Urteil des OLG Hamm vom 22.06.1999

OLG Hamm: architekt, hauptsache, schadenersatz, stadt, quote, entlastung, gefahr, bauherr, mitverschulden, erstellung

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 115/98
Datum:
22.06.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 115/98
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 O 134/97
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der
Anschlußberufung der Beklagten das Urteil der 9. Zivilkammer des
Landgerichts Essen vom 16. Juni 1998 zu Nr. 2 und 4 des
landgerichtlichen Urteilstenors abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.000,00 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 05.04.1997 zu zahlen.
4.
Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin zu 1/6 und der
Beklagte zu 5/6 mit Ausnahme der Kosten der Beweisaufnahme, die der
Beklagte allein zu tragen hat. Die Kosten des Berufungsverfahrens
werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
1
(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)
2
I.
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Die Klägerin nimmt den Beklagten als Statiker auf Schadenersatz in Anspruch.
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Der Beklagte erstellte aufgrund des Ingenieurvertrages vom 14.5.03.1994 die Statik für
das Bauvorhaben der Klägerin " V 32/34" in E. Zur Erstellung der Statik waren dem
Beklagten sowohl die Baugenehmigungsplanung im Maßstab 1:100 als auch die
Ausführungsplanung des Architekten H im Maßstab 1:50 überlassen worden. Im
Baugenehmigungsplan ist eine Säule in der Tiefgarage genau mittig zwischen vier
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Stellplätzen eingezeichnet. Im Ausführungsplan ist die Säule ebenfalls mittig
eingezeichnet, jedoch sind im Ausführungsplan am Rand irreführende Maßangaben
eingetragen. Der Beklagte zeichnete in den Schalplänen im Maßstab 1:50 die Säule um
20 cm versetzt ein, so daß für zwei Stellplätze eine baurechtlich unzulässige Breite von
4,42 Metern verblieb. Nach den Schalplänen wurde gebaut. Die Klägerin konnte vier
Stellplätze wie vorgesehen zu je 22.000,00 DM veräußern. Die Stadt E verlangte den
Nachweis anderweitiger Einrichtung eines vierten Stellplatzes bzw. Ablösung. Die
Klägerin hat gemeint, hinsichtlich der differierenden der Maße in der Genehmigungs-
und Ausführungsplanung habe für den Beklagten angesichts der unklaren planerischen
Situation eine Hinweis- und Aufklärungspflicht bestanden. Das nach den Vorgaben des
Beklagten errichtete Gebäude weise nun nicht mehr die erforderliche Zahl von
Stellplätzen auf, da ein Stellplatz nicht mehr die erforderliche Mindestbreite habe.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin müsse sich ein Verschulden des
Architekten H anrechnen lassen, weil es während der gesamten Bauzeit zu
Unstimmigkeiten wegen der Bemaßung gekommen sei. Überdies sei in einem Telefonat
zwischen den Parteien eine bindende Vereinbarung getroffen worden, wonach sich der
Beklagte mit einem Drittel an einem Schaden von insgesamt 7.000,00 DM beteiligen
solle.
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Die Klägerin hatte ursprünglich basierend auf einer eigenen Schätzung der
Nachbesserungskosten einen bezifferten Schadenersatzanspruch in Höhe von
16.000,00 DM sowie einen Feststellungsantrag angekündigt und nach geringfügiger
Änderung mit diesen Anträgen vor der Kammer verhandelt. Dem Architekten H, der eine
Haftung abgelehnt hat, hat die Klägerin den Streit verkündet. Zwischenzeitlich ist es der
Klägerin gelungen, den zu schmalen Stellplatz zu einem Preis von 14.000,00 DM an
einen Wohnungseigentümer zu veräußern. Sie hat weiterhin 4.000,00 DM
Ablösesumme für den nun fehlenden Stellplatz an die Stadt E bezahlt, so daß eine
Sanierung nicht mehr erforderlich ist. Die Klägerin hat daraufhin den geltend gemachten
Schadenersatz auf 12.000,00 DM zurückgenommen und wegen der Mehrforderung von
4.000,00 DM und hinsichtlich des Feststellungsantrags die Hauptsache für erledigt
erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.
