Urteil des OLG Frankfurt vom 15.07.2009

OLG Frankfurt: geschäftsführer, sozialversicherung, anschlussberufung, vertreter, vollstreckung, strafbarkeit, bankkonto, einheit, globalzession, sicherheitsleistung

1
2
Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 298/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 64 Abs 2aF GmbHG
"Verhaltensanforderungen an GmbH-Geschäftsführers im
Insolvenzfall bei Pflichtenkollision zwischen
Massesicherungspflicht und Verpflichtung zur Abführung
von Sozial- und Steuerabgaben"
Orientierungssatz
Ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft den sozial- oder
steuerrechtlichen Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung
oder Lohnsteuer abführt, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters und ist nicht nach § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. der
Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig.
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird auf die Anschlussberufung des
Beklagten das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 4. Zivilkammer – vom
26.11.2008 abgeändert.
Das Versäumnisurteil vom 12.06.2008 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen mit Ausnahme der durch die
Säumnis des Beklagten in der ersten Instanz entstandenen Kosten, die der
Beklagte zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 105 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 105 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma A
(nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) den Beklagten als deren ehemaligen
Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die
Massesicherungspflicht in Anspruch.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.11.2008 Bezug
3
4
5
6
7
8
9
10
angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.11.2008 Bezug
genommen.
Das Landgericht hat mit der genannten Entscheidung der auf Zahlung von
75.193,87 € gerichteten Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt,
an den Kläger 18.501,07 € nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung des auf § 64
Abs. 2 GmbH-Gesetz a. F. gestützten Anspruchs hat das Landgericht ausgeführt,
dass der Beklagte die Vornahme von Zahlungen der Schuldner der
Insolvenzschuldnerin im Zeitraum zwischen dem 21. und 25.10.2005 in Höhe von
insgesamt 121.212,50 € auf deren bei der B-Bank debitorisch geführtes Konto
nicht habe zulassen dürfen. Durch die von der Bank anschließend ausgeführten
Auszahlungen in Höhe von 103.011,43 € an das Finanzamt O1 und die C seien
aber nur ein Betrag in Höhe von 18.501,07
Euro auf dem Konto verblieben. In Höhe dieses Betrages sei die B gegenüber
anderen Gläubigern bevorzugt worden.
Für die erfolgten Auszahlungen an das Finanzamt O1 und die C könne
demgegenüber von dem Beklagten kein Ersatz verlangt werden, weil diese mit der
Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG
a. F. durchaus vereinbar gewesen seien. Mit Rücksicht auf die Einheit der
Rechtsordnung könne es dem Geschäftsführer einer GmbH nicht angesonnen
werden, die Massesicherungspflicht zu erfüllen und sich gleichzeitig strafrechtlicher
Verfolgung auszusetzen. Dies gelte nicht nur bei Zahlung auf laufende fällige
Forderungen, sondern auch bei Leistung auf rückständige Forderungen.
Gegen diese ihm am 03.12.2008 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger
mit der am 22.12.2008 eingelegten und am 12.01.2009 begründeten Berufung,
mit der er seinen ursprünglichen Klageantrag weiter verfolgt und beantragt, den
Beklagten über den bereits zuerkannten Betrag hinaus zur Zahlung weiterer
56.692,80 € zu verurteilen.
Der Kläger rügt, das Landgericht habe die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
vom 14.05.2007, Aktenzeichen II ZR 48/06 (ZIP 2007, 1265 ff) verkannt. Das
Erkenntnis, dass ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der
Gesellschaft den sozial- oder steuerrechtlichen Normbefehlen folgend
Arbeiternehmeranteile der Sozialversicherung oder Lohnsteuer abführe, mit der
Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers handele und
nicht nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a. F. der Gesellschaft gegenüber
erstattungspflichtig sei, könne nicht auf die von dem Geschäftsführer
vorgenommenen Zahlungen auf rückständige Beiträge zur Sozialversicherung und
rückständige Steuerschulden erstreckt werden. Sinn und Zweck der in dieser
Entscheidung erkannten Auflösung der Pflichtenkollision zugunsten der Zahlung
von Sozialversicherungsbeiträgen und fälligen Steuern sei, von dem
Geschäftsführer kein Verhalten zu fordern, mit welchem er sich strafbar machen
würde. Diese Überlegung greife jedoch nicht, wenn der Geschäftsführer sich
bereits durch Nichtabführung der Beiträge bzw. Nichtzahlung der rückständigen
Steuerschulden strafbar gemacht habe bzw. die persönliche Haftung gemäß den
§§ 34, 69 AO bereits eingetreten sei. Der Geschäftsführer befinde sich dann nicht
mehr in einer vergleichbaren Pflichtenkollision.
