Urteil des OLG Frankfurt vom 16.05.2008

OLG Frankfurt: bedingte kapitalerhöhung, erhöhung des grundkapitals, ausgabebetrag, ermächtigung, bezugsrecht, inhaber, restriktive auslegung, eigene aktien, begriff, satzung

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Gericht:
OLG Frankfurt 25.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
25 U 45/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 139 BGB, § 245 Nr 1 AktG, §
246 Abs 1 AktG, § 249 AktG, §
193 Abs 2 Nr 3 AktG
Klage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel – 1. Kammer
für Handelssachen - vom 21.12.2006 – 11 O 4073/06 – in der Fassung des
Beschlusses des Senates vom 28.2.2008 wird zurückgewiesen.
Die Berufungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens unter Einschluss
der Kosten der Nebenintervenienten zu 1. bis 3. zu tragen.
Der Nebenintervenient zu 4. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger bzw. die Nebenintervenienten
zu 1. bis 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der Kläger bzw. die
Nebenintervenienten zu 1. bis 3. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist eine Aktionärsvereinigung, die satzungsgemäß die Interessen von
Minderheitsaktionären wahrnehmen soll. Der Kläger hielt bereits vor dem
16.3.2006 Aktien der Beklagten und ist auch gegenwärtig noch Aktionär. Die
Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers sind seit 22.2.2006
(Nebenintervenienten zu 1. und 2.), seit einem Zeitpunkt vor dem 1.1.2000
(Nebenintervenientin zu 3.) und seit 16.8.2006 (Nebenintervenient zu 4.) Aktionäre
der Beklagten.
Am 10. Mai 2006 hielt die Beklagte Hauptversammlung. Entsprechend der
Bekanntmachung der Tagesordnung im elektronischen Bundesanzeiger am 16.
März 2006 wurde unter Tagesordnungspunkt 7 „Beschlussfassung über die
Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen nebst
gleichzeitiger Schaffung eines bedingten Kapitals sowie entsprechender
Satzungsänderung“ durch die Hauptsversammlung mit der erforderlichen
Mehrheit folgender Beschluss gefasst:
„a) Nennbetrag, Ermächtigungszeitraum, Aktienzahl Der Vorstand wird
ermächtigt, bis zum 9. Mai 2001 mit Zustimmung des Aufsichtsrats einmalig oder
mehrmals auf den Inhaber und/oder auf den Namen lautende Wandel- und/oder
Optionsschuldverschreibungen (nachstehend gemeinsam ´Schuldverschreibungen
´) im Gesamtnennbetrag von 1.500.000.000,00 € mit oder ohne
Laufzeitbegrenzung zu begeben und den Inhabern bzw. Gläubigern von
Schuldverschreibungen und Wandlungs- bzw. und Optionsrecht auf neue Aktien
der Gesellschaft mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals von bis zu
insgesamt 54.400.000,00 € nach näherer Maßgabe der Wandel- bzw.
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insgesamt 54.400.000,00 € nach näherer Maßgabe der Wandel- bzw.
Optionsanleihebedingungen zu gewähren. Der anteilige Betrag am Grundkapital
der bei Wandlung auszugebenden Aktien darf den Nennbetrag der
Schuldverschreibungen nicht übersteigen.
b) Gegenleistung, Begebung durch Konzernunternehmen,
Teilschuldverschreibungen Die Schuldverschreibungen können außer in Euro auch
- unter Begrenzung auf den entsprechenden Euro-Gegenwert bei Ausgabe der
Schuldverschreibung - in der gesetzlichen Währung eines OECD-Landes begeben
werden. Die Ausgabe von Schuldverschreibungen kann auch gegen die Erbringung
einer Sacheinlage erfolgen. Schuldverschreibungen können auch durch
Konzernunternehmen der Gesellschaft gegeben werden; in diesem Fall wird der
Vorstand ermächtigt, für die Gesellschaft die Garantie für die
Schuldverschreibungen und etwaige eingeräumte Wandlungsrechte bzw.
Optionsrechte zu übernehmen und deren Inhabern bzw. Gläubigern solche
Schuldverschreibungen Wandlungsrechte bzw. Optionsrechte auf neue Aktien der
Gesellschaft zu gewähren. Die Anleiheemissionen können in jeweils unter sich
gleichberechtigte Teilschuldverschreibungen eingeteilt werden.
c) Bezugsrecht der Aktionäre, Bezugsrechtsausschluss Den Aktionären der
Gesellschaft steht grundsätzlich ein Bezugsrecht auf die Schuldverschreibungen
zu. Die Schuldverschreibungen können auch von einem oder mehreren
Kreditinstituten mit der Verpflichtung übernommen werden, diesen Aktionären der
Gesellschaft zum Bezug anzubieten. Das Bezugsrecht der Aktionäre kann jedoch
für die folgenden Fälle ganz oder teilweise ausgeschlossen werden.
aa) der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das
Bezugsrecht der Aktionäre der Gesellschaft auszuschließen, sofern die
Schuldverschreibungen gegen bar ausgegeben werden und der Ausgabepreis den
nach anerkannten finanzmathematischen Methoden ermittelten theoretischen
Marktwert der Schuldverschreibungen nicht wesentlich unterschreitet. Der
Bezugsrechtsausschluss gilt jedoch nur für Schuldverschreibungen mit einem
Wandlungs- bzw. Optionsrecht auf Aktien mit einem anteiligen Betrag am
Grundkapital von bis zu 10 Prozent des Grundkapitals zum Zeitpunkt der heutigen
Beschlussfassung. Die Höchstgrenze von 10 Prozent des Grundkapitals vermindert
sich um den anteiligen Betrag des Grundkapitals, der auf diejenigen Aktien entfällt,
die während der Laufzeit dieser Ermächtigung im Rahmen einer Kapitalerhöhung
unter Ausschluss des Bezugsrechts gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG ausgegeben
werden. Die Höchstgrenze von 10 Prozent des Grundkapitals vermindert sich
ferner um den anteiligen Betrag des Grundkapitals, der auf diejenigen eigenen
Aktien entfällt, die während der Laufzeit dieser Ermächtigung von der Gesellschaft
unter Ausschluss des Bezugsrechts gemäß § 186 Abs. 3 S. 4 AktG veräußert
werden.
