Urteil des OLG Hamm vom 20.09.2005

OLG Hamm: einstweilige verfügung, abmahnung, dringlichkeit, werbung, kauf, vollstreckbarkeit, wettbewerbsrecht, anfang, datum, urlaub

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 82/05
Datum:
20.09.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 82/05
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 43 O 32/05
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das am 7. April 2005
verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Essen abgeändert:
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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Die Berufung der Antragsgegnerinnen ist begründet. Das Landgericht hat die begehrte
einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen. Es fehlt dem Verfügungsbegehren schon
an der erforderlichen Dringlichkeit.
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Nach § 12 Abs. 2 UWG wird zwar die Dringlichkeit in Wettbewerbsstreitigkeiten
vermutet. Diese Vermutung hat die Antragstellerin hier aber durch ihr eigenes Verhalten
widerlegt.
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Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen ist die Dringlichkeitsvermutung des § 12
Abs. 2 UWG hier allerdings nicht deshalb schon widerlegt, weil die Antragstellerin mit
der Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes zu lange zugewartet hat. Insoweit sieht der
Senat die Dringlichkeitsvermutung regelmäßig dann als widerlegt an, wenn der
Antragsteller länger als einen Monat nach Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes mit der
Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes zuwartet. Im vorliegenden Fall hat sich die
Antragstellerin unwiderlegt dahin eingelassen, dass sie den beanstandeten Prospekt
erst Mitte Februar 2005 erhalten hat. Die Antragsgegnerinnen haben einen früheren
Zeitpunkt der Kenntniserlangung nicht glaubhaft zu machen vermocht. Auch wenn die
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Antragsgegnerinnen den fraglichen Prospekt bereits auf der F Brandschutztagung
Anfang November 2004 verteilt haben wollen, so kann allein daraus nicht geschlossen
werden, dass dieser Prospekt der Antragstellerin dann auch zeitnah zur Kenntnis
gelangt sein muss. Zudem hat die Antragstellerin durch ihren Mitarbeiter L, der an dieser
Brandschutztagung teilgenommen hat, an Eides Statt versichern lassen, dass dieser
den Prospekt nicht gesehen hat.
Der Hinweis der Antragsgegnerinnen auf telefonische Vorabinformationen über den
Prospekt ist unerheblich. Solche Mitteilungen Dritter über den Inhalt des Prospektes
reichen nicht aus, um die notwendige positive Kenntnis der Antragstellerin begründen
zu können. Solange die Antragstellerin den Prospekt nicht selbst in Händen hielt, fehlte
ihr die wesentliche Entscheidungsgrundlage, ob sie gegen die Antragsgegnerinnen
gerichtlich vorgehen wollte oder nicht.
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Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG wird hier aber dadurch widerlegt,
dass die Antragstellerin in erster Instanz einen Terminsverlegungsantrag gestellt hat,
ohne bereits durch eine Beschlussverfügung gesichert zu sein. Ein solcher Antrag zeigt
grundsätzlich, dass es der Antragstellerin nicht eilig gewesen ist, die begehrte
einstweilige Verfügung zu bekommen (Senatsentscheidungen GRUR 1992, 864; NJWE
Wettbewerbsrecht 1996, 164; Berneke, Die einstweilige Verfügung in
Wettbewerbssachen 2. Aufl. Rz. 87; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess 5. Aufl. Kap. 45
Rz. 47 jeweils m.w.N.).
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Der Terminsverlegungsantrag ist hier auch nicht aus Gründen gestellt worden, die ihn
als unausweichlich erscheinen lassen. In solchen Ausnahmefällen mag ein
Verlegungsantrag keinen Rückschluss auf die fehlende Eilbedürftigkeit zulassen.
Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden. Hier ist der Terminsverlegungsantrag
nämlich allein mit dem Urlaub des Sachbearbeiters begründet worden. Das ist kein
triftiger Grund, wenn es der Antragstellerin wirklich mit der Erlangung einstweiligen
Rechtsschutzes eilig gewesen ist. Sie hätte dann von vornherein Vorkehrungen treffen
können und müssen, die begehrte Verbotsverfügung unabhängig von den
Urlaubsplänen ihres Verfahrensbevollmächtigten zu bekommen. Es kann in diesem
Zusammenhang auch nicht ins Feld geführt werden, dass es nur um eine Verlegung von
einer Woche gegangen sei. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob und wann
eine kurzfristige Terminsverlegung im Hinblick auf den Bestand der
Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG unschädlich ist. Denn in dem
Terminsverlegungsantrag wird gewissermaßen hilfsweise um eine noch weitere
Hinausschiebung des Termins gebeten, falls eine Verlegung von einer Woche nicht
möglich sei. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nennt nämlich weitere
Termine, an denen er blockiert sei. Diese Termine reichen bis zum 22. April 2005.
Stillschweigend wird damit auch eine Terminierung erst nach diesem Zeitpunkt in Kauf
genommen.
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Auch das sonstige Verhalten der Antragstellerin spricht nicht dafür, dass ihr an der
Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes dringlich gelegen gewesen ist, mag diese
Verhaltensweise für sich genommen auch nicht ausreichen, um die
Dringlichkeitsvermutung als widerlegt anzusehen. Unstreitig war die Antragstellerin
nämlich bereits durch das Telefonat vom 2. Februar 2005 auf die Werbung der
Antragsgegnerinnen aufmerksam gemacht worden. Die angespannte
Wettbewerbssituation zwischen den Parteien hätte es nun erwarten lassen, dass sich
die Antragstellerin möglichst schnell darum bemüht hätte, den Prospekt zu erhalten.
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Stattdessen hat sie 10 Tage zugewartet, bis ihr der Prospekt geschickt wurde. Auch
dann hat sie nicht postwendend abgemahnt, sondern bis zum 18. Februar 2005 mit der
Abmahnung gewartet, obwohl dazu keinerlei Recherchen mehr erforderlich waren. Das
ist um so unverständlicher, als der Antragstellerin klar sein musste, dass der Prospekt
von den Antragsgegnerinnen schon seit einiger Zeit verteilt wurde. Eigentlich hätte also
jeder Tag gezählt, um die Verteilung des Prospektes zu verhindern. Gleichwohl hat die
Antragstellerin selbst nach Ablauf der in der Abmahnung gesetzten Frist bis zum
23. Februar 2005 ohne erkennbaren Grund nochmals bis zum 4. März 2005 zugewartet,
bevor sie das Verfügungsbegehren bei Gericht anhängig gemacht hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.
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