Urteil des OLG Frankfurt vom 30.01.2002

OLG Frankfurt: verdeckte gewinnausschüttung, geschäftsführer, geschäftsjahr, gesellschafterversammlung, darlehen, anfechtungsklage, tantieme, zivilrechtliche verpflichtung, flüssige mittel

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Gericht:
OLG Frankfurt 13.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 99/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 29 Abs 1 S 1 GmbHG, § 29
Abs 2 GmbHG, § 46 Nr 1
GmbHG, § 47 GmbHG, § 243
Abs 1 AktG
(GmbH-Jahresabschluß: Maßgebliches Recht für
Beschlußanfechtungsklage; Verletzung der
gesellschafterlichen Treuepflicht;
Ergebnisverwendungsbeschluß zur Rücklagenbildung;
Anfechtungsfrist für Abschlußprüferbestellung)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. April 1998 verkündete Urteil der 2.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit Sitz in Offenbach am
Main wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das vorstehend in Bezug genommene
Urteil zu Ziffer 3. der Urteilsformel ("im übrigen wird die Klage abgewiesen")
abgeändert und festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung
der Beklagten vom 6. Oktober 1997 zu TOP 7 über die Wahl der AD. GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Wiesbaden zum
Abschlussprüfer der Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 nichtig ist.
Die Beklagte hat auch die Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die gegen sie wegen der Kosten gerichtete
Zwangsvollstreckung abzuwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von €
20.000,00, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Prozessparteien wird gestattet, die Sicherheit auch erbringen zu dürfen in
Form einer unbedingten, unwiderruflichen und unbefristeten selbstschuldnerischen
Bürgschaft eines deutschen Kreditinstitutes, welches auch als Zoll- und/oder
Steuerbürge anerkannt ist. Die Beschwer der Beklagten beträgt DM 500.000,00 (=
€ 255.645,92).
Gründe
Die Beklagte ist ein Unternehmen auf dem Gebiet der
Kommunikationstechnologie.
Sie, die 1980 mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM gegründet wurde, hat
nach der letzten Kapitalerhöhung 1992 derzeit ein Stammkapital von 10 Mio. DM.
An der Beklagten waren bei Prozessbeginn drei Gesellschafter beteiligt, nämlich
die Klägerin, die 25 % des Stammkapitals hielt, ihr Bruder - zugleich alleiniger
Geschäftsführer der Beklagten - hielt 50 % des Stammkapitals und dessen
Ehefrau hielt weitere 25 %. Ende 1998 übertrug diese auf ihre drei Kinder
Geschäftsanteile im Nennbetrag von 1,53 Mio. DM (vgl. Bl. 385 d. GA).
Betriebsgrundstücke der Beklagten stehen im Eigentum des Bruders der Klägerin.
Die Beklagte beschäftigt im Jahresdurchschnitt deutlich mehr als 200
Arbeitnehmer. Der Umsatz der Beklagten lag 1996 bei 124,2 Mio. DM, im
Geschäftsjahr 1995 bei 134,7 Mio. DM. Die Beklagte arbeitet in erheblichem
Umfang auch mit Bankkrediten.
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Streitgegenständlich sind drei Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der
Beklagten vom 6. Oktober 1997, auf deren Inhalt Bezug genommen wird,
betreffend die Feststellung des Jahresabschlusses 1996, den
Gewinnverwendungsbeschluss für das Geschäftsjahr 1996 sowie die Wahl des
Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 1997. Der geprüfte Jahresabschluss (JA)
1996 weist einen Bilanzgewinn von 3.278.306,00 DM aus. Ausweislich des
Geschäftsberichtes nahm die Beklagte gemäß § 4 Fördergebietsgesetz
Sonderabschreibungen in Höhe von DM 4.277.397,59 vor. Mit 75 % der Stimmen
stellte die Gesellschafterversammlung der Beklagten am 06.10.1997 den
Jahresabschluss gemäß Vorlage fest. Die Klägerin stimmte dagegen und meldete
Widerspruch zu Protokoll an.
Mit 75 % der Stimmen - also gegen die Klägerin - beschloss des weiteren die
Gesellschafterversammlung der Beklagten aus dem Bilanzgewinn zum 31.12.1996
in Höhe von DM 3.278.306.00 DM 2.878.306,00 in eine Gewinnrücklage
einzustellen und den verbleibenden Bilanzgewinn von DM 400.000,00 an die
Gesellschafter auszukehren. Die Klägerin erhob Widerspruch zu Protokoll. Zum
Abschlussprüfer der Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 wurde erneut die in
Wiesbaden geschäftsansässige Firma AD. (nunmehr G. Th. AD. GmbH), gesetzlich
vertreten durch ihren Geschäftsführer W. Ur., der auch steuerliche
Angelegenheiten des Bruders und dessen Ehefrau besorgt, bestellt (TOP 7). Die
Klägerin stimmte dagegen und erklärte Widerspruch zu Protokoll.
Mit Beschluss vom 13. März 2001 bestellte das Amtsgericht Offenbach die in
Frankfurt geschäftsansässige AT. WPG für die Geschäftsjahre 1998, 1999 und 2000
zur Abschlussprüferin und berief zugleich die gewählte AD. GmbH als
Abschlussprüferin ab. Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, dass alle drei
vorbezeichneten Beschlüsse zu TOP 4, 5 und 7 an inhaltlichen Mängeln leiden,
weshalb sie anfechtbar seien. Zur Begründung hat die Klägerin im einzelnen wie
folgt vorgetragen:
Hintergrund mehrerer gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten sei die Absicht ihres
Bruders, sie, die Klägerin, aus der Beklagten herauszudrängen. Er sei jedoch nicht
willens, einen Kaufpreis zu entrichten, der dem wahren Wert ihrer Beteiligung
entspreche, welcher mit mindesten 20 Mio. DM zu veranschlagen sei. Über Jahre
hinaus seien erzielte Gewinne nicht an die Gesellschafter der Beklagten
ausgekehrt worden, um so die Eigenkapitalbasis der Beklagten zu stärken. Um
ihre Vermögenssteuern zahlen zu können, habe sie in der Vergangenheit von der
Beklagten Darlehen aufnehmen müssen. Insgesamt sei sie bei der Beklagten mit
1.327.500,00 DM verschuldet. Um an der letzten Kapitalerhöhung der Beklagten
teilnehmen zu können, habe sie sogar einen bis heute noch nicht endgültig
getilgten Fremdkredit aufnehmen müssen. Nach dem Verständnis der Parteien,
teilweise ausdrücklich vereinbart, teilweise stillschweigend, hätten jeweils so viele
Gewinne bei der Beklagten ausgeschüttet werden sollen, dass sie, die Klägerin,
damit die aufgenommenen Darlehen zurückzahlen könne. Die von der Beklagten
mit Schriftsatz vom 01.04.1997 vor dem Landgericht München I erhobene
Zahlungsklage über DM 1.327.500,00 nebst Zinsen stelle eine Verletzung
gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten dar. Das Verfahren ruhe derzeit aufgrund
der von ihr erwirkten einstweiligen Verfügung des Landgerichts Darmstadt vom
22.07.1997, im wesentlichen bestätigt durch Senatsurteil vom 28.01.1998 zu
Aktenzeichen 13 U 157/97. Die Beschlüsse zu TOP 4 (Jahresabschluss 1996) und
TOP 5 (Verwendung des Jahresergebnisses 1996) der Gesellschafterversammlung
vom 06.10.1997 verkürzten, so hat die Klägerin weiter vorgetragen, in unbilliger
Weise ihr Gewinnbezugsrecht. § 11 Abs. 2 der Beklagten- Satzung sehe die
Gewinnausschüttung im Regelfall vor. Die tatsächliche Gewinnausschüttungspolitik
der Beklagten ziele indessen darauf ab, sie finanziell "auszutrocknen". Die
Ausschüttungspolitik stehe in einem krassen Missverhältnis zu den Vergütungen,
die ihr Bruder als Geschäftsführer der Beklagten erhalte.
Der Jahresabschluss 1996 sei deshalb nicht zutreffend errechnet, so hat die
Klägerin vorgetragen, weil eine steuerliche Sonderabschreibung von 4,277 Mio. DM
betreffend des in B.-A. gelegenen Immobilienobjektes, welches (so Vortrag in
zweiter Instanz) 1998 nur zu 20 % von einer beklagten Tochterfirma genutzt
worden sei bei 50 % Fremdvermietung und 30 % Leerstand, in Anspruch
genommen worden sei, welche sich nicht am tatsächlichen Wertverfall der
betroffenen Anlagegüter orientiere, sondern ausschließlich auf
wirtschaftslenkenden steuerlichen Vergünstigungen beruhe (vgl. § 4
Fördergebietsgesetz). In diesem Zusammenhang bestreite sie, die Klägerin, weder
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Fördergebietsgesetz). In diesem Zusammenhang bestreite sie, die Klägerin, weder
die steuerliche noch die handelsrechtliche Zulässigkeit der Abschreibung, sondern
sie mache geltend, dass damit ihr Gewinnbezugsrecht unbillig verkürzt werde. Die
vorgenommene Sonderabschreibung sei nicht wirtschaftlich geboten gewesen.
Ihrer Rechtsauffassung nach hätte hier auch ein gesonderter
Gewinnverwendungsbeschluss ergehen müssen. Der Bilanzgewinn sei um
mindestens 4.277.397,59 DM zu erhöhen. Sie, die Klägerin, müsse auch von
weiteren und prozesstaktisch bedingten "Bilanzmanipulationen" ausgehen. Ein
Unternehmen könne sehr leicht seine Bilanzsumme dadurch manipulieren, dass
es - auch nur kurzfristig zu einem bestimmten Stichtag - Kredite aufnehme und
die ausgeliehenen Mittel in irgendwelche Positionen des Anlage- oder
Umlaufvermögens investiere. Auch sei vorstellbar, dass ein Unternehmen sich
stichtagsbezogen hoch verschulde und die bereitgestellten Mittel bei den
jeweiligen Gläubigern als Guthaben stehen lasse oder an verbundene
Unternehmen zum selben Zweck weiterreiche. Bezeichnenderweise weise der
Konzerngeschäftsbericht der Beklagten für das Geschäftsjahr 1996 flüssige Mittel
in Form von Kassenbeständen und Kontokorrentguthaben in Höhe von 6,34 Mio.