Des Weiteren habe das Landgericht zwar zu Recht erkannt, dass der Beklagte die
Vornahme von Zahlungen von Gläubigern der Insolvenzschuldnerin auf das
debitorisch geführte Konto nicht habe zulassen dürfen. Fehlerhaft sei jedoch, dass
dies nur insoweit gelten solle, als die Zahlungen nicht wieder zur Erstattung von
Beitrags- und Steuerrückständen weiter verwendet worden seien. Entgegen der
dabei vom Landgericht zugrunde gelegten Entscheidung des Bundesgerichtshofs
vom 26.03.2007, Aktenzeichen: II ZR 310/05 (ZIP 2007, 1006 ff) hätten im
vorliegenden Fall die Zahlungen an das Finanzamt und die C angesichts der für die
B bestehenden Sicherheiten keinen bloßen Gläubigeraustausch zur Folge gehabt.
Der Beklagte verteidigt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen
die angegriffene Entscheidung und beantragt neben der Zurückweisung der
Berufung im Wege der zulässig eingelegten Anschlussberufung, in Abänderung der
landgerichtlichen Entscheidung die Klage insgesamt abzuweisen.
Er macht zur Anschlussberufung geltend, dass Landgericht habe verkannt, dass
durch den auf dem Konto verbliebenen Betrag in Höhe von 18.501,07 € der B kein
Vorteil entstanden sei. Keineswegs sei der Masse damit etwas verloren gegangen,
denn mit der Zahlung eines Kunden auf das debitorisch geführte Bankkonto sei
11
12
13
14
15
16
denn mit der Zahlung eines Kunden auf das debitorisch geführte Bankkonto sei
zugleich die im Wege der Globalabtretung der Bank ohnehin abgetretene
Forderung erloschen.
II.
Die Berufung sowie das Anschlussrechtsmittel sind zulässig. Insbesondere ist die
Anschlussberufung des Beklagten binnen der vom Vorsitzenden bestimmten
Berufungserwiderungsfrist bis 08.04.2009 gemäß § 524 Abs. 2 ZPO fristgerecht
erhoben worden.
In der Sache bleibt die Berufung aber ohne Erfolg, während auf die
Anschlussberufung hin in Abänderung der Entscheidung des Landgerichts das
Versäumnisurteil vom 12.06.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen war. Der
Beklagte ist dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt wegen Verletzung seiner
Massesicherungspflicht durch Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife der
Insolvenzschuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbH-Gesetz a. F. zum
Schadensersatz verpflichtet.
Zu Recht hat das Landgericht eine Haftung des Beklagten für die am 21.10.2005
erfolgte Überweisung von 51.371,19 € an das Finanzamt O1 auf rückständige
Umsatzsteuerschulden und vom 25.10.2005 über 51.640,24 € an die C auf
rückständige Sozialversicherungsbeiträge (abzüglich zurückerstatteter 27.817,56
im Wege der Insolvenzanfechtung) verneint. Beide Zahlungen sind gemäß § 64
Abs. 2 Satz 2 GmbHG a. F. mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns
vereinbar gewesen. Die vom Kläger hiergegen mit der Berufung geführten Angriffe
rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.
Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.05.2007, II
ZR 48/06 (ZIP 2007, 1265 – 1267) handelt ein organschaftlicher Vertreter, der bei
Insolvenzreife der Gesellschaft den sozial- oder steuerrechtlichen Normbefehlen
folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung oder Lohnsteuer abführt mit
der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und ist nicht
nach § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig. In
der Entscheidung vom 29.09.2008, II ZR 162/07 (ZIP 2008, 2220 – 2222) wird diese
Rechtsprechung auch auf die Zahlungen des organschaftlichen Vertreters auf
fällige – hier relevante - Umsatzsteuern bezogen.
