Urteil des OLG Hamm vom 25.11.2002

OLG Hamm: gesellschafterversammlung, gleichbehandlung im unrecht, einberufung, geschäftsführer, nichtigkeit, anfechtung, firma, handelsregister, abberufung, gesellschaftsvertrag

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 22/02
Datum:
25.11.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 22/02
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 8 O 147/01
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 25.10.2001 verkündete Urteil
des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin
Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000,00 EUR.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten um die Nichtigkeit eines Beschlusses der
Gesellschafterversammlung der Firma C GmbH & Co. KG vom 06.04.2001.
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Wegen des tatsächlichen Vorbringens wird auf die Entscheidung des Landgerichts
Arnsberg Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, daß der Beschluß der
Gesellschafterversammlung der Firma C GmbH & Co. KG vom 06.04.2001 nichtig sei.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, daß dem Beklagten die erforderliche
Einladungskompetenz gefehlt habe. Gemäß § 12 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages
seien die §§ 49 bis 51 GmbHG für die Einberufung der Gesellschafterversammlung
maßgeblich. Danach hätte der seinerzeitige Geschäftsführer der Komplementär GmbH,
Herr E, die Gesellschafterversammlung vom 06.04.2001 einberufen müssen. Dem
Beklagten habe die Einberufungskompetenz nicht zugestanden. Die Berufung auf die
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Regelungen der §§ 49 ff. GmbHG seien auch kein bloßer Formalismus, da der
Gesellschaftsvertrag, obwohl er gerade eine zweigliederige Gesellschaft betroffen habe,
in § 12 Abs. 4 ausdrücklich und ohne Einschränkung zur Einberufung von
Gesellschafterversammlungen auf die §§ 49 verwiesen habe. Auch der Hinweis des
Beklagten auf sein alleiniges Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung vom 06.04.
überzeuge letztlich nicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht
eingelegten Berufung.
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Er ist der Ansicht, daß der in der Gesellschafterversammlung vom 06.04.2001 gefaßte
Beschluß formell wirksam sei. Die Eintragung seiner Abberufung als Geschäftsführer
der C Verwaltungs GmbH, der Komplementärin der C KG, sei erst am 26.04.2001
erfolgt. In analoger Anwendung des § 121 Abs. 2 S. 2 Aktiengesetz stehe daher dem
Beklagten als bisherigem Geschäftsführer auch nach seiner Amtsniederlegung das
Einberufungsrecht noch bis zur Eintragung der Amtsniederlegung in das
Handelsregister zu. Danach sei entgegen der Auffassung des Landgerichtes die
Einladung bereits formell wirksam erfolgt.
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Darüber hinaus sei nach den Gesamtumständen die Einhaltung der in den §§ 49 bis 51
GmbHG geregelten Vorgehensweise auch entbehrlich gewesen. Bei der C KG habe es
sich um eine zweigliedrige Einheitsgesellschaft gehandelt. Die C KG, deren einzige
Kommanditisten die Parteien dieses Verfahrens waren, habe sämtliche Anteile an ihrer
Komplementärin, der C Verwaltungs GmbH, gehalten. Die Parteien des Rechtsstreits
seien damit faktisch die einzigen Gesellschafter der C KG gewesen. Die beiden
Geschäftsführer seien keineswegs externe, unabhängige Personen gewesen, sondern
dem Lager jeweils eines Gesellschafters zuzurechnen gewesen. Für den Ausschluß der
Klägerin als Kommanditistin sei der Beklagte als nicht betroffener Kommanditist allein
stimmberechtigt gewesen. Die Einberufung einer Gesellschafterversammlung sei damit
ein bloßer Formalismus gewesen, so daß nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung
davon auszugehen sei, daß die Einhaltung der Einberufungsvorschriften entbehrlich
gewesen sei.
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Hinzu komme, daß nach der Rechtsprechung des BGH das Recht zur Anfechtung eines
Gesellschaftsbeschlusses bei einem Einberufungsmangel dann entfalle, wenn
offensichtlich sei, daß der Beschluß bei ordnungsgemäßer Einladung in gleicher Weise
zustandegekommen wäre, der betroffene Gesellschafter das Ergebnis der
Beschlußfassung also auf keinen Fall hätte beeinflussen können. Ein solcher Fall läge
hier vor.
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Soweit das Landgericht ausführe, die Parteien hätten trotz Kenntnis von der
Zweigliederigkeit der C KG bewußt die in § 12 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages
getroffene Regelung vereinbart, und daraus den Schluß gezogen habe, es sei den
Parteien ausdrücklich auf die Anwendbarkeit der GmbH-Vorschriften angekommen,
verkenne die Kammer die Umstände des Zustandekommens des
Gesellschaftsvertrages. Die Klägerin habe von Beginn ihrer Beteiligung an über eine
stärkere Position verfügt und es ausgenutzt, daß er, der Beklagte, aufgrund des
zeitlichen Zugzwanges nicht in der Lage gewesen sei, die Vertragsbedingungen mit der
Klägerin im Einzelnen auszuhandeln.
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Ferner sei es innerhalb der C KG üblich gewesen, daß die
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Gesellschafterversammlungen durch die Klägerin als Kommanditistin einberufen
wurden. Der Klägerin sei daher die Anfechtung des verfahrensgegenständlichen
Gesellschafterbeschlusses unter Berufung auf einen vermeintlichen
Einberufungsmangel nach den Grundsätzen des Verbotes widersprüchlichen
Verhaltens verwehrt.
