Urteil des OLG Hamburg vom 04.07.2014

OLG Hamburg: öffentlich, geschäftsführung, hamburger, holland, erfüllung, kritik, seerecht, unternehmen, beschwerdeschrift, polizeibeamter

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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 6. Zivilsenat, Beschluss vom 04.07.2014, 6 W 22/14
§ 677 BGB, §§ 677ff BGB, § 679 BGB, § 1004 BGB, § 4 BSchG, §§ 4ff BSchG, § 611 HGB, §§
611ff HGB, § 24 WaStrG, §§ 24ff WaStrG, § 28 Abs 3 WaStrG, § 28 Abs 4 WaStrG
Verfahrensgang
vorgehend LG Hamburg, 29. April 2014, Az: 303 O 324/13
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts
Hamburg vom 29. 4. 2014, Geschäfts-Nr. 303 O 324/13, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthaft und auch
im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der 1-monatigen Notfrist eingelegt
worden.
Die sofortige Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Landgericht hat den
Prozesskostenhilfe-Antrag zu Recht zurückgewiesen, weil die Rechtsverteidigung des
Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Auf die Begründung des
angefochtenen Beschlusses, der der Senat folgt, wird zunächst Bezug genommen.
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Der Beklagte begründet seine sofortige Beschwerde damit, dass im Prozesskostenhilfe-
Verfahren nicht über schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen entschieden werden
darf. Gemeint ist damit offenbar die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Klägerin
nach den Grundsätzen der privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den
Beklagten vorgehen darf oder ob sie (nur) nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften gegen
den Beklagten vorgehen dürfte.
Der Beklagte weist zwar grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Prozesskostenhilfe-Verfahren nicht
schwierige, noch ungeklärte Rechtsfragen "durchentschieden" werden sollen. Um eine
solche ungeklärte Rechtsfrage handelt es sich vorliegend aber nicht.
Vielmehr ist diese Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof dahin gehend geklärt, dass
die Bundesrepublik Deutschland bei der Beseitigung einer Schifffahrtsgefahr nicht auf ein
polizeiliches Vorgehen beschränkt ist, sondern ihr Ziel auch privatrechtlich, insbesondere
im Wege auftragloser Geschäftsführung, zu erreichen suchen kann (vgl. BGH NJW 1969,
1205, zitiert nach juris, Tz. 9; BGHZ 65, 384, zitiert nach juris, Tz. 11; OLG Schleswig,
Urteil vom 15. 11. 1977, 9 U 50/77, zitiert nach juris; Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., Einf v
§ 677, Rn. 15; Friesecke, WaStrG, § 28, Rn. 23, und § 30, Rn. 19 a.E.; Ramming,
Hamburger Handbuch zum Binnenschifffahrtsfrachtrecht, Rz. 45; auch Hinz/Antonius in
dem vom Beklagten eingereichten Aufsatz "Kostentragungslast bei Nothäfen und
Wrackbeseitigung" unter Ziff. I 2; wohl auch Herber, Seehandelsrecht, S. 184, allerdings
zu § 1004 BGB unter Bezugnahme auf BGH VersR 1964, 484 = NJW 1964, 1365, zitiert
nach juris). Der BGH ist von dieser Rechtsprechung später nicht abgewichen. Er hat in
der Entscheidung BGHZ 96, 332, lediglich ausgeführt (zitiert nach juris, Tz. 17), dass die
Kritik hieran "unerörtert" bleiben kann. Eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung
lässt sich aus der Formulierung nicht herleiten. In einer noch späteren Entscheidung
(BGHZ 156, 394) hat der BGH ausdrücklich festgestellt, dass nach der Rechtsprechung
des BGH die §§ 677 ff. BGB grundsätzlich auch zwischen Verwaltungsträgern und
Privatpersonen anwendbar sind und dass die Annahme einer Geschäftsführung ohne
Auftrag der Verwaltung für den Bürger sich nicht einmal dann ohne Weiteres verbietet,
wenn die öffentliche Hand bei dem betreffenden Vorgang hauptsächlich zur Erfüllung
öffentlich-rechtlicher Pflichten tätig geworden ist (a.a.O. Tz. 8). Aus der Formulierung,
dass auf die hieran geübte Kritik nicht umfassend eingegangen werden müsse (a.a.O., Tz.
9), lässt sich keine Abkehr von der älteren Rechtsprechung schlussfolgern.
Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass aus § 679 BGB gerade hervorgeht, dass die
privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag auch dann in Betracht kommt, wenn es um
eine Pflicht des Geschäftsherrn geht, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse ist. Der
BGH (BGHZ 156, 394, zitiert nach juris, Tz. 8) nimmt u.a. ausdrücklich auf die oben
genannten Entscheidungen BGH NJW 1969, 1205 und BGHZ 65, 384 Bezug. Der BGH
hält diese Rechtsprechung allerdings dann nicht für anwendbar, wenn es eine
anderweitige lückenlose Regelung des öffentlichen Rechts gibt (a.a.O., Tz. 12 und 13,
Hervorhebung durch den Senat; ebenso BGH, TranspR 2013, 313, zitiert nach juris, Tz.
