Urteil des OLG Frankfurt vom 15.03.2017

OLG Frankfurt: urinprobe, arbeitslohn, anstalt, auflage, befund, weiler, arbeitsrecht, entzug, gemeinschaftspraxis, unterliegen

Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ws 1055-
1058/04 (StVollz),
3 Ws 1055/04
(StVollz), 3 Ws
1056/04 (StVollz),
3 Ws 1057/04
(StVollz), § Ws
1058/04 (StVollz)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 37 Abs 2 StVollzG, § 102
StVollzG, § 103 Abs 1 Nr 7
StVollzG, § 49 Abs 2 VwVfG
(Disziplinarmaßnahmen im Strafvollzug: Voraussetzungen
für die dauerhafte Entfernung eines Strafgefangenen von
dem zugewiesenen Arbeitsplatz wegen Verdachts des
Drogenmissbrauchs)
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird unter Aufrechterhaltung der Aufhebung der
Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin vom 13.05.2004 und der Festsetzung
des Gegenstandswertes aufgehoben
1. soweit die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist,
den Antragsteller wieder als Krankenrevierhelfer in ihrem
Bezirkskrankenhaus einzusetzen und
ihm den durch die Ablösung von diesem Arbeitsplatz entgangenen
Arbeitslohn zu ersetzen;
2. hinsichtlich der Kostenentscheidung.
Der Antrag des Antragstellers, ihm den seit der Ablösung entgangenen
Arbeitslohn zu ersetzen, wird als unzulässig verworfen.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antrag des Antragstellers, ihn wieder an
seinem früheren Arbeitsplatz als Krankenrevierhelfer einzusetzen, unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
Von den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen
Auslagen des Antragstellers haben dieser ein Drittel und die Staatskasse zwei
Drittel zu tragen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs einschließlich der insoweit entstandenen
notwendigen Auslagen des Antragstellers werden diesem zu 2/5 und der
Staatskasse zu 3/5 auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 500 €
festgesetzt.
Gründe
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I.
Durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 26.04.2004 wurde der Antragsteller
(vorläufig) von seiner bis dahin ausgeübten Arbeit als Krankenrevierhelfer im
Bezirkskrankenhaus der Justizvollzugsanstalt abgelöst. Zuvor hatte eine durch die
Gemeinschaftspraxis Dr. med. A, O 2, durchgeführte immunchemische
Untersuchung einer dem Antragsteller am 21.04.2004 anlässlich einer
Verdachtskontrolle abgenommenen Urinprobe einen positiven Befund im Hinblick
auf „Haschisch/Cannabis“ ergeben.
Gegen diese Verfügung und weitere aufgrund des Testbefunds angeordnete
Maßnahmen (Verlegung auf eine andere Station und Anordnung von
Trennscheibenbesuch), die nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens
sind, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 29.04.2004 auf gerichtlich
Entscheidung angetragen und die Verpflichtung der Anstalt begehrt, ihn wieder an
seinem bisherigen Arbeitsplatz einzusetzen und ihm den seit der Ablösung
entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen. Eine am 06.05.2004 auf Wunsch des
Antragstellers abgenommene zweite Urinprobe ergab - unter Verwendung des
gleichen immunologischen Testverfahrens - wiederum einen positiven Befund.
Daraufhin ordnete der Anstaltsleiter durch Disziplinarverfügung vom 13.05.2004 -
nach Anhörung des Antragstellers und Durchführung der Disziplinarkonferenz - die
Ablösung des Antragstellers von seiner Arbeit im Krankenhaus für die Dauer von
vier Wochen an.
Mit dem angefochtenen Beschluß hob die Strafvollstreckungskammer unter
anderem diese Disziplinarverfügung auf und sprach die Verpflichtung aus, den -
nach der Ablösung zunächst in einem Unternehmerbetrieb der Anstalt und seit
dem 01.06.2004 (mit einer höheren Vergütungsstufe) in seinem erlernten Beruf
als Maler eingesetzten - Antragsteller wieder als Krankenrevierhelfer im
Bezirkskrankenhaus einzusetzen sowie ihm den durch die Ablösung von diesem
Arbeitsplatz entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen.
II.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene und in gleicher Weise
mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die auch im
Übrigen zulässig ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die Nachprüfung des angefochtenen
Beschlusses ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
Die Rechtsbeschwerde hat mit der erhobenen Sachrüge zum Teil Erfolg.
1.
Die Aufhebung der Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin vom 13.05.2004
erweist sich als rechtsfehlerfrei.
