenstandes,
die in der vorgenannten Darlegung liegen würde, im Rechtsbeschwerdeverfahren
unzulässig ist und dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht auch weitere tatsächliche
Feststellungen versagt sind, war die Sache im o.a. Umfang an das Landgericht
zurückzuverweisen.
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Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs.3 WEG.
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