Schließlich sei der Gesellschafterbeschluß auch materiell voll wirksam.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Arnsberg die Klage
abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie führt aus, der Beklagte habe die Ladung zur Gesellschafterversammlung
ausdrücklich als Kommanditist ausgesprochen. Abgesehen davon komme es für die
Frage, ob der Beklagte die Ladungskompetenz gemäß § 49 f. GmbHG noch hatte, nicht
auf die Austragung im Handelsregister an, da dieser keine konstitutive, sondern allein
deklaratorische Bedeutung zukomme.
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Die von dem Beklagten bemühte zweigliederige Einheitsgesellschaft gebe für den
vorliegenden Fall nichts her. Keinesfalls stelle die Einhaltung der Regeln des
Gesellschaftsvertrages einen reinen Formalismus dar. Hierauf habe schon das
Landgericht zutreffend hingewiesen. Soweit der Beklagte meine, daß nach der
Rechtsprechung des BGH ein Recht zur Anfechtung entfalle, wenn feststehe, daß der
angefochtene Beschluß auch ohne den Mangel zustandegekommen wäre, übersehe er,
daß es hier nicht um die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, sondern um dessen
Nichtigkeit gehe. Einberufungsmängel führten zur Nichtigkeit. Soweit der Beklagte sich
darauf berufe, daß auch sie in der Vergangenheit bei der Ladung zu
Gesellschafterversammlungen die Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht
eingehalten habe, gebe es keine Gleichbehandlung im Unrecht. Ihr Ausschluß sei
schließlich materiell unwirksam.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Der Beschluß der
Gesellschafterversammlung der Firma C GmbH & Co. KG vom 06.04.2001 ist bereits
unter formellen Gesichtspunkten nichtig.
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Gemäß § 12 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages sind die §§ 49 bis 51 GmbHG auf die
Einberufung der Gesellschafterversammlungen der C GmbH & Co. KG entsprechend
anzuwenden. Gemäß § 49 GmbHG hätte hier die Einberufung zur
Gesellschafterversammlung durch den Geschäftsführer der GmbH erfolgen müssen. Es
kann dahinstehen, ob die Abberufung des Beklagten als GmbH-Geschäftsführer in
entsprechender Anwendung des § 121 Abs. 2 Aktiengesetz erst mit der Eintragung in
das Handelsregister nach außen wirksam geworden ist, so daß der Beklagte noch eine
Einladung als Geschäftsführer der C Verwaltungs GmbH hätte aussprechen können.
Denn abzustellen ist darauf, in welcher Eigenschaft der Beklagte die Einberufung der
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Gesellschafterversammlung tatsächlich vorgenommen hat. Der Beklagte hat die
Einladung vom 28. März 2001 ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Kommanditist der
C GmbH & Co. KG und gerade nicht als Geschäftsführer der C Verwaltungs GmbH
ausgesprochen. Er kann sich nicht nachträglich darauf berufen, dass er ggfls. als
Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH noch. zur Einberufung der
Gesellschafterversammlung befugt gewesen wäre.
Die Einberufung der Gesellschafterversammlung als Kommanditist der KG war auch
nicht deshalb unschädlich, weil zuvor eine stillschweigende Änderung des
Gesellschaftsvertrages durch die Gesellschafter erfolgt wäre. Hierfür liegen auch nach
dem Vortrag des Beklagten keinerlei Anhaltspunkte vor. Daß die Gesellschafter in der
Vergangenheit Gesellschafterversammlungen ohne Einhaltung der Formvorschriften
durchgeführt haben, kann, auch soweit es einverständlich erfolgte, nicht als Abänderung
des Gesellschaftsvertrages angesehen werden.
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Die Gesellschafterversammlung ist somit durch einen Unbefugten einberufen worden.
Die Einberufung durch einen Unbefugten führt grundsätzlich zur Nichtigkeit der auf der
Gesellschafterversammlung gefaßten Beschlüsse (vgl. Baumbach/Hueck/ Zöllner,
Kommentar zum GmbHG, 17. Aufl. § 51 Rdnr. 24). Eine Heilung ist hier auch nicht gem.
§ 51 Abs. 3 GmbHG erfolgt, da, selbst wenn man davon ausgeht, dass auch die C
Verwaltungs-GmbH durch RA C2 wirksam vertreten war, dieser ausweislich des
Protokolls der Versammlung der Durchführung der Gesellschafterversammlung
aufgrund des Einladungsmangels ausdrücklich widersprochen hat.
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Die Berufung auf die Einhaltung der Formvorschriften stellt auch keinen bloßen
Formalismus dar. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, daß gerade im Hinblick auf
die ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag, für die Zwei-Personen-
Gesellschaft getroffen, die Formvorschriften einzuhalten waren.
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Obwohl es im Hinblick auf die Nichtigkeit des Beschlusses auf Kausalitätserwägungen
überhaupt nicht ankommt, kann der Beklagte sich auch hierauf nicht berufen. Denn
abzustellen ist darauf, wie ein objektiv urteilender Gesellschafter bei Einhaltung der
Ladungsvorschriften entschieden hätte. Da sich in diesem Falle die Klägerin
voraussichtlich auf eine sachliche Diskussion eingelassen hätte, kann nicht zwingend
davon ausgegangen werden, dass die Einhaltung der Vorschriften am Ergebnis nichts
geändert hätte. Gerade bei der Zwei-Personen Gesellschaft ist die Einhaltung auch der
Formvorschriften in besonderem Maße zu beachten, weil die Wahrung dieser
Vorschriften sonst im Belieben eines Gesellschafters stünde, der sich mit seinen
Stimmen im Einzelfall jedenfalls zunächst durchsetzen könnte (vgl. Senat, NJW RR
1998, S. 967, 969)
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die sofortige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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