Der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach auch der zweifache positive Befund
der Urinuntersuchungen mittels eines immunchemischen Verfahrens, eines
sogenannten Immunassays, nicht ausreicht, um den für die Ablösung eines
Gefangenen von dem ihm zugewiesenen Arbeitsplatz wegen
Betäubungsmittelkonsums erforderlichen Nachweis mit der erforderlichen
Sicherheit zu führen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann die (dauerhafte) Entfernung eines
Gefangenen von einem ihm zuvor rechtmäßig zugewiesenen Arbeitsplatz nur
unter den Voraussetzungen erfolgen, unter denen ein rechtmäßiger
Verwaltungsakt nach § 49 Abs. 2 VwVfG widerrufen werden kann (Senatsbeschluß
vom 24.07.1997 - 3 Ws 333/97 - NStZ-RR 1998, 31 mit weiteren Nachweisen;
ebenso Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 41, Rdnr. 2).
Grundvoraussetzung für eine solche Entscheidung ist - wie dies für sämtliche den
Gefangenen belastenden Maßnahmen zu fordern ist - zunächst ein vollständig und
zutreffend ermittelter Sachverhalt (Senat, a.a.O.). Letzteres gilt nicht nur für den
Fall einer dauerhaften Entfernung des Gefangenen von seinem Arbeitsplatz,
sondern auch bei einem - wie hier - als Disziplinarmaßnahme verhängten zeitlich
befristeten Entzug der Arbeit. Denn die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme
setzt einen durch Tatsachen belegbaren Verstoß gegen die dem Gefangenen
obliegenden Pflichten voraus (vgl. zu den an die Verhängung einer
Disziplinarmaßnahmen zu stellenden Anforderungen: BVerfG NStZ-RR 2004, 220,
221).
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Daß der Gefangene - wie im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründung
hervorgehoben wird - keinen Anspruch auf Zuweisung einer bestimmten Arbeit,
sondern nur einen solchen auf fehlerfreien Ermessensgebrauch der
Vollzugsbehörde bei der Ausübung ihres Beurteilungsermessens hat (vgl.
Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 37, Rdnr. 3 und § 41, Rdnr. 1), ändert
hieran nichts. Denn eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, daß
die Vollzugsbehörde von einer ausreichenden und zutreffenden
Tatsachengrundlage ausgegangen ist.
Als eine solche Grundlage kommt jedenfalls dann, wenn es um die Ablösung von
der zugewiesenen Arbeit aufgrund einer Disziplinarverfügung geht, der bloße
Verdacht einer Pflichtverletzung, auch wenn sich dieser durch bestimmte
Anhaltspunkte - hier eine zweifache toxikologische Untersuchung - erhärtet haben
mag, nicht in Betracht. Dies gilt auch im Falle des Einsatzes eines Gefangenen in
besonderen Vertrauensstellungen. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts stellt die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme auf
der Grundlage eines bloßen Verdachts einen Verstoß gegen den aus Art. 2 Abs. 1
in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3
GG) abgeleiteten Schuldgrundsatz dar, mit der Folge, daß Disziplinarmaßnahmen
nur angeordnet werden dürfen, wenn zweifelsfrei geklärt ist, ob ein schuldhafter
Pflichtverstoß überhaupt vorliegt (BVerfG NStZ-RR 2004, 220, 221).
An einer solchen zweifelsfreien Klärung fehlt es hier.
Die Frage, ob ein durch bestimmte Anhaltspunkte - hier die zweifache
immunchemische Urinuntersuchung - erhärteter Verdacht als Grundlage zwar
nicht für einen disziplinarrechtlichen Entzug der zugewiesenen Arbeit, aber für eine
Abberufung nach Widerrufsgrundsätzen (§§ 37 Abs. 2 StVollzG, 49 Abs. 2 VwVfG)
ausreichen kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Ablösung von
der Arbeit hier mittels einer Disziplinarverfügung vorgenommen wurde. Ein solcher
Verdacht müsste von seiner Intensität her jedoch demjenigen vergleichbar sein,
der im Arbeitsrecht auch ohne den sicheren Nachweis eines Fehlverhaltens eine
Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen vermag. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verdachtskündigung ist hierfür ein
schwerwiegender Verdacht erforderlich, dessen starke Verdachtsmomente sich
auf objektive Tatsachen gründen und bei dem der Arbeitgeber alle zumutbaren
Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat (BAG, Urteil
vom 06.11.2003, NZA 2004, 919).
