Urteil des OLG Hamburg vom 16.12.2014

OLG Hamburg: vergleich, glaubhaftmachung, unternehmen, abmahnung, post, gleichstellung, internet, hamburger

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Keine Anrechnung vorgerichtlicher Kosten aus einer Vergütungsvereinbarung auf die Verfahrensgebühr bei Anerkenntnis
Eine Anrechnung der vorgerichtlichen Kosten aus einer Vergütungsvereinbarung auf die Verfahrensgebühr findet im Kostenfestsetzungsverfahren nicht statt, wenn die
erstattungsberechtigte Partei im Erkenntnisverfahren vorgetragen hat, dass sie mit ihrem Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten eine
Vergütungsvereinbarung getroffen hat, und die erstattungspflichtige Partei diese Kosten im Erkenntnisverfahren anerkennt.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 8. Zivilsenat, Beschluss vom 16.12.2014, 8 W 131/14
Vorbem 3 Abs 4 S 1 RVG-VV, § 15a Abs 2 RVG
Verfahrensgang
vorgehend LG Hamburg, 23. Oktober 2014, Az: 312 O 152/14
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 23.10.2014 geändert:
Die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf € 1656.- nebst Zinsen in Höhe von 5 % -Punkten über dem
Basiszinssatz seit dem 21.8.2014 festgesetzt.
Der Beklagte hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 418,50 festgesetzt.
Gründe
I.
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I.
Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen über sie im Internet und Feststellung seiner Schadensersatzpflicht in
Anspruch genommen. Außerdem hat sie begehrt, den Beklagten zur Zahlung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von € 857.- zu verurteilen.
Hierzu hat sie in der Klage vorgetragen, dass die Klägerin ihrem Prozessbevollmächtigten aufgrund dessen vorgerichtlicher Tätigkeit
Rechtsanwaltskosten in nicht geringerer Höhe schulde als der im Rahmen der Klage geltend gemachten „aufgrund der zwischen den
Parteien geschlossenen Vergütungsvereinbarung“. Diese seien mindestens bis zur Höhe der gesetzlichen Geschäftsgebühr
erstattungsfähig. Die von der Klägerin verlangten € 857.- setzen sich aus einer 1,5 Geschäftsgebühr nach Ziff.2300 VV RVG ( € 837.- )
und einer Post- und Telekommunikationspauschale nach Ziff.7002 VV RVG ( € 20.- ) zusammen.
Der Beklagte hat die Klage einschließlich der vorgerichtlichen Kosten anerkannt und ist durch Anerkenntnisurteil des Landgerichts
Hamburg vom 18.8.2014 auch zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt worden.
Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin u.a. die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von € 725,40
beantragt. Die Rechtspflegerin hat die Verfahrensgebühr um 0,75 einer gemäß Vorb. 3 Abs.4 S.1 VV RVG anrechenbaren
Geschäftsgebühr gekürzt. Auf die Anrechnung - so die Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss und in ihrem
Nichtabhilfebeschluss vom 25.11.2014 - könne sich der Beklagte nach § 15a Abs.2 RVG berufen, da die Klägerin eine 1,5
Geschäftsgebühr konkret eingeklagt habe und diese im Anerkenntnisurteil tituliert sei.
Gegen die teilweise Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen
Beschwerde. Sie beruft sich darauf, dass sie mit ihrem Prozessbevollmächtigten über seine vorgerichtliche Tätigkeit eine
Vergütungsvereinbarung getroffen habe; deren Kosten seien nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbar.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind vorgerichtliche Kosten , die eine Partei ihrem Rechtsanwalt aufgrund einer
Vergütungsvereinbarung schuldet, nicht gemäß Vorbem.3 Abs.4 S.1 VV RVG wie eine Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr
anzurechnen; damit kann sich auch kein Dritter auf die Anrechnung gemäß § 15a Abs.2 RVG berufen ( BGH , Beschluss v.18.8.2009
zum Aktz.VIII ZB 17/09, Rn.7 ff, zit. nach juris; Beschluss v. 9.9.2009 zum Aktz.Xa ZB 2/09, Rn.5 ff., zit. nach juris ).
Vorliegend hat die Klägerin bereits in der Klage vorgetragen, dass zwischen ihr und ihrem Prozessbevollmächtigten eine
Vergütungsvereinbarung über die vorgerichtlichen Kosten getroffen worden sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die
entsprechende Passage auf S.7 Abs.4 der Klage bei verständiger Auslegung nicht anders verstanden werden, als dass mit der „zwischen
den Parteien getroffenen Vergütungsvereinbarung“ nicht eine zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits getroffene Vereinbarung
gemeint ist, sondern eine zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten. Dies erschließt sich ohne weiteres jedenfalls aus den
nachfolgenden Sätzen, die sich mit der Erstattungsfähigkeit dieser Kosten im Verhältnis zum Beklagten beschäftigen.
