Urteil des OLG Hamburg vom 02.10.2012

OLG Hamburg: ausschreibung, aufschiebende wirkung, submission, diskriminierung, software, vergabeverfahren, beschwerdeschrift, leistungsfähigkeit, geschäftsführung, aufteilung

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--- kein Dokumenttitel vorhanden ---
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg Vergabesenat, Beschluss vom 02.10.2012, 1 Verg 2/12, 1 Verg 3/12
Tenor
1. Die Beschwerdeverfahren 1 Verg 2/12 und 1 Verg 3/12 werden zu gemeinsamer Verhandlung und
Entscheidung verbunden.
2. Die Anträge der Antragstellerin zu 1 vom 24.08.2012 und der Antragstellerin zu 2 vom 27.08.2012 auf
Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerden vom 24.08.2012 und 27.08.2012
gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt der Freien und
Hansestadt Hamburg vom 13.08.2012 werden zurückgewiesen.
3. Der Antrag der Antragstellerin zu 1 auf weitergehende Akteneinsicht wird zurückgewiesen.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gem. §118 Abs. 1 S. 3 GWB bleibt der Endentscheidung
vorbehalten.
Gründe
I.
Die Verbindung der beiden Beschwerdeverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung ist – wie
schon die Verfahrensverbindung durch die Vergabekammer – in analoger Anwendung der §§ 93 VwGO und 147
ZPO vorzunehmen, um eine der Prozessökonomie dienende Bündelung des Verfahrensstoffes zu
gewährleisten. Das Vorbringen der Beteiligten und vor allem der Beschwerdeführerinnen läuft weithin parallel,
insbesondere machen beide Rechtsmittelführerinnen als zentralen Einwand gegen das Vergabeverfahren
weiterhin geltend, dass die Antragsgegnerin die Ausschreibung gezielt auf die Beigeladene ausgerichtet habe.
Soweit die Beschwerdeführerinnen sich unter Berufung auf Geheimhaltungsinteressen gegen die Verbindung
der Nachprüfungsverfahren gewandt haben, greift dieser Einwand nicht durch, da im Falle einer
Nichtverbindung ohnehin wechselseitige Beiladungen hätten erfolgen müssen. Bedenken im Hinblick auf die
Nichtöffentlichkeit des Nachprüfungsverfahrens, wie sie im Verfahren vor der Vergabekammer geltend gemacht
worden sind, können im auf Grund öffentlicher Verhandlung zu entscheidenden Beschwerdeverfahren von
vornherein nicht bestehen.
II.
Die Anträge der Beschwerdeführerinnen gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB sind zurückzuweisen.
1. Wegen des Ablaufs des Verfahrens und des Vorbringens der Parteien vor der Vergabekammer wird auf die
umfassende Sachverhaltsdarstellung auf S. 2 – 22 der angefochtenen Entscheidung vom 13.08.2012 Bezug
genommen.
Beide Beschwerdeführerinnen begehren die Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer und verfolgen ihr
Ziel einer Aufhebung des Vergabeverfahrens bzw. seiner Zurückversetzung in den Stand vor der
Veröffentlichung bzw. einer Neufassung von Bekanntmachung und Vergabeunterlagen nach der
Rechtsauffassung des Senats weiter.
Beide Beschwerdeführerinnen wiederholen weitgehend den in Bezug genommenen Vortrag aus dem
Nachprüfungsverfahren und greifen im Übrigen die Gründe der Vergabekammer an.
a) Die Antragstellerin zu 1 wendet sich zunächst gegen die Auffassung der Vergabekammer, wonach Teile
ihres Vorbringens gem. § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB präkludiert seien.
Zwar sei es richtig, dass sie die Vergabeunterlagen schon am 25.05.2012 erhalten habe, inhaltlich näher zur
Kenntnis genommen habe sie sie jedoch erstmals am 19.06.2012, woraufhin sie am 20.06.2012 anwaltlichen
Rat in Anspruch genommen und sodann noch am gleichen Tage Rügen gegenüber der Antragsgegnerin geltend
gemacht habe.
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Damit sei die Rüge unverzüglich gewesen, da ein Bieter keinesfalls auf Grund von bloßen Vermutungen rügen
müsse und vielmehr zuvor anwaltliche Beratung suchen dürfe.
Zu Unrecht sei die Vergabekammer davon ausgegangen, dass sie tatsächlich die Ausschreibungsunterlagen
früher als von ihr vorgetragen durchgesehen habe: Denn tatsächlich sei zunächst nur eine kursorische
Durchsicht zur Notierung der Angebotsfrist erfolgt, bei der es sich um ein ohne nähere Kenntnisnahme vom
Inhalt der Unterlagen einfach zu erkennendes Datum gehandelt habe. Dieses Vorgehen sei auch sachgerecht
gewesen, da es sich um einen Auftrag von gängigem Volumen gehandelt habe und somit ein Beginn der
Bearbeitung am 19.06.2012 vollständig ausreichend gewesen sei.
Damit seien auch ihre Rüge der fehlenden Losaufteilung und der Forderung der Antragsgegnerin nach schon bei
Angebotsabgabe und Teststellung bereits vollständig vorhandenen Funktionalitäten nicht präkludiert.
Materiell sei eine weitere Losaufteilung – nämlich nach Steuerung und eigentlicher Maschinerie – von § 97 Abs.
3 GWB gefordert; die Antragsgegnerin habe entgegenstehende Gründe, insbesondere unzumutbare
Kostennachteile, nicht dargelegt. Soweit sich durch die weitere Aufteilung das Vergabeverfahren aufwendiger
gestalten würde, sei dies nach der Wertung des § 97 Abs. 3 GWB hinzunehmen. Gleiches gelte für die von der
Antragsgegnerin angeführten Befürchtungen zu Problemen hinsichtlich der Schnittstellen der einzelnen Lose.
Im Übrigen sei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zum Nachschieben der offenbar unzureichenden
Dokumentation der unterbliebenen weiteren Losaufteilung durch die Antragsgegnerin unzutreffend.
Die Antragsgegnerin habe das Verfahren gezielt so gestaltet, dass die Beigeladene zum Zuge kommen
musste.
Dies zeige sich insbesondere an der Forderung nach bei Submission schon vorhandenen Funktionalitäten
sowie daran, dass für die Teststellung ausdrücklich die Abarbeitung von fünfzehn unbekannten
Beispielsaufträgen gefordert worden sei.
Im Übrigen handele es sich bei diesen fünfzehn Beispielsaufträgen um Unterkriterien der Wertung über die die
Bieter vor Angebotsabgabe hätten informiert werden müssen.
Schließlich führe das Erfordernis der Teststellung am Tag nach der Submission zu einer Vermischung der
strikt einzuhaltenden Wertungsstufen; es sei zwingend zunächst die formale Prüfung der Angebote, dann die
Eignungs- und erst anschließend die Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzunehmen.
Soweit die Antragsgegnerin für den Fall einer weiteren Verzögerung der Auftragserteilung erhebliche Nachteile
behaupte, fehle hinreichend schlüssiger Vortrag, insbesondere habe die Antragsgegnerin keinen Bauablaufplan
vorgelegt. Soweit sie sich darauf berufe, dass ab Herbst 2013 unter neuer Intendanz monatlich eine besonders
hohe Anzahl von Premieren bevorstehe und daher schon ab dem Sommer 2013 erhöhte Anforderungen an den
Probenbetrieb bestehen würden, sei darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin nach ihrem Spielplan ja
auch schon derzeit drei Premieren im Monat bewältige.
b) Auch die Antragstellerin zu 2 wendet sich zunächst gegen die Annahme einer Präklusion eines Teils der von
ihr erhobenen Rügen durch die Vergabekammer.
Zunächst sei § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB nach der Rechtsprechung des EuGH ohnehin nicht mit
Europäischem Recht vereinbar und damit nicht mehr anzuwenden.
Im Übrigen sei die Rüge vom 26.06.2012 sehr wohl unverzüglich erfolgt. Die Mitarbeiterin der Antragstellerin zu
2, die die Vergabeunterlagen angefordert hätten, hätte zunächst vom Text der Ausschreibung keine nähere
Kenntnis genommen. Erst am 18.06.2012 sei mit der Kalkulation des Angebots durch die dafür zuständige
Abteilung begonnen worden, Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Ausschreibung hätten sich für die
Geschäftsführung der Antragstellerin zu 2 erst anlässlich von Diskussionen auf einer Fachtagung in Magdeburg
am 21.06.2012 ergeben, woraufhin man sich am 22.06.2012 um anwaltlichen Rat bemüht habe.