DM aus. Der gefasste Gewinnverwendungsbeschluss (TOP 5) verkürze ebenfalls in
unbilliger Weise ihr Gewinnbezugsrecht, ganz abgesehen davon, dass
entgegengesetzte Absprachen bestanden, wonach sie mittels ausgeschütteter
Gewinne ihre Kredite habe zurückführen sollen. Die auf sie gemäß Beschluss
entfallende Dividende reiche nicht einmal aus, die angeblichen Zinsansprüche der
Beklagten für das 1992 aufgenommene sogenannte Timeplex Darlehen zu tilgen.
Die Beklagte verfüge über Eigenmittel von mehr als 31 Mio. DM, was mehr als das
Zweifache des Stammkapitals ausmache. Für die Beklagte, so hat die Klägerin
weiter vorgetragen, bestehe kein Grund, ihre im Geschäftsjahr 1996 erzielten
laufenden Gewinne den Gesellschaftern vorzuenthalten, um sie zur Aufstockung
ihrer Eigenmittel zu verwenden. Die Beklagte sei immerhin in der Lage, ihrem
Bruder als Geschäftsführer "exorbitante" jährliche Vergütungen von mehr als 3
Mio. DM zu zahlen, ohne ihre Eigenkapitalausstattung zu gefährden. Bei den
Geschäftsführerbezügen handele es sich in hohem Maße steuer- und
gesellschaftsrechtlich um verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. um
ungerechtfertigte Zuwendungen ohne Rechtsgrund zu Lasten der
Mitgesellschafter. Die Finanzverwaltung habe ausweislich des Berichts der
Großbetriebsprüfstelle des Finanzamtes Darmstadt vom 27.05.1997 schon in den
Bezügen ihres Bruders für das Jahr 1993 eine verdeckte Gewinnausschüttung von
900.000,00 DM gesehen. Ihr Bruder beziehe auch weitere Geschäftsführergehälter
von Tochterfirmen der Beklagten. Selbst bei einer zur Tilgung sämtlicher von ihr
aufgenommener Darlehen ausreichenden Gewinnausschüttung würde bei der
Beklagten eine Eigenkapitalquote von 21,90 % verbleiben. Für die Fähigkeit der
Beklagten, Gewinne auszuschütten, sei neben ihrer günstigen Ertragslage ihre
hervorragende Liquidität entscheidend. Zum 31.12.1998 habe die Beklagte
ausweislich ihrer Bilanz über ein Umlaufvermögen von über 90 Mio. DM verfügt.
Der auf sie, die Klägerin, ausgeübte wirtschaftliche Druck könne nicht durch das
Wachstumsstreben gerechtfertigt werden. Es gebe kein Machtstreben um jeden
Preis. Der Zweck einer GmbH erschöpfe sich nicht in sich selbst. Vielmehr
müssten zugunsten der Gesellschafter Gewinne erwirtschaftet und ausgeschüttet
werden. Jedenfalls müsse in einem Familienunternehmen auch auf die finanziellen
Bedürfnisse einzelner Gesellschafter Rücksicht genommen werden.
Die Klägerin hat des weiteren vorgetragen, die Bestellung der AD. GmbH zur
Abschlussprüferin (TOP 7) laufe auf die Ausübung einer nach § 49 WPO versagten
Tätigkeit hinaus. AD. und im besonderen deren Geschäftsführer W. Ur. wurden
nämlich auch steuerberatend für ihren Bruder und dessen Ehefrau tätig, dies vor
dem Hintergrund der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen ihr
und ihrem Bruder. Der Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe
ihren Bruder beim Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat im
einstweiligen Verfügungsverfahren am 26.11.1997 begleitet, wie schon zuvor beim
landgerichtlichen Termin am 16.07.1997. Der Geschäftsführer der AD. GmbH habe
für ihren Bruder und dessen Ehefrau die privaten Steuererklärungen erstellt.
Die Klägerin hat beantragt:
1. a) Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der
Beklagten vom 06.10.1997 über die Feststellung des Jahresabschlusses für das
Geschäftsjahr 1996 nichtig ist.
b) hilfsweise zu a)
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der in a) bezeichnete Beschluss wird für unwirksam erklärt;
2. a) es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der
Beklagten vom 06.10.1997 über die Verwendung des Jahresergebnisses für das
Geschäftsjahr 1996, wonach aus dem Bilanzgewinn zum 31.12.1996 in Höhe von
DM 3.278.306,00 ein Betrag von DM 2.878.306,00 in die Gewinnrücklage
eingestellt und nur der verbleibende Bilanzgewinn von DM 400.000,00 an die
Gesellschafter ausgeschüttet wird, nichtig ist;
b) hilfsweise zu a) es wird festgestellt, dass der in a) bezeichnete Beschluss
unwirksam ist;
c) hilfsweise zu b), der in a) bezeichnete Beschluss wird für unwirksam erklärt;
3. a) es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der
Beklagten vom 06.10.1997 über die Wahl der AD. GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, Wiesbaden, zum
Abschlussprüfer der Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 nichtig ist;
b) hilfsweise zu a), der in a) bezeichnete Beschluss wird für unwirksam erklärt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ihr Interesse an einer Thesaurierung
der erwirtschafteten Gewinne übersteige das Gewinnausschüttungsinteresse der
Klägerin erheblich; ihre Mehrheitsgesellschafter verfolgten keinesfalls das Ziel, die
Klägerin aus ihr herauszudrängen. Sie, die Beklagte, betätige sich auf einem
Geschäftsfeld, wo man entweder stetig wachse oder vom Markt verschwinde.
Wachstum koste Geld, was ihr bereitgestellt werden müsse. Ihre Kreditgeber
hätten sich vertragsrechtlich dagegen abgesichert, dass ihre Gesellschafter durch
Gewinnausschüttungen sich aus der Finanzierungsverantwortung zurückziehen
könnten und verlangten eine Eigenkapitalquote von 20 %. Sie, die Beklagte,
nehme insoweit Bezug auf die Schreiben der Deutschen Bank vom 18.07.1996 (Bl.
108 d. A.), der Commerzbank vom 09.06.1997 (Bl. 114 d. A.) und der Bayerischen
Hypotheken- und Wechselbank vom 17.02.1997 (Bl. 117 d. A.). In der
konsolidierten Bilanz für das Geschäftsjahr 1996 habe ihre Eigenkapitalquote den
Wert bereits von 20 % unterschritten. Gleichwohl sei eine Gewinnausschüttung von
400.000,00 DM beschlossen worden, was zu entsprechenden Bankreaktionen
geführt habe. In diesem Zusammenhang nehme sie, die Beklagte, Bezug auf das
Schreiben der Deutschen Bank vom 19.11.1997 (Bl. 120 d. A.) und der
Commerzbank vom 21.11.1997 (Bl. 421 d. A.). Die abgeschlossenen
Kreditverträge und die Reaktion der Gläubigerbanken belegten, dass sie nicht in
der Lage sei, die thesaurierten Gewinne ganz oder teilweise an ihre Gesellschafter
auszuschütten. Mit einem derartigen Verhalten würde sie den Fortbestand der
Kredite und damit ihre Existenz nachhaltig gefährden. Die Klägerin sei immerhin
auch über 15 Jahre hinweg mit der Wachstumspolitik einverstanden gewesen. Der
Wert ihres Gesellschaftsanteils, der in realistischer Betrachtungsweise mit ca. 7
Mio. DM anzusetzen sei, habe sich bezogen auf das eingesetzte Kapital, um das
215-fache vermehrt. Lediglich bezüglich des sogenannten Timeplex- Darlehens
habe es eine Abrede zwischen den Gesellschaftern über dessen Tilgung durch
Gewinnausschüttungen gegeben. Als die Klägerin weitere Darlehen bei ihr
aufgenommen habe, so sei beabsichtigt gewesen, diese aus dem Erlös des
beabsichtigten Verkaufs ihres Geschäftsanteils an die Kinder des Bruders
zurückzuführen. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, die rechtlich in jeder Hinsicht
zulässige Sonderabschreibung beziehe sich auf ein in Berlin errichtetes
Bürogebäude. Steuerrechtliche Wahlrechte seien in Übereinstimmung mit der
Handelsbilanz auszuüben. Indem ihre Gesellschafter auf der
Gesellschafterversammlung am 6. Oktober 1997 den Jahresabschluss 1996
einschließlich der dort ausgewiesenen Sonderabschreibung mit der erforderlichen
Mehrheit festgestellt hätten, habe es eines gesonderten Beschlusses über die
Sonderabschreibung nicht mehr bedurft.
Der Gewinnverwendungsbeschluss, so hat die Beklagte gemeint, stelle kein
treuwidriges Verhalten der Mitgesellschafter der Klägerin ihr gegenüber dar. Ihr
Geschäftsführer erhalte das vertraglich vereinbarte Gehalt; die Klägerin könne
nicht wie ein Geschäftsführer behandelt werden. Das Geschäftsführergehalt sei
ihrer Ertragsstärke angemessen. Die Beträge ihres Geschäftsführers hätten sich
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ihrer Ertragsstärke angemessen. Die Beträge ihres Geschäftsführers hätten sich
1996 auf DM 218.000,00 Festgehalt und 1,418 Mio. DM Tantieme belaufen. Wäre
die Sonderabschreibungsmöglichkeit nicht in Anspruch genommen worden, so
wäre die Tantieme ihres Geschäftsführers um ca. 900.000,00 DM höher
ausgefallen. Dass die Finanzverwaltung Teile der Geschäftsvergütung ihres
Geschäftsführers als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen habe, ändere
nichts an der Tatsache, dass der Geschäftsführer aufgrund seines, auch von der
Klägerin mitunterzeichneten Anstellungsvertrages Anspruch auf Tantieme in dieser
Höhe habe. Im übrigen habe die Klägerin in ihrer ehemaligen Eigenschaft als
Geschäftsführerin der Cp. GmbH eine gleichlautende Tantieme-Regelung gehabt.
Ihr Geschäftsführer erhalte entgegen klägerischen Vorbringens keine Vergütung
für seine weiteren Geschäftsführertätigkeiten in Tochtergesellschaften. Mit am 28.
