Urteil des OLG Hamm vom 16.11.2010

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Oberlandesgericht Hamm, I-7 U 97/09
Datum:
16.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-7 U 97/09
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 014 O 32/08
Schlagworte:
Hinterlegung; Enteignung; Treuhänder
Normen:
§§ 816 Abs. 2, 822 BGB; 13 HinterlegungsO; 97, 119 BauGB; 91 ZPO
Leitsätze:
Zur Herausgabe einer an einen Treuhänder erfolgten Auszahlung des
Hinterlegungsbetrages; zur Abänderung der Kostenentscheidung erster
Instanz unter Einbeziehung einer in zweiter Instanz nicht betiligten Partei
Tenor:
Das Teil- und Schlussurteil des Landgerichts Münster vom 25.11.2009
(14 O 32/08) wird abgeändert.
Die Zahlungsklage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1
A.
2
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1
ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
3
B.
4
Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2. hat auch in der Sache Erfolg; denn der
Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2. kein Anspruch auf Zahlung in Höhe von
5.218,22 € zu, so dass die darauf gerichtete Klage abzuweisen war.
5
I.
6
Auf § 816 Abs. 2 BGB kann die Klägerin ihren Zahlungsanspruch nicht erfolgreich
stützen, weil der Beklagte zu 2. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als
Leistungsempfänger i.S.d. § 816 Abs. 2 BGB im Verhältnis zur Klägerin zu qualifizieren
ist.
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§ 816 Abs. 2 BGB verlangt, dass an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt wird,
die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist. Nur für einen solchen Fall ordnet § 816
Abs. 2 BGB an, dass der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe verpflichtet
ist.
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Unmittelbar erhalten hat der Beklagte zu 2. die streitgegenständliche Summe durch eine
Überweisung seitens der Rechtsanwälte D pp.. Auch wenn es sich hierbei um einen
Anteil aus der Entschädigungssumme, die das Amtsgericht Bünde als
Hinterlegungsgericht an die Rechtsanwälte D pp. ausgekehrt hatte, handelte, lässt sich
diese Überweisung seitens der Rechtsanwälte D pp. an den Beklagten zu 2. nicht als
eine Leistung i.S.d. § 816 Abs. 2 BGB qualifizieren; denn mit dieser Überweisung
wollten die Rechtsanwälte D pp. lediglich ihre Verpflichtung aus der Treuhandabrede
gegenüber dem Beklagten zu 2. erfüllen. Eine solche Verfügung konnte keine
Rechtswirkungen im Verhältnis zur Klägerin entfalten. Diese war am Treuhandverhältnis
nicht beteiligt. Vielmehr war nach Maßgabe der Treuhandabrede der Beklagte zu 2. und
nicht die Klägerin die berechtigte Leistungsempfängerin.
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Als mögliche Leistung an einen Nichtberechtigten, die der Klägerin gegenüber als
Berechtigter wirksam war, kommt somit allein die Auszahlung des
Hinterlegungsbetrages durch das Amtsgericht Bünde in Betracht.
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Eine Berechtigung der Klägerin in Bezug auf die Entschädigungssumme gemäß § 97
Abs. 4 BauGB unterstellt ist die Auszahlung seitens des Amtsgerichts Bünde als
Hinterlegungsgericht jedoch nicht als Leistung an den Beklagten zu 2., sondern als
Leistung an die Rechtsanwälte D pp. zu qualifizieren:
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Nach § 13 Abs. 1 Hinterlegungsordnung verfügt das Hinterlegungsgericht die
Herausgabe des Hinterlegungsgutes nur dann, wenn die Berechtigung des Empfängers
nachgewiesen ist. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Hinterlegungsordnung ist der Nachweis der
Berechtigung des Empfängers als geführt anzusehen, wenn die am
Hinterlegungsverfahren Beteiligten die Herausgabe an den Empfänger schriftlich
bewilligen oder seine Empfangsberechtigung in gleicher Weise anerkannt haben.
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Als berechtigte Empfänger waren dem Amtsgericht Bünde neben der I AG
ausschließlich die Rechtsanwälte D pp. nachgewiesen; denn mit schriftlicher Erklärung
vom 23.06.2006 haben Rechtsanwalt Dr. T und die Volksbank H sowie mit
gemeinsamer Erklärung vom 21./23.06.2006 die übrigen vom zuständigen
Rechtspfleger des Amtsgerichts Bünde festgestellten Beteiligten übereinstimmend die
Auszahlung des Hinterlegungsbetrages an die I AG in Höhe von 159.866,96 € zuzüglich
Zinsen und hinsichtlich des überschießenden Teils an die Rechtsanwälte D pp. auf ein
noch zu benennendes Anderkonto ausdrücklich bewilligt. Ausschließlich aufgrund
dieser Erklärungen hat das Amtsgericht Bünde die Auszahlungen veranlasst und so u.a.
an die Rechtsanwälte D pp. als nachgewiesene berechtigte Empfänger geleistet.