Diese Rechtsprechung begründet sich maßgeblich mit der gefestigten Auffassung
des 5. Strafsenates des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21.09.2005, ZIP
2005, 1678 ff), nach der ein Vorrang der im Interesse aller Gläubiger angeordneten
Massesicherungspflicht angesichts der dem organschaftlichen Vertreter
drohenden Strafe bei Nichtabführung von Sozial- und Steuerabgaben nicht
anerkannt werden kann. Der in § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz a. F. postulierte
Grundsatz der Massesicherung berührt danach nicht die Strafbarkeit nach § 266 a
Abs. 1 StGB, wenn ein Verantwortlicher, der bei Insolvenzreife die fehlende
Sanierungsmöglichkeit erkennt, dass Unternehmen weiterführt, ohne einen
Insolvenzantrag zu stellen. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kann es mit
Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung dem organschaftlichen Vertreter nicht
angesonnen werden, seiner Massesicherungspflicht nach § 64 Abs. 2 GmbHG a. F.
zu genügen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden
nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch der strafrechtlichen Verfolgung aussetzt.
Sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes
Verhalten muss deshalb im Rahmen der bei § 64 Abs. 2 GmbHG a. F.
anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden.
Diese Grundsätze gelten aber nicht nur für die nach Ablauf der 3-wöchigen
Überlegungsfrist fälligen Sozialversicherungsabgaben und Steuerforderungen,
sondern – entgegen der Auffassung des Klägers – auch für die auf rückständige
Sozialversicherungs- und Steuerforderungen erfolgten Zahlungen durch den
Geschäftsführer. Zentraler Ausgangspunkt für diese Auffassung ist die durch die
dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs herausgearbeitete
Pflichtenkollision des Geschäftsführers durch unterschiedliche Normbefehle im
Insolvenzfall einer GmbH. Einerseits hat der Geschäftsführer bei Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung unverzüglich,
spätestens nach 3 Wochen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen
und die Masse zu sichern. Im Widerspruch dazu stehen andererseits die
sozialversicherungsrechtlichen Pflichten zur Abführung der Beiträge zur
Sozialversicherung in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 266 a, 14 StGB, 823
17
18
19
Sozialversicherung in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 266 a, 14 StGB, 823
Abs. 2 BGB sowie die Verpflichtung zur Zahlung der Lohn- oder Umsatzsteuer aus
§ 41 a EStG, § 18 UStG in Verbindung mit den §§ 69, 34 AO., die unvermindernd
fort gelten, wenn trotz Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die
Arbeitsverhältnisse für die Gesellschaft fortgeführt werden.
Diese Pflichtenkollision stellt sich dem Geschäftsführer einer GmbH aber nicht nur
für den Zeitraum nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG a. F., in
dem er unter Verletzung seiner Insolvenzantragspflicht mit den noch vorhandenen
finanziellen Mitteln „weiterwurstelt“ (während der 3-wöchigen Überlebensfrist ist
die Zahlung der Arbeitnehmeranteile suspendiert – BGH ZIP 2005, 1678, 1679).
Der gleiche Zwiespalt, sich zwischen den beiden aufgezeigten Pflichten
entscheiden zu müssen, stellt sich für den Geschäftsführer aber in gleichem Maße
auch hinsichtlich der bereits rückständigen Sozialversicherungs- und
Steuerschulden. Zwar hat sich der Geschäftsführer hinsichtlich der rückständigen
Beträge bereits nach den §§ 266 a StGB, 370 ff Abgabenordnung strafbar bzw.
nach den §§ 69, 34 AO haftbar gemacht. Bei fristgerechter Nachholung
rückständiger Zahlungen wird aber sowohl in § 266 a Abs. 6 StGB als auch in § 371
Abs. 3 AO Straffreiheit gewährt. Die Nichtabführung der Umsatzsteuer ist gemäß §
26 b UStG eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000 €
geahndet werden kann. Ausweislich der Gesetzesbegründung kann auf eine
Ahndung der Ordnungswidrigkeit bei entsprechender Anwendung des § 266 a Abs.