April 1998 verkündetem Urteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat die 2.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit Sitz in Offenbach am
Main unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass der Beschluss
der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 06.10.1997 über die
Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 1996 unwirksam ist und
der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 06.10.1997
über die Verwendung des Jahresergebnisses für das Geschäftsjahr 1996 nichtig ist.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass beide vorbezeichneten
Beschlüsse gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstießen. Die Mehrheit
der Gesellschafter hätten sich über das Gewinnbezugsrecht der Klägerin in einer
Weise hinweggesetzt, die durch gesellschaftsrechtliche Treuepflichten nicht mehr
gedeckt sei. Die Klägerin habe ein erhebliches und sogar durch Rechtsstreite
verlautbartes Interesse an einer Gewinnausschüttung und daher auch an der
Nichtvornahme hoher steuerlicher Verlustabschreibungen. Das klägerische
Interesse an Gewinnausschüttung beruhe zu einem hohen Anteil auf ihrer bei der
Beklagten bestehenden Kreditverschuldung. Der Ergebnisverwendungsbeschluss
sei bereits wegen der aufgehobenen Feststellung des Jahresabschlusses nichtig,
leide aber auch an eigenständigen Mängeln. Die Beklagte müsse ihre Finanz- und
Liquiditätsverhältnisse so organisieren, dass sie ihrer Verpflichtung zur
Gewinnausschüttung nachzukommen fähig sei. Kreditvereinbarungen, die der
Beklagten diese Fähigkeit zur Gewinnausschüttung nähmen, dürfe sie nicht
eingehen. Eine andere rechtliche Betrachtungsweise möge nur zulässig sein, wenn
zwingende wirtschaftliche Gründe des Unternehmens eine Gewinnausschüttung
verböten. Eine solche kritische Situation könne bei den Geschäftsführerbezügen
für 1996 von DM 218.000,00 Festgehalt und 1,418 Mio. DM Tantieme nicht
festgestellt werden. Die Beklagte gehe ersichtlich selbst von einem Zustand der
Prosperität aus. Der klägerische Antrag auf Bestellung eines anderen als des
gewählten, aber wegen Befangenheit abgelehnten Prüfers, sei verfristet gestellt
worden, weil maßgeblich die Zweiwochenfrist des § 318 HGB sei. Die Beklagte hat
gegen das vorbezeichnete und ihr am 5. Mai 1998 zugestellte Urteil mit bei
Gericht am 5. Juni 1998 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr
Rechtsmittel mit bei Gericht am 09.06.1998 eingegangenem Schriftsatz
begründet. Die Beklagte weist vorab in ihrer Berufungsbegründung darauf hin,
dass sie ihre Kreditverbindlichkeiten nicht willkürlich erhöht habe und in ihrer
konsolidierten Bilanz für 1996 ihre Eigenkapitalquote unter 20 % abgesunken sei.
Die Beklagte trägt vor, ihre Eigenkapitalquote habe sich per 31.12.1997 auf 19,10
% und zum 31.12.1998 auf 19,20 % belaufen. Die Eigenkapitalquote in den
konsolidierten Bilanzen der Controlware-Gruppe hätten sich zu den vorstehenden
Stichtagen auf 15,30 % bzw. 15,90 % belaufen. Die Beklagte trägt vor, es werde
übersehen, dass es hinsichtlich der Ausschüttungsfähigkeit von Bilanzgewinnen
nicht nur auf ihre Ertragsstärke und auf das Vorhandensein liquider Mittel
ankomme. Das Landgericht habe im vorliegenden Fall den hinlänglich bekannten
Konflikt zwischen den Interessen eines Gesellschafters an einer möglichst hohen
Gewinnausschüttung mit dem Interesse der Gesellschaft, die
Unternehmensfinanzierung durch möglichst hohe Gewinnthesaurierung zu sichern,
unzutreffend gelöst und im besonderen auch nicht hinreichend gewürdigt, dass die
Klägerin bis Oktober 1995 die auf eine Gewinnthesaurierung abzielende
Ausschüttungspolitik mitgetragen habe. Nur durch das "Stehenlassen" der
Gewinne sei sie, die Beklagte, zu dem geworden, was sie heute darstelle. Aufgrund
bestehender Kreditverträge sei sie daran gehindert, weitergehende als
beschlossene Gewinnausschüttungen vorzunehmen. Ohne Gefährdung ihres
Bestandes könnten keinesfalls zusätzliche Gewinne ausgeschüttet werden.
Zwischen 1995 und 1996 sei ein Umsatzrückgang in zweistelliger Millionenhöhe
eingetreten.
1997 habe sich ihr Ertrag weiter verschlechtert, da 1997 ein drastischer
Margenverfall eingetreten sei. Sie habe 1997 hohe Wertberichtigungen vornehmen
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Margenverfall eingetreten sei. Sie habe 1997 hohe Wertberichtigungen vornehmen
müssen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Banken bei dieser
Entwicklung mit einer Kürzung der Kreditlinien reagieren würden. Die
landgerichtliche Gleichung, Prosperität sei gleich Gewinnausschüttungsfähigkeit,
stimme nicht. Entgegen der landgerichtlichen Auffassung gebe es auch keine
Wechselbeziehung zwischen der Geschäftsführervergütung und der
wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Sie habe, so trägt die Beklagte
weiter vor, ihre Hauptgläubigerbanken vom landgerichtlichen Urteil informiert. Der
Reaktionen wegen verweise sie auf die Bankschreiben vom 15.05., 18.05 und
20.05.1998 (Bl. 234 ff. d. GA). Allein der Umstand, dass die Banken in Zukunft zu
einer anderen Risikoeinschätzung gelangen könnten, sei im Sinne des
landgerichtlichen Urteils ein zwingender wirtschaftlicher Grund. Zwischenzeitlich, so
trägt die Beklagte ergänzend vor, habe die Commerzbank mit Schreiben vom
29.03.2000 ihr den eingeräumten Kreditrahmen von 10 Mio. DM gekündigt; die
Dresdner Bank habe ihr gegenüber angekündigt, dass der Kreditrahmen von 15
Mio. auf 10 Mio. DM reduziert werde. Schon 1991 habe die Hypo Vereinsbank ihre
Kreditlinie von 25 Mio. DM auf 20 Mio. DM gekürzt. Für sie sei von existenzieller
Bedeutung, dass ihr Banken weiterhin Kredite zur Verfügung stellten; Ihre
Verbindlichkeiten gegenüber Banken beliefen sich zum 31.12.1996 auf
58.074.875,65 DM, zum 31.12.1997 auf 78.524.039,92 DM und letztlich zum
31.12.1998 auf DM 80.999.907,22. Im Geschäftsjahr 1998 habe sie nur einen
Jahresüberschuss von 379.107,65 DM erwirtschaftet.
Aus dem sogenannten Timeplex-Darlehen, so trägt die Beklagte weiter vor, ergebe
sich für sie keine Verpflichtung zur Ausschüttung eines bestimmten Gewinnes. Die
Klägerin hätte mit den ausgeschütteten Gewinnen in der Vergangenheit das
Darlehen in erheblichem Umfange zurückführen können. Die 1996 ausgeschüttete
Dividende von 400.000,00 DM entspreche einer Bruttodividende von DM
571.428,00. In Bezug auf das Stammkapital von 10 Mio. DM entspreche dies einer
Rendite von 5,71 % und liege damit an der oberen Grenze dessen, was Aktionäre
erhielten. Wenn auch die Klägerin im Parallelverfahren 15 O 14/97 LG Darmstadt
den dort tätig gewordenen Sachverständigen erfolgreich abgelehnt habe, so seien
gleichwohl dessen Erwägungen im Gutachten zutreffend. Würde sie, die Beklagte,
Gewinne in dem Umfange ausschütten, wie die Klägerin sich dies vorstelle, würden
ihr unverzüglich Bankkredite gekürzt werden. Bezüglich der anderen Darlehen
wechsele, worauf sie, die Beklagte, mit Nachdruck hinweise, die Klägerin ihren
Vortrag. Richtig sei keine ihrer Darstellungen. Nach dem Scheitern des Plans, bei
ihr einen Finanzinvestor aufzunehmen, sei sich ihr Geschäftsführer mit der Klägerin
über einen Verkauf der von ihr gehaltenen Anteile an dessen Kinder einig
geworden. Zur Abwendung akuter Finanzbedürfnisse habe die Klägerin Gelder
erhalten, und zwar im Vorgriff auf die später dazustellende Kaufpreiszahlung
betreffend Geschäftsanteil. Erst 1996 seien an den überhöhten
Kaufpreisvorstellungen der Klägerin die Kaufvertragsverhandlungen gescheitert.
Bei der Sonderabschreibung, so trägt die Beklagte vor, handele es sich um eine
weitere Maßnahme zur Eigenfinanzierung. Unter Berücksichtigung der Steuerlast
und der Tantiemeansprüche ihres Geschäftsführers hätte sich der Bilanzgewinn
nur um 2.038.00,00 DM erhöht. Entgangen wären ihr 2.239.00,00 DM
Eigenfinanzierungsmöglichkeiten, nämlich 855.000,00 DM Tantieme und
1.389.000,00 DM steuerliche Belastungen. Hintergrund der Sonderabschreibung
sei ihr Grundstückserwerb 1994 in Ost- Berlin gewesen. Damals habe man
"blühende Landschaften" im Osten erwartet. Um die sich in Osteuropa öffnenden
Märkte bearbeiten zu können, habe sie in den neuen Bundesländern präsent sein
müssen. Da ihre damalige 100 %ige Tochter Cwe., von der man sich erst im Jahre
2000 getrennt habe, bereits in Berlin geschäftsansässig gewesen sei, habe es sich
angeboten, dass auch sie, die Beklagte, sich in Berlin niederlasse. Aufgrund der
"einmalig günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen und aufgrund in Aussicht
stehender öffentlicher Fördermittel" habe sie sich entschlossen, anstelle der
Anmietung einer Immobilie ein Bürogebäude selbst zu errichten. Das Gebäude sei
dabei so dimensioniert worden, dass für weiteres Wachstum ausreichend Reserven
vorhanden gewesen seien. Zunächst habe der Anteil, der sie selbst und Cwe.
genutzt habe, auch bei 60 % gelegen. Derzeit liege der Leerstand bei ca. 10 %.