bb) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das
Bezugsrecht der Aktionäre der Gesellschaft auszuschließen, sofern es erforderlich
ist, um den Inhabern von Wandlungs- oder Optionsrechten auf Aktien der
Gesellschaft bzw. den Gläubigern von mit Wandlungspflichten ausgestatteten
Wandelschuldverschreibungen ein Bezugsrecht in dem Umfang zu gewähren, wie
es ihnen nach Ausübung dieser Rechte bzw. nach Erfüllung der Wandlungspflichten
zustehen würde.
cc) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das
Bezugsrecht der Aktionäre der Gesellschaft auszuschließen, um Spitzenbeträge,
die sich aufgrund des Bezugsverhältnisses ergeben, vom dem Bezugsrecht der
Aktionäre auszunehmen.
dd) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das
Bezugsrecht der Aktionäre der Gesellschaft auszuschließen, soweit die
Schuldverschreibungen in Zusammenhang mit dem Erwerb von Unternehmen,
Beteiligungen an Unternehmen oder Unternehmensteilen gegen Sachleistungen
ausgegeben werde, sofern der Wert der Gegenleistung in einem angemessenen
Verhältnis zu dem Wert der Schuldverschreibungen steht.
d) Wandlungsrecht, Umtauschverhältnis
Im Falle der Ausgabe von Schuldverschreibungen mit Wandlungsrecht können die
Gläubiger ihre Schuldverschreibungen nach Maßgabe der Anleihebedingungen in
Aktien der Gesellschaft umtauschen. Das Umtauschverhältnis ergibt sich aus der
Division des Nennbetrages einer Schuldverschreibung durch den nach Maßgabe
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Division des Nennbetrages einer Schuldverschreibung durch den nach Maßgabe
der in den jeweiligen Anleihebedingungen festgesetzten Wandlungspreis für eine
neue Aktie der Gesellschaft. Das Umtauschverhältnis kann sich auch durch
Division des unter dem Nennbetrag liegenden Ausgabebetrages einer
Schuldverschreibung durch den festgesetzten Wandlungspreis für eine neue Aktie
der Gesellschaft ergeben. Es kann vorgesehen werden, dass das
Umtauschverhältnis variabel ist und/oder der Wandlungspreis innerhalb einer
festzulegenden Bandbreite in Abhängigkeit von der Entwicklung des Aktienkurses
während der Laufzeit oder während eines bestimmten Zeitraums innerhalb der
Laufzeit festgesetzt wird. Das Umtauschverhältnis kann in jedem Fall auf eine
ganze Zahl auf- oder abgerundet werden; ferner kann eine in bar zu leistende
Zuzahlung festgelegt werden. Im Übrigen kann vorgesehen werden, dass Spitzen
zusammengelegt und/oder im Geld ausgeglichen werden.
e) Optionsrecht
Im Falle der Ausgabe von Optionsschuldverschreibungen werden jeder
Schuldverschreibung ein oder mehrere Optionsscheine beigefügt, die den Inhaber
nach näherer Maßgabe der vom Vorstand festzulegenden Optionsbedingungen
zum Bezug von neuen Aktien der Gesellschaft berechtigen. Der anteilige Betrag
am Grundkapital denn die Schuldverschreibungen zu beziehenden Aktien darf den
Nennbetrag der Optionsschuldverschreibungen nicht übersteigen.
f) Wandlungs-/Optionspreis
Der jeweils festzusetzende Wandlung- bzw. Optionspreis für eine Aktie der
Gesellschaft (Bezugspreis) muss entweder (a) mindestens 80 Prozent des
gewichteten Durchschnitts der Börsenpreise der Aktie der Gesellschaft im
Computerhandelssystem ... (oder eines an dessen Stelle tretenden, funktional
vergleichbaren Nachfolgesystems während der letzten zehn Börsentage vor dem
Tag der Beschlussfassung durch den Vorstand über die Begebung der Wandel-
oder Optionsschuldverschreibungen oder (b) mindestens 80 Prozent des
gewichteten Durchschnitts der Börsenpreise der Aktie der Gesellschaft im
Computer-Handelssystem ... (oder eines an dessen Stelle tretenden, funktional
vergleichbaren Nachfolgesystems) während der Tage, an denen die Bezugsrechte
an der Wertpapierbörse Frankfurt am Main gehandelt werden, mit Ausnahme der
beiden letzten Börsentage des Bezugsrechtshandels, entsprechen.
g) Verwässerungsschutz
Der Wandlungs- bzw. Optionspreis kann unbeschadet des § 9 Abs. 1 AktG aufgrund
einer Verwässerungsschutzklausel nach näherer Bestimmung der Wandel- bzw.
Optionsanleihebedingungen durch Zahlung eines entsprechenden Betrages im
Geld bei Ausnutzung des Wandlungsrechts bzw. durch Herabsetzung der
Zuzahlung ermäßigt werden, wenn die Gesellschaft während der Wandlung- oder
Optionsfrist unter Einräumung des Bezugsrechts an ihre Aktionäre das
Grundkapital erhöht oder weitere Wandel- oder Optionsanleihen bzw. Wandel- oder
Optionsgenussrechte begibt beziehungsweise sonstige Optionsrechte gewährt und
den Inhabern von Wandlung- und Optionsrechten kein Bezugsrecht in dem Umfang
eingeräumt wird, wie es ihnen nach Ausübung des Wandlungs- oder Optionsrechts
zustehen würde. Statt einer Zahlung in bar bzw. einer Herabsetzung der
Zuzahlung kann auch – soweit möglich – das Umtauschverhältnis durch Division
mit dem ermäßigten Wandlungspreis angepasst werden. Die Bedingungen können
darüber hinaus für den Fall der Kapitalherabsetzung eine Anpassung der
Wandlungs- bzw. Optionsrechte vorsehen.
h) Wandlungspflicht, Lieferung eigener Aktien, Barzahlung statt Lieferung
Die Anleihebedingungen können eine Wandlungspflicht zum Ende der Laufzeit
(oder zu einem früheren Zeitpunkt) begründen. Die Anleihebedingungen können
weiter jeweils festlegen, dass im Falle der Wandlung bzw. Optionsausübung auch
eigene Aktien der Gesellschaft gewährt werden können. Schließlich können die
Anleihebedingungen vorsehen, dass im Falle der Wandlung die Gesellschaft den
Wandlungsberechtigen nicht Aktien der Gesellschaft gewährt, sondern den
Gegenwert in Geld zahlt.
i) Ermächtigung zur Festlegung der weiteren Anleihebedingungen
Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats die weiteren
Einzelheiten der Ausgabe und Ausstattung der Wandel- und/oder
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Einzelheiten der Ausgabe und Ausstattung der Wandel- und/oder
Optionsschuldverschreibungen insbesondere Zinssatz, Ausgabekurs, Laufzeit und
Stückelung, Wandlungs- bzw. Optionspreis und den Wandlungs- bzw.