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Das Landgericht hat nach Beweiserhebung über die angebliche Haftungsvereinbarung
den Beklagten zur Zahlung von 6.000,00 DM verurteilt. Bezüglich des ursprünglich
verlangten Mehrbetrages von 4.000,00 DM hat das Landgericht zu einem Betrag von
2.000,00 DM sowie bezüglich des Feststellungsantrags, soweit dieser eine Haftung des
Beklagten zu 50 % betraf, die Erledigung der Hauptsache festgestellt und im übrigen die
Klage abgewiesen. Das Landgericht ist der Auffassung, es liege ein klarer Fehler im
Gewerke des Beklagten vor, für den dieser mit eine Quote von 50 % hafte. Eine
Vereinbarung über eine niedrigere Haftungsquote hat das Landgericht nicht als
bewiesen angesehen.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie verlangt die Zahlung weiterer
6.000,00 DM. Der Beklagte wendet sich mit seiner Anschlußberufung gegen die
Feststellung, daß die Erledigung der Hauptsache hinsichtlich eines Teilbetrages von
2.000,00 DM eingetreten ist.
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Die Klägerin ergänzt ihren Sachvortrag.
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Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil gegen die Berufung. Er trägt vor, er
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habe die Unklarheit bezüglich der Position der Säule gesehen und diese Frage durch
seinen Mitarbeiter G telefonisch klären lassen. Es seien drei bis vier Gespräche geführt
worden. Der Zeuge G habe, weil direkte Maßangaben zur Position der Stütze fehlten, im
Büro des Architekten H nachgefragt und die Maße erhalten, die in den Schalplan
Eingang gefunden hätten. Die Klägerin müsse sich ein erhebliches Mitverschulden
anrechnen lassen, da der Architekt H nur unvollständige Planungsunterlagen
überlassen habe. Die Klägerin sei weiterhin verpflichtet gewesen die vorgelegten Schal-
und Bewehrungspläne auf ihre Vereinbarkeit mit der Genehmigungs- und
Ausführungsplanung zu überprüfen, da es sich nicht um die Überprüfung durch einen
Prüfstatiker, sondern um die Aufteilung und Gestaltung der Tiefgarage gehandelt habe.
Für gestalterische Fragen und den dem Statiker vorgegebenen Rahmen seien der
Bauherr und der Architekt zuständig.
II.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von
12.000,00 DM aus § 635 BGB. Denn das Werk des Beklagten, der Schalplan, war
mangelhaft. Der Beklagte hat eine Säule in der Tiefgarage falsch positioniert, so daß
aufgrund der nachfolgenden Errichtung der Säule ein Stellplatz nicht in hinreichender
Größe angelegt werden konnte.
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Der Bestimmung einer Frist zur Mängelbeseitigung mit Ablehnungsandrohung bedurfte
es gemäß § 634 Abs. 2 BGB nicht, da sich der Planungsfehler des Beklagten bereits im
Bauwerk verkörpert hat und durch Nachbesserung der Planung nicht mehr beseitigt
werden kann (vgl. Werner/Pastor, 9. Aufl., Rdnr. 1657, 1976).