Die Gesamtkosten für das Objekt hätten sich auf 25,8 Mio. DM belaufen, wovon
17,2 Mio. DM durch Darlehen der Weberbank fremdfinanziert worden seien. In
Höhe von 3.404.400,00 DM habe sie öffentliche Fördermittel erhalten. Infolge
Abschreibung und Inanspruchnahme der Fördergebietsabschreibung habe sie von
1995 bis 2000 ca. 6,6 Mio. DM Steuern erspart, was deutlich mache, dass das
Objekt sie liquiditätsmäßig nicht belaste. Darlehenszinsen und Mieteinnahmen
bzw. ersparte Mietzinszahlungen durch Eigennutzung würden sich "in etwa
aufheben". Ein weiterer Effekt sei, dass sie sich ein Beleihungsobjekt geschaffen
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aufheben". Ein weiterer Effekt sei, dass sie sich ein Beleihungsobjekt geschaffen
habe. Letztlich sei für sie , die Beklagte, nicht nachvollziehbar, wie im vorliegenden
Fall das Landgericht habe durchentscheiden können, während es im
Parallelverfahren 15 O 14/97 zu der klägerischen Behauptung, sie wäre 1992 bis
1995 wirtschaftlich in der Lage gewesen, Gewinne auszuschütten,
Sachverständigenbeweis erhebe bzw. erhoben habe. Entgegen klägerischer
Meinung sei sie sehr wohl der Auffassung, dass das dort vom Sachverständigen
Dr. Wa. erstattete Gutachten, welches eine Gewinnausschüttungsfähigkeit
verneine, auch hier verwertbar sei. Der von der Klägerin eingeforderte Verzicht auf
die Inanspruchnahme der Sondergebietsabschreibung führe ausschließlich zu
Nachteilen in Form eines Liquiditätsverlustes und zu einer Eigenkapitalreduzierung.
Bezüglich der Geschäftsführervergütungen sei anzumerken, dass die Klägerin als
ihre Gesellschafterin den Anstellungsvertrag mit ihrem Bruder selbst
mitunterschrieben habe. Die Höhe der Vergütung sei mithin von der Klägerin auch
gewollt gewesen. Ihr Geschäftsführer habe 1996 1,637 Mio. DM verdient. Allein aus
steuerlichen Gründen sei mit Wirkung ab 01.01.1997 der
Geschäftsführeranstellungsvertrag am 12.12.1996 geändert worden. Dass Teile
seines Geschäftsführergehaltes steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung
behandelt werde, stelle ihre zivilrechtliche Verpflichtung zur Zahlung dessen, was
vereinbart worden sei, nicht in Frage.
Zivilrechtlich handele es sich bei der Vergütungsregelung um keine verdeckte
Gewinnausschüttung. Die Beklagte trägt des weiteren vor, die Klägerin verfolge
derzeit die Politik, ihren Mitgesellschaftern lästig zu werden. So habe die Klägerin
sich eines nicht begründeten Vorkaufsrechts berühmt, als ihre Schwägerin an die
Kinder Anteile übertragen wollte. Zum anderen habe die Klägerin sich gegen das
Vorhaben gestellt, dass ihre 100 %ige Tochtergesellschaft Cwe. GmbH in eine
Aktiengesellschaft umgewandelt werde, um weitere Investoren dort beteiligen zu
können.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 28. April 1998 die
Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin, die das angefochtene Urteil, soweit mit ihm ihren Klagebegehren
entsprochen worden ist, verteidigt und nochmals auf die Geschäftsentwicklung der
Beklagten und der ihr gewährten Darlehen eingeht, trägt ergänzend vor, dass
gegen ihren Widerspruch die Beklagte ihrem Bruder als Geschäftsführer seit 1997
ein sich 1998 und 1999 um je 4 % erhöhendes Festgehalt von 1,8 Mio. DM zahle
zuzüglich eine Tantieme von 4,5 % des Jahresergebnisses vor Ertragssteuer und
vor Abzug gesetzlicher sonstiger gewinnabhängiger Vergütungen und der
vorbezeichneten Tantieme selbst. Hinzu kämen weitere geldwerte Leistungen
sowie Pensionsrückstellungen. Der steuerlich nicht anerkannte Anteil der
Geschäftsführerbezüge ihres Bruders mache allein im Zeitraum von 1993 bis 1996
DM 6,673 Mio. DM aus. Die Klägerin meint, das Berufungsvorbringen der Beklagten
rechtfertige keine vom Landgericht abweichende rechtliche Beurteilung der
Sachlage, insbesondere trage die Beklagte auch jetzt noch keine Tatsachen vor,
um die handelsrechtliche Erforderlichkeit der außergewöhnlichen Abschreibung zu
begründen.
Sie, die Klägerin, könne nicht nachvollziehen, wie sich eine gewinnmindernde
Sonderabschreibung als Maßnahme zur Eigenfinanzierung darstellen könne. Für
die Investition habe keine betriebliche Veranlassung bestanden. Der Erwerb des in
Ost- Berlin gelegenen Immobilienobjektes sei im übrigen nicht durch die
satzungsmäßigen Zwecke der Beklagten gedeckt. Trotz des landgerichtlichen
Urteils habe die Beklagte in den folgenden Jahren die Abschreibung wiederholt,
obwohl ein tatsächlicher Wertverfall nicht eingetreten sei. Sie müsse auch
bezweifeln, dass die Beklagte sich in dem Umfange, wie von ihr behauptet, bei den
Banken verschuldet habe. Die Stellungnahmen der Banken seien
"Gefälligkeitsschreiben", was sich schon daraus ergebe, dass die Banken innerhalb
laufender Berufungsbegründungsfrist reagiert hätten. Die Bankschreiben beträfen
im übrigen die Jahre 1999 und 2000 und ließen keinen Rückschluss auf das
streitgegenständliche Jahresabschlussergebnis zu. Aus dem Hypo-Vereinsbank-
Schreiben sei auch zu entnehmen, dass die Beklagte ihr gegenüber nicht die
wirtschaftlichen Verhältnisse offengelegt habe. Aus den weiteren Schreiben der
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wirtschaftlichen Verhältnisse offengelegt habe. Aus den weiteren Schreiben der
Banken vom 16.02.2000 lasse sich entnehmen, dass die Beklagte selbst um die
Reduzierung des Kreditrahmens nachgesucht habe. Die Beklagte schöpfe die ihr
eingeräumten Kreditlinien noch nicht einmal voll aus. Die Beklagte unterlasse es in
diesem Zusammenhang vorzutragen, dass sie zwischenzeitlich das
Kreditengagement und ihre Bankbeziehungen umgestaltet habe. Seit Mai 1999
stehe der Beklagten durch die Gtd. & Metall Bank AG eine ungesicherte
Rahmenkreditlinie in Höhe von 10 Mio. DM zur Verfügung. Seit Oktober 1999 stelle
Hk. & Aff. Privatbankhaus KGaA der Beklagten eine unbesicherte
Rahmenkreditlinie von 5 Mio. DM bereit. Die Beklagte gebe den Stand ihrer
Verbindlichkeiten nicht richtig wieder, wie sich dies aus ihrem Geschäftsbericht
ergebe. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Beklagte 1996 DM 3,7 Mio. und
1997 3, 06 Mio. DM als Festgeld angelegt habe. Bei der Beklagten handele es sich
mithin um ein gesundes und solide finanziertes Unternehmen. Die Beklagte habe,
was auch gesehen werden müsse, in großem Umfange Vermögenswerte auf ihre
Tochtergesellschaften verschoben.
In diesem Zusammenhang verweise sie auf die Vorgänge bei Cwe.. Sie, die
Klägerin, sei indessen auf Gewinnausschüttungen wirtschaftlich angewiesen, was
durch ihre hohe Verschuldung - die nochmals im einzelnen dargestellt wird - belegt
werde. Sie, die Klägerin, verhalte sich entgegen Beklagtenansicht auch nicht
widersprüchlich. Mit dem Eingehen der erheblichen Verbindlichkeiten gegenüber
der Beklagten und der Bayerischen Vereinsbank in der Zeit zwischen 1992 und
1995 gehe eine Zäsur einher. Für alle Beteiligten sei klar erkennbar gewesen, dass
ihr an einer schnellstmöglichen Rückführung der Darlehen durch
Gewinnausschüttungen gelegen gewesen sei. Bezüglich des Timeplex-Darlehens
nehme sie insoweit auch Bezug auf das Schreiben der AD. vom 06.11.1992 (Bl.
478 d. A.). Die Beklagte versuche im vorliegenden Rechtsstreit nur aus
prozesstaktischen Gründen ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht
darzustellen. Wer, wie die Beklagte, ihrem Geschäftsführer verdeckte
Gewinnausschüttungen in Millionenhöhe zuwenden könne, müsse auch den
anderen Gesellschaftern Gewinne ausschütten. Als sie im Dezember 1992 ihre
Zustimmung zur Tantiemeregelung gegeben habe, habe die Beklagte einen
deutlich niedrigeren Jahresüberschuss erwirtschaftet. Keinesfalls habe sie die
Absicht gehabt, bei gestiegenen Gewinnen den Geschäftsführer der Beklagten den
Anspruch auf 20 %ige Gewinntantieme zu belassen. Die Klägerin ist der
Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht ihre weitergehende Klage
(Anfechtung TOP 7, betreffend Person des Abschlussprüfers) abgewiesen habe und
meint, die Frist des § 318 Abs. 3 Satz 2 HGB sei vorliegend nicht relevant. Das
Landgericht setze sich mit seiner Ansicht in Widerspruch zur - soweit ihr ersichtlich
- einhelligen Meinung im Schrifttum. Maßgeblich sei allein die Anfechtungsfrist des
§ 243 AktG. Während § 318 HGB sich auf den Bestellungsakt beziehe, beziehe sich
die Anfechtungsklage auf den Wahlakt. Für die Anfechtungsklage gelte die
Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG. Im übrigen habe mit Beschluss vom 13.
