Urteil des OLG Hamm vom 07.02.1980

OLG Hamm (unterhalt, einkommen, ehemann, betrag, höhe, monat, kauf, armenrecht, erwerbstätigkeit, arbeitsamt)

Oberlandesgericht Hamm, 2 UF 533/79
Datum:
07.02.1980
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 UF 533/79
Tenor:
wird das Armenrechtsgesuch der Beklagten zurückgewiesen.
Den Klägerinnen wird für die Berufungsinstanz das Armenrecht im
Rahmen ihres Antrags auf Zurückweisung der Berufung bewilligt. Ihnen
wird insoweit Rechtsanwalt ... in ... beigeordnet. Ihr weitergehendes
Armenrechtsgesuch wird zurückgewiesen.
Gründe
1
I.
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Der Beklagten kann das Armenrecht nicht bewilligt werden. Ihre Berufung bietet keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), und zwar im wesentlichen aus
materiellrechtlichen Gründen. Soweit die Beklagte vom Amtsgericht zur Zahlung
verurteilt worden ist, obwohl sich Ansprüche der Klägerinnen in der vom Amtsgericht
zuerkannten Höhe aller Voraussicht nach nicht feststellen lassen werden, wird die
Berufungssumme von 50,- DM (§ 511 a ZPO) nicht erreicht.
3
1.
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Was den Unterhalt für die Vergangenheit anlangt, so dürfte ein Unterhaltsanspruch auf
jeden Fall für die Zeit ab Juli 1978 gegeben sein; denn in dem Schreiben der
Rechtsanwälte ... pp. vom 26.7.1978 w ird man eine endgültige Zahlungsverweigerung
sehen müssen, die der Mahnung gleichzustellen ist (Palandt-Heinrichs, 39. Aufl., § 284
Anm. 4 c). Da dieses Schreiben noch im Juli 1978 bei den damaligen Anwälten der
Klägerinnen eingegangen ist, kann noch der volle Unterhalt für den gesamten Monat
Juli beansprucht werden. Nach § 1613 I BGB kann zwar für die Vergangenheit erst vom
Zeitpunkt des Verzuges an Unterhalt verlangt werden. Nach der Rechtsprechung des
Senats gehört ein Unterhaltsanspruch aber erst dann der Vergangenheit an, wenn der
Zeitraum verstrichen ist, für den die Unterhaltsrente zu zahlen ist. Die Unterhaltsrente ist
gemäß § 1612 III BGB monatlich im voraus zu zahlen. Der damit am ersten Monatstag
fällige Unterhalt gehört erst mit dem ersten Tag des nächsten Monats der Vergangenheit
an (Urteil des Senats vom 11.1.80 in 2 UF 363/79; ebenso 3. Familiensenat vom 13.6.78
in 3 UF 31/78 und vom 6.6.78 in 3 UF 125/78; ferner Erman-Küchenhoff, 6. Aufl., § 1613
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Rdz. 2).
Das Amtsgericht hat den Klägerinnen auch schon für den Monat Juni 1978 Unterhalt in
Höhe von je 126,11 DM zuerkannt. Ob sich auch für diesen Monat die
Verzugsvoraussetzungen feststellen lassen, erscheint zweifelhaft. Die Beschwer der
Beklagten beträgt aber insoweit nur 126,11 DM gegenüber jeder Klägerin.
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2.
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Die Höhe des Unterhalts bestimmt sich nach dem Einkommen der Beklagten, ohne daß
es auf das Einkommen des Vaters der Klägerinnen ankommt (vgl. Ziff. 23 und 24 der
Hammer Leitlienien Stand Januar 1980, FamRZ 1980, 21,24 = DAVorm 1979, 817 =
NJW 1980, 108 = JMBlNW 1980, 18).
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Das Einkommen der Beklagten belief sich nach dem Vortrag beider Parteien bis
31.12.1978 auf monatlich 1.096,22 DM (im Durchschnitt). In der Folgezeit hat die
Beklagte Arbeitslosengeld in Höhe von 176,40 DM wöchentlich bezogen (monatlich
176,40 DM × 52: 12 = 764,40 DM).
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An Darlehnsschulden wird man lediglich 190,- DM monatlich bis Dezember 1979
berücksichtigen können. Das entspricht der monatlichen Verpflichtung, die die Beklagte
(zusammen mit dem Mitdarlehnsnehmer Freiholt) Ende 1976 für eine Kreditbetrag von
5.800,- DM gegenüber der ... eingegangen ist, und zwar ausweislich der in Ablichtung
vorgelegten Schuldurkunde für den Kauf von Möbeln. Dafür, daß auch die späterhin
begründeten Darlehnsverbindlichkeiten ganz oder auch nur teilweise für den Kauf
weiterer Möbel erforderlich waren, fehlt es an hinreichendem Vortrag. Zudem ist auch
kein Beweis dafür angetreten, daß diese Kredite für den Kauf von Möbeln auch
tatsächlich verwandt worden sind.
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Weiterhin wird man an Schulden die monatlichen Raten von 50,- DM berücksichtigen
müssen, die die Beklagte bis Mai 1980 an die Gerichtskasse Oldenburg zu zahlen hat.
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a)
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Für die Monate Juli-Oktober 1978 errechnet sich damit der Unterhalt der Klägerinnen
wie folgt:
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Einkommen der Beklagten
1.096,-
DM
./. Darlehnsraten
./.
190,-
DM
./. Gerichtskosten
./.
50,-
DM
856,-
DM
./. Selbstbehalt
./.