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Diese Leistung an die Rechtsanwälte D pp. stellt sich entgegen der Ansicht der Klägerin
nicht zugleich als Leistung an den Beklagten zu 2. dar.
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Zunächst verbietet sich bereits auf Grund dessen, dass - wie zuvor dargelegt - das
Amtsgericht Bünde an die Rechtsanwälte D pp. als berechtigte Empfänger iSd
Hinterlegungsordnung gezahlt hat, die Annahme, die Rechtsanwälte D pp. als bloße
"Zahlstelle" anzusehen. Vielmehr haben sie bei der Entgegennahme des
Hinterlegungsbetrages auf Grund der Bewilligung durch sämtliche festgestellte
Beteiligte und damit auch der der Rechtsanwälte Dr. T und T2 und der Volksbank H, die
jedenfalls nicht von den Rechtsanwälten D pp. anwaltlich vertreten wurden, gerade nicht
nach außen als bloße Leistungsmittler fungiert und sind insbesondere entgegen der
Ansicht der Klägerin nicht als bloße Vertreter aller vom Amtsgericht Bünde festgestellten
Beteiligten aufgetreten.
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Hintergrund für ihre Benennung als Empfangsberechtigte war vielmehr eine Absprache
unter den vom Amtsgericht festgestellten Beteiligten, sich außerhalb des förmlichen
Verteilungsverfahrens nach § 119 BauGB auf eine Verteilung des
Hinterlegungsbetrages zu einigen. Dementsprechend hat der Beklagte zu 2. bereits
erstinstanzlich unbestritten vorgetragen, dass die Rechtsanwälte D pp.
absprachegemäß den Hinterlegungsbetrag treuhänderisch in Empfang nehmen und erst
bzw. nur entsprechend der noch zu treffenden Teilungsabrede verteilen sollten, was
auch tatsächlich geschehen ist.
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Festhalten lässt sich damit, dass das Amtsgericht Bünde gemäß § 13 Abs. 1, Abs. 2
Nr. 1 Hinterlegungsordnung mit der Auszahlung an die nachgewiesenen
Empfangsberechtigten, die Rechtsanwälte D pp., ausschließlich an diese leisten wollte
und geleistet hat, also durch die Auszahlung an diese die Entschädigungssumme
gerade nicht den festgestellten Beteiligten des Hinterlegungsverfahrens und damit auch
nicht dem Beklagten zu 2. zuwenden wollte; denn ob bzw. in welchem Umfang die
festgestellten Beteiligten des Hinterlegungsverfahrens tatsächlich einen Anspruch auf
Wertersatz gemäß § 97 Abs. 4 BauGB hatten, stand gerade nicht fest.
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Die Bewirkung der Auszahlung der restlichen Hinterlegungssumme ausschließlich an
die Rechtsanwälte D pp. entsprach vielmehr der im Innenverhältnis getroffenen
Absprache der Beteiligten, wonach die Rechtsanwälte D pp. als Treuhänder die
Leistung entgegennehmen sollten und auch entgegengenommen haben.
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Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH aber fallen Zahlungen, die auf dem Konto
eines Treuhänders eingehen, nicht in das Vermögen desjenigen, in dessen Interesse
der Treuhänder das Konto bzw. die eingehenden Gelder verwaltet (vgl. BGH, NJW
1961, 1461; vgl. auch BGH, NJW-RR 2008, 295 ff sowie NZI 2009, 245 ff jeweils zur
Zahlung auf ein von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter eingerichtetes Konto zu
Gunsten der Insolvenzmasse). Wird also an einen Treuhänder eine Leistung bewirkt, so
ist dieser selbständiger Leistungsempfänger (vgl. Münchener Kommentar-Schwab,
BGB, 5. Aufl. 2009, § 812 Rdn. 153), und zwar entgegen der Ansicht der Klägerin
unabhängig davon, ob es sich um eine eigen- oder fremdnützige Treuhand handelt, die
bei der Kontoführung für mehrere Berechtigte stets vorliegt (vgl. OLG Hamm, NJW-RR
2001, 1504; Palandt-Bassenge, BGB, § 903 Rdn. 35).