März 2001 das Amtsgericht Offenbach den bisherigen Abschlussprüfer wegen
Besorgnis der Befangenheit abberufen. Die Klägerin trägt erneut vor, dass der
Geschäftsführer der AD., W. Ur., der Interessenvertreter ihres Bruders sei, auch im
Verhältnis ihr gegenüber. In den Verhandlungen über einen eventuellen Verkauf
ihrer Anteile sei Ur. als Vertreter ihres Bruders aufgetreten und habe hierbei
erklärt, er garantiere, dass sie nicht mehr als 4 Mio. DM bekommen werde, falls sie
6 Mio. DM verlange. Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin, unter
Abänderung des landgerichtlichen Urteils festzustellen, dass der Beschluss der
Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 06.10.1997 über die Wahl der AD.
GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, Wiesbaden,
zum Abschlussprüfer der Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 nichtig sei;
hilfsweise,
den vorbezeichneten Beschluss für unwirksam zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe bislang keine Gründe substantiiert
vorgetragen, die eine Bestellung der G. Th. AD. GmbH (früher AD.) zur
Abschlussprüferin entgegenstehe.
Deren Geschäftsführer habe auf ihren, der Beklagten, Wunsch an den
Gerichtsterminen teilgenommen, weil Gegenstand des Rechtsstreits auch ihre
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Gerichtsterminen teilgenommen, weil Gegenstand des Rechtsstreits auch ihre
Vermögens- und Liquidationsverhältnisse sowie Steuerangelegenheiten gewesen
seien. Generell sei die Besorgnis der Befangenheit nicht gerechtfertigt, wenn ein
Abschlussprüfer als Gutachter, Sachverständiger oder Zeuge für die zu prüfende
Gesellschaft auftrete. Umfangreiche Vergleichsbemühungen des Senates sind
erfolglos geblieben. Aller Einzelheiten im übrigen wegen wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
I. Zur Berufung der Klägerin
Die gemäß §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO a. F. statthafte und auch sonst
zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen
war. Mit dem Landgericht und gegen die beachtlichen und gewichtigen Bedenken
der Beklagten geht auch der erkennende Senat letztlich unter Abwägung aller
relevanten Gesichtspunkte davon aus, dass die klägerseits angefochtenen
Gesellschafterbeschlüsse vom 6. Oktober 1997 zu TOP 4 (Feststellung des
Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 1996) und TOP 5 (Beschlussfassung über
die Verwendung des Jahresüberschusses für das Geschäftsjahr 1996) gegen
gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstoßen, weshalb sie in entsprechender
Anwendung des § 243 AktG unwirksam sind. Der Senat ist sich der Problematik
seiner Wertungsentscheidung durchaus bewusst und hätte es, zumal im Interesse
der Beklagten selbst, sehr begrüßt, wenn die Gesellschafter eine einvernehmliche
Lösung hätten finden können, was leider trotz umfangreicher Bemühungen, auch
unter gerichtlicher Beteiligung, nicht der Fall war. Aufgrund der besonderen
Eigenheiten des dem Gericht unterbreiteten Sachverhaltes sieht sich der Senat
jedoch als berechtigt an, in die Bilanzierungsentscheidung der Beklagten
einzugreifen. Wenn auch Gesellschafterbeschlüsse verfahrensgegenständlich sind
und die Interessen der Gesellschafter der Beklagten in Widerstreit stehen, mithin in
der Sache es letztlich um einen Streit zwischen Gesellschaftern geht, ist gleichwohl
nach gesichertem Erkenntnisstand in Rechtsprechung und Rechtslehre die
Gesellschaft selbst, also die Beklagte, für die hier erhobenen Bedenken
passivlegitimiert (vgl. u. a. auch Urteil des II. ZS des BGH vom 10.11.1980,
abgedruckt in NJW 1981 Seite 1140; Urteil des OLG Hamburg vom 28.06.1991,
abgedruckt in ZIP 1991 Seite 1430 ff., 1432; Lutter-Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl.
2000, Rn 34 Anhang § 47). Weist ein Gesellschafterbeschluss einen Mangel auf, wie
hier klägerseits vorgetragen, so finden - auch dies ist gesicherter Erkenntnisstand
in Rechtsprechung und Rechtslehre - die aktienrechtlichen Vorschriften über die
Anfechtbarkeit und die Nichtigkeit (vgl. §§ 241 ff. AktG) entsprechende
Anwendung. Auch wenn die Anfechtungsmonatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG für das
GmbH-Recht nur Leitbildfunktion hat (vgl. Urteil des II. ZS des BGH vom 14. Mai
1990, abgedruckt in Bd. 111 Seite 224 der Amtlichen Entscheidungssammlung),
weshalb es zweifelhaft sein dürfte, ob diese Frist von dem anfechtenden GmbH-
Gesellschafter strikt einzuhalten ist, hat hier jedenfalls die Klägerin die
streitgegenständliche Anfechtungsklage binnen Monatsfrist erhoben (die Klage ist
nämlich bei Gericht am 6. November 1997 eingereicht worden), weshalb diese
Rechtsfrage hier nicht näher zu problematisieren ist.
Die klägerische Anfechtung der Beschlussfassungen zu TOP 4 und TOP 5 ist nicht
nur fristwahrend erfolgt, sondern stellt sich auch als begründet dar. 1. Zu TOP 4
(Feststellung des Jahresabschlusses 1996) Der von der
Gesellschafterversammlung der Beklagten am 6. Oktober 1997 festgestellte
Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1996 ist wegen der klägerseits erklärten und
durchgreifenden Anfechtung unwirksam. Das Vorliegen der tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 256 AktG - Nichtigkeit bei Vorliegen bestimmter Verstöße
- verneint der Senat. Die hier allein in Betracht zu ziehende Alternative des Absatz
1 Ziffer 1 scheidet schon deshalb aus, weil durch die klägerseits behauptete
Fehlerhaftigkeit der Gläubigerschutz nicht betroffen ist. Vielmehr geht auch die
Klägerin davon aus, dass der Jahresabschluss nicht gegen zwingende
Bewertungsvorschriften des Gesetzes oder der Satzung verstößt; sie hält die
Beschlussfassung vielmehr deshalb für rechtswidrig, weil sich hierin ein
Mehrheitsmissbrauch bei Verletzung mitgliedschaftlicher Treuepflichten
manifestiert. Dies ist aber ein Fall der Anfechtbarkeit (vgl. in diesem Sinne auch
Hüffer, AktG, 3. Aufl. 1997, Rn 5 zu § 257; Rowedder, GmbH, 3. Aufl. 1997, Rn 38
zu § 29). Die Anfechtungsberechtigung der Klägerin ergibt sich hierbei dadurch,
dass die Feststellung des Jahresabschlusses ergebniswirksam ist und zugleich die
Grundlage für ihren Gewinnanspruch schafft (vgl. hierzu auch Urteil des II. ZS des
BGH vom 14.02.1974, abgedruckt in WM 1974 Seite 392 ff., 393). Zwischen allen
Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass die Beklagte bei der Feststellung
des Jahresabschlusses 1996 steuerrechtlich rechtmäßige bilanzpolitische
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des Jahresabschlusses 1996 steuerrechtlich rechtmäßige bilanzpolitische
Spielräume mit ergebnisrelevanten Auswirkungen ausgenutzt hat und sie das
Immobilienobjekt auch handelsrechtlich in gleichen Umfange abzuschreiben
berechtigt war. Diese Rechtsauffassung wird vom Senat geteilt. § 5 EStG, der über
§§ 7, 8 KStG auch für Kapitalgesellschaften gilt, stellt den Grundsatz der
sogenannten "umgekehrten Maßgeblichkeit" auf. Danach sind steuerrechtliche
Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der
handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben (vgl. § 5 Abs. 1 Ziffer EStG). Auch ohne
eingetretenen Wertverlust darf und muss ein Wirtschaftsgut deshalb auch
handelsrechtlich in dem gleichen Maße abgeschrieben werden, wie
steuerrechtliche Abschreibungsmöglichkeiten wahrgenommen werden. Der
Jahresabschluss muss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung
entsprechen, und die zur Verfügung stehenden Ansatz- und
Bewertungswahlrechte müssen gerecht ausgeübt werden. Dabei muss dem
Umstand besonderes Augenmerk gegeben werden, dass mit der Feststellung des
Jahresabschlusses zugleich die Grundlage für die Berechnung der
Gewinnansprüche sämtlicher Gesellschafter festgelegt wird. Bilanzentscheidungen
müssen daher auch immer im Lichte der Gewinnansprüche der Gesellschafter
gesehen werden. Der Senat verkennt auch keineswegs, dass die Bilanzpolitik ein
wichtiges Instrument der Unternehmenspolitik ist - die Ausübung der
verschiedenen Bilanz- und Bewertungswahlrechte sowie die Wahrnehmung
steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet auch nach neuem Bilanzrecht die
Möglichkeit der Bildung (eigentlich unerwünschter) stiller Reserven (vgl. hierzu
auch Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, Rn 121 zu § 29) -, weshalb die Justiz sehr
vorsichtig sein muss, wenn sie eingreift, denn es müssen sehr gewichtige Gründe
vorliegen, wenn eine nach handels- und steuerrechtlichen Grundsätzen
rechtmäßige Bilanzentscheidung der Gesellschafter durch eine
unternehmensfremde Institution, nämlich durch das Gericht, aufgehoben wird.