Im vorliegenden Fall sind die vorhandenen Möglichkeiten einer Aufklärung des
Sachverhalts nicht in hinreichendem Maße ausgeschöpft worden. Die
Strafvollstreckungskammer hat in dem angefochtenen Beschluß ausführlich
dargelegt, warum trotz der für sich genommen hohen Nachweissicherheit der hier
angewandten Methode der immunologischen Untersuchung der Urinprobe durch
ein Immunassay ein die Ablösung des Antragstellers von der ihm zugewiesenen
Arbeit rechtfertigender Nachweis des Konsums von Betäubungsmitteln nicht mit
ausreichender Sicherheit erbracht ist. Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.
Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 07.03.2003 (3 Ws 74/03)
ausgeführt, es sei aufgrund seiner ständigen Befassung mit gleichgelagerten
Sachverhalten gerichtsbekannt, dass bei den in Justizvollzugsanstalten
üblicherweise durchgeführten Drogenscreenings im Falle eines positiven
Ergebnisses und dagegen erhobenen Einwendungen seitens des Gefangenen die
betreffende Urinprobe zwecks Erhärtung oder Widerlegung des festgestellten
Ergebnisses in einem Labor außerhalb der Justizvollzugsanstalt in einem
aufwendigeren Verfahren (etwa Gaschromatographie) ein zweites Mal untersucht
werde. Hieran wird festgehalten. Die aufgezeigte Verfahrensweise entspricht -
anders als eine bloß einmalige immunchemische Untersuchung oder eine
wiederholte Untersuchung mittels des gleichen immunchemischen Testverfahrens
- den Erkenntnissen der forensischen Medizin und der Toxikologie. Sie stellt sicher,
daß ein Gefangener nicht aufgrund eines bei der Verwendung von Immunassays
zwar selten auftretenden, aber doch möglichen (vgl. im einzelnen Schütz/Weiler,
Risiken nicht bestätigter Drogenanalysen, StV 1999, 452, 453) falschen positiven
Befunds mit einer ihn belastenden Maßnahme überzogen wird.
Seit einigen Jahren werden in der Praxis in zunehmendem Maße immunologische
Untersuchungen durch sogenannte Immunassays zur Feststellung des Konsums
von Betäubungsmitteln vorgenommen. Der Vorteil dieser Untersuchungsmethode
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von Betäubungsmitteln vorgenommen. Der Vorteil dieser Untersuchungsmethode
liegt darin, in sehr kurzer Zeit und kostengünstig (ohne die Durchführung der
kostenintensiveren Analysen mit chromatographischen Methoden) einen ersten
Hinweis auf eine mögliche Betäubungsmitteleinnahme - einschließlich der
Substanzklasse - oder auf deren Ausschluß zu erhalten. In der forensisch-
toxikologischen Fachliteratur wird indes darauf hingewiesen, daß grundsätzlich zu
beachten sei, daß Immunassays lediglich als hinweisgebende Analysen, mithin als
Vortests zur Erlangung einer Aussage über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer
Betäubungsmittelaufnahme zu verwenden seien. Deshalb sei es erforderlich, daß
positive Resultate hinweisgebender Verfahren durch eine zweite unabhängige und
spezifische Methode, nicht aber - wie dies im vorliegenden Fall erfolgt ist - durch
einen zweiten Immunassay, bestätigt würden (Musshoff, Die chemisch-
toxikologische Analyse, in: Madea, Praxis Rechtsmedizin, S. 355, 359/360; ebenso
Schütz/Weiler, Risiken nicht bestätigter Drogenanalysen, StV 1999, 452, 453 und
454). Aus diesem Grund weisen auch die Hersteller von Immunassays regelmäßig
auf die Notwendigkeit valider Bestätigungsanalysen hin (Schütz/Weiler, a.a.O., S.
454). Einen entsprechenden Hinweis enthalten im vorliegenden Fall beide
Untersuchungsbefunde der Gemeinschaftspraxis Dr. med. A.
Da die hier vorgenommene Untersuchung bereits aus den genannten Gründen
nicht ausreicht, um die Maßnahme der Ablösung des Antragstellers von der ihm
zugewiesenen Arbeit zu tragen, kommt es auf die Frage, ob in dem
immunchemischen Untersuchungsbefund der sogenannte Cut-off-Wert (Wert, bei
dessen Überschreitung von einem positiven Befund hinsichtlich der jeweiligen
Substanz auszugehen ist) zu nennen ist - die vorliegenden Untersuchungsbefunde
beinhalten nur den Cut-off-Wert des für den hinsichtlich der Frage einer möglichen
Manipulation an der Urinprobe bedeutsamen Kreatinins (Harnsäure) - nicht
entscheidend an (für eine solche Präzisierung: OLG Hamm ZfStrVo 1989, 314).
