Urteil des OLG Hamm vom 20.10.2010

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Oberlandesgericht Hamm, 8 WF 266/10
Datum:
20.10.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 WF 266/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Coesfeld, 5 F 56/10
Normen:
§§ 115, 120, 124 ZPO
Leitsätze:
1. Erlangt eine Partei nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Vermögen, bietet § 124 ZPO für die Aufhebung des
Bewilligungsbeschlusses keine Rechtsgrundlage. Vielmehr kommt in
einem solchen Falle nur eine nachträgliche Zahlungsanordnung gem. §
120 Abs. 4 ZPO in Betracht.
2. Ob ein zur Abfindung künftig fälligen nachehelichen Unterhalts
gezahlter Betrag teilweise für die Prozesskosten einzusetzen ist, richtet
sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss
aufgehoben.
Es wird angeordnet, dass die Antragsgegnerin die Kosten des
Verfahrens aus dem ihr aufgrund des Vergleiches vom 6.7.2010
zugeflossenen Betrag über 38.000 € zurückzuzahlen hat.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
G r ü n d e :
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Die sofortige Beschwerde ist zwar gemäß §§ 113 FamFG ,127 ,567 ZPO zulässig und
auch in der Sache insoweit begründet, als die Voraussetzungen für eine Aufhebung der
bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht vorliegen. Verfahrenskostenhilfe kann, wenn sie
bewilligt worden war, lediglich dann wieder entzogen werden, wenn die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Bewilligung nicht erfüllt waren und damit einer der in § 124
ZPO aufgeführten Tatbestände vorliegt. § 124 ZPO zählt die Gründe, aus denen die
VKH-Bewilligung aufgehoben werden kann, abschließend auf, andere Gründe als
diejenigen des § 124 ZPO erlauben die Aufhebung nicht (Zöller/Geimer, ZPO, 28.
Auflage § 124 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere darf die Bewilligung nicht
aufgehoben werden, wenn dem Bedürftigen nach erfolgter Bewilligung Vermögen
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zufließt (a.a.O.,§ 120 Rz. 29).
Grundsätzlich hat eine Partei jedoch gemäß § 115 Abs. 3 ZPO für die Tragung der
Prozesskosten ihr gesamtes Vermögen einzusetzen, soweit dieses das Schonvermögen
übersteigt. Die Antragsgegnerin hat unstreitig aufgrund des Vergleiches vom 6.7.2010
einen Anspruch auf Zahlung von 38.000 € erlangt, der spätestens zum 1.8.2010 zu
erfüllen war. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass dieser Betrag inzwischen nicht
vereinbarungsgemäß an sie geflossen sei. Demgemäß ist - bei Aufrechterhaltung der
Verfahrenskostenhilfebewilligung - nunmehr gemäß § 120 Abs. 1 ZPO anzuordnen,
dass sie die Kosten des Verfahrens aus dem ihr zugeflossenen Betrag aufgrund des
Vergleiches vom 6.7.2010, also aus ihrem Vermögen, zu zahlen hat. Grundsätzlich ist
nach der Verfahrenskostenhilfebewilligung erworbenes Vermögen für die Bezahlung
der Prozesskosten zu verwenden (OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 915). Zwar geht die
obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass der Einsatz des für eine
zurückliegende Zeit zuerkannten Unterhalts für die Verfahrenskosten in der Regel
unangemessen ist (OLG Hamm, FamRZ 2007,1661; OLG Dresden, FamRZ 2008,1543;
KG, FamRZ 2009, 366; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Auflage § 115 Rn. 58 a), weil der
nachträglich titulierte Betrag - eine rechtzeitige Zahlung unterstellt - für die Bestreitung
von Verfahrenskosten nur dann hätte eingesetzt werden müssen, wenn bei laufender
Zahlung des Unterhalts in der Vergangenheit aus diesem Verfahrenskostenhilferaten
hätten erbracht werden müssen. Dasselbe gilt für den Erwerb eines Abfindungsbetrages
zur Abgeltung von Unterhaltsansprüchen durch Vergleich; insoweit ist das Vermögen
nur einzusetzen, soweit es bei rechtzeitiger regelmäßiger Unterhaltszahlung im
maßgeblichen Zeitraum für die Bestreitung der Prozesskosten heranzuziehen gewesen
wäre (Zöller, a. A.O.). Anders ist dieser Sachverhalt jedoch zu beurteilen, wenn aufgrund
einer Abfindungsvereinbarung ein Vermögensbetrag zur Abgeltung von möglichen
zukünftigen Unterhaltsansprüchen gezahlt wird. Zwar ist auch in diesem Fall der
Vergleichsbetrag seiner Zweckbestimmung nach zur Deckung der notwendigen
Lebenshaltungskosten des Empfängers gedacht, so dass es - entsprechend den
Erwägungen bezüglich einer Unterhaltsabfindung für rückständigen Unterhalt -
angemessen erscheinen kann, den Abfindungsbetrag zur Rückzahlung nicht
heranzuziehen, wenn die Abfindung für zukünftig fällig werdenden Unterhalt auf einen
überschaubaren Zeitraum monatlich umgelegt, zum Bestreiten der laufenden
Lebenshaltungskosten tatsächlich benötigt wird (OLG Dresden, FamRZ 2008, 1543).
Die Antragsgegnerin geht vorliegend jedoch selbst davon aus, dass der
Abfindungsbetrag von 38.000 € einen monatlichen nachehelichen Unterhaltsanspruch
von etwa 800 € abdecken soll, mithin für einen Zeitraum von rund 4 Jahren gezahlt
wurde. Berücksichtigt man das Alter der Antragsgegnerin von 36 Jahren, dass Alter der
beiden von ihr betreuten Kinder von 9 und 7 Jahren, den von ihr erlernten Beruf einer
Hotelfachfrau, ihr Eigentum an 2 Wohnungen, von denen einer von ihr selbst bewohnt
wird, sowie den Umstand, dass die Parteien seit dem 20.8.2010 rechtskräftig
geschieden sind, so kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass sie den
Vergleichsbetrag in voller Höhe zur Deckung ihres zukünftigen Unterhaltsbedarfes über
einen Zeitraum von 4 Jahren in voller Höhe noch benötigen wird. Denn sie dürfte
sowohl verpflichtet als auch in der Lage sein, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, mit
deren Einkünften sie ihren Bedarf zumindest
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überwiegend decken kann. Aufgrund dieser Erwägungen ist sie verpflichtet, einen Teil
dieses Vermögens zur Tragung der vorliegenden Verfahrenskosten einzusetzen.
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