Schon das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend darauf
hingewiesen, dass ein in der Abstimmung über den Jahresabschluss unterlegener
Gesellschafter nicht sein eigenes unternehmerisches Ermessen an die Stelle des
Mehrheitsbeschlusses setzen darf. In den Kernbereich unternehmerischer
Autonomie darf nicht eingegriffen werden. Bei der hier zu treffenden Entscheidung
hatte der Senat auch die Tatsache angemessen zu berücksichtigen gehabt, dass
der Gesetzgeber das Vollausschüttungsgebot des § 29 GmbHG alte Fassung
aufgehoben hat und er für die GmbH keine dem § 254 Abs. 1 AktG vergleichbare
Regelung getroffen hat, d. h. keine Mindestausschüttungsquote festgesetzt hat. §
11 der Satzung der Beklagten - betreffend Gewinnverteilung und
Gewinnausschüttung - enthält keine materiellrechtlichen Richtlinien für die
Gesellschafterbeschlussfassung. Abs. 2 wiederholt im wesentlichen den damals
geltenden gesetzlichen Grundsatz der Vollausschüttung, der in Absatz 3 in
Übereinstimmung mit der jetzigen Rechtslage durch "einfache Mehrheit" für
einschränkbar erklärt wird. Dass der Gesetzgeber für den
Gewinnverwendungsbeschluss eine einfache Mehrheit für ausreichend erachtet,
steht in einem inneren Zusammenhang mit dem Bilanzrichtliniengesetz, welches
die Möglichkeit der Bildung stiller Reserven einschränken will. Der oben bereits
vorangestellte Rechtssatz, dass Ansatz- und Bewertungswahlrechte sachgerecht
auszuüben sind, beinhaltet nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung
auch, dass die Ausschüttungsinteressen der einzelnen Gesellschafter gegenüber
dem Bedürfnis der Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung der Gesellschaft
abzuwägen sind, wobei dem Thesaurierungsinteresse der Gesellschaft gegenüber
den Ausschüttungs- und Entnahmeinteressen der Gesellschafter kein allgemeiner
Vorrang zukommt (vgl. Urteil des II. ZS des BGH vom 29.03.1996, abgedruckt in
Bd. 132 Seite 263 ff., 273 ff. der Amtlichen Entscheidungssammlung, auch
abgedruckt in DB 1996 Seite 926 ff.). Wie die Gesellschafter bei der Entscheidung
über die Gewinnverwendung nicht frei sind, sondern den gesellschaftsrechtlichen
Treuepflichten unterliegen und insbesondere auch die Minderheitsinteressen
angemessen zu berücksichtigen haben (vgl. Urteil des OLG Hamm vom
03.07.1991, abgedruckt in BB 1992 Seite 33), sind sie auch bei ergebnisrelevanten
Bewertungsentscheidungen im Rahmen der Feststellung des Jahresergebnisses
nicht frei, sondern unterliegen nach Senatsansicht gleichgelagerten
Beschränkungen.
Der Senat ist unter Abwägung aller Gesichtspunkte zu der Auffassung gelangt,
dass bei der Ergebnisfeststellung die berechtigten und bekannten Interessen der
Klägerin nicht angemessen berücksichtigt worden sind, weshalb den
Mehrheitsgesellschaftern der Vorwurf eines gesellschaftsrechtlich relevanten
treuwidrigen Verhaltens gemacht werden muss. Hierbei kam dem Umstand
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treuwidrigen Verhaltens gemacht werden muss. Hierbei kam dem Umstand
besondere Bedeutung zu, dass die Gesellschafter der Beklagten familienmäßig
verbunden sind, weshalb auch private Interessen des einzelnen Gesellschafters im
Einzelfall zu berücksichtigen sind (vgl. Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn 56 Anhang §
47), wenn diese - wie hier - gesellschaftsbezogen sind. Das Interesse an einer
angemessenen Überschussbildung, die eine angemessene Ausstattung des
Gewinnbezugsrechtes aller Gesellschafter ermöglicht, ist gesellschaftsbezogen.
Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dient nicht nur dem Schutz der
Gesellschaft, also der Beklagten, sondern auch dem der einzelnen Gesellschafter.
Sie beinhaltet zum einen das Gebot an die Gesellschafter, sich gegenüber der
Gesellschaft loyal zu verhalten, deren Zwecke aktiv zu fördern und Schaden von
ihr abzuhalten; zum anderen verpflichtet die Treuepflicht die Gesellschafter
untereinander zur Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Interessen der
Mitgesellschafter (vgl. Schmiegelt im Handbuch der GmbH, 2. Aufl. 1999, Rn 22 zu
§ 3; Baumbach-Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, Rn 21 f. zu § 13). Bei einer
personalistisch strukturierten GmbH, wie der Beklagten, sind die Treuepflichten der
GmbH-Gesellschafter ähnlich denen ausgestaltet, wie sie zwischen Gesellschaftern
einer Personengesellschaft bestehen. Wie die Treuepflicht im Einzelfall unter
Beachtung der Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu
konkretisieren ist, d. h. wie die Eigeninteressen der handelnden Gesellschafter und
die Interessen der Gesellschaft wie die mitgliedschaftlichen Interessen der anderen
Gesellschafter gegeneinander abzuwägen sind, ist primär eine Tatfrage und setzt
einen - sicherlich schwierig vorzunehmenden - Akt wertende Erkenntnis voraus,
wobei häufig im wesentlichen es gilt, den Interessenwiderstreit zwischen der
Gesellschaft an Reservenbildung und der Gesellschafter an Gewinnausschüttung
aufzulösen. Im Vordergrund der Abwägung steht naturgemäß die wirtschaftliche
Lage der Gesellschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer
Eigenkapitalausstattung, ihrer Kreditfähigkeit und ihrer Marktposition (vgl. hierzu u.
a. auch Baumbach- Hueck a. a. O. Rn 32 zu § 29). Maßgeblicher Zeitpunkt für die
Rechtmäßigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses und damit auch der
Interessenabwägung ist allein der 6. Oktober 1997; die spätere Entwicklung des
Unternehmens, soweit nicht mit hinlänglicher Sicherheit schon damals an jenem
Tage prognostizierbar, muss außer Betracht bleiben. Ob die Feststellung des
Jahresabschlusses 1996 rechtmäßig ist, hängt sicherlich zuförderst von der von
den Prozessparteien auch in den Vordergrund ihrer Erörterungen gerückten Frage
ab, ob die Beklagte die Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz
wahrnehmen durfte, darum wissend, dass hierdurch der ausschüttungsfähige
Gewinn signifikant verringert wird, und die Klägerin ein evidentes Interesse an einer
möglichst hohen Gewinnausschüttung hat. Eine bloße steuerrechtlich motivierte
Sonderabschreibung, die handelsrechtlich nicht geboten ist - wodurch eine
gesetzgeberisch ansonsten nicht gewollte verdeckte Reserve entsteht - bedarf vor
dem Hintergrund der widerstreitenden Gesellschafterinteressen einer besonderen
Rechtfertigung. Allein der Umstand, dass bei der Gesellschafterversammlung am
6. Oktober 1997 nach Aktenlage keine diesbezüglich detaillierte
Interessenabwägung stattgefunden hat - noch im anhängigen Prozess hat die
Beklagte zunächst sich allein damit verteidigt, die Ausübung des Wahlrechtes sei
steuerrechtlich rechtmäßig (vgl. ihren Schriftsatz vom 20.01.1998 Seite 17, Bl. 150
d. GA) und sie lediglich ihr allgemeines Interesse an einer Gewinnthesaurierung
darlegte - macht die Anfechtungsklage begründet (Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn
53 Anhang § 41; im gleichen Sinne wohl auch Rowedder, GmbH, 3. Aufl. 1997, Rn
38 zu § 29). Selbst wenn eine Interessenabwägung unterstellt wird - die indessen
nach Senatsüberzeugung vor dem Hintergrund der Argumentationsstrukturen der
Beklagten nicht stattgefunden hat -, so wäre die Anfechtungsklage in diesem
Punkt aus den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts, die sich der Senat
deshalb zu eigen macht und auf die er verweist (§ 543 Abs. 1 ZPO alte Fassung),
begründet. Ergänzend gibt der Senat in diesem Zusammenhang auch noch zu
bedenken, dass der Bruder der Klägerin, geschäftsführender Gesellschafter der
Beklagten und nach dem Eindruck des Senatsberichterstatters auch
Meinungsführer in der Gesellschafterversammlung, bereits aus seiner
Geschäftsführertätigkeit erhebliche finanzielle Zuwendungen von der Beklagten
erhält, die in der Vergangenheit teilweise den Charakter verdeckter
Gewinnausschüttungen hatten, wodurch der Gewinnanspruch der Klägerin verkürzt
wurde. Dass die Klägerin die Regelungen im Dienstvertrag der Beklagten mit ihrem
Bruder mitgetragen hat, ist hierbei ohne Bedeutsamkeit, weil nicht davon
ausgegangen werden kann, dass sie sich bewusst war, ihr Bruder erhalte damit
auch eigentlich der Gesellschaft zustehende Gewinnanteile.