Optionszeitraum festzusetzen bzw. im Einvernehmen mit den Organen der die
Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen begebenden
Beteiligungsgesellschaften festzulegen.
j) Bedingte Kapitalerhöhung
Das Grundkapital wird um bis zu 54.400.000,00 € durch Ausgabe von bis zu
20.625.000 Stückaktien bedingt erhöht (bedingtes Kapital). Die bedingte
Kapitalerhöhung dient der Gewährung von Aktienrechten an die Inhaber bzw.
Gläubiger von Schuldverschreibungen, die gemäß vorstehender Ermächtigung
unter lit. a) bis i) bis zum 9. Mai 2011 von der Gesellschaft oder von
Konzernunternehmen der Gesellschaft begeben werden. Die Ausgabe der neuen
Aktien erfolgt zu dem gem. lit. a) bis i) jeweils festzulegenden Wandlungs- bzw.
Optionspreis. Die bedingte Kapitalerhöhung ist nur insoweit durchzuführen, wie von
diesen Rechten Gebrauch gemacht wird oder wie die zur Wandlung verpflichteten
Inhaber bzw. Gläubiger ihre Pflicht zur Wandlung erfüllen. Die neuen Aktien
nehmen vom Beginn des Geschäftsjahres an, in dem sie durch Ausübung von
Wandlungs- bzw. Optionsrechten oder durch Erfüllung von Wandlungspflichten
entstehen, am Gewinn teil; abweichend hiervon kann der Vorstand mit
Zustimmung des Aufsichtsrats festlegen, dass die neuen Aktien vom Beginn des
Geschäftsjahres an, für das im Zeitpunkt der Ausübung von Wandlungs- bzw.
Optionsrechten oder der Erfüllung von Wandlungspflichten noch kein Beschluss der
Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinnes gefasst worden ist,
am Gewinn teilnehmen.
Der Vorstand wird ermächtigt, die weiteren Einzelheiten der Durchführung einer
bedingten Kapitalerhöhung festzulegen.
k) Satzungsänderung
§ 4 der Satzung wird um folgenden Abs. 5 ergänzt:
´Das Grundkapital ist um bis zu 54.400.000,00 € durch Ausgabe von bis zu
20.625.00 Stückaktien bedingt erhöht (bedingtes Kapital). Die bedingte
Kapitalerhöhung wird nur insoweit durchgeführt, wie - die Inhaber bzw. Gläubiger
von Wandlungsrechten oder Optionsscheinen, die den von der Gesellschaft oder
von Konzernunternehmen der Gesellschaft aufgrund des
Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung vom 10. Mai 2006 bis zum 9.
Mai 2001 auszugebenden Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen beigefügt
sind, von ihren Wandlungs- bzw. Optionsrechten Gebrauch machen oder
- die zur Wandlung verpflichteten Inhaber bzw. Gläubiger der von der Gesellschaft
oder von Konzernunternehmen der Gesellschaft aufgrund des
Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung vom 10. Mai 2006 bis zum 9.
Mai 2001 auszugebenden Wandelschuldverschreibungen ihre Pflicht zur Wandlung
erfüllen.
Die neuen Aktien nehmen von dem Beginn des Geschäftsjahres an, in dem sie
durch Ausübung von Wandlungs- bzw. Optionsrechten oder durch Erfüllung von
Wandlungspflichten entstehen, am Gewinn teil; abweichend hiervon kann der
Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats festlegen, dass die neuen Aktien vom
Beginn des Geschäftsjahres an, für das im Zeitpunkt der Ausübung von
Wandlungs- bzw. Optionsrechten oder der Erfüllung von Wandlungspflichten noch
kein Beschluss der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns
gefasst worden ist, am Gewinn teilnehmen. Der Vorstand ist ermächtigt, mit
Zustimmung des Aufsichtsrats den weiteren Inhalt der Aktienrechte und die
weiteren Einzelheiten der Durchführung der bedingten Kapitalerhöhung
festzulegen.´
l) Ermächtigung zur Änderung der Satzung
Der Aufsichtsrat wird ermächtigt, § 4 Abs. 1 und 5 der Satzung entsprechend der
jeweiligen Ausnutzung des bedingten Kapitals zu ändern.“
In § 4 der Satzung findet sich bisher in den Abs. 1 und 2. folgende Regelung: „(1)
Das Grundkapital beträgt € 108.800.000,00. Die Aktien der Gesellschaft sind
Stückaktien ohne Nennbetrag. Das Grundkapital ist eingeteilt in 42.500.000
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Stückaktien ohne Nennbetrag. Das Grundkapital ist eingeteilt in 42.500.000
Aktien. Der Anspruch der Aktionäre auf Verbriefung ihrer Aktien ist
ausgeschlossen. (2) Die Aktien lauten auf den Inhaber.“
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte im Rahmen der Hauptversammlung
gegen den gesamten unter Tagesordnungspunkt 7 gefassten Beschluss
Widerspruch zu Protokoll des Notars ein.