Der Aufhebung der Disziplinarverfügung stand nicht entgegen, daß deren auf vier
Wochen festgesetzte Dauer zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung
bereits verstrichen war. Denn durch die Vollziehung einer Disziplinarmaßnahme
tritt - vornehmlich wegen der trotz Beendigung der Maßnahme möglichen
fortwirkenden nachteiligen vollzugsrechtlichen Auswirkungen - in der Regel nicht
deren Erledigung ein (OLG Hamm NStZ 1991, 509, 510; Calliess/Müller-Dietz,
StVollzG, 10. Auflage, § 115, Rdnr. 15), so daß das Landgericht nicht auf eine
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung beschränkt war und
deshalb auch nicht aus Fürsorgegründen auf eine entsprechende Umstellung des
Antrags auf gerichtliche Entscheidung hinzuwirken hatte.
2.
Anders als bezüglich der zu Recht erfolgten Aufhebung der Disziplinarverfügung
vom 13.05.2004 erweist sich die angefochtene Entscheidung des Landgerichts,
obwohl sie von einer zutreffenden rechtlichen Bewertung der hier vorgenommenen
Drogentests ausgeht, als rechtsfehlerhaft, soweit die Verpflichtung der Anstalt
ausgesprochen wurde, den Antragsteller wieder als Krankenrevierhelfer
einzusetzen.
Die disziplinarrechtliche Ablösung des Antragstellers von seiner Arbeit im
Krankenrevier war zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung - wovon auch
die Strafvollstreckungskammer ausgegangen ist - durch Ablauf der vierwöchigen
Frist bereits vollzogen. Ein Rückgängigmachen des Vollzugs der
Disziplinarverfügung im Wege der Folgenbeseitigung (§ 115 Abs. 2 Satz 2 StVollzG)
kam hier jedoch nicht in Betracht. Eine solche Entscheidung würde zum einen
voraussetzen, daß das Wiedereinsetzen des Antragstellers in die ihm entzogene
Arbeit rechtlich und tatsächlich möglich wäre (Senatsbeschluß vom 24.07.1997 - 3
Ws 333/97 -, NStZ-RR 1998, 31, 32), was zumindest zweifelhaft erscheint, wenn -
wozu sich die angefochtene Entscheidung nicht verhält - seine Stelle - wie der
Rechtsbeschwerdebegründung zu entnehmen ist - inzwischen anderweitig besetzt
und eine andere Stelle im Krankenrevier nicht frei ist. Zum anderen hätte
Spruchreife vorliegen müssen, was hier nicht der Fall war. Es ist nicht
auszuschließen, daß die Justizvollzugsanstalt aufgrund neuer Ermittlungen eine
tragfähige Begründung für die Ablösungsentscheidung - wenn auch nicht als
Disziplinarmaßnahme, sondern als Widerruf wegen fehlender Eignung - zu liefern
vermag (vgl. Senat, a.a.O.). Da der Antragsteller vorträgt, keine Drogen zu
nehmen, und er zur Untermauerung dieses Vorbringens ausdrücklich eine zweite
Urinprobe mit anschließender Untersuchung gewünscht hat, besteht die
Möglichkeit, daß er zu weiteren Untersuchungen - gegebenenfalls auch zu der
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Möglichkeit, daß er zu weiteren Untersuchungen - gegebenenfalls auch zu der
Untersuchung einer Haarprobe - ebenfalls bereit ist.
Die Vollzugsbehörde ist gehalten, die aufgezeigten weiteren Ermittlungen
anzustellen und nach deren Abschluß den Antrag des Antragstellers, ihn wieder im
Krankenrevier der Anstalt einzusetzen, unter Zugrundelegung der
Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden.
3.
Auf die Sachrüge hin aufzuheben war auch die in der angefochtenen Entscheidung
ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Ersatz des dem
Antragsteller durch die Ablösung entgangenen Arbeitslohns. Denn es fehlt insoweit
bereits an der sachlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und damit
an der Zulässigkeit dieses Teils des Antrags auf gerichtliche Entscheidung.