Anlässlich der Tagung am 21.06.2012 habe der Mitarbeiter ... der Antragstellerin zu 2 gegenüber Herrn ... von
der Antragsgegnerin im Übrigen nur angekündigt, dass die deutsche Tochter der Antragstellerin zu 2 – nicht
aber auch diese selbst – kein Angebot abgeben würden und vielmehr eine rechtliche Prüfung angekündigt.
Aus dem Schreiben vom 23.04.2010 (Anlage BF 10) ergebe sich nichts anderes, denn da dort – bezogen auf
die Ausschreibung für das Haus der Berliner Festspiele – gerade keine förmliche Rüge erhoben worden sei,
werde ja gerade verdeutlicht, dass die Antragstellerin seinerzeit offenbar nicht auf eine Vergaberechtswidrigkeit
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der Ausschreibung geschlossen habe. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 2 hätten seinerzeit
auch nicht etwa die Bedingungen der Ausschreibung insgesamt, sondern nur das Leistungsverzeichnis geprüft
und der Antragstellerin zu 2 aus diesem Grunde keine Kenntnis zur Rechtswidrigkeit der Vergabebedingungen
vermitteln können.
Materiell liege ein Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB vor, die Aufteilung von Steuerung und Maschinerie bei der
Vergabe der Erstellung von bühnentechnischen Anlagen sei durchaus möglich und nicht unüblich.
Nicht sachgerecht seien die drei Leistungskriterien „Funktionalität, Programmierweise und
Programmiergeschwindigkeit“: Da diese sich ausschließlich auf die Steuerungskomponente bezögen, gewinne
diese ein ganz unverhältnismäßiges Gewicht, ihr Ansatz mit der gleichen Gewichtung wie der Preis führe
praktisch zu einer Entscheidungsfreiheit der Vergabestelle. Zudem sei damit nicht mehr gewährleistet, dass im
Sinne des § 97 Abs. 5 GWB das wirtschaftlichste Angebot zum Zuge komme, da die nicht preisbezogenen
Zuschlagskriterien sich bei wertmäßiger Betrachtung nur auf ca. 20 % des Gesamtauftrages (eben den
Steuerungsanteil) bezögen, womit geringe Unterschiede in der Leistungsfähigkeit bezogen auf die Steuerung
die gleiche Wirkung entfalteten, wie massive Unterschiede in der Preisgestaltung.
Ebenso sei es nicht zu rechtfertigen, dass im Rahmen der Teststellung Punkte für die Erfüllung dieser Kriterien
nur der Bieter erhalte, der die Funktionalitäten zu 100 % erbringe.
Im Übrigen vermische die Antragsgegnerin die strikt einzuhaltenden vergaberechtlichen Wertungsstufen: Da die
Antragsgegnerin bei der Teststellung nur schon vorhandene Funktionalitäten prüfen wolle, handele es sich
tatsächlich um eine Prüfung der technischen Leistungsfähigkeit des Bieters und damit um einen Teil der
Eignungsprüfung.
Vor diesem Hintergrund seien für die Bieter auch die erheblichen Kosten der Teststellung, die sich vor allen
daraus ergäben, dass die Antragsgegnerin keineswegs nur Standardfunktionen abgefragt habe, unzumutbar, da
bei Teststellung nicht einmal sicher sei, ob ein Gebot der formalen und der Bieter der Eignungsprüfung genüge,
womit der erhebliche zu treibende Aufwand sich nachträglich als von vornherein sinnlos erweisen könne.
Schließlich verstoße die Geheimhaltung der bei der Teststellung zu bearbeitenden Beispielsaufträge gegen das
Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB.
Die Ausschreibung sei insgesamt diskriminierend und offenbar gezielt auf die Beigeladene ausgerichtet:
Diskriminierend wirkten insbesondere die unverhältnismäßige Gewichtung der Steuerung; das Erfordernis einer
Teststellung am Tag nach der Submission sowie die unterlassene Losaufteilung nach Steuerung und
Maschinerie.
Es sei anzunehmen, dass die Beigeladene über eine Teststellung der geforderten Art verfüge, wie Erfahrungen
aus den Vergabeverfahren betreffend das Residenztheater in München und das Haus der Festspiele in Berlin
gezeigt hätten. Die Antragsgegnerin verfolge offenbar eine zweistufige Strategie, um andere Bieter nicht zum
Zuge kommen zu lassen: Soweit sie nicht bereits durch die Zuschlagskriterien mit ihrer Überbetonung der
Steuerung abgeschreckt würden, würden deren Gebote jedenfalls durch die überproportionale Gewichtung der –
bei der Beigeladenen vorhandenen und geübten – Teststellung „erledigt“.
Die Bevorzugung der Beigeladenen zeige sich konkret auch daran, dass nur für die Ober-, nicht aber die
Untermaschinerie das Sicherheitsintegritätslevel SIL 3 gefordert werde, da eben deren Untermaschinerie die
Anforderungen gem. SIL 3 nicht erfülle.
Die Antragstellerin zu 1 beantragt in der Hauptsache,
1. den Beschluss der Vergabekammer vom 13. August 2012 aufzuheben und das Vergabeverfahren in
den Stand vor der Veröffentlichung zurückzuversetzen bzw. aufzuheben;
2. ihr weitergehende Akteneinsicht zu gewähren
und
die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB bis zur
Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern.
Die Antragstellerin zu 2 beantragt in der Hauptsache,
1. den Beschluss der Vergabekammer bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt vom
13.08.2012 aufzuheben, soweit darin der Antrag der Antragstellerin zu 2 zurückgewiesen würde,
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2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Bekanntmachung und die Vergabeunterlagen nach
Maßgabe der Rechtsauffassung des Vergabesenats neu zu fassen
und
die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Hauptsacheentscheidung zu
verlängern.
Die Antragsgegnerin beantragt in der Hauptsache
die sofortigen Beschwerden beider Antragstellerinnen zurückzuweisen
und
die Anträge gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen
Beschwerden zurückzuweisen.
c) Die Antragsgegnerin verteidigt die angegriffene Entscheidung der Vergabekammer.
Die Rüge der Antragstellerin zu 1 sei nicht unverzüglich erfolgt: Da sie die Vergabeunterlagen bereits seit Ende
Mai 2012 zur Verfügung gehabt habe, habe sie sich jedenfalls mutwillig der Kenntnis des Inhalts dieser
Unterlagen verschlossen.
Gleiches gelte für die Antragstellerin zu 2, die nach ihrem eigenen Vortrag schon am 04.06. allerspätestens
jedoch am 18.06.2012 von allen relevanten Umständen Kenntnis gehabt habe, womit die Rüge am 26.06.2012
zu spät erfolgt sei.
Auch das Schreiben der Antragstellerin zu 2 vom 23.10.2010 (Anl. BF 10) lasse nur den Schluss auf eine
Kenntnis der Antragstellerin zu 2 zu, da die Ausschreibung betreffend das Festspielhaus in Berlin in exakt
gleicher Weise angelegt gewesen sei, wie die vorliegende.
Die beabsichtigte Gesamtvergabe hinsichtlich Steuerung und Maschinerie, aber auch die weiteren von den
Antragstellerinnen beanstandeten Punkte seien ohne weiteres aus den Vergabeunterlagen bzw. sogar schon
aus der Veröffentlichung der Ausschreibung zu entnehmen gewesen.
Auch materiell lägen keine Verstöße gegen Vergaberecht im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB vor.
Die Gesamtvergabe sei gerechtfertigt: Tatsächlich habe sie das Gesamtvorhaben der Modernisierung ihrer
Bühnentechnik mit einem Volumen von ca. € 16.000.000,- auf mehr als 34 Lose aufgeteilt, auch die Arbeiten
an der Bühnenmaschinerie mit einem Wert von ca. € 5.000.000,- selbst seien in vier Lose zerlegt worden.