Mit der am 3.6.2006 eingereichten – im elektronischen Bundesanzeiger am
31.8.2006 bekannt gemachten - Klage hat der Kläger geltend gemacht, der unter
Tagesordnungspunkt (TOP) 7 lit. j), k) und l) gefasste Beschluss sei nichtig. Dies
habe nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB die Nichtigkeit des Beschlusses
zu allen übrigen Buchstaben des Beschlusses zu TOP 7 zur Folge. Es habe dem
objektiven Willen der Hauptversammlung entsprochen, die sich aus dem
Ermächtigungsbeschluss zur Ausgabe von Wandel-/Optionsschuldverschreibungen
ergebenden Bezugsrechte durch das bedingte Kapital zu erfüllen, so dass beide
Beschlusspunkte als beschlussmäßige Einheit miteinander stünden und fielen.
Der Beschluss zu Buchstabe j) verstoße gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, wonach
bei einem Beschluss über bedingtes Kapital unter anderem auch der
Ausgabebetrag der Aktien oder die Grundlagen, nach denen sich der
Ausgabebetrag berechne, festzusetzen sei. Der Verweis auf TOP 7 lit. f) genüge
nicht, weil dort lediglich die Untergrenze des Ausgabebetrages festgelegt werde.
Damit werde die genaue Ausgestaltung des Ausgabebetrages entgegen der
Kompetenzverteilung nach dem AktG der Hauptversammlung entzogen und in das
freie Ermessen des Vorstandes gestellt. Dem Interesse, die Anleihebedingungen
flexibel an die Marktbedingungen zur Zeit der Ausgabe der Wandel- und
Optionsschuldverschreibungen anzupassen, werde bereits dadurch Rechnung
getragen, dass der Vorstand insb. Laufzeit der Schuldverschreibungen und das
Bezugsverhältnis frei bestimmen könne. Insoweit fehle ein Bedürfnis, auch noch
den Options- und Wandlungspreis (Ausgabebetrag) zur Disposition des Vorstandes
zu stellen.
Darüber hinaus sei der Beschluss über das bedingte Kapital insofern offensichtlich
rechtswidrig, als er nicht die erforderlichen Angaben über die Art der Aktien –
Inhaber- oder Namensaktien – enthalte.
Im Übrigen verstoße des Weiteren der Beschluss zu TOP 7 lit. c) aa) gegen
zwingende aktienrechtliche Bestimmungen. Der Beschluss beruhe auf einer
analogen Anwendung des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG, für die indes bei der Ausgabe
von Wandel /Optionsschuldverschreibungen kein Raum sei. Die Verweisung auf §
186 AktG in § 221 AktG schließe Abs. 3 Satz 4 des § 186 AktG teleologisch nicht
ein. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers zur Nichtigkeit von TOP 7
lit. c) aa) wird auf die Klageschrift vom 31.5.2006 (S. 11 bis 13 = Bl. 25 bis 27 Band
I d.A.), den Schriftsatz vom 24.8.2006 (S. 8 bis 13 = BI, 107 bis 112 Band I d.A.)
und den Schriftsatz vom 18.11.2006 (S. 9ff, Bl. 227 bis 229 Band I) verwiesen.
Für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die
Nichtigkeit des Beschlusses über das bedingte Kapital nicht zur Nichtigkeit des
gesamten Beschlusses unter TOP 7 führe, hat der Kläger in erster Linie beantragt,
festzustellen, dass der in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am
10. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 7 lit. j), k) und l) gefasste Beschluss
(Bedingte Kapitalerhöhung nebst Satzungsänderung und Ermächtigung zur
Satzungsänderung) nichtig ist.
Hilfsweise hat er beantragt, festzustellen, dass der gesamte in der
Hauptverhandlung der beklagten Gesellschaft am 10. Mai 2006 unter
Tagesordnungspunkt 7 gefasste Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von
Wandel- und Optionsschuldverschreibungen nebst gleichzeitiger Schaffung eines
bedingten Kapitals sowie entsprechender Satzungsänderung und Ermächtigung
zur Satzungsänderung) nichtig ist. Hilfsweise zum Haupt- und dem ersten
Hilfsantrag hat er beantragt, den in der Hauptversammlung der beklagten
Gesellschaft am 10. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 7 lit. a) bis i) gefassten
Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und
Optionsschuldverschreibungen) insoweit für nichtig zu erklären, als dass der
Vorstand unter dem Tagesordnungspunkt lit. c) aa) dazu ermächtigt wird, in
analoger Anwendung des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG mit Zustimmung des
Aufsichtsrates das Bezugsrecht der Aktionäre auf die Wandel- und
Optionsschuldverschreibungen auszuschließen, sofern die Schuldverschreibungen
gegen bar ausgegeben werden und er Ausgabepreis den nach „anerkannten
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gegen bar ausgegeben werden und er Ausgabepreis den nach „anerkannten
finanzmathematischen Methoden“ ermittelten theoretischen Marktwert der
Schuldverschreibungen nicht wesentlich unterschreitet.
Die Nebenintervenienten, die auf Seiten des Klägers dem Rechtsstreit beigetreten
sind, haben sich den Anträgen des Klägers und seiner Argumentation in der Sache
angeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des
Nebenintervenienten zu 1. wird auf seinen Schriftsatz vom 13.11.2006 (Bl. 195ff.
Band I d.A.) verwiesen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat den Beschluss zu TOP 7 und insbesondere die Beschlüsse zu Buchstaben j)
k) und l) für rechtswirksam gehalten. Der Beschluss genüge den Anforderungen
des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG an die Bestimmbarkeit des Ausgabebetrages. Hier
ergebe sich die eindeutige Höhe aus dem festgelegten Umtauschverhältnis zum
Wandlungspreis. Dabei sei es unschädlich und entspreche – insoweit unstreitig -
einer verbreiteten Praxis börsennotierter Aktiengesellschaften, dass lediglich der
Mindestausgabepreis für die Ausgabe der neuen Aktien festgelegt sei. Dem
Schutz vor Verwässerung des Aktienbesitzes werde durch die Festlegung des
Mindestbetrages ausreichend Rechnung getragen. Werde ein höherer Betrag
gewählt, verringere sich lediglich die Intensität des von den Aktionären bereits
autorisierten Eingriffs in ihre Rechtsposition. Überdies verdränge § 221 Abs. 2 AktG
als lex specialis § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, wenn der Ermächtigungsbeschluss zur
Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen und der Beschluss über
die Erhöhung des Grundkapitals anlässlich derselben Hauptsversammlung
beschlossen werden. Dem weiten Ermessen des Vorstandes nach § 221 Abs. 2
AktG werde durch eine restriktive Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG die
Grundlage entzogen. Das widerspreche dem Zweck des § 221 Abs. 2 AktG.