5 StGB gegenüber dem Steuerschuldner verzichtet werden, wenn „dieser darlegt,
warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft
bemüht hat“ (Leonard in Bunjes, UStG, 8. Auflage 2005, § 26 b Rn. 6). Die
Verhaltensanforderungen zur Vermeidung der Strafbarkeit und zur Aufhebung
einer bereits eingetretenen Strafbarkeit sind damit im Wesentlichen gleich.
Angesichts der Schwere der Sanktionen ist es dem Geschäftsführer nicht
zuzumuten, die ihm obliegende Massesicherungspflicht zu befolgen und von dem
gewährten Strafausschließungsgrund bzw. der Möglichkeit des Absehens von der
Verfolgung bei Zahlung von rückständigen Sozialversicherungs- bzw.
Steuerschulden keinen Gebrauch zu machen. Darüber hinaus ist der
Geschäftsführer bei Verstoß gegen die Sozialabgaben- und Steuerzahlungspflicht
gemäß den §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 a StGB bzw. §§ 34, 69 AO einer persönlichen
deliktischen Haftung ausgesetzt (BGH NJW 2007, 2118, 2119), deren Erfüllung bzw.
Abwendung eine nachträgliche Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen gebietet.
Eine Haftung des Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. kann – entgegen
der Auffassung des Klägers – auch nicht damit begründet werden, dass er im
Zeitraum zwischen dem 21. und dem 25.10.2005 Zahlungen in Höhe von 121.212,
50 € auf das debitorisch geführte Konto der Insolvenzschuldnerin bei der B
zugelassen hatte. Grundsätzlich ist der vom Geschäftsführer einer insolvenzreifen
GmbH veranlasste Einzug von Forderungen auf ein debitorisches Bankkonto der
GmbH als eine ihm zuzurechnende, gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. verbotene
Zahlung zu qualifizieren, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu
Lasten ihrer Gläubigergesamtheit (und zum Vorteil der Bank) geschmälert wird
(BGH ZIP 2007, 1006, 1007). Der Geschäftsführer muss in diesem Stadium, wenn
er schon seiner Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbH-Gesetz a. F.
nicht rechtzeitig nachkommt, aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht wenigstens
dafür sorgen, dass entsprechende Zahlungen als Äquivalent für dadurch erfüllte
Gesellschaftsforderungen der Masse zugute kommen, nicht dagegen nur zu einer
Verringerung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber der Bank und
damit den Verboten der §§ 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz a. F., 130 a Abs. 2 HGB
zuwider zu bevorzugter Befriedigung dieser Gesellschaftsgläubigerin führen. Es
gebietet die primär auf Masseerhaltung zielende Sorgfaltspflicht des
Geschäftsführer in einer derartigen Situation ein neues, kreditorisch geführtes
Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen und den aktuellen
Gesellschaftsschuldnern die geänderte Bankverbindung unverzüglich bekannt zu
geben (BGH a. a. O).
Diese – vom Landgericht zutreffende festgestellte – Pflichtverletzung hat jedoch
nicht zu einem dem Beklagten zurechenbaren Schaden geführt. Der von ihm
verursachte Schaden wäre auch bei pflichtgemäßen Verhalten eingetreten.
Aufgrund des zwischen der Insolvenzschuldnerin und der B O2 am 28.01.1994
vereinbarten Globalzession hätte die Bank bei Zahlung der Insolvenzschuldnerin
auf ein neues, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank den der
Insolvenzschuldnerin gegen die neue Bank zustehende Auszahlungsanspruch
erworben und damit im Insolvenzfall ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung
gemäß § 51 InsO erlangt.
20
21
22
23
24
Anders wäre nur dann zu entscheiden, wenn die Sicherheiten der B aus der
Globalzession den Debetsaldo weit überstiegen und damit eine „Übersicherung“
vorgelegen hätte. Tatsächliche Anhaltspunkte hierfür sind aber nicht ersichtlich.
Nach alledem war in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das
Versäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt vom 12.06.2008 aufzuheben und die
Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 344 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die hier
streitentscheidende Frage, ob Zahlungen eines GmbH-Geschäftsführers nach
Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft auf rückständige Sozialversicherungs-
und Steuerforderungen noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns
gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a. F. vereinbar sind, ist von grundsätzlicher
Bedeutung. Es ist das Auftreten dieser Frage in einer unbestimmten Vielzahl von
Fällen zu erwarten und daher das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer
einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.