Eine noch weitere Aufteilung sei unzumutbar: Es gehe gerade um den Erwerb einer nach Hard- und Software
voll integrierten Anlage – nur auf diesem Wege sei es möglich, Probleme an den Schnittstellen von Hard- und
Software der Steuerung bzw. von Steuerung und Maschinerie zu vermeiden. Dass sie besonderes Gewicht
gerade auf diesen Punkt gelegt habe, sei von ihrem Leistungsbestimmungsrecht gedeckt – gerade die
Abstimmung von Hard- und Software sei bei Projekten der vorliegenden Art ein kritischer Punkt, die
gemeinsame Ausschreibung daher Marktstandard.
Im Übrigen würde eine getrennte Ausschreibung beider Bereiche bei Gewährleistungsfällen zu unzumutbaren
Abgrenzungsschwierigkeiten führen.
Die relativ hohe Gewichtung der Funktionalitäten der Steuerung sei nicht zu beanstanden, da tatsächlich
gerade der Steuerung überragende Bedeutung zukomme: Bei den im Zweischichtbetrieb der Antragsgegnerin
mit bis zu vier Mal täglich erfolgenden Dekorationswechsel und den daher erforderlichen sehr häufigen
Umbauten sei entscheidend, dass die Steuerung den Anforderungen gewachsen sei, zumal die
Umbauvorgänge für die auf der Bühne beschäftigten Personen potentiell erheblich gefährlich seien.
Ebenfalls in diesem Zusammenhang sei es auch sachgerecht, dass die Antragsgegnerin ein
Steuerungssystem aus der laufenden Produktion des jeweiligen Bieters gefordert habe, da es ihr eben darum
zu tun gewesen sei, ein von der Praxis erprobtes Produkt zu erwerben und nicht eine Experimentierphase
durchlaufen zu müssen.
Die Zulässigkeit der Forderung nach einer Teststellung sei allgemein anerkannt, sie sei hier erforderlich
gewesen, um Programmierweise und Geschwindigkeit in der Bearbeitung von Aufträgen sachgerecht beurteilen
zu können. Gerade bei einer so komplexen Anlage wie der hier zu beschaffenden müsse sich der
Beschaffende nicht auf die Versprechungen der Bieter verlassen, sondern könne einen Praxistest durchführen.
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Vor diesem Hintergrund sei es auch keinesfalls geboten, die fünfzehn bei der Teststellung abzuarbeitenden
Testaufträge vorab bekannt zu geben – vielmehr wäre damit der Zweck der Teststellung konterkariert worden,
da die Bieter in diesem Falle die Aufträge hätten vorab programmieren und üben können, während es ja gerade
um eine qualitative Bewertung der Abarbeitung der spontan zu bewältigenden Aufträge gegangen sei und den
Bietern zudem bekannt gewesen sei, dass mit den Beispielaufträgen klassische Bühnenabläufe simuliert
werden sollten.
Die Rüge unzumutbarer Kosten der Teststellung sei nicht gerechtfertigt, da ja gerade ein Produkt aus der
stetigen Produktion des Bieters gefordert worden sei, womit erhebliche Entwicklungsaufwendungen nicht hätten
anfallen können.
Auch eine Vermischung der Wertungsstufen liege im Hinblick auf die Teststellung am Tag nach der
Submission nicht vor:
Bei den Kriterien Funktionalität, Programmierweise und Programmiergeschwindigkeit handele es sich um auf
die Qualität des konkreten Produkts bezogene Parameter und nicht etwa um Fragen der generellen Eignung der
Bieter – schließlich würde die Einhaltung der vorgegebenen Funktionalitäten von sämtlichen Bietern gefordert,
während sich die vorgenannten Kriterien qualitativ auf die Bewältigung der unbekannten Testaufträge bezögen;
damit sei zugleich klar, dass es sich bei den Testaufträgen nicht etwa um vorab zu veröffentlichende
Unterkriterien für die Beurteilung von Eignung bzw. technischer Leistungsfähigkeit des einzelnen Bieters
handele.
Für die in der Tat durchzuhaltende Trennung der Wertungsstufen sei der chronologische Ablauf vollkommen
gleichgültig: Dass mit der Teststellung am Tag nach der Submission Feststellungen zur Qualität der Angebote
getroffen würden, sage nichts dazu aus, wann die Angebote – unter Einhaltung der Wertungsstufen – geprüft
und bewertet würden; tatsächlich habe die Antragsgegnerin den Prüfkanon des § 16 VOB/A sehr wohl
eingehalten.
Soweit die Antragstellerinnen einen sie diskriminierenden Zuschnitt der Ausschreibung auf die Beigeladene
rügten, fehle jeder konkrete Vortrag dazu, durch welche Anforderungen der Ausschreibung die Beigeladene
tatsächlich bevorzugt werde.
Soweit die Antragstellerin zu 2 sich darauf stütze, dass die von der Beigeladenen angebotene
Untermaschinerie den Sicherheitsstandard SIL 3 nicht erreiche und offenbar deshalb die Ausschreibung diesen
Standard nur für die Obermaschinerie fordere, sei dies unzutreffend, da der Standard SIL 3 für die Fahrrahmen
der Untermaschinerie tatsächlich nicht erforderlich sei.
Hinsichtlich der Anträge gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB bringt die Antragsgegnerin vor, dass ihr weitere
Verzögerungen des Vorhabens, dessen Ausführung nach der Planung bereits am 01.08.2012 hätte beginnen
sollen, nicht zumutbar seien.
Die Einhaltung des Bauablaufplans sei von überragender Bedeutung, um die Fertigstellung des Projekts zum
30.08.2013 sicherzustellen. Vor Beginn der neuen Spielzeit im Oktober 2013, in der unter neuer Intendanz
zahlreiche Premieren geplant seien, müsse rechtzeitig mit den erforderlichen zahlreichen Proben mit
entsprechend häufigen Umdekorationen begonnen werden. Anderenfalls drohten erhebliche Mehrkosten, die im
Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg nicht abgesichert seien sowie ein für das Haus schädlicher
Imageverlust.
d) Die Beigeladene, die keinen ausdrücklichen Antrag stellt, verteidigt ebenfalls die angegriffene Entscheidung
der Vergabekammer, mit im Wesentlichen dem Vorbringen der Antragsgegnerin entsprechenden Vortrag.
Hinsichtlich der unterlassenen weiteren Losaufteilung weist sie ergänzend darauf hin, dass die Antragsgegnerin
die möglicherweise unterlassene Dokumentation jedenfalls im Nachprüfungsverfahren nachgeholt habe.
Soweit die Antragsgegnerin besonderes Gewicht auf die Funktionalität der Steuerung lege, sei dies
sachgerecht, da diese das wichtigste Teilstück der Leistung darstelle und gerade bei ihr, weniger aber bei der
Maschinerie, von vornherein erhebliche Qualitätsunterschiede zu erwarten gewesen seien.
Auch die Beigeladene ist der Auffassung, dass für eine Diskriminierung der Antragsteller nichts spreche: Diese
hätten nicht dargelegt, welche konkreten Bedingungen der Ausschreibung sie – die Beigeladene – bevorzugten.
Soweit die Antragstellerin zu 1 vorbringe, dass sie nicht in der Lage sei, Steuerung und Maschinerie
gemeinsam anzubieten, werde dieses Vorbringen durch ihren eigenen Internetauftritt widerlegt, in dem sie auf
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ihre umfassenden Kompetenzen und zahlreiche Referenzobjekte verweise.
Tatsächlich seien die Antragstellerinnen nicht in der Lage, sich dem Wettbewerb zu stellen, Probleme mit den
von der Antragsgegnerin aufgestellten Anforderungen stellten sich nur für Bieter, die nicht auf der Höhe der Zeit
seien. Dies zeige sich gerade in ihrer Ablehnung der – kurzfristigen – Teststellung, da diese tatsächlich am
europäischen Markt für Bühnentechnik ganz üblich geworden sei.
e) Der Senat hat nach Eingang der sofortigen Beschwerden deren aufschiebende Wirkung mit Beschlüssen
vom 29.08.2012 einstweilen bis zum Eingang der von Antragsgegnerin und Beigeladener angeforderten
Stellungnahmen und sodann nochmals mit Beschlüssen vom 18.09.2012 bis zum 02.10.2012 verlängert. Mit
den letztgenannten Beschlüssen sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtige,
die Anträge gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB am 02.10.2012 zu bescheiden.
2. Die Anträge der Antragstellerinnen auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsmittel sind
zurückzuweisen, da unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen
Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerden die damit verbundenen
Vorteile überwiegen (§ 118 Abs. 2 S. 1 GWB).