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Folglich handelt es sich bei der Auszahlung seitens des Amtsgerichts Bünde an die
Rechtsanwälte D pp. nicht um eine Leistung an den Beklagten zu 2. i.S.d. § 816 Abs. 2
BGB. Nicht der Beklagte zu 2., sondern allenfalls die Rechtsanwälte D pp., die aber
nicht Partei des vorliegenden Rechtsstreits sind, kommen insoweit als nichtberechtigte
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Leistungsempfänger i.S.d. § 816 Abs. 2 BGB in Betracht.
II.
21
Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2. auch kein Zahlungsanspruch gemäß
§ 822 BGB zu; denn es fehlt an der erforderlichen Unentgeltlichkeit der Verfügung
seitens der Rechtsanwälte D pp..
22
Nach § 822 BGB ist der Dritte (hier der Beklagte zu 2.) nur dann zur Herausgabe
verpflichtet, wenn der ursprüngliche Leistungsempfänger (hier also die Rechtsanwälte D
pp.) das Erlangte (hier den Hinterlegungsbetrag) unentgeltlich zugewendet haben und
infolgedessen ihrerseits nicht zur Herausgabe der Leistung verpflichtet sind.
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Unentgeltlich i.S.d. § 822 BGB ist die Zuwendung nur dann, wenn der Dritte keine
Gegenleistung zu erbringen hat (vgl. Palandt-Sprau, § 822 Rdn. 6). Ein solcher
Gegenwert kann auch in der Verfügung selbst liegen, z.B. bei einer wirksamen
Schuldbefreiung (vgl. Palandt-Sprau, § 816 Rdn. 14).
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Letzteres ist vorliegend der Fall: Durch die Auszahlung der Streitsumme aus dem
Treugut an den Beklagten zu 2. auf Grund der zwischen den Beteiligten getroffenen
Verteilungsabrede sind die Rechtsanwälte D pp. im Verhältnis zu den Treugebern, zu
denen der Beklagte zu 2. gehörte, von ihrer Verpflichtung aus dem Treuhandvertrag zur
Auskehr des Treugutes frei geworden. Zudem ist der Beklagte zu 2. als (Mit-)Treugeber
gemäß § 257 BGB verpflichtet, die Rechtsanwälte D pp. als Treuhänder von der
persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten freizustellen, die aus der Auszahlung des
Hinterlegungsbetrages entstehen. Dies ergibt sich aus dem Treuhandvertrag in
Verbindung mit den §§ 675 Abs. 1, 670 BGB.
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Vor dem Hintergrund, dass die Rechtsanwälte D pp. Gegenwerte in Form der
Schuldbefreiung und eines Freistellungsanspruches erlangt haben bzw. erlangen
werden, verbietet sich somit die Annahme einer unentgeltlichen Leistung seitens der
Rechtsanwälte D pp. an den Beklagten zu 2. i.S.d. § 822 BGB.
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III.
27
Die Kosten des Rechtsstreits waren unter Abänderung der erstinstanzlichen
Entscheidung der vollumfänglich unterliegenden Klägerin gemäß §§ 91 Abs. 1, 91a, 269
Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen, und zwar auch unter Einbeziehung der Kosten der am
Berufungsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 1.; denn nach der Rechtsprechung
des BGH (vgl. NJW 1981, 2360 sowie auch Musielak, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 308 RN 24)
hat das Berufungsgericht die Kosten des Rechtsstreits unter den Parteien nach dem
Verhältnis des endgültigen Obsiegens und Unterliegens zu verteilen und kann dabei die
einen im Rechtsmittelverfahren nicht mehr beteiligten Streitgenossen betreffende
Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern. Da die Klägerin auch ohne die Erledigung
der Hauptsache im Verhältnis zur Beklagten zu 1. unterlegen wäre, trifft sie auch
diesbezüglich die Kostenlast.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO.
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IV.
30
Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen. Die Voraussetzungen einer solchen
Zulassung gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit besitzt keine
grundsätzliche Bedeutung. Es war lediglich über die Besonderheiten eines Einzelfalls
zu entscheiden. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zum Zwecke
der Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
Der Senat weicht nicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder von einer
höchstrichterlichen Rechtsprechung ab; die vom Senat entschiedenen Rechtsfragen
werden auch sonst in der Literatur nicht streitig erörtert. Der vorliegende Einzelfall gibt
auch keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des
materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder eine entsprechende
Leitentscheidung zu erlassen (vgl. dazu Zöller-Gummer, ZPO, 28. Aufl., § 543
Rdn. 11 ff.).
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