650,-
DM
206,-
DM
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Hiervon steht jeder Klägerin die Hälfte zu, also je 103,- DM. Das Amtsgericht hat jeder
Klägerin für diese Zeit monatlich 126,11 DM zuerkannt und damit 23,11 DM zu-viel. Für
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die insgesamt vier Monate ergibt das für jede Klägerin 92,40 DM. Dieser Betrag erreicht
- auch zusammen mit dem Betrag von 126,11 DM den das Amtsgericht jeder Klägerin für
den Monat Juni 1978 zuerkannt hat (s.o. zu 1) - nicht die Berufungssumme von 500,-
DM.
b)
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Für die Monate November und Dezember 1978 ergibt sich dadurch eine Veränderung,
daß die Beklagte, die seit Oktober 1978 wieder verheiratet ist, nunmehr neben ihrem
Arbeitseinkommen einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann hat. Nach ihren
eigenen Angaben bezieht ihr Ehemann eine monatliche Rente von ca. 1.300,- DM, hat
also ein höheres Einkommen als sie selbst. Ihr Ehemann ist zwar den Klägerinnen
gegenüber nicht unterhaltspflichtig. Das schließt aber nicht aus, daß sich seine
Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten (mittelbar) auch zugunsten der Klägerinnen
auswirkt; denn durch das Hinzutreten des Unterhaltsanspruchs gegen ihren Ehemann
erhöht sich die Leistungsfähigkeit der Beklagten. Sie wird nunmehr in die Lage versetzt,
einen größeren Anteil ihres eigenen Arbeitseinkommens für die Klägerinnen zu
erübrigen, ohne daß dadurch ihr notwendiger eigener Unterhalt gefährdet wird.
Praktisch führt das dahin, daß der sonst übliche Selbstbehalt, d.h. der Betrag, der dem
Unterhaltsverpflichteten von seinem Einkommen (hier: vom eigenen Arbeitseinkommen)
für den eigenen Unterhalt zu belassen ist, unterschritten werden kann. Diese
Auffassung, für die sich schon mehrere Gerichte ausgesprochen haben (vgl. 1. FamS
des OLG Hamm, FamRZ 1980, 70; OLG Bremen, FamRZ 1979, 623; OLG Köln, FamRZ
1979, 328, 1055; auch OLG Frankfurt, FamRZ 1979, 622), steht im Einklang mit der
neuesten Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1980, 43). Nach dieser Rechtsprechung
hat der wieder verheiratete Elternteil unter Umständen sogar sein gesamtes
Arbeitseinkommen zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern zu
verwenden, sofern sein eigener Unterhaltsbedarf durch das Einkommen seines
Ehegatten ausreichend sichergestellt ist.
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Im November und Dezember 1978 belief sich das Arbeitseinkommen der
Beklagten nach Abzug der anzuerkennenden Schulden ebenfalls auf
856,- DM
Das Amtsgericht hat den beiden Klägerinnen für diese Zeit monatlich
zuerkannt (2 × 199,50 DM)
./. 399,- DM
Der Beklagten verbleiben danach
457,- DM
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Unter Berücksichtigung ihres Unterhaltsanspruchs gegen ihren Ehemann dürfte mit
diesem Betrag der notwendige Unterhalt der Beklagten hinreichend gesichert sein.
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c)
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Für das Jahr 1979 ergibt sich folgende Berechnung:
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Arbeitslosengeld monatlich
764,40 DM
./. Darlehnsraten
./. 190,- DM
./. Gerichtskosten
./. 50,-
DM
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524,40 DM
Das Amtsgericht hat den beiden Klägerinnen für diese Zeit monatlich
zuerkannt (2 × 57,20 DM)
./. 114,40 DM
Der Beklagten verbleiben
410,- DM
Auch dieser Betrag dürfte unter Berücksichtigung des Unterhaltsanspruchs gegen den
Ehemann noch ausreichen, den notwendigen Unterhalt sicherzustellen.
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d)
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Für die Zeit ab 1.1.1980 ist das Arbeitslosengeld entfallen. Gleichwohl dürften die
Klägerinnen einen Anspruch in der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe von je 57,20 DM
haben, und zwar deshalb, weil die Beklagte nicht hinreichend dargetan und glaubhaft
gemacht hat, daß sie außerstande ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das
Versorgungsamt hat zwar eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 % anerkannt. Die
in dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 3.8.1978 und auch in der von der
Beklagten vorgelegten Bescheinigung der Ärzte ... und ... vom 15.1.1980 angeführten
Gesundheitsstörungen der Beklagten schließen jedoch die Möglichkeit einer
Erwerbstätigkeit offenbar nicht aus. Die Bemühungen der Beklagten um eine
Beschäftigung waren unzulänglich. Daß sie beim Arbeitsamt als Arbeitssuchende
gemeldet ist, reicht nicht aus. Sie war und ist gehalten, sich mit Nachdruck um eine
Beschäftigung zu bemühen, um ihrer Unterhaltsfplicht gegenüber ihren Kindern
nachkommen zu können. Sie darf sich hierbei nicht auf die vom Arbeitsamt vermittelten
Angebote beschränken, sondern muß auch von sich aus bemüht sein, eine Tätigkeit zu
finden, sei es auch nur stundenweise.
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II.
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Den Klägerinnen kann für die Anschlußberufung das Armenrecht ebenfalls mangels
hinreichender Erfolgsaussichten nicht bewilligt werden. Ihr Antrag in ihrer
Anschlußberufungsschrift vom 6.12.1979 geht über die durch das angefochtene Urteil
zuerkannten Ansprüche nur insoweit hinaus, als sie für die Zeit von Juni - Oktober 1978
monatlich je 152,50 DM verlangen (statt der zuerkannten 126,11 DM). Wie sich aus den
Ausführungen oben (zu 11 und 2a) ergibt, dürfte das Amtsgericht den Klägerinnen für
diese Zeit ohnehin schon zuviel zuerkannt haben.
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