22). Der BGH hatte für die in der Entscheidung BGHZ 156, 394 maßgeblichen
Vorschriften des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen
Staatlichen Polizei angenommen, dass diese eine lückenlose Regelung enthalten. Das
ist aber gerade hinsichtlich der in Frage kommenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften
des Bundeswasserstraßengesetzes (§§ 24 ff.) anders. Für diese hat der BGH nämlich
entschieden, dass nicht ersichtlich sei, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften
hinsichtlich aller Maßnahmen zur Beseitigung der von Dritten veranlassen
Schifffahrtsgefahren eine abschließende Regelung treffen sollten. Der BGH hat vielmehr
hervorgehoben, dass dem Gesetzgeber die langjährige Rechtsprechung des BGH zur
Zulässigkeit privatrechtlichen Handelns der Klägerin beim Vorliegen einer
Schifffahrsgefahrt nicht unbekannt gewesen sein dürfte, so dass das Schweigen des
Gesetzgebers darauf schließen lasse, dass er an dieser Rechtslage nichts ändern wollte
(BGHZ 65, 384, zitiert nach juris, Tz. 11). Dass der Senat an seiner Rechtsprechung
grundsätzlich festhält, ergibt sich auch aus einer neueren Entscheidung (BGH NJW-RR
2012, 163, zitiert nach juris, Tz. 20).
Auch eine Umgehung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist nicht ersichtlich, zumal die
Rechtsfolgen bei einem Vorgehen etwa nach § 28 Abs. 3 WaStrG sich von dem hier
geltend gemachten privatrechtlichen Anspruch nicht wesentlich unterscheiden würden.
Soweit nach § 28 Abs. 4 WaStrG die Haftungsbeschränkungen nach §§ 486 ff. HGB (a.F.;
jetzt §§ 611 ff. HGB) und nach §§ 4 ff. BSchG unberührt bleiben, gelten diese
Haftungsbeschränkungen grundsätzlich auch für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne
Auftrag. Die Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht erfüllt. Soweit der BGH in seiner
Entscheidung NJW 1969, 1205, noch ausgeführt hatte, dass die Durchsetzung des
Anspruchs der Klägerin auf Aufwendungsersatz auf das Schiffsvermögen der Beklagten
begrenzt sei (zitiert nach juris, Tz. 12), ist dies überholt. Der BGH erwähnt dort als einen
das Schifffahrtsrecht beherrschenden Grundsatz, dass der Eigentümer eines Schiffes für
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Verpflichtungen, die ohne sein Verschulden infolge der mit der Schifffahrt verbundenen
Gefahren entstanden sind, lediglich mit Schiff und Fracht einzustehen habe (a.a.O.).
Diese Ausführungen entsprechen nicht mehr der aktuellen Gesetzeslage. Im Seerecht ist
die Beschränkung der Haftung auf das Schiffsvermögen mit dem
Seerechtsänderungsgesetz (mit Wirkung vom 6. 4. 1973) aufgehoben und durch ein
Summenhaftungssystem ersetzt worden (mit Inkrafttreten des Übereinkommens von 1957
über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen) (vgl. die Darstellung
bei Schaps/Abraham, Seerecht, 4. Aufl., vor § 486 HGB, Rn. 2; vgl. ferner die Darstellung
bei v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., § 4 BinSchG, Rn. 1). Im
Binnenschifffahrtsrecht ist § 4 BinSchG a.F., der die persönliche Haftung des
Schiffseigners ausschloss und nur die Haftung mit Schiff und Fracht vorsah, 1998 durch
das Gesetz über die Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt geändert worden. Es
gilt nunmehr auch hier der Grundsatz der Summenhaftung (vgl. die Darstellung bei
Ramming, a.a.O., Rz. 612 f.; ferner die Darstellung bei v. Waldstein/Holland, a.a.O.). Dass
sich hier die genannte Summenhaftung auswirken würde, ist weder vorgetragen noch
sonst ersichtlich.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin strompolizeilich tätig
geworden sei. Vielmehr hat sie in ihren Schreiben vom 24. 10. 2011 (Anlage K 2) und
vom 27. 10. 2011 (Anlage K 7) deutlich gemacht, dass sie privatrechtlich nach den
Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag vorgehen würde. Die Voraussetzung, die
in dem Aufsatz "Kostentragungslast bei Nothäfen und Wrackbeseitigung" (als Anlage zum
Schriftsatz vom 9. 4. 2014 vom Beklagten eingereicht) von Hinz/Antonius aufgestellt wird,
dass sich der Bund von Beginn an entscheiden muss, welchen Weg er gehen will
(während ein beliebiges Hin- und Herspringen zwischen öffentlich-rechtlichen und
zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen nicht zulässig ist), ist daher erfüllt. Damit entfällt
auch die Grundlage für den Einwand des Beklagten, dass ein Polizeibeamter nicht
gleichzeitig dienstlich und privat tätig sein kann. Der Beklagte hat zwar zutreffend darauf
hingewiesen, dass der BGH dies in seiner Entscheidung BGHZ 156, 394 (bei juris Tz. 15)
so entschieden hat. Hier hat die Klägerin aber - wie sich aus den genannten Schreiben
vom 24. und 27. 10. 2011 ergibt - gerade nicht dienstlich, sondern nur privatrechtlich
(unter ausdrücklicher Berufung auf §§ 677 ff. BGB) gehandelt. So hat der BGH
angenommen, dass einem Erstattungsanspruch nach den Grundsätzen der
Geschäftsführung ohne Auftrag öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen,
wenn der Bund als Eigentümer einer Bundesautobahn keinen Kostenbescheid in Gestalt
eines Verwaltungsaktes erlassen hat, sondern ihm - als Eigentümer - ein privatrechtlicher
Aufwendungsersatzanspruch zustehen kann (BGH NJW-RR 2012, 163, zitiert nach juris,
Tz. 20).
Soweit der Beklagte andere Einwände gegen den Anspruch geltend gemacht hat, hat sich
das Landgericht damit im angefochtenen Beschluss umfassend auseinandergesetzt. Der
Senat folgt den Ausführungen des Landgerichts und nimmt auf diese Bezug. Da der
Beklagte hierzu in der Beschwerdeschrift keine neuen Argumente vorbringt, sind weitere
Ausführungen an dieser Stelle nicht erforderlich.