Zutreffend hat auch die Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die Vergütungsvereinbarung das Verhältnis
zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten betreffe. Der Senat kann ihr jedoch nicht darin folgen, dass die Klägerin in der
Klage „konkret“ eine Geschäftsgebühr gefordert habe. Aus den Ausführungen in der Klage ergibt sich vielmehr, dass die Klägerin die ihr
aufgrund der Vergütungsvereinbarung entstandenen Kosten nur der Höhe nach auf die gesetzliche Geschäftsgebühr nach Ziff.2300 VV
RVG begrenzen wollte, weil sie nicht mehr von dem Beklagten fordern könne. Die Klägerin hat ihren Anspruch insoweit ersichtlich auf
§ 12 Abs.1 S.2 UWG gestützt, wonach nur die „erforderlichen Aufwendungen“ für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung vom Gegner
verlangt werden können ( S.6, viertletzter Absatz der Klage ).
Dass die Klägerin mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung über dessen vorgerichtliche Tätigkeit zumindest in
Höhe der geforderten 1,5 Geschäftsgebühr gemäß Ziff. 2300 VV RVG getroffen hat, hat der Beklagte im Erkenntnisverfahren nicht
bestritten. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren bestreitet er eine solche nicht, sondern hält an der - gemäß obigen Ausführungen nicht
zutreffenden - Auffassung fest, dass die Klägerin das Bestehen einer solchen Vereinbarung nicht vorgetragen habe, sondern das Bestehen
einer Vergütungsvereinbarung mit dem Beklagten. Da somit das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung als unstreitig zu behandeln ist,
bedarf es keiner zusätzlichen Glaubhaftmachung durch die Klägerin.
Durch die Nichtanrechnung der vorgerichtlichen Kosten aufgrund des Bestehens einer Vergütungsvereinbarung ist allerdings vorliegend
die Situation entstanden, dass der Beklagte im Ergebnis mehr als die gesetzlichen Gebühren als Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat,
nämlich eine volle Geschäftsgebühr gemäß Anerkenntnisurteil und eine volle Verfahrensgebühr gemäß Kostenfestsetzung ohne die
Anrechnung nach der Vorbem. 3 Abs.4 S.1 RVG. Gemäß § 91 Abs.1 S.1, Abs.2 S.1 ZPO sind grundsätzlich nur die gesetzlichen
Gebühren des Rechtsanwalts als notwendige Kosten des Rechtsstreits zu erstatten und kann sich der erstattungspflichtige Dritte bei einer
Titulierung der Geschäftsgebühr - wie vorliegend jedenfalls der Höhe nach - gemäß § 15a Abs.2 RVG auf die Anrechnung berufen ;
mithin wirkt sich hier die im Innenverhältnis des Erstattungsberechtigten mit seinem Prozessbevollmächtigten getroffene
Vergütungsvereinbarung zu Lasten des erstattungsverpflichteten Dritten aus ( zum Problem s. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG ,
21.Aufl., § 15a, Rn.67 ).
Eine Korrektur dieses Ergebnisses im Kostenfestsetzungsverfahren kommt aber jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der
erstattungsberechtigte Kläger - wie vorliegend - bereits im Erkenntnisverfahren offenlegt, dass er über seine vorgerichtlichen Kosten eine
Vergütungsvereinbarung mit seinem Prozessbevollmächtigten getroffen hat, diese Kosten in Höhe einer vollen Geschäftsgebühr ersetzt
verlangt und der erstattungspflichtige Beklagte dann die Klage vollen Umfangs anerkennt. Der Beklagte verzichtet damit „sehenden
Auges“ auf die Möglichkeit der Anrechenbarkeit dieser Kosten auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren und bedarf
keines Schutzes. So hat auch der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 16.10.2014 ( III ZB 13/14 ) für den Fall einer
Vergütungsvereinbarung über die vorgerichtlichen Kosten deren Anrechenbarkeit auf die Verfahrensgebühr im
Kostenfestsetzungsverfahren verneint, nachdem die Parteien den Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet hatten und der Beklagte sich
darin zur Erstattung der vollen Geschäftsgebühr - sogar etwas mehr - verpflichtet hatte. Dabei war dem Vortrag der dortigen Klägerin im
Erkenntnisverfahren weniger deutlich als dem Klägervortrag im vorliegenden Fall zu entnehmen, dass eine solche
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Erkenntnisverfahren weniger deutlich als dem Klägervortrag im vorliegenden Fall zu entnehmen, dass eine solche
Vergütungsvereinbarung überhaupt bestand. Ob die Übernahme der Verpflichtung zum Ersatz der vorgerichtlichen Kosten durch die
erstattungspflichtige Partei im Erkenntnisverfahren auf einem Vergleich - wie im genannten Fall des BGH - oder - wie hier - auf einem
Anerkenntnis beruht, macht nach Auffassung des Senats keinen Unterschied.
Allerdings kann das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie in missbräuchlicher Weise
getroffen worden ist, um die Anrechnung nach Vorbem.3 Abs.4 VV RVG zu umgehen ( BGH v. 18.8.2009 a.a.O., Rn.12 ). Hierfür
bestehen vorliegend jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.