Auch unter Geltung der novellierten Fassung des § 118 Abs. 2 GWB kommt nach ganz allgemeiner Auffassung
im Rahmen der Abwägung nach dieser Vorschrift weiterhin den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels
entscheidende Bedeutung zu (Ziekow/Völlink-Losch, Vergaberecht, 2011, § 118 GWB, Rn. 39 m.w.N).
Nach derzeitigem Sachstand werden die zulässigen Rechtsmittel der Antragstellerinnen jedoch voraussichtlich
keinen Erfolg haben.
a) Soweit beide Antragstellerinnen rügen, dass die Ausschreibung gezielt auf die Beigeladene zugeschnitten
worden sei, haben sie schon die Rechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt, womit ihnen insoweit die
Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB fehlt und ihre Nachprüfungsanträge somit unzulässig waren.
Beide Antragstellerinnen behaupten zwar den Zuschnitt des Anforderungsprofils auf die Beigeladene, worin
genau diese diskriminierende Ausgestaltung der Ausschreibung liegen soll, bleibt jedoch dunkel.
Es fehlt jeder detaillierter Vortrag dazu, welche der technischen Vorgaben gem. Ziffer VI.3 der
Auftragsbekanntmachung nur die Beigeladene erfüllen kann, weshalb gerade diese Anforderungen nicht
sachgerecht sein sollen und aus welchem Grunde sie von den Antragstellerinnen nicht erbracht werden
könnten.
(1) So beschränkt sich die Antragstellerin zu 2 in der Beschwerdeschrift vom 27.08.2012 auf den Vortrag,
die Absicht der Antragsgegnerin, im Rahmen der Teststellung den Erfüllungsgrad der Funktionalitäten zu
bewerten, wirke diskriminierend, da hierdurch derjenige Bieter bevorzugt werde, der zum Zeitpunkt der
Teststellung über eine Anlage verfüge, die zu diesem Zeitpunkt „zufällig“ die meisten Funktionen erfülle.
Demgegenüber war der Vortrag in ihrem Nachprüfungsantrag vom 12.07.2012 noch etwas substantiierter,
indem die Antragstellerin zu 2 vorbrachte (aaO. S. 10 unten), dass teilweise nicht marktgängige
Sonderfunktionen gefordert würden und die Beigeladene über eine Testversion verfüge, die einen Großteil
dieser Funktionalitäten abbilden könne.
Auch hier fehlt jedoch jeder Vortrag dazu, um welche Funktionen es sich handeln soll, weshalb sie als
„nicht marktgängig“ einzustufen seien und insbesondere weshalb die Antragstellerin zu 2 nicht gleichfalls
über eine entsprechende Teststellung verfüge.
Soweit sie Beispiele für nach ihrer Auffassung nicht marktübliche Funktionen benennt (S. 19 oben der
Beschwerdeschrift sowie S. 17 unten des Schriftsatzes vom 27.09.2012) trägt sie gerade nicht vor, diese
Funktionen nicht erbringen zu können und ist zudem dem Vortrag der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom
07.09.2012 (dort S. 19/20), wonach das Steuerungsprogramm der Antragstellerin zu 2 sämtliche abgefragte
Funktionalitäten abdecke und diese eine entsprechende Anlage auch schon mehrfach auf Messen und
Tagungen vorgeführt habe, nicht entgegengetreten.
Damit aber fehlt jeder Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Diskriminierung, genauso gut vorstellbar
ist, dass – wie die Beigeladene vorträgt – die Antragstellerin zu 2 schlicht nicht in der Lage ist, ein
konkurrenzfähiges Produkt anzubieten.
Gleiches gilt, soweit die Antragstellerin zu 2 meint (S. 12 unten ihrer Beschwerdeschrift), dass sich die
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diskriminierende Tendenz der Ausschreibung „bei den Kriterien Programmierweise und
Programmiergeschwindigkeit“ fortsetze, soweit die geheim gehaltenen Beispielsaufträge sich auf nicht
vorhandene Funktionen beziehen sollten – auch hier wird nicht substantiiert, um welche Funktionen es sich
hierbei handeln könnte und weshalb die Antragstellerin zu 2 nicht in der Lage sei, diese ebenfalls schon zur
Teststellung anzubieten. Auch ihrem dem Nachprüfungsantrag als Anl. AS 3 beigefügten Rügeschreiben
ist nichts Weiterführendes zu der Frage zu entnehmen, um welche konkreten Funktionen es sich insoweit
handeln solle (aaO., S. 4 unten).
(2) Der Vortrag der Antragstellerin zu 1 ist nicht gehaltvoller: Auch sie behauptet den „Zuschnitt“ des
Verfahrens auf die Beigeladene, unterlegt dies aber nicht hinreichend mit Tatsachen.
Völlig unklar bleibt, weshalb der Umstand, dass die Beispielsaufträge geheim gehalten wurden, die
Beigeladene bevorzugen sollte (S. 15 oben der Beschwerdeschrift vom 24.08.2012) – wenn dies für alle
Bieter einschließlich der Beigeladenen galt, konnte sich hieraus keine unlautere Bevorzugung der Fa. T...
ergeben; dass dies nicht der Fall gewesen wäre, hat jedoch auch die Antragstellerin zu 1 nicht dargelegt
und mit ihrem Nachprüfungsantrag vielmehr schlicht „unterstellt“ (S. 5 oben des Rügeschreibens vom
20.06.2012, Anl. AST 4 zum Nachprüfungsantrag vom 28.06.2012), dass die Beispielsaufträge der Fa. T...
„seit geraumer Zeit bekannt“ seien. Derartige Vermutungen können detaillierten Sachvortrag nicht ersetzen
und bieten auch keinen Ansatzpunkt für amtswegige Ermittlungen, zumal auch die Antragstellerin zu 1,
nachdem die Antragsgegnerin diesen Vorwurf umgehend zurückgewiesen hatte (Schreiben vom
27.06.2012, Anl. AST 5 zum Nachprüfungsantrag), ihn mit dem Nachprüfungsantrag derart pointiert gerade
nicht aufrechterhalten hatte und sich vielmehr ebenfalls auf die ausgesprochen weiche und unbestimmte
Formulierung zurückzog, „es habe den Anschein“, dass die Ausschreibung auf die Beigeladene
zugeschnitten worden sei (S. 8/9 des Nachprüfungsantrages vom 28.06.2012).
Hinsichtlich der Forderung nach einzelnen Funktionen und deren Nachweis schon in der Teststellung ist
der Vortrag der Antragstellerin zu 1, zu der Frage, welche konkreten Anforderungen zu einer Bevorzugung
der Beigeladenen führen sollten und weshalb sie selbst nicht in der Lage sei, diese in gleicher Weise zu
erfüllen, um nichts substantiierter als der Vortrag der Antragstellerin zu 2.
(3) Soweit die Antragsgegnerin und die Beigeladene der Auffassung sind, dass eine Antragsbefugnis der
Antragstellerinnen schon zu verneinen sei, da diese keine Angebote abgegeben und damit ihr Desinteresse
an dem Zuschlag zu erkennen gegeben hätten, greift dieser Einwand allerdings nicht durch, da der Vortrag
der Antragstellerinnen ja gerade dahin geht, dass die Antragsgegnerin durch die Fassung der
Ausschreibung Wettbewerbern der Beigeladenen effektiv die Möglichkeit genommen habe, ein
chancenreiches Angebot zu unterbreiten.
b) Zu Recht hat die Vergabekammer einen Teil des Vorbringens der Antragstellerinnen wegen Verstoßes gegen
die Pflicht zur unverzüglichen Rüge aus § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB präkludiert angesehen.
(1) Mit den Vergabesenaten der Oberlandesgerichte Dresden (Beschluss vom 07.05.2010, WVerg 6/10, auf
den umfassend Bezug genommen wird) und Rostock (Beschluss vom 20.10.2010, 17 Verg 5/10), ist der
Senat der Auffassung, dass der Tatbestand des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB auch unter Berücksichtigung
der neueren Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 28.01.2010, C-406/08 und C-456/08) weiterhin
anwendbar ist, insbesondere da der Begriff der „Unverzüglichkeit“ im deutschen Recht nicht nur in § 121
BGB legal definiert, sondern auch durch eine mehr als hundert Jahre zu- rückreichende Entwicklung der
Rechtsprechung so weit als nur möglich konkretisiert und der Umfang der Rügepflicht für die
Normadressaten damit hinreichend bestimmt ist.