Entgegen der Auffassung des Klägers sei aufgrund der Regelung in § 4 der
Satzung klar, dass auch die neuen Aktien Inhaberaktien seien.
Selbst wenn man die Beschlüsse zu TOP 7 j) bis l) ganz oder teilweise für nichtig
halte, führe das nicht zur Gesamtnichtigkeit des Beschlusses zu TOP 7, weil die
Hauptversammlung den Beschluss über die Ausgabe von Wandel- und
Optionsschuldverschreibungen auch ohne den Beschluss über das bedingte
Kapital hätte fassen können.
Schließlich sei auch der Bezugsrechtsausschluss gemäß TOP 7 lit. c) aa)
rechtmäßig. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG sei infolge der Verweisung in § 221 Abs. 4
Satz 2 AktG anwendbar. Aktionärsinteressen blieben gewahrt, auch werde auf
diese Weise ein marktgerechter Preis für die Wandel- und
Optionsschuldverschreibungen erreicht
Die Nebeninterventionen hat die Beklagte für unzulässig gehalten.
Mit Zwischenfeststellungs- und Endurteil vom 21.12.2006 hat das Landgericht – 1.
Kammer für Handelssachen – die Nebenintervention der Nebenintervenienten zu
1. bis 3. für zulässig, die des Nebenintervenienten zu 4. für unzulässig erklärt und
im übrigen festgestellt, dass der in der Hauptversammlung der beklagten
Gesellschaft am 10.5.2006 unter Tagesordnungspunkt 7 lit. j), k) und l) gefasste
Beschluss (bedingte Kapitalerhöhung nebst Satzungsänderung und Ermächtigung
zur Satzungsänderung) nichtig ist. Zur Begründung ist ausgeführt, der unter
Tagesordnungspunkt 7 gefasste Beschluss der Hauptversammlung vom 10.5.2006
sei insgesamt gem. §§ 241 Ziff. 1, 139 BGB nichtig, weil die bloße Festsetzung des
Mindestbetrages nicht den Anforderungen des §193 Abs. 2 Nr. 3 AktG genüge. Der
Beitritt des Nebenintervenienten zu 4. sei unzulässig, weil er Aktien der Beklagten
erst seit dem 16.8.2006 besitze und damit nicht die Anforderungen des § 245 Nr.
1 AktG erfülle.
Gegen dieses ihr am 12.2.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am
2.3.2007 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch ein am
11.4.2007 bei Gericht eingegangenes Telefax mit Begründung versehen.
Sie wendet sich – unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bereits erstinstanzlich
vorgebrachten Argumente – gegen die Auffassung des Landgerichts, der
Beschluss vom 10.5.2006 verstoße gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Auch die bloße
Bestimmung des Mindestausgabebetrages genüge nach dem Wortlaut der Norm,
weil damit ein Ausgabebetrag festgelegt werde. Im Übrigen werde § 193 Abs. 2 Nr.
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weil damit ein Ausgabebetrag festgelegt werde. Im Übrigen werde § 193 Abs. 2 Nr.
3 AktG von § 221 Abs. 2 AktG als lex specialis verdrängt. Zumindest strahle § 221
Abs. 2 AktG auf die Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG aus. Insbesondere Sinn
und Zweck des § 193 AktG sprächen dafür, es zuzulassen, durch die
Hauptversammlung lediglich den Mindestausgabebetrag festzusetzen und die
weitere Bestimmung dem Vorstand zu überlassen, weil die Hauptversammlung auf
diese Weise die Obergrenze der Verwässerung des Aktienbesitzes regele. Damit
werde der Zweck des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, die Vermögensinteressen der
Aktionäre zu schützen, vollständig erreicht. Wie § 182 Abs. 3 AktG zeige, verstoße
es nicht gegen das Kompetenzgefüge nach dem AktG, dass die weitere
Ausgestaltung dem Vorstand überlassen bleibe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteil des Landgerichts Kassel vom
21.12.2006, Geschäfts- Nr. 11 O 4073/06, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und die Nebenintervenienten zu 1. bis 3. beantragen, die Berufung
zurückzuweisen. Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Widerholung und
Vertiefung ihrer bereits erstinstanzlich ausgeführten Rechtsansichten.
Der Nebenintervenient zu 4. hat mit Schriftsatz vom 21.5.2007 angekündigt, sich
als Nebenintervenient den Anträgen der Klägerin im Berufungsverfahren
anschließen zu wollen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 28.2.2008, auf den wegen der Einzelheiten der
Begründung verwiesen wird (Bl. 40 bis 43 Band III d.A.), den Tenor des
angefochtenen Urteils gem. § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit
dahingehend berichtigt, dass der gesamte in der Hauptversammlung der
beklagten Gesellschaft am 10.5.2006 unter Tagesordnungspunkt 7 gefasste
Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und
Optionsschuldverschreibungen nebst gleichzeitiger Schaffung eines bedingten
Kapitals sowie entsprechender Satzungsänderung und Ermächtigung zur
Satzungsänderung) nichtig ist. Rechtsmittel sind insoweit nicht eingelegt worden.
II. A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist die Berufung form-
und fristgerecht eingelegt und auch fristgerecht mit Begründung versehen. Die
Berufung ist statthaft, weil die Beklagte in einem oberhalb der Berufungssumme
liegenden Maße durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist.
B. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die
Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 7 der Hauptversammlung vom 10.5.2006
festgestellt.
1. Gegen die Zulässigkeit der Klage hat sich die Beklagte schon erstinstanzlich
zutreffend nicht gewandt.
2. Selbst wenn man für das Begehren des Klägers allein auf die Bestimmungen
über die Anfechtbarkeit von rechtswidrigen Beschlüssen der Hauptversammlung
abstellte, wäre der Kläger im Sinne von § 245 Nr. 1 AktG anfechtungsbefugt, und
die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG wäre gewahrt. Soweit sich das
Begehren des Klägers als Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG darstellt, kommt es
auf diese Kriterien ohnehin nicht an.