Wenn es grundsätzlich auch richtig ist, dass der Bruder der Klägerin die Vergütung
für seine Arbeitskraft erhält, so kann gleichwohl nicht verkannt werden, dass die
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für seine Arbeitskraft erhält, so kann gleichwohl nicht verkannt werden, dass die
finanzielle Gesamtausstattung seiner Person seine finanziellen Interessen
ausreichend befriedigen dürfte und er seinerseits daher viel leichter als die
Klägerin auf Dividenden verzichten kann. Bei gegebener Ertragstärke des
Unternehmens, die hier gegeben ist, muss schon bei der Ausübung von
Wahlrechten gewährleistet werden, dass ein verteilungsfähiger Jahresüberschuss in
der Bilanz ausgewiesen und auch ausgeschüttet werden kann (und muss), der es
ermöglicht, dass der einzelne Gesellschafter aus diesen Mitteln seinen
Vermögenssteuerverpflichtungen nachkommen kann. Der Hinweis der Beklagten
auf die bankenseits geforderte Eigenkapitalquote von 20 % (vgl. hierzu auch die
Bankschreiben Bl. 108 ff. d. GA) geht nach Senatsansicht in diesem
Zusammenhang fehl. Für die an der Beklagten beteiligten Gesellschafter ist es,
was in der diesbezüglichen Beklagtenargumentation möglicherweise nicht
ausreichend gewichtet wird, ohne Bedeutsamkeit, wie hoch die Eigenkapitalquote
im Konzernverbund ist; nur die Eigenkapitalquote der Beklagten selbst darf in die
Abwägung mit eingehen. Es geht hier vorrangig auch nicht um eine
Ausschüttungspolitik der Beklagten, sondern darum, in welcher Höhe der
Unternehmensgewinn festgestellt wird. Je höher der bilanzierte
Unternehmensgewinn ist, desto besser steht die Beklagte vor den kreditgebenden
Banken da. Wenn der Senat oben ausgeführt hat, dass die Klägerin nur deshalb
anfechtungsberechtigt ist, weil die Bewertung ergebnisorientiert ist und ihr
Gewinnanspruch berührt wird, liegt darin kein Widerspruch. Um die bankenseits
geforderte Eigenkapitalquote sicherzustellen, kann z. B. auch ein
Gesellschafterdarlehen gewährt werden, was möglicherweise für den einzelnen
Gesellschafter sogar steuergünstiger sein kann. In Bezug auf die Klägerin ist es
gerichtlicherseits durchaus denkbar, dass bei einer entsprechenden
Gewinnausschüttung sie der Beklagten ein Darlehen mit der Abrede gewährt, dass
während dieser Darlehenslaufzeit die ihr gewährten Kredite - gegebenenfalls
zinsfrei - gestundet werden. Im übrigen könnte bei einem höheren Gewinnausweis
nach Senatsansicht durchaus möglicherweise ein den klägerischen Interessen
besser gerecht werdender Gewinnverwendungsbeschluss gefasst werden, der auch
die Bankenbilligung finden könnte, wenn damit zugleich sichergestellt wird, dass
der der Klägerin ausgekehrte Gewinn zu einem Großteil zur Zurückführung der ihr
ausgekehrten Kredite verwandt wird. Wenn die vorstehenden Ausführungen auch
nur spekulativen Charakter haben, so belegen sie doch, dass die beklagtenseits in
den Raum gestellte Frage nach der Eigenkapitalquote nicht die Beantwortung der
Frage beeinflussen darf, ob die Ausübung eines bestimmten steuerlichen
Wahlrechts auch unter Einbeziehung der klägerischen Interessen rechtens war. Der
Senat vermisst mit dem Landgericht, dass eine auf den Stichtag 06.10.1997
bezogene Abwägung zwischen dem alleinigen und ausschließlich steuerlich
motivierten Abschreibungsinteresse mit den weiteren Unternehmensinteressen
einerseits, und den evidenten Interessen der Klägerin auf Gewinnausschüttung in
einer personalistisch strukturierten GmbH andererseits, bei welcher auch eine auf
Wachstum ausgerichtete Unternehmenspolitik auf die möglicherweise
entgegengesetzten persönlichen Interessen der einzelnen Gesellschafter
Rücksicht zu nehmen hat, stattgefunden hat. Die Beklagte muss berücksichtigen,
dass Wachstum kein Selbstzweck sein darf, vielmehr das Dividendeninteresse aller
ihrer Gesellschafter einen hohen Rang hat und zu beachten ist. Die
Angemessenheit der Rendite bestimmt sich hierbei nach Senatsansicht nicht allein
nach der Höhe des eingesetzten Kapitals, sondern auch nach der Höhe des
Verkehrswertes des Geschäftsanteils der Beklagten (vgl. in diesem Sinne wohl
auch Urteil des OLG München vom 09.06.1989 in BB 1990 Seite 368, 369). Die
Stärkung der Finanzkraft der Gesellschaft darf nicht zur Unverhältnismäßigkeit des
Dividendenausfalles führen.
2. Zu TOP 5 (Ergebnisverwendungsbeschluss) Die Anfechtung des
Gesellschafterversammlungsbeschlusses vom 6. Oktober 1997 zu TOP 5
(Ergebnisverwendungsbeschluss) ist in entsprechender Anwendung des § 253
AktG schon deshalb begründet, weil die Feststellung des Jahresabschlusses
unwirksam ist. Dies wird von der berufungsführenden Beklagten nicht anders
gesehen. Schon deshalb ist ihre Berufung unbegründet. Im übrigen teilt der Senat
des weiteren mit dem Landgericht die Meinung, dass der
Gewinnverwendungsbeschluss, wonach aus dem ausgewiesenen Bilanzgewinn von
3.278.306,00 DM ein Betrag von DM 2.878.306,00 in eine Gewinnrücklage
eingestellt wird - das sind immerhin nahezu 88 % ! - und nur DM 400.000,00
ausgekehrt werden (was unter Berücksichtigung des darauf entfallenen
Körperschaftssteuerguthabens von DM 171.428,00 einer Bruttodividende von DM
571.428,00 entspricht, vgl. Berechnung Bl. 211 d. GA), auch an inhaltlichen
571.428,00 entspricht, vgl. Berechnung Bl. 211 d. GA), auch an inhaltlichen
Mängeln leidet. Nach diesem Gewinnverwendungsbeschluss muss die Klägerin
unter Außerachtlassung des Körperschaftssteuerguthabens Steuer auf DM
819.576,50 Gewinn zahlen, obwohl sie nur DM 100.000,00 erhält (zuzüglich
Körperschaftssteuergutschrift in Höhe von DM 42.857,00). Entsprechend § 543
Abs. 1 ZPO a. F. nimmt der Senat auf die Ausführungen des Landgerichts in dem
angefochtenen Urteil Bezug. Die inhaltliche Mangelhaftigkeit des
Gewinnverwendungsbeschlusses ergibt sich auch hier zunächst aus der Tatsache,
dass ausweislich des Gesellschafterversammlungsprotokolls keine
Interessenabwägung vorgenommen wurde, deren Notwendigkeit und
Bedeutsamkeit hier noch offenkundiger als bei TOP 4 zutage liegt. Der Senat
verweist deshalb auf seine vorstehenden Ausführungen zu I. 1. Vorab ist in diesem
Zusammenhang zur Klarheit vorsorglich festzustellen, dass grundsätzlich die
Bildung einer Gewinnrücklage zulässig ist. Wie bei dem Feststellungsbeschluss ist
auch bei dem Gewinnverwendungsbeschluss jedoch eine Interessenabwägung
vorzunehmen (vgl. Scholz a. a. O. Rn 143; Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn 29 f.,
jeweils zu § 29). Wenn auch durch das Bilanzrichtliniengesetz, welches an die Stelle
des Vollausschüttungsgebotes das Mehrheitsprinzip gesetzt hat, um eine
Rücklagenbildung durch einfachen Mehrheitsbeschluss zu ermöglichen, um nach
der weitgehenden Abschaffung der stillen Reserven die für die Überlebensfähigkeit
einer Gesellschaft unerlässliche Rücklagenbildung auf andere Weise sicherzustellen
(vgl. Scholz a. a. O. Rn 115 zu § 29), die Gewinnthesaurierung zur
Selbstfinanzierung stark erleichtert wurde, so stellt dies jedenfalls kein Freibrief
dar, berechtigte Interessen des Minderheitsgesellschafters zu negieren. Nach
Senatsauffassung ist nicht nur das in der Literatur häufig erörterte gezielte
"Aushungern" durch jahrelanges Vorenthalten einer angemessen Dividende
rechtsmissbräuchlich, sondern Rechtsmissbrauch kann, zumindest bei einer
Familien-GmbH, schon dann gegeben sein, wenn durch den
Gewinnverwendungsbeschluss nachhaltig berechtigte Belange des
Minderheitsgesellschafters - hier also der Klägerin - missachtet werden. Diese
Treuepflicht, auf die oben unter I. 1. im einzelnen eingegangen worden ist, gebietet
auch hier Rücksichtnahme (vgl. GmbH-Handbuch Tz 72 zu § 10; Baumbach-Hueck
a. a. O. Rn 29; Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn 25; Rowedder a. a. O. Rn 10, jeweils
zu § 29; Urteil des OLG Hamm vom 03.07.1991 in BB 1992 Seite 33 sowie Urteil
des OLG München vom 09.06.1989 in DB 1990 Seite 368, 369 - Revision wurde
hier nicht angenommen -). Auch an dieser Stelle betont der Senat, dass er sich
sehr wohl darum bewusst ist, wie problematisch die Konkretisierung der im Prinzip
allgemein anerkannten Grundsätze ist und welche Folgen es haben kann, wenn ein
Gewinnverwendungsbeschluss durch das Gericht aufgehoben wird. Mit den
landgerichtlichen Erwägungen ist aber der Senat jedoch letztlich zu der Auffassung
gelangt, dass vor dem Hintergrund der Interessengegensätze und den
Auseinandersetzungen zwischen der Beklagten und der Klägerin eine
Gewinnrücklagenbildung von ca. 88 % des ausgewiesenen Bilanzgewinnes
unangemessen das Gewinnbezugsrecht der Klägerin verkürzt, zumal diese sich
auch im Interesse der Beklagten bei ihr verschuldet hat (vgl. Timeplex- Darlehen),
und hier der Minderheitenschutz ein gerichtliches Eingreifen gebietet. Der Senat
weiß darum, dass aufhebende Gerichtsentscheidungen sehr spärlich sind und dass
das Argumentationsspektrum sehr groß ist. Während Libs (in DB 1986 Seite 2421
ff.) von einer Verletzung der Treuepflicht der Mehrheitsgesellschafter erst dann
ausgehen will, wenn trotz gesunder Finanzierungsstruktur nur eine so geringfügige
Ausschüttung vorgenommen wird, dass der Minderheitsgesellschafter hieraus
noch nicht einmal seine Vermögenssteuer bezahlen kann, hält Ehlke (DB 1987
Seite 678) eine weitreichende Thesaurierungspolitik für unvereinbar mit dem
Minderheitenschutz und meint in Anlehnung an die Regelung in § 58 Abs. 2 AktG,
nur bis zu 60 % dürfe begründungsfrei thesauriert werden. Vorherrschend in der
Rechtslehre dürfte die Meinung sein, dass der Minderheitenschutz eine sachliche
Rechtfertigung der Thesaurierungspolitik verlangt und eine Abwägung zwischen
den Interessen der Gesellschaft an einer möglichst umfassenden
Rücklagenbildung und dem Gewinnbezugsrecht des Minderheitsgesellschafters
geboten ist, so dass vor diesem Hintergrund die Rücklagenbildung kaufmännisch
vertretbar ist (vgl. das vorzitierte Urteil des OLG Hamm vom 03.07.1991,
abgedruckt in BB 1992 Seite 33; Scholz a. a. O. Rn 123 und Lutter-Hommelhoff a.
a. O. Rn 25 ff., jeweils zu § 29). Das OLG Hamm hat in dem vorzitierten Urteil vom
3. Juli 1991 nach Senatsansicht die Abgrenzungskriterien wie folgt zutreffend
dargestellt: Bei der Entscheidung über die Gewinnverwendung sind die
Gesellschafter nämlich nicht frei, sondern unterliegen der gesellschafterlichen
Treuepflicht und haben insbesondere Minderheitsinteressen zu berücksichtigen. So
ist das Interesse der Gesellschaft an der Rücklagenbildung gegen ein berechtigtes
Interesse der Gesellschaft, oder einzelnen von ihnen, an einer hohen
Interesse der Gesellschaft, oder einzelnen von ihnen, an einer hohen
Ausschüttung gegeneinander abzuwägen, wobei die gesamten wirtschaftlichen
und finanziellen Verhältnisse der betroffenen Gesellschaft zu berücksichtigen sind.