Soweit die Antragstellerin zu 2 der Auffassung ist, dass damit eine Divergenz zur Auffassung des OLG
München vorliege (Beschluss vom 03.11.2011, Verg 14/11) vorliege, kann vorliegend zunächst
offenbleiben, ob in der Tat eine entscheidungserhebliche Abweichung vorliegt, da eine Divergenzvorlage im
Eilverfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB nicht in Betracht kommt (§ 124 Abs. 2 S. 4 GWB).
Auch eine Vorlage gem. Art. 267 AEUV kommt schon mit Rücksicht auf den summarischen Charakter der
Prüfung im vorliegend beschiedenen Eilverfahren nicht in Betracht, da eine Prüfung der (möglicherweise)
entscheidungserheblichen Frage zur weiteren Anwendbarkeit der Regelung des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1
GWB jedenfalls im Hauptsacheverfahren erfolgen kann (vgl. Streinz-Ehricke, EUV / AEUV, 2. Aufl. 2012,
Art. 267 AEUV, Rn. 44 m.w.N.).
(2) Bei der im Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB gebotenen summarischen Prüfung und mangels
detaillierten Vortrages der Antragstellerin zu 1 zu den konkreten Abläufen bei der Kenntnisnahme von der
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Auftragsbekanntmachung und deren Bearbeitung ist davon auszugehen, dass die Rügen der Antragstellerin
zu 1 hinsichtlich der unterbliebenen weiteren Losaufteilung (nach Steuerung und Maschinerie) sowie zur
Forderung der Antragsgegnerin nach Funktionalitäten, die keine Standardfunktionen seien, nicht
unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB erfolgt sind.
Zu Recht ist die Vergabekammer davon ausgegangen, dass sich die Antragstellerin zu 1 der Kenntnis
dieser Umstände – wenn sie denn tatsächlich nicht positiv vorhanden gewesen sein sollten – jedenfalls
mutwillig entzogen hätte.
Der eigene Vortrag der Antragstellerin zu 1 lässt nur den Schluss zu, dass ihrerseits zumindest kursorisch
vom Inhalt der Auftragsbekanntmachung Kenntnis genommen wurde. Anders ist in keiner Weise plausibel
zu erklären, wie die Antragstellerin zu 1 den Zeitpunkt bestimmt haben will, zu dem mit der Bearbeitung der
Angebotserstellung begonnen werden sollte. Denn dies setzt zwingend voraus, dass zumindest in großen
Zügen bekannt ist, welchen Umfang der fragliche Auftrag haben wird und welche Bearbeitungsschritte er
daher erfordert. Hieran ändert auch der Vortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor der
Vergabekammer (S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 31.07.2012) nichts: Selbst wenn zwischen Einholung
der Unterlagen am 31.05.2012 und dem 19.06.2012 an dem Angebot wegen laufender
Umstrukturierungsmaßnahmen nicht gearbeitet worden sein sollte, so konnte der Schluss, dass eine
Bearbeitungszeit von zehn Tagen bis zur Submission ausreichend sein würde gleichwohl nur nach der
entsprechenden Kenntnisnahme von den zu erfüllenden Anforderungen – jedenfalls „im Groben“ – gezogen
werden.
Unter Ziffer II.2.1 der Auftragsbekanntmachung ist jedoch ohne weiteres zu erkennen, dass hier
Maschinerie und Steuerung eben gerade nicht getrennt, sondern als ein Los ausgeschrieben worden waren.
Da nach ihrem eigenen Vortrag für die Antragstellerin zu 1 gerade in der Verbindung von Steuerung und
Maschinerie ein ganz wesentliches Hindernis für die Abgabe eines Gebotes gelegen haben soll, da sie sich
mit der Entwicklung ihres „Q-touch“-Systems vorwiegend auf die Steuerung bühnentechnischer Anlagen
konzentriert habe (S. 7 ihres Nachprüfungsantrages vom 28.06.2012), ist jedenfalls nach dem
Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht vorstellbar und von der Antragstellerin zu 1 nicht schlüssig
vorgetragen, dass dieser für sie damit entscheidende Punkt ihren Mitarbeitern nicht aufgefallen sein sollte,
vielmehr mussten diese bei der Sichtung der Auftragsbekanntmachung ihr Augenmerk gerade auf diesen
Punkt richten.
Schließlich ist die Vergabekammer auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin zu 1 aus
diesen ihr bekannten Umständen zumindest im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre auf die –
aus ihrer Sicht – diskriminierende Wirkung der unterbliebenen Aufteilung und damit einen
Vergaberechtsverstoß geschlossen haben muss.
Auch wenn sie sich selbst als eher unerfahrenen Mittelständler mit wenig Expertise im Vergaberecht sehen
mag (S. 3 ihrer Stellungnahme gegenüber der Vergabekammer vom 11.07.2012), so lässt der
Internetauftritt der Antragstellerin zu 1 (http://www...) mit der dort gegebenen eindrucksvollen Darstellung
zahlreicher und teilweise offenbar recht umfangreicher Projekte sehr wohl den Schluss zu, dass jedenfalls
bei in verantwortlicher Stellung handelnden Mitarbeitern der Antragstellerin zu 1 bekannt sein muss, dass
mittelständischen Interessen im Vergabewesen gerade durch die Pflicht zu angemessener Losaufteilung
Rechnung getragen werden soll, da es sich hierbei um Kernbestand des Vergaberechts handelt und gerade
bei einem auf diesem offenbar hart umkämpften Markt auftretenden Mittelständler nicht vorstellbar ist,
dass in der Geschäftsführung gerade für dieses Unternehmen so wesentliche Regelungen unbekannt sein
könnten.
Damit ist die Rüge der unterbliebenen Losaufteilung mit Schreiben vom 20.06.2012 deutlich zu spät erfolgt,
da seit Kenntnisnahme von diesem Umstand mehrere Wochen verstrichen waren.
Gleiches gilt hinsichtlich des Umstandes, dass die Antragsgegnerin mit der Auftragsbekanntmachung nur
bereits vorhandene Funktionalitäten gefordert hatte, obwohl es sich – nach Behauptung der Antragstellerin
zu 1 – teilweise nicht um Standardfunktionen gehandelt habe, die bis zur Submission bzw. bis zur
Teststellung nicht mehr hätten entwickelt werden können, woraus auf den Zuschnitt der Ausschreibung auf
die Beigeladene zu schließen sei.
Denn auch die Anforderungen an das Zuschlagskriterium „Funktionalität“ sind unter Ziffer VI.3 der
Auftragsbekanntmachung eindeutig beschrieben und auch für sie gilt, dass die Antragstellerin zu 1
jedenfalls nicht dargelegt hat, wie sie zu einer Festlegung des Bearbeitungsbeginns auf den 19.06.2012
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gekommen sein will, ohne jedenfalls in großen Zügen davon Kenntnis zu nehmen, welche Anforderungen
das zu erstellende Angebot würde erfüllen müssen.
Und wiederum musste den handelnden Personen – gerade wenn es sich um technisch versierte Mitarbeiter
handelte, die den Beginn der Bearbeitung festlegten – unmittelbar erschließen, dass – sofern hier
tatsächlich ungewöhnliche Funktionalitäten gefordert worden sein sollten – die Antragstellerin zu 1 nicht in
der Lage sein würde, diese bis zur Teststellung darzustellen, womit auch das Zuschlagskriterium
Funktionalität als diskriminierend und damit bei Wertung in der Laiensphäre vergaberechtswidrig erkannt
sein musste.
(3) Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens ist auch davon auszugehen, dass ein Großteil der Rügen
der Antragstellerin zu 2 wegen Nichteinhaltung der Rügefrist aus § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB präkludiert
ist.