3. Die Klage ist auch begründet, weil der Beschluss zu TOP 7 lit. j. gegen § 193 Abs.
2. Nr. 3 AktG verstößt und deshalb gem. § 241 Nr. 3 AktG. nichtig ist. Diese
Nichtigkeit zieht gemäß § 139 BGB die Nichtigkeit des gesamten zu TOP 7
gefassten Beschlusses nach sich. Dies war gem. § 249 AktG festzustellen.
a) Der Wortlaut des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG verlangt Festlegung des
Ausgabebetrages oder zumindest die Festlegung der Grundlagen der Berechnung
des Ausgabekurses. Damit kann nur gemeint sein, dass nach einem generell-
abstrakten Maßstab festgelegt wird, wie der Kurs zum maßgeblichen Zeitpunkt
berechnet werden soll. Das Ergebnis beider Berechnungsmöglichkeiten ist dann
jeweils ein ganz bestimmter, auf den Willen der Hauptversammlung
zurückgehender Betrag.
Eine solche Bestimmung wird mit der Festlegung eines Mindestbetrages, der sich
überdies nur aus einer verschachtelten Verweisung ergibt, nicht erreicht. Ist eine
Obergrenze nicht festgelegt, lässt sich entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht
bereits aus dem Beschluss selbst vorhersehen, welcher Ausgabebetrag sich
ergeben wird. Vielmehr bleibt, abseits des Mindestbetrages, völlig offen, zu
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welchem Betrag die Bezugsaktien ausgegeben werden.
Ein Beschluss, der lediglich den Mindestausgabebetrag festlegt, bleibt hinter den
Anforderungen der Norm, den Ausgabebetrag in jeder Hinsicht in einer
bestimmbaren Weise zu kennzeichnen, zurück und ist deswegen mit dem Wortlaut
nicht vereinbar.
b) Auch wenn sprachlich der Begriff „Mindestausgabebetrag“ eine vom Begriff
„Ausgabebetrag“ abgeleitete Wortform ist, ist es denkgesetzlich nicht zutreffend,
das Ganze („Ausgabebetrag“) mit der Teilmenge („Mindestausgabebetrag“)
sprachlich oder gar in den rechtlichen Auswirkungen ohne Weiteres gleichzusetzen.
Darauf liefe aber die Betrachtung der Beklagten hinaus. Sprachlich und inhaltlich
enthält der Begriff „Ausgabebetrag“ zumindest ein Mehr (wenn nicht sogar ein
Aliud) gegenüber „Mindestausgabebetrag“. Diese begriffliche und inhaltliche Lücke
ließe sich nur schließen, wenn man mittels anerkannter Auslegungsmethoden den
Begriff „Ausgabebetrag“ auf die Teilmenge „Mindestausgabebetrag“ reduzieren
müsste. Ist dies nicht geboten, hat es dabei zu verbleiben, dass der
Hauptversammlungsbeschluss das Ganze („Ausgabebetrag“) festlegen muss.
c) Gründe, die es gebieten könnten, das Gesetz abweichend vom Wortlaut und
Wortsinn auszulegen, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die
wortlautbezogene Anwendung des Gesetzes sowohl der Systematik des
Aktiengesetzes als auch dem Sinn und Zweck des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Mit der
von der Beklagten vertretenen Auffassung lassen sich demgegenüber die
Gesetzeszwecke nicht oder nicht in gleicher Weise erreichen.
aa) Der Kläger und die Nebenintervenienten weisen zutreffend darauf hin, dass
nach dem Gesetz die Festlegung des Ausgabebetrages zur
Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung gehört. Diese Kompetenz
würde geschwächt, wenn nicht entwertet, wenn anstelle der Hauptversammlung
nunmehr der Vorstand – abgesehen vom Mindestausgabepreis - über die konkrete
Berechnung des Ausgabebetrages frei entscheiden könnte.
Es ist nicht einmal ein Bedürfnis erkennbar, so zu verfahren. Die von der Beklagten
gewünschte Flexibilität im Hinblick auf die künftige Entwicklung des Börsenkurses
lässt sich nämlich auch im Einklang mit dem Wortlaut von § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG
in der Weise erreichen, dass der Ausgabebetrag durch Beschluss der
Hauptversammlung an einen bestimmten Börsenkurs zu einem bestimmten
Zeitpunkt geknüpft wird.
Dass § 193 AktG eindeutig der Hauptversammlung die Kompetenz zuweist, über
die Grundlagen der Berechnung des Ausgabebetrages zu entscheiden, erkennt
auch die Beklagte an. Letztlich läuft die Auffassung der Beklagten, es genüge zur
Wahrung der Kompetenzverteilung und der Interessen der Aktionäre, wenn der
Mindestausgabebetrag festgelegt werde, auf einen im AktG insoweit nicht
vorgesehenen partiellen Kompetenzverzicht zugunsten eines anderen Organs der
AktG hinaus. Die Verschiebung der Rollenverteilung innerhalb des gesetzlich
ausgewogenen Systems der Kompetenzverteilung kann methodisch nicht
ausreichend damit begründet werden, eine andere Kompetenzverteilung werde
den Interessen der Aktionäre in gleicher oder gar besserer Weise gerecht. Es liegt
nicht in der Hand der Organe der Aktiengesellschaft, durch konsensuale Abgabe
und Übernahme fremder Kompetenzen ihren eigenen Rechts- und Pflichtenkreis
zu verändern. Nach Sinn und Zweck der speziellen Aufgabenzuweisung im
Aktiengesetz stehen Kompetenzen, die der Hauptversammlung zugewiesen sind,
auch für diese nicht in der Weise zur Disposition, dass sie – weil wesentliche
Interessen der zur Hauptversammlung zugelassenen Personen gewahrt bleiben –
im Übrigen auf die Wahrnehmung ihrer Rechte verzichten (arg. § 23 Abs. 5 AktG).