Dabei sind einerseits auf Seiten der Gesellschaft der Gesellschaftszweck und die
dafür erforderlichen Mittel einschließlich einer angemessenen Planung für die
weitere Entwicklung, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, ihre Ausstattung mit
Eigenkapital, die Höhe und Verfügbarkeit von vorhandener Rücklagen,
Kreditfähigkeit und Art der Ausschöpfung aufgenommener Kredite, sowie Höhe der
Laufzeit von Verbindlichkeiten, die allgemeine Wirtschaftslage und Marktsituation
und die Zukunftsprognose für den betroffenen Wirtschaftszweig, sowie
andererseits die wirtschaftliche Situation der Gesellschafter und ihr Interesse auf
Gewinnausschüttung gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung dieser
Gesichtspunkte ist eine Rücklagenbildung nur dann zulässig, wenn sie nach
verständiger kaufmännischer Beurteilung erforderlich ist, wobei allerdings ein
weiter unternehmerischer Ermessensspielraum einzuräumen ist. So können
beispielsweise Reserven großzügiger bedient werden, wenn trotzdem eine hohe
Gewinnverteilung möglich ist. Eine kaufmännisch nicht mehr gerechtfertigte
Reserveplanung ist dagegen nur mit Zustimmung aller Gesellschafter möglich und
ein gleichwohl mehrheitlich gefasster Ergebnisverwendungsbeschluss wegen
Verstoßes gegen die Treuepflicht anfechtbar. Mangels entgegenstehender
Satzungsbestimmungen sind die Gesellschafter der Beklagten in Bezug auf ihren
Dividendenanspruch gleich zu behandeln. Der Gesellschaftergeschäftsführer der
Beklagten, nämlich der Bruder der Klägerin, erhält neben seinen Festbezügen und
anderen geldwerten Leistungen eine Tantieme von 20 %. Die Tantieme ist zwar bei
angemessener Bemessung eine den Gewinn schmälernde Ergebnisverwendung
und kann daher nicht mit dem klägerischen Gewinnbezugsrecht gleichgestellt
werden, aber ein überhöhtes Geschäftsführergehalt ist das "verbreitetste Beispiel
verdeckter Gewinnausschüttung" (so Scholz a. a. O. Rn 174 zu § 29). Nach der
Definition des Bundesfinanzhofes (zitiert bei Rowedder Rn 104 zu § 29) ist eine
verdeckte Gewinnausschüttung, welche gesetzlich nicht definiert ist, eine
Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens der
GmbH auswirkt und nicht im Zusammenhang mit einer offenen, auf einen
Gewinnverwendungsbeschluss beruhenden Ausschüttung steht. Wenn auch nach
dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 11. Dezember 1991 (abgedruckt in DStR
1992 Seite 862) in der Regel es nicht möglich ist, die Angemessenheit des
Geschäftsführergehaltes von Gesellschaftergeschäftsführern nach einem
bestimmten Prozentsatz des Gewinnes der GmbH vor Abzug von
Geschäftsführergehältern zu bemessen, so müssen gemäß dem
Anwendungserlass des Bundesministers der Finanzen vom 05.01.1998 (BStBl I
1998 Seite 90) zu den Rechtsprechungsgrundsätzen einer verdeckten
Gewinnausschüttung bei Tantiemen an Gesellschaftergeschäftsführern die
Gesamtbezüge wenigstens zu 75 % aus einem festen und höchstens zu 25 % aus
einem erfolgsabhängigen Bestandteil bestehen. In dem hier
entscheidungsrelevanten Zeitraum - Geschäftsjahr 1996 - hat der Bruder der
Klägerin nach Beklagtenvortrag (vgl. deren Schriftsatz vom 16. Mai 2000, Bl. 383
d. GA), DM 1.637.000,00 als Vergütung erhalten bei einem aktenkundigen
Festgehalt von DM 211.200,00 gemäß Geschäftsführervertrag vom 28. Dezember
1992, der nach Beklagtenvorbringen bis zum 31.12.1996 Grundlage für die
Geschäftsführerbezüge war. Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen
hätte der Bruder der Klägerin nur 25 % seines Festgehaltes, das sind DM
52.800,00, als erfolgsabhängige Vergütung beziehen dürfen, was andererseits
wiederum bedeuten würde, dass sich ein Betrag von DM 1.373.000,00 als
verdeckte Gewinnausschüttung darstellen könnte. Das ist das Doppelte der
ausgeschütteten Dividende unter Berücksichtigung der
Körperschaftssteuergutschrift von 5,71 %, bezogen auf das Stammkapital von 10
Mio. DM. Wenn der Senat hier letztlich auch nicht darüber abschließend zu
befinden hatte, ob steuerrechtlich 1996 eine verdeckte Gewinnausschüttung, und
wenn ja, in welcher Höhe, zugunsten des Bruders der Klägerin beklagtenseits
vorgenommen wurde - wobei die Beklagte aber ausdrücklich einräumt (vgl. Bl. 384
d. GA), dass Teile des Geschäftsführergehaltes des Bruders der Klägerin
steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln sind -, so belegen
die oben aufgezeigten Relationen doch die Ungleichgewichtigkeit der
Ausschüttungspolitik der Beklagten zu Lasten der Klägerin. Die Beklagte war trotz
aller (vermeintlichen) Finanzierungszwänge gehalten, ihren Kreditbedarf so zu
steuern, dass der Klägerin eine angemessene Dividende ausgeschüttet werden
kann, wobei die Angemessenheit der Dividendenhöhe sich nicht allein nach dem
Stammkapital richtet, und diese auch in einem ausgewogenen Verhältnis zum
erfolgsabhängigen Vergütungsteil des Gehaltes des
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erfolgsabhängigen Vergütungsteil des Gehaltes des
Gesellschaftergeschäftsführers der Beklagten stehen muss.
II. Zur Anschlussberufung der Klägerin (betreffend TOP 7, Wahl des
Abschlussprüfers
Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist begründet, weshalb das
angefochtene Urteil im Sinne des klägerischen Begehrens abzuändern war. Der
landgerichtlichen Rechtsauffassung, wonach die klägerische Anfechtung wegen
Nichteinhaltens der Zweiwochenfrist des § 318 Abs. 3 HGB verfristet sei (weshalb
sich das Landgericht folgerichtig nicht mit den Anfechtungsgründen
auseinandergesetzt hat), vermag der Senat nicht beizutreten. Das Verfahren auf
gerichtliche Ersetzung des Abschlussprüfers steht selbständig neben der
Möglichkeit, eine Anfechtungsklage zu erheben (wie hier Baumbach-Hopt, HGB,
30. Aufl. 2000, Rn 10 sowie Marsch-Barner in Gemeinschaftskommentar zum HGB,
6. Aufl. 1999, Rn 10, jeweils zu § 318). Wenn dem aber so ist, müssen auch die für
die Anfechtungsklage geltenden Fristen hier Platz greifen. Die Klägerin hat mit
ihrer Anfechtungsklage, worauf bereits oben unter I. eingegangen worden ist,
sogar die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG mit ihrer vorliegenden
Anfechtungsklage gewahrt, weshalb von keiner Verfristung ausgegangen werden
kann. Die mithin fristwahrende Anfechtung ist auch begründet, denn aus der
maßgeblichen Sicht der Klägerin besteht auch bei der gebotenem objektivierten
Betrachtungsweise ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit, wobei an die
berufsrechtliche Vorschriften des § 49 WPO anzuknüpfen ist. Im Kern
unwidersprochen hat die Klägerin vorgetragen, dass der auf der
Gesellschafterversammlung gestellte Abschlussprüfer auch die Steuererklärungen
ihres Bruders und dessen Ehefrau erstellt, was allein wohl nicht die Befangenheit
zu begründen vermag. Es ist aber auch nicht nachhaltig der Vortrag der Klägerin
bestritten worden, dass der Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfergesellschaft, die
zum Abschlussprüfer bestellt worden ist, bei den Kaufverhandlungen bezüglich des
Geschäftsanteils der Klägerin die Interessen ihres Bruders vertreten hat.
Angesichts der Familienspannungen kann von der Klägerin nicht erwartet werden,
dass sie der Person des Abschlussprüfers uneingeschränktes Vertrauen
entgegenbringen kann, der auch die privaten Interessen ihres Bruders und dessen
Ehefrau vertritt, und in dessen Wirkungszeit es zu verdeckten
Gewinnausschüttungen gekommen ist. Jedenfalls seit dem Zeitpunkt, zu dem die
Interessengegensätze zwischen der Klägerin und ihren Mitgesellschaftern offen
zutage traten, kann ein Wirtschaftsprüfer, der die Gesellschaft berät, nicht auch
noch zugleich eine Gesellschafterseite privat beraten. Der Senat sieht sich in
seiner Bewertung der Sachlage auch durch den überzeugend begründeten
Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 13. März 2001 bestätigt.
III. Zu den weiteren Entscheidungen
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen,
weil sie insgesamt unterliegt und ihr Rechtsmittel erfolglos blieb, während das der
Klägerin erfolgreich war (§§ 91, 97 ZPO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711
ZPO a. F.. Die Höhe der Sicherheitsleistung beruht auf den Wertfestsetzungen
vom 28. April 1998 im landgerichtlichen Urteil für die erste Instanz und auf dem
am 28. Juni 2000 verkündeten Senatsbeschluss für die zweite Instanz. Soweit den
Parteien nachgelassen worden ist, die Sicherheit auch durch Prozessbürgschaft
erbringen zu dürfen, beruht diese Entscheidung auf § 108 ZPO a. F.. Die
Festsetzung der Beschwer erfolgt in Ansehung der Vorschrift des § 546 Abs. 2 ZPO
a. F..
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.