Hinsichtlich der Rüge einer unterbliebenen weiteren Loseinteilung und der nach Auffassung der
Antragstellerin zu 2 fehlerhaften bzw. fehlgewichteten Anforderungen an die Steuerung wird auf die
Ausführungen zur Verfristung der Rügen der Antragstellerin zu 1 Bezug genommen, die im Grundsatz auch
hier gelten – auch die Antragstellerin zu 2 hatte mehrere Wochen vor Erhebung der Rügen Kenntnis von
der Auftragsbekanntmachung, auch sie hat nicht plausibel dargelegt, wie sie zur Festlegung des Beginns
der Bearbeitung auf den 18.06.2012 gelangt sein will, ohne sich jedenfalls einen groben Überblick über die
Anforderungen an das Angebot verschafft zu haben, bei dem aber die von ihr jetzt gerügten Punkte sofort
ins Auge fallen mussten. Sie bringt selbst vor (S. 18 ihres Schriftsatzes vom 27.09.2012), dass eine
Erstellung der von ihr als Sonderfunktionen angesehenen Funktionalitäten nicht einmal in dreißig Tagen zu
bewältigen gewesen wäre – umso mehr ist davon auszugehen, dass sie sich schon bei erster Sichtung
einer Ausschreibung, und damit auch der streitgegenständlichen, einen Überblick über die Anforderungen
verschafft, da ihre Planung der Abarbeitung eines zu erstellenden Angebotes ansonsten schlicht dem
Zufall überlassen bliebe.
Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2 ist auch die Rüge einer gezielten Diskriminierung durch Ausrichtung
der Ausschreibung auf die Beigeladene – wenn man sie entgegen den obigen Ausführungen als hinreichend
substantiiert dargelegt und die Antragstellerin zu 2 damit auch insoweit antragsbefugt im Sinne des § 107
Abs. 2 GWB ansehen wollte – jedenfalls präkludiert.
Bei der hier gebotenen summarischen Bewertung des Sachverhalts kann aus den Vorgängen um die
Ausschreibung für das Haus der Berliner Festspiele im Jahre 2010 nur der Schluss gezogen haben, dass
für die auf Seiten der Antragstellerin zu 2 handelnden Personen ein Blick auf die streitgegenständliche
Auftragsbekanntmachung genügte, um zu erkennen, dass vorliegend – nach ihrer Auffassung nach
bekanntem Muster – versucht wurde, den Auftrag der Beigeladenen zuzuschanzen.
Denn in der Tat gleicht die Auftragsbekanntmachung hinsichtlich des Berliner Festspielhauses in nach dem
Vortrag der Antragstellerin zu 2 für den Schluss auf eine Diskriminierung zentralen Punkten – namentlich
der unterbliebenen Losaufteilung, der Anforderungen an die Funktionalitäten und der Gewichtung von Preis
und Funktionalität der Steuerung zu je 50 % – weitgehend der hier vorliegenden Ausschreibung.
Dem Schreiben der Geschäftsführung vom 23.04.2010 (Anlage BF 10 zur Beschwerdeschrift der
Antragstellerin zu 2 vom 27.08.2012) ist ohne weiteres zu entnehmen, dass diese die fragliche
Ausschreibung für rechtswidrig hielt, indem abschließend festgestellt wurde, dass „eine objektive
Bewertung der Bieter auf einer gleichrangigen Bewertung von Preis und tatsächlich benötigter Leistung
nicht möglich war.“ Das ist nichts anderes, als die Umschreibung eines Verstoßes gegen die
Grundprinzipien des § 97 Abs. 2 GWB – dass die Geschäftsführung eines derart markterfahrenen
Unternehmens (siehe nur die im Internetauftritt angegebenen Referenzen http://www...) – hieraus nicht auf
eine Rechtswidrigkeit gezogen haben sollte, erscheint abwegig. Allein der Umstand, dass seinerzeit
offenbar der Rechtsweg nicht beschritten wurde, sondern die Antragstellerin zu 2 nur von der Einreichung
eines Angebotes absah, lässt diese Folgerung nicht zu.
Auf die zwischen den Parteien streitigen Abläufe der Gespräche zwischen Herrn ... und Herrn ... am Rande
der Tagung in Magdeburg am 21.06.2012 kommt es damit nicht entscheidend an.
c) Nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens ist aber auch ein materieller Verstoß gegen drittschützende
Normen des Vergaberechts im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB nicht ersichtlich.
(1) Dies gilt zunächst hinsichtlich des zentralen Vorwurfs der Antragstellerinnen zu einer gezielten
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Diskriminierung durch Ausrichtung des Verfahrens auf die Beigeladene.
Selbst wenn man entgegen den Ausführungen zu oben lit. a) insoweit die Antragsbefugnis als gewahrt
ansehen und entgegen oben lit. b) auch eine unverzügliche Rüge annehmen wollte, so fehlt es jedenfalls
materiell an tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme eines Verstoßes gegen § 97 Abs. 2 GWB.
Von einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz wäre zum einen auszugehen, wenn die
Antragsgegnerin und die Beigeladene, etwa durch Vorabbekanntgabe der Beispielsaufträge oder sonstige
Absprachen im Vorfeld der Ausschreibung, in unlauterer Weise zusammengewirkt haben sollten, wofür –
wie oben dargelegt – jeder konkrete, über bloße Mutmaßungen der Antragstellerinnen hinausgehende
Anhaltspunkt fehlt.
Zum anderen wäre eine Diskriminierung anzunehmen, wenn die Antragsgegnerin in der Tat Anforderungen
formuliert haben sollte, die nur von der Beigeladenen bis zur Teststellung erfüllt werden konnten und diese
zugleich so ungewöhnlich, so wenig marktüblich gewesen sollten, dass darauf zu schließen wäre, dass
diese Funktionalitäten tatsächlich nicht auf Grund der sachlichen Erfordernisse des Vorhabens, sondern
ausschließlich mit dem Ziel aufgenommen worden wären, eine Vergabe des Auftrages an die Beigeladene
sicherzustellen.
Auch hierfür liefert der Vortrag der Antragstellerinnen – wie oben dargelegt – keinerlei konkrete
Anknüpfungstatsachen, da er sich in der Behauptung unüblicher Anforderungen erschöpft, diese aber in
keiner Weise detailliert oder auch nur im Ansatz nachvollziehbar darlegt und auch nicht verdeutlicht, aus
welchen Gründen sie selbst nicht in der Lage gewesen seien, die fraglichen Anforderungen fristgerecht zu
erfüllen.
Insbesondere sind die Antragstellerinnen dem substantiierten Vortrag der Antragsgegnerin (S. 14 des
Schriftsatzes vom 07.09.2012), wonach für die Untermaschinerie im Gegensatz zur Obermaschinerie der
Standard SIL 3 nicht einzuhalten sei und vielmehr das Sicherheitslevel SIL 2 genüge, nicht
entgegengetreten.
(2) Auch ein Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB durch die gemeinsame Ausschreibung von Steuerung und
Maschinerie ist – wenn man diese Rüge entgegen oben lit b) als unverzüglich erhoben ansehen wollte –
jedenfalls nach dem Sachstand des Eilverfahrens nicht anzunehmen.
Allerdings formuliert § 97 Abs. 3 S. 1 GWB den Grundsatz der Vergabe in Losen, womit hier die Bildung
von Fachlosen für die Steuerung einerseits und die Maschinerie andererseits durchaus in Betracht kam.
Jedenfalls bei der vorliegend gebotenen summarischen Bewertung des Sachverhalts ist jedoch davon
auszugehen, dass hinreichende wirtschaftliche und technische Gründe im Sinne des § 97 Abs. 3 S. 3
GWB vorliegen, die eine Gesamtvergabe rechtfertigen.
Mit dem OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.04.2012 – Verg 100/11; Rnrn. 15 – 17 – zitiert nach juris) ist
auch der Senat der Auffassung, dass gerade bei der Beschaffung eines integrierten Systems aus
komplizierter Hardware und ebenso komplexer Steuerung, das im laufenden Betrieb eine Vielzahl
komplizierter Arbeitsaufträge erfüllen muss, eine Gesamtvergabe naheliegt. Denn es ist unzweifelhaft eine
„Erfahrungstatsache, dass insbesondere bei der Integration unterschiedlicher Hardwarekomponenten und
Software im System Kompatibilitätsprobleme, technische Schwierigkeiten und Verzögerungen auftreten
können, die zu Mehrkosten beim Gebrauch führen“ (OLG Düsseldorf aaO., Rn. 17).
Dass es sich vorliegend um ein komplexes System handelt, wird auch von den Antragstellerinnen nicht
bestritten, die vielmehr der Auffassung sind, dass mit der Forderung nach unüblichen Funktionalitäten
sogar eine überdurchschnittlich komplizierte Anlage ausgeschrieben wurde.