Der Antragsteller stützt sein Begehren darauf, daß seine Ablösung von der Arbeit
rechtswidrig gewesen sei. Dieser Anspruch richtet sich nicht etwa unmittelbar auf
die Zahlung von Arbeitsentgelt, da ein solcher Anspruch voraussetzt, daß der
Gefangene eine ihm zugewiesene Arbeit tatsächlich ausübt (§ 43 Abs. Satz 1
StVollzG), was hier bis zu dem Zeitpunkt der Zuweisung einer anderen Arbeit nicht
der Fall war. Der Sache nach fordert der Antragsteller Ersatz des Schadens, der
ihm durch seine Ablösung von der Arbeit entstanden ist, wobei der geltend
gemachte Schaden darin besteht, daß er infolge seiner Ablösung nicht das
Arbeitsentgelt erhalten hat, das ihm ohne das schädigende Ereignis zu zahlen
gewesen wäre. Gegenstand seines Begehrens ist also ein
Schadensersatzanspruch, der sich auf die - behauptete - Verletzung von
Amtspflichten gründet und sich nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt als
(möglicher) Amtshaftungsanspruch darstellt (Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB; vgl.
Senatsbeschluß vom 12.11.1979 - 3 Ws 877/79 -).
Für die Entscheidung über Amtshaftungsansprüche sind aber nicht die
Strafvollstreckungskammern, sondern die Zivilgerichte, und zwar die Zivilkammer
des Landgerichts zuständig (Art. 34 Satz 3 GG, §§ 13, 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG). Dies
ist in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannt (Senatsbeschluß vom
12.11.1979 - 3 Ws 877/79 -; OLG Celle, Beschluß vom 27.07.1984 - 3 Ws 274/84 -;
Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 109, Rdnr. 7 - jeweils mit weiteren
Nachweisen). Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht dadurch begründen, daß
der Schadensersatzanspruch in das Gewand eines Folgenbeseitigungsanspruchs
nach § 115 Abs. 2 Satz 2 StVollzG gekleidet wird. Denn Schadensersatz kann mit
dem Folgenbeseitigungsanspruch nicht verlangt werden (Senatsbeschluß vom
12.11.1979 - 3 Ws 877/79 -).
Es erschien im vorliegenden Fall nicht angezeigt, von der - mangels einer
Vorabentscheidung gemäß § 17 a Abs. 3 GVG nicht durch § 17 Abs. 5 GVG
ausgeschlossenen (vgl. BGH NJW 1998, 2745 und BGH NJW 1999, 651) -
Möglichkeit einer formlosen Abgabe (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 22.07.2003 -
3 Ws 533/03 -) des auf Schadensersatz gerichteten Teils des Begehrens des
Antragstellers an die Zivilgerichte Gebrauch zu machen. Der Antragsteller begehrt
ersichtlich eine Entscheidung in dem hier beschrittenen Rechtsweg. Sein Antrag
auf Schadensersatz ist mithin als unzulässig anzusehen.
Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, den Rechtsweg zu den Zivilgerichten
wegen eines möglichen Schadensersatzanspruchs zu beschreiten. Ebenso bleibt
es der Antragsgegnerin unbenommen, über eine mögliche Verpflichtung zur
Zahlung von Schadensersatz im Rahmen der von ihr ohnehin vorzunehmenden
Neubescheidung zu befinden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StVollzG, die
Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 60 GKG.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens waren zwischen den
Verfahrensbeteiligten im Verhältnis von einem Drittel zu zwei Dritteln zu verteilen.
Die Rechtsbeschwerde hat lediglich hinsichtlich der vom Landgericht
ausgesprochenen Verpflichtung zum Ersatz entgangenen Arbeitslohns Erfolg.
Hinsichtlich der Aufhebung der Disziplinarverfügung vom 13.05.2004 ist sie
dagegen ohne Erfolg geblieben und hat auch bezüglich der Verpflichtung zum
Einsatz des Antragstellers an seinem früheren Arbeitsplatz ihr Ziel nicht erreicht,
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Einsatz des Antragstellers an seinem früheren Arbeitsplatz ihr Ziel nicht erreicht,
da der Antragsteller insoweit zu bescheiden sein wird.
Mit den Kosten des ersten Rechtszugs war der Antragsteller in stärkerem Maße als
von dem Landgericht ausgesprochen zu belasten, weil unter Zugrundelegung der
oben aufgezeigten rechtlichen Beurteilung des Senats von einem Unterliegen des
Antragstellers nicht nur hinsichtlich der begehrten Rückverlegung auf die
ursprüngliche Station, sondern auch bezüglich des Ersatzes des entgangenen
Arbeitslohns auszugehen ist. Dieses zusätzliche Unterliegen bemißt der Senat
entsprechend dem von der Strafvollstreckungskammer gewählten
Quotelungsmaßstab mit ebenfalls einem Fünftel.
Da der Beschluß der Strafvollstreckungskammer nicht in vollem Umfang mit der
Rechtsbeschwerde angegriffen wurde, war der Gegenstandswert des
Rechtsbeschwerdeverfahrens entsprechend geringer anzusetzen als derjenige des
ersten Rechtszugs.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.