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Der Beklagte kann sich nicht zu seiner Entlastung darauf berufen, daß der bezüglich der
Positionierung der Säule unrichtige Schalplan auf einen Planungsfehler des von der
Klägerin beauftragten Architekten zurückzuführen sei. Die Positionierung der Säule war
dort nicht bemaßt. Maßangaben am Rand bezogen sich nur für einen unsorgfältigen
Betrachter auf die Säule. Der Beklagte hat überdies bereits nach eigenem Vortrag
erkannt, daß diese Bemaßung für die Säule nicht zutreffend war, was für ihn zu einer
unklaren planerischen Situation führte und ihn zur Rückfrage im Büro des Architekten
der Klägerin veranlaßte. Dabei durfte der Beklagte sich nicht mit telefonisch erteilten
Auskünften zufrieden geben. Eine mündliche Auskunft birgt in hohem Maße in sich die
Gefahr von Mißverständnissen. Hinzu tritt, daß die Telefonate nicht zwischen den
beiden Verantwortlichen, dem Beklagten und dem Architekten, sondern unter
Einschaltung mindestens eines Mitarbeiters geführt wurden, so daß die Informationen
eine zusätzliche Station durchlaufen mußten, was die Gefahr einer unrichtigen
Übermittlung noch erhöht. Desweiteren trägt der Beklagte selbst vor, es seien drei bis
vier Telefonate erforderlich gewesen, es habe zudem ständig Schwierigkeiten mit der
Bemaßung gegeben. Bei dieser Sachlage waren weitere Anrufe beim Architekten
ersichtlich ungeeignet, der Beklagte hätte, wenn er nicht selbst erkennen konnte, daß
die Säule in die Mitte gehörte, den Bauherrn befragen müssen.
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Der eingetretene Schaden beläuft sich auf 12.000,00 DM. Dieser Betrag setzt sich aus
dem Mindererlös, zu dem die Stellfläche veräußert werden konnte sowie aus der an die
Stadt E zu zahlenden Ablösesumme zusammen.
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Eine Haftungsbegrenzung auf einen Anteil von einem Drittel hat der Beklagte nicht
bewiesen. Der erstinstanzlich vernommene Zeuge W konnte eine derartige
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Vereinbarung nicht bestätigen, der nun benannte Zeuge G hat von einem
entsprechenden Telefonat keine eigene Kenntnis.
Der Beklagte haftet der Klägerin in voller Höhe. Ein gemäß § 254 BGB zu
berücksichtigendes Mitverschulden des Architekten, welches sich die Klägerin als
Bauherr gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muß, tritt im vorliegenden Fall zurück.
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Im Verhältnis zu dem Beklagten muß sich die Klägerin zwar gemäß § 278 BGB
planerisches Fehlverhalten ihres Architekten als Erfüllungsgehilfen anrechnen lassen.
Die gemäß § 254 BGB vorzunehmende Abwägung der Umstände führt hier aber dazu,
daß der Beklagte zu einer Quote von 100 % haftet.
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Der von der Klägerin beauftragte Architekt hat lediglich zu vertreten, daß Maße am Rand
seines Ausführungsplans irrtümlich auf die Positionierung der Säule bezogen werden
konnten. Er hat zwar auch den Schalplan des Beklagten nicht hinreichend geprüft, doch
kann sich von vornherein niemand zu seiner Entlastung darauf berufen, nicht
hinreichend überprüft worden zu sein.
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Dem Beklagten mußte sich demgegenüber aufdrängen, daß die Säule in die Mitte
gehörte, wo sie auch gezeichnet war, zumal er bei der eigentlichen statischen
Berechnung noch zutreffend selbst von einer mittigen Position ausgegangen war
(Bl. 185/186).
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Soweit der Beklagte einwendet, die Klägerin müsse sich einen Mitverschuldensanteil
anrechnen lassen, weil sie nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt kostengünstiger
den Mangel durch ein Versetzen der Säule behoben habe, vermag der Senat dem nicht
zu folgen. Im Rohbauzustand fiel die falsche Position der Säule noch nicht auf, ohne
daß daraus ein Schuldvorwurf hergeleitet werden kann.
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III.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 284, 285, 288 Abs. 1 BGB.
24
IV.
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Die Anschlußberufung konnte aus den unter II. dargestellten Gründen keinen Erfolg
haben.
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V.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 96, 97 BGB. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.
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Die Beschwer (§ 546 Abs. 2 ZPO) beträgt 7.000,00 DM.
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