Der Hinweis der Beklagten auf eine sich aus § 182 Abs. 3 AktG ergebende
anderweitige Verteilung der Kompetenzen zwischen Hauptversammlung und
Vorstand führt nicht weiter, weil der Gesetzgeber sich im Rahmen von § 193 Abs. 2
Nr. 3 AktG eben nicht für dieselbe Kompetenzverteilung entschieden hat.
bb) Eine telelogische Reduktion des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist weder möglich noch
gar geboten. Die Erwähnung des Begriffs „Mindestbetrag“ in § 182 Abs. 3 AktG
führt nicht zu einer teleologischen Reduktion des Begriffs „Ausgabebetrag“ in §
193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Es ist keineswegs ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch
die von § 182 Abs. 3 AktG abweichende Regelung planwidrig über das gewollte
Regelungsziel hinausgeraten sein könnte. Im Gegenteil sind die
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Regelungsziel hinausgeraten sein könnte. Im Gegenteil sind die
Rahmenbedingungen der beiden Normen unterschiedlich, so dass davon
auszugehen ist, dass der Gesetzgeber, als er zeitgleich § 182 Abs. 3 AktG und §
193 Abs. 2 Nr. 3 AktG (bzw. deren inhaltsgleiche Vorläufer) geschaffen hat,
bewusst unterschiedliche Begriffe gewählt hat. § 182 AktG liegt der Gedanke
zugrunde, dass in der Regel die neuen Aktien nur für den geringsten
Ausgabebetrag herausgegeben werden. So gesehen ist es konsequent, an die
Stelle des abgeänderten Regelbetrages einen anderen Mindestbetrag zu setzen.
Für eine planwidrige Fassung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG fehlt jeglicher
Anhaltspunkt.
cc) § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG wird im Falle der Einlösung von
Wandelschuldverschreibungen nicht durch § 221 Abs. 2 AktG verdrängt. § 221 Abs.
2 AktG ist nicht lex specialis zu § 193 AktG. Auf welche Weise die
Aktiengesellschaft die Einlösung der Wandelschuldverschreibungen beabsichtigt,
ist in § 221 AktG gar nicht geregelt. Vielmehr ist die Entscheidung für eine
bedingte Kapitalerhöhung in ihren rechtlichen Anforderungen unabhängig von den
Anforderungen an die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen. Teleologisch ist
es auch nicht einzusehen, warum eine Aktiengesellschaft durch die Ankoppelung
einer bedingten Kapitalerhöhung an die Ausgabe von
Wandelschuldverschreibungen die Regeln der §§ 192f. AktG soll aushebeln können.
dd) Methodisch falsch geht die Beklagte vor, indem sie aus der tatsächlichen
inneren Verbundenheit eines Beschlusses über die Ermächtigung zur Ausgabe von
Wandel- und Optionsschuldverschreibungen mit einem zeitgleich gefassten
Beschluss über die bedingte Erhöhung des Grundkapitals darauf schließen
möchte, dass die rechtlichen Anforderungen für den einen Beschluss überwirken
auf die rechtlichen Anforderungen an den anderen. Die bewusste, aber keineswegs
zwingende Entscheidung dafür, zwei unterschiedliche Rechtshandlungen zeitgleich
zu verwirklichen, ist als solche keine methodisch anerkannte oder akzeptable
Kategorie, um die beiden Sachverhalte trotz ausdrücklich unterschiedlicher
gesetzlicher Regeln fortan gleich zu behandeln. Ebenso wie Kaufvertrag und
dingliches Rechtsgeschäft zwar häufig zeitgleich verwirklicht werden und
aufeinander bezogen sind, aber dennoch ganz unterschiedliche gesetzliche
Ausgestaltung erfahren haben, sind auch die Rechtsregeln für einen
Ermächtigungsbeschlusses zur Ausgabe von Wandel- oder
Optionsschuldverschreibungen losgelöst von den Anforderungen an einen
Beschluss über die bedingte Kapitalerhöhung. Die Verbundenheit der beiden
Handlungen kommt erst zum Ausdruck, wenn das eine oder andere Geschäft
fehlerhaft ist (Rechtsfolgenwirkung); die Tatbestandsmerkmale für das jeweilige
Geschäft ändern sich dadurch freilich nicht.
ee) Da § 193 AktG auch dem Interesse von Gläubigern und potentiellen Anlegern
dient, die Aktiengesellschaft wirtschaftlich richtig bewerten zu können, sowie dem
öffentlichen Interesse, einen Missbrauch der bedingten Kapitalerhöhung durch
transparente und berechenbare Bestimmung des Ausgabebetrages zu verhindern,
greifen die Überlegungen der Beklagten zur Wahrung der Belange der Aktionäre
und zum Verständnis des § 193 AktG als (nur) Schutzgesetz zugunsten der
Aktionäre zu kurz.
Auch ist es nicht weiterführend, wenn die Beklagte meint, die
Informationsinteressen der Gläubiger und potentieller Anleger könnten durch
(spätere) Aufklärung über den konkreten Ausgabekurs auch noch hinreichend
gewahrt werden, wenn nämlich der Vorstand sein Ermessen ausgeübt hat, indem
er die fehlenden Elemente zur Bestimmung des Ausgabekurses benennt. Im
Vergleich zu der wortlautorientierten Auslegung bietet dieser gesetzlich nicht
fixierte, in seinen Rechtsfolgen undefinierte Weg keinen gleichwertigen Schutz der
Informationsinteressen. Eine Auslegung des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG, die den
Begriff des Ausgabebetrages auf den Begriff des Mindestausgabebetrages
verengt, lässt sich so nicht erzwingen.
Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass die Auffassung der Beklagten, dass
Verwässerungsschutz schon durch die Festlegung der Berechnungsmethoden für
die Bestimmung des Mindestausgabebetrages gewährleistet bleibt, nicht
zutreffend ist. Vielmehr dürften die Aktionäre ein legitimes Eigeninteresse daran
haben, den konkreten Ausgabebetrag in vorhersehbarer Weise durch die
Hauptversammlung mitzubestimmen, um die Kapitalumwandlung – aus ihrer Sicht
– in optimaler Weise zu gewährleisten.
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d) Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist nach allgemeiner
Auffassung die Nichtigkeit des entsprechenden Beschlusses (vgl. Hüffer, AktG, 8.