Ebenso unstreitig ist, dass Probleme in der Abstimmung der Komponenten und insbesondere eine
Unzuverlässigkeit im Betrieb zu erheblichen Sicherheitsproblemen für die auf der Bühne beschäftigten
Mitarbeiter der Antragsgegnerin führen können.
Für die Richtigkeit der Argumentation der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zur Notwendigkeit der
Gesamtvergabe spricht schließlich ganz deutlich der Umstand, dass – unstreitig – auch die
Gefährdungsanalyse für das Gesamtsystem vorgenommen wird und – ebenso unstreitig (vgl. Schriftsatz
der Antragsgegnerin vom 18.07.2012 im Nachprüfungsverfahren der Antragstellerin zu 1, dort S. 10) die
„TÜV-Abnahme“ für die gesamte Anlage und nicht etwa für einzelne Teile erfolgt.
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Ebenso ist es unmittelbar einleuchtend, dass bei derart integrierten Systemen im Gewährleistungsfall bei
getrennter Vergabe dem Einwand der Auftragnehmer, das jeweils den anderen Leistungserbringer die
Verantwortung für eine konkrete Störung treffe Tür und Tor geöffnet wäre – mit möglicherweise erheblichen
wirtschaftlichen Nachteilen für den Auftraggeber.
Schließlich sind die Antragstellerinnen dem durch Anführung zahlreicher Bauvorhaben substantiierten
Vortrag der Antragsgegnerin – S. 10 des Schriftsatzes vom 06.07.2012 und S. 12/13 des Schriftsatzes
vom 18.07.2012 und insbesondere Schreiben der Antragsgegnerin vom 27.06.2012 (Anl. ASt. 5 zum
Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu 1 vom 28.06.2012) – wonach die gemeinsame Vergabe von
Steuerung und Maschinerie ganz üblich sei, nicht hinreichend entgegengetreten.
Soweit die Antragstellerin zu 2 hier zwei Beispiele für eine losweise Vergabe vorbringt (S. 16/17 ihres
Schriftsatzes vom 27.08.2012) genügt dies bei summarischer Prüfung nicht, um den Schluss auf eine
Marktüblichkeit der Gesamtvergabe zu erschüttern, zumal ausweislich ihres eigenen Internetauftritts (s.o.)
auch die Antragstellerin zu 1 – obwohl sie sich selbst als Spezialistin für Steuerungssysteme ansieht und
sich nach ihrem Vortrag gerade durch die Gesamtvergabe an der Abgabe eines Gebotes gehindert sah –
bei einer Vielzahl der angegebenen Referenzprojekte sowohl die Steuerung, als auch die Mechanik geliefert
hat.
In gleicher Weise stellt die Antragstellerin zu 2 in ihrer Internetpräsentation (http://www...) gerade ihr
Angebot für „Integrierte Lösungen für Mechanik, Elektrik und Automation“ in den Vordergrund, was nur den
Schluss zulässt, dass auch aus ihrer Sicht gerade die vollständige Kompatibilität der einzelnen
Komponenten ein ganz wesentliches Qualitätskriterium darstellt.
Eine Gesamtwürdigung aller dieser Faktoren lässt – jedenfalls im Eilverfahren – nur den Schluss zu, dass
die Entscheidung für eine Gesamtvergabe von der gerade insoweit anzunehmenden
Einschätzungsprärogative des Auftraggebers (vgl. OLG Düsseldorf aaO., Rn. 16) gedeckt war.
Soweit die Gründe für die unterbliebene Losaufteilung zunächst nicht hinreichend dokumentiert waren, folgt
der Senat der auch insoweit überzeugenden Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf (21.07.2010, VII-Verg
19/10, Verg 19/10 – Rz. 150, zitiert nach juris) wonach analog § 114 VwGO die Dokumentation im
Nachprüfungsverfahren nachgeholt werden kann, wenn – wie vorliegend – bei einer Aufhebung des
Verfahrens im Hinblick auf die unterbliebene Losaufteilung der Auftraggeber die Losaufteilung aus den
„nachgeschobenen“ Gründen ohne Weiteres erneut ablehnen könnte – die gerichtliche Überprüfung von
Vergabeverfahren muss effektivem Rechtsschutz dienen, darf aber nicht zu materiell vollständig sinnlosen
weiteren Verfahrensschritten führen; ergänzend wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der
Vergabekammer auf S. 37/38 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
(3) Zu Recht ist die Vergabekammer auch davon ausgegangen, dass es sich bei den fünfzehn im Rahmen
des Teststellung abzuarbeitenden geheimen Beispielsaufträgen nicht um „Unter-Wertungskriterien“
handelte, die von der Antragsgegnerin im Hinblick auf das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB zu
veröffentlichen gewesen wären.
Soweit beide Antragstellerinnen hier gerügt haben, dass teilweise ungewöhnliche und nicht dem
Marktstandard entsprechende Funktionalitäten gefordert worden seien, kann dem – vorbehaltlich näheren
Vortrages im Hauptsacheverfahren – zum einen schon deshalb nicht nachgegangen werden, weil die
Beschwerdeführerinnen die aus ihrer Sicht zweifelhaften Positionen wie bereits ausgeführt nicht
hinreichend benannt und insbesondere nicht substantiiert ausgeführt haben, weshalb sie von der
Beigeladenen, nicht aber von ihnen erbracht werden konnten.
Zudem muss es bei dem vergaberechtlichen Grundsatz (Ziekow/Völlink-Ziekow, aaO., § 97 GWB, Rn. 90)
verbleiben, dass der öffentlichen Auftraggeber seinen Bedarf bis zur Grenze offensichtlicher
Unangemessenheit selbst definieren und damit auch die Antragsgegnerin vorliegend festlegen kann,
welche Erwartungen sie an die zu beschaffende Bühnentechnik stellen will.
Dass insoweit Anforderungen aufgestellt worden seien, die keinen Sachbezug mehr aufwiesen, womit das
der Antragsgegnerin eröffnete weite Ermessen überschritten sein könnte, haben die Antragstellerinnen
nicht einmal im Ansatz dargelegt und ist auch sonst nicht zu erkennen.
Unzweifelhaft ist dem Auftraggeber grundsätzlich der Weg einer Überprüfung der Angaben des Bieters im
schriftlichen Angebot durch eine Teststellung eröffnet (vgl. nur: OLG München 03.11.11; Verg 14/11;
Dreher, Präsentationen und Vorführungen von Leistungen im Vergabeverfahren, NZBau 2006, 144, 145 mit
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zahlreichen weiteren Nachweisen).
Im Rahmen einer solchen Teststellung lässt sich die Funktion einer technischen Anlage jedoch
naturgemäß nur prüfen, wenn im später beabsichtigten Betrieb tatsächlich auftretende Aufgaben –
vorliegend im Wege der computergestützten Simulation – abgearbeitet werden. Damit handelt es sich bei
den Beispielsaufträgen um für die Durchführung der Teststellung zwingend erforderliche Aufgaben, die
gerade nicht zusätzliche Anforderungen an die Gebote definieren, sondern vielmehr dem Zweck dienen, im
Sinne einer verifizierenden Teststellung (vgl. Dreher aaO., s. 147) festzustellen, inwieweit die geforderten
Zuschlagskriterien tatsächlich von dem jeweiligen Bieter erfüllt werden.
Da Zuschlagskriterien hier nicht nur die einzelnen Funktionalitäten an sich (wie aufgeführt unter VI.3.) 4.5
der Auftragsbekanntmachung) sondern eben auch Programmierweise, untergliedert nach „Einfachheit“ und
„schnellem Probenbetrieb“, sowie „Geschwindigkeit“, untergliedert nach „Einhaltung der vorgegebenen Zeit“
und „Schnelligkeit“ (aaO., Ziffer 4.6 und 4.7) waren, ist auch die Geheimhaltung sachgerecht.
Die vorgenannten, durchaus sachbezogenen Kriterien stellen sich wiederum als Teil der von dem weiten
Ermessen des Auftraggebers gedeckten Definition seines Leistungsbedarfs dar. Da sie ablaufbezogen sind
und nachvollziehbar damit begründet wurden, dass im praktischen Betrieb teilweise rasch auf neue
Situationen reagiert werden müsse, war es geradezu zwingend, diese Aufträge geheim zu halten, da
anderenfalls eine Vorprogrammierung der Abläufe bzw. ein Üben derselben durch die Bieter zu erwarten
gewesen wäre, womit die Teststellung für die Unterkriterien 4.6 und 4.7 jede Aussagekraft eingebüßt hätte.
Da die Antragsgegnerin zulässiger Weise (s.u.) bereits bewährte Technik forderte, begegnet auch der
Umstand, dass die Teststellung bereits einen Tag nach der Submission erfolgen sollte, keinen Bedenken.
Schließlich ist von den Antragstellerinnen nicht substantiiert dargelegt worden, dass ihnen durch die
Teilnahme an der Teststellung unzumutbare Kosten entstanden wären; vielmehr hat die Antragstellerin zu
2 den von ihr zu treibenden Aufwand nicht beziffert, während die Antragstellerin zu 1 ihre Behauptung,
dass sie € 20.000,- für die Herstellung eines Bedienpultes hätte aufwenden müssen, nach Vorlage der
Abbildung eines ihr zur Verfügung stehenden Bedienpultes (Anl. BG 1 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin
vom 07.09.2012) nicht mehr vertieft hat.
(4) Auch die Gewichtung der Funktionalität mit 50 % und die Forderung nach „schon am Markt erhältlicher
Software“ (Ziffer III.2.3) der Auftragsbekanntmachung sind nicht offensichtlich unangemessen und damit
von der der Antragsgegnerin zukommenden Prärogative bei der Definition ihres Bedarfes gedeckt.
Wie von der Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat die Antragsgegnerin schon in der
Auftragsbekanntmachung nachvollziehbar dargelegt (insbesondere unter VI.3)4.1), dass gerade der
Steuerung der Bühnentechnik im Hinblick auf die besonderen Anforderungen des Hauses besondere
Bedeutung zukommt. Dass diese Anforderungen offensichtlich fehlsam wären, ist nicht ersichtlich,
vielmehr erscheint es nachvollziehbar, dass Mehrschichtbetrieb, Speicherung zahlreicher Bühnenbilder
über lange Zeiträume, 300 Aufführungen pro Jahr und entsprechender Probenbetrieb die Software und
deren Schnittstellen mit der Maschinerie vor besondere Herausforderungen stellen.
Damit aber erscheint es sachgerecht, dass die Antragsgegnerin in der Praxis bereits bewährte Technik
beschaffen und deren Funktionalität besonders hoch bewerten wollte.
Aus dem gleichen Grunde ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin eine vollständige
Erfüllung der Funktionalitäten forderte und insoweit – d.h. hinsichtlich des Vorhandenseins der Funktionen
– graduelle Abstufungen nicht zulassen wollte.
(5) Schließlich stellen sich die Teststellung und die Abarbeitung der fünfzehn unbekannten
Beispielsaufträge auch nicht als verdeckte zusätzliche Eignungsprüfung dar.
Wie oben ausführlich dargelegt ging es hierbei nicht um die Feststellung eines „Mehr“ an Eignung, vielmehr
sollte nicht bietersondern leistungsbezogen die Qualität des jeweiligen Angebotes überprüft werden; auch
insoweit nimmt der Senat ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer Bezug (S. 36
oben des angefochtenen Beschlusses).
(6) Damit steht zugleich fest, dass es zu einer unzulässigen Vermischung der Wertungsstufen gem. § 16
VOB/A nicht gekommen ist.
Eine bestimmte chronologische Abfolge in dem Sinne, dass eine Prüfung der Angebote durch Teststellung
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erst erfolgen dürfe, wenn die Prüfung der Angebote auf formale Richtigkeit und Vollständigkeit sowie die
Prüfung der Eignung der Bieter bereits erfolgt sind, lässt sich der Norm gerade nicht entnehmen:
Wie ausgeführt dient die Teststellung, jedenfalls nach dem Sachstand des Eilverfahrens, hier der
Tatsachenfeststellung, also der Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen der später erfolgenden Wertung –
wann dies erfolgt, sagt über die Einhaltung der Wertungsstufen überhaupt nichts aus.
Damit ist bei der im Rahmen einer Entscheidung über die Anträge der Antragstellerinnen nach § 118 Abs. 1
S. 3 GWB gebotenen summarischen Prüfung von der Erfolglosigkeit der Rechtsbehelfe auszugehen.
Somit ist im Rahmen der Abwägung gem. § 118 Abs. 2 GWB ein schutzwürdiges Interesse der
Antragstellerinnen an der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerden nicht zu erkennen;
besondere Umstände, die trotz der abzusehenden Erfolglosigkeit der Beschwerden das
Aussetzungsinteresse der Antragstellerinnen als gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an einer
baldigen Vergabe vorrangig erscheinen lassen könnten, sind nicht vorgetragen worden und auch sonst
nicht ersichtlich.
Die Anträge gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB sind daher mit Rücksicht auf das Interesse der Allgemeinheit an
einer zügigen Auftragsvergabe zurückzuweisen.
III.
Auch der Antrag der Antragstellerin zu 1 auf weitergehende Akteneinsicht hat keinen Erfolg.
1. Die Antragstellerin zu 1 hat insoweit ausgeführt, dass sie zu sachgerechter Wahrnehmung ihrer Rechte über
den tatsächlichen Ablauf des Tages der Submission und des Tages der Teststellung informiert sein müsse; nur
so könne sie beurteilen, ob das in den Vergabeunterlagen vorgesehene Procedere tatsächlich eingehalten
worden sei; insoweit müssten inzwischen schriftliche Unterlagen, aber auch das nach der
Auftragsbekanntmachung von der Antragsgegnerin bei der Teststellung zu fertigende Video vorhanden sein. Im
Übrigen beanstandet die Antragstellerin zu 1 die Ausführungen der Vergabekammer zum Umfang der
Akteneinsicht nicht.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene sind auch diesem Antrag entgegengetreten.
Die Beigeladene trägt insoweit vor, dass es aus Sicht der Antragstellerin zu 1 auf den Ablauf der Teststellung
nicht ankommen könne, da sie selbst ja gerade kein Angebot abgegeben habe.
Mit Schriftsatz vom 13.09.2012 (S. 19) hat sie die aus ihrer Sicht geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile
gekennzeichnet.
Die Antragsgegnerin hat entsprechend mit Schriftsatz vom 18.09.2012 vorgetragen und insbesondere darauf
hingewiesen, dass gerade der Ablauf der Teststellung geheimhaltungsbedürftig sei, da hieraus Rückschlüsse
auf das Angebot der Beigeladenen gezogen werden könnten; zugleich hat sie ausdrücklich die Zustimmung
gem. §§ 120 Abs. 2, 72 Abs. 2 S. 1 GWB verweigert.
2. Ein über die bereits gewährte Einsicht hinausgehendes Akteneinsichtsrecht der Antragstellerin zu 1 besteht
nicht.
Hinsichtlich des Ablaufes des Tages der Submission hat die Vergabekammer insoweit zu Recht darauf
verwiesen, dass die Antragstellerin zu 1 selbst kein Angebot abgegeben hat und Fehler beim Ablauf der
Submission damit ihre Zuschlagchancen nicht erhöhen würden.
Hinsichtlich des Ablaufes der Teststellung und insbesondere des insoweit möglicherweise gefertigten Videos
überwiegen Geheimhaltungsinteressen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, da aus diesen Aufnahmen,
die ja gerade die konkrete Leistung des jeweiligen Bieters dokumentieren sollten (Ziffer VI.3) 4.2 der
Auftragsbekanntmachung), Rückschlüsse auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit der vorgeführten Anlage
gezogen werden könnten.
Soweit die Antragstellerin zu 1 sich erhoffen mag, über eine Einsicht in Unterlagen zum Ablauf der Submission
und der Teststellung Anhaltspunkte für die von ihr angenommene gezielte Bevorzugung der Beigeladenen
durch die Antragsgegnerin gewinnen zu können, läge hierin mangels substanzieller Anhaltspunkte für eine
unerlaubte Diskriminierung (s.o.) eine bloße unzulässige Ausforschung.
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IV.
Eine gesonderte Kostenentscheidung ist nicht erforderlich: Zwar handelt es sich bei dem Verfahren über den
Antrag gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB um eine kostenrechtlich vom Beschwerdeverfahren verschiedene
Angelegenheit (Ziekow/Völlink-Losch aaO., § 128 GWB Rn. 34), gleichwohl ist auch über die insoweit
angefallenen Kosten einheitlich im Rahmen der Hauptsacheentscheidung zu befinden.