Aufl. § 193 Rn. 10).
4. Ob auch TOP 7 lit. k des Beschlusses vom 10.5.2006 einen eigenständigen
Verstoß gegen aktienrechtliche Bestimmungen enthält, weil er nicht selbst
ausdrücklich bestimmt, dass die neuen Aktien Inhaberaktien werden, sondern sich
dies nur aus § 4 Abs. 1 der Satzung schlussfolgern lässt, kann offen bleiben.
5. Weil die Beschlüsse zu TOP 7 k) und l) - selbst nach der Auffassung der
Beklagten - nicht unabhängig von TOP 7 lit. j) sind, zieht hier die Nichtigkeit des
Beschlusses zu TOP 7 lit. j) gem. § 139 BGB ohne Weiteres die Nichtigkeit der
Beschlüsse zu TOP 7 lit. k) und l) nach sich.
Auch mit den übrigen Regelungen des Beschlusses zu TOP 7 bildet der Beschluss
zu TOP 7 lit. j) eine Einheit, so dass aus der Nichtigkeit des zu TOP 7 lit. j)
gefassten Beschlusses letztlich die Gesamtnichtigkeit des Beschlusses zu TOP 7
folgt. Es kommt nicht darauf an, dass die Hauptversammlung über einzelne
Aspekte des Tagesordnungspunktes 7 auch hätte entscheiden können, ohne
zugleich die anderen Punkte zu regeln. Denn nach dem erkennbaren Willen sollte
ein solcher Weg für die am 10.5.2006 gefassten Beschlüsse gerade nicht gewählt
werden. Dem entsprechend sind die einzelnen Beschlussteile in vielfältiger Hinsicht
aufeinander bezogen. Gerade lit. j) verweist mehrfach auf die Regelungen zu TOP 7
lit. a) bis i) und die Hauptversammlung hat über TOP 7 auch einheitlich
abgestimmt, so dass nicht angenommen werden kann, die Beschlüsse zu TOP 7
lit. a) bis i) wären am 10.5.2006 auch ohne die Beschlüsse zu TOP 7 lit. j) bis k)
gefasst worden, wenn die Gesetzwidrigkeit des Beschlussvorschlags zu TOP 7 lit. j)
erkannt worden wäre.
6. Infolgedessen kann ebenfalls offen bleiben, ob auch der
Bezugsrechtsausschluss durch TOP 7 lit. c) aa) für sich betrachtet nichtig wäre,
oder ob die Festlegung des Mindestausgabebetrages gem. TOP 7 lit. j) i.V.m. mit
lit. f) gegen § 255 Abs. 2 Satz 1 AktG verstößt.
7. Soweit Landgericht und Senat mit dieser Entscheidung dem ersten Hilfsantrag
des Klägers gefolgt sind, bedurfte es keiner Teilklageabweisung hinsichtlich des
Hauptantrages, weil der erste Hilfsantrag erkennbar nicht für den Fall des
Misserfolges des Hauptantrages, sondern für den Fall des Erfolges gestellt wurde.
Eine solche innerprozessuale Anknüpfung an den Erfolg des Hauptantrages ist
zulässig (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung seit RGZ 144, 71, 73).
Entgegen OLG Hamm, Urt. v. 19.3.2008, I-8 U 115/07 (veröffentlicht bei juris; hier
Bl. 54ff. Band III d.A.), und OLG Celle, Urt. v. 7.11.2007, 9 U 57/07 (AG 2008, 85ff.
= Bl. 21ff. Band III d.A.), sowie KG, Urt. vom 3.8.2007, 14 U 72/06 (KG-Report 2008,
113-115 = Bl. 155 bis 165 Band II d.A.) unterliegt in einem solchen Fall der Kläger,
wenn das Gericht dem Hilfsantrag folgt, nicht einmal teilweise wegen des
Hauptantrages. Ein Teilunterliegen lässt sich nicht damit begründen, dass
Rechtsfolge einer nichtigen Beschlussfassung über die bedingte Kapitalerhöhung
die Nichtigkeit des gesamten damit in Verbindung stehenden Beschlusses ist (§
139 BGB). Die vom OLG Hamm (jurisRn. 20) insoweit zitierten Entscheidungen
obergerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen stützen diese
Auffassung nicht. Sie befassen sich nur mit der verklammernden Wirkung von §
139 BGB, nicht mit der prozessualen Frage, ob ein Klage, die nicht alle nichtigen
Teile im Antrag erfasst, sondern nur den auslösenden Nichtigkeitskern,
unbegründet ist. Für die hier vorliegende Staffelung in Haupt- und Hilfsantrag für
den Fall des Erfolges ist die Auffassung aber jedenfalls deswegen unzutreffend, weil
der Kläger sich mit der Kombination aus Hauptantrag und weitergehendem
Hilfsantrag gar nicht gegen diese Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit stellt, sondern
sie gerade anstrebt.
C. Die Kostenentscheidung beruht – mit Ausnahme der Kostenregelung in Bezug
auf den Nebenintervenienten zu 4. - auf §§ 97 Abs. 1, 101, 69 ZPO, 248 AktG. Der
Nebenintervenient zu 4. hat seine außergerichtlichen Auslagen im
Berufungsverfahren selbst zu tragen, weil er an diesem Verfahren nicht in
zulässiger Weise beteiligt ist. Die Nebenintervention des Nebenintervenienten zu
4. ist mit Zwischenurteil vom 21.12.2006 zurückgewiesen worden. Innerhalb der
Rechtsmittelfrist (§ 71 Abs. 2 ZPO) hat der Nebenintervenient zu 4. dagegen keine
Einwände erhoben, so dass die Zurückweisung seines Beitritts rechtskräftig ist. Auf
die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Landgerichts kommt es damit nicht
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die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Landgerichts kommt es damit nicht
mehr an. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
D. Die Revision wird mit Rücksicht darauf, dass die Frage, ob die bloße Festlegung
des Mindestbetrages durch die Hauptversammlung mit § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG
vereinbar ist, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (zum Streitstand vgl. OLG
Hamm, Urt. v. 19.3.2008, I-8 U 115/07, jurisRnrn. 27 bis 30) zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.