Urteil des OLG Frankfurt vom 26.05.2004

OLG Frankfurt: culpa in contrahendo, wirtschaftliche einheit, treu und glauben, kaufpreis, firma, europäische kommission, widerruf, vermittler, verkehrswert, vertragsschluss

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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 58/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 276 BGB, § 9 Abs
3 VerbrKrG
(Finanzierter Kauf einer Anlageimmobilie: Allgemeiner
Einwendungsdurchgriff bei Einwendungsdurchgriff nach
Verbraucherkreditgesetz; Haftung der finanzierenden Bank
aus culpa in contrahendo auf Grund eines
Wissensvorsprungs)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2.
Mai 2002 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Darmstadt
zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank den Verzicht auf Ansprüche aus
Darlehensverträgen, Rückzahlung eines Teils der auf das Darlehen geleisteter
Zahlungen und die Feststellungen, dass die Beklagte verpflichtet ist, künftig noch
entstehende Schäden zu ersetzten.
Die Klägerin kaufte von der Firma ABC Immobilien GmbH (ABC) eine
Eigentumswohnung in O1 bei Potsdam für 299.988,- DM. Der am 18.10.93 von der
Klägerin persönlich vor dem streitverkündeten Notar N1 geschlossene notarielle
Kaufvertrag (Bl. 32 ff. d.A.) kam auf Vermittlung des Immobilienmaklers Y bzw.
dessen Firma Z zustande. Die Eigentumsübertragung ist bis heute nicht vollzogen.
Mit Herrn Y schloss die Klägerin unter dem 21.12.93 zugleich einen
"Mietvermittlungs- und Mietgarantievertrag" (Bl. 60 ff. d.A.), der eine
Mietzinsgarantie von 1.216,- DM monatlich für die Dauer von fünf Jahren enthält.
Die ABC hatte das Grundstück 1992 erworben. Eine damals auf die … Bank …
eingetragene Globalgrundschuld über 1 Mio. DM wurde unter dem 2.7.93 an die
Rechtsvorgängerin der Beklagten, die …- Bank AG (…-Bank), abgetreten. Die
Bauträgerfinanzierung O1 wurde im Juli 1993 mit einem Kontokorrentkredit über
3,5 Mio. DM durch die …-Bank-Mitarbeiter Z1 und Z2 genehmigt.
Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss die Klägerin - ebenfalls persönlich - mit
der …-Bank am 17.11./23.12.93 (Bl. 50 ff. d.A.) und 21./23.12.93 (Bl. 53 ff. d.A.)
zwei Darlehensverträge über 212.000,- DM und 25.000,- DM. Diese Verträge
kamen auf Vermittlung des Herrn Z3 (bzw. dessen Firma T) zustande, der die
erforderlichen Formulare zur Verfügung hatte, nach Ausfüllen bei der …-Bank
einreichte und hierfür von dieser eine Provision erhielt.
Die Klägerin widerrief diese Darlehensverträge mit Schreiben vom 10.10.00.
Wegen des Sachverhalts im Weiteren und des streitigen Vortrags der Parteien in
erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Zu ergänzen ist:
Gegen den Vermittler Z3 und den Streithelfer sind von der StA Mannheim (615 Js
13925/99) bzw. Darmstadt (14 Js 24291/96) jeweils Ermittlungsverfahren
eingeleitet worden. Gegen den Streithelfer ist im Februar 2002 Anklage wegen
Bestechlichkeit erhoben worden. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Mit Urteil vom 2.5.02 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Wegen der
Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 384 ff. d.A.) verwiesen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete
Berufung der Klägerin.
Der streitverkündete Notar N1 hat mit Schriftsatz vom 2.7.02 (Bl. 482 d.A.) in
zweiter Instanz seinen Beitritt zum Rechtsstreit aufseiten der Beklagten erklärt.
Die Klägerin trägt vor:
Das Landgericht hätte über die Behauptungen der Klägerin Beweis erheben
müsse, Herr Z3 bzw. dessen Firma T GmbH sei sowohl als Darlehens- als auch als
Objektvermittler tätig gewesen und Herr Y als Untervermittler aufgetreten; Herr Z3
sei vonseiten der …-Bank für den Vertrieb der voll finanzierten
Kapitalanlageimmobilie beauftragt und bevollmächtigt gewesen sei und es ihm
ausdrücklich erlaubt gewesen sei, mit der Bezeichnung ihrer Bank zu werben; Herr
Z3 habe seit 1992 ein Büro in den Räumen der …-Bank O2 unterhalten und dort
freien Zugang zur EDV-Anlage sowie allen Bankformularen und
Geschäftsunterlagen gehabt.
Darüber hinaus habe das Landgericht unter Missachtung des klägerischen
Sachvortrages festgestellt, dass eine Haustürsituation nicht hinreichend
dargestellt worden sei. Dabei ignoriere das Gericht entsprechenden Sachvortrag
vonseiten der Klägerin.
Das Landgericht sei aufgrund der unterlassenen Beweisaufnahme zu dem falschen
Ergebnis gelangt, dass der Kaufpreis für die Eigentumswohnung nicht sittenwidrig
überhöht gewesen sei. Diese Beweisaufnahme sei aber bereits deshalb
erforderlich gewesen, weil sowohl die handelnden Bankmitarbeiter als auch der
beurkundende Notar Schmier- und Bestechungsgelder erhalten hätte.
Darüber hinaus sei das Landgericht zu dem falschen Ergebnis gelangt, dass nicht
nachgewiesen sei, dass die Beklagte Kenntnis von den im Kaufpreis versteckten
Innenprovisionen hatte und - wie im Schriftsatz vom 25.9.01, S. 15 ff. dargelegt -
die …-Bank selbst den sittenwidrig überhöhten Kaufpreis festgelegt habe.
Entgegen der Meinung des Landgerichts sei § 9 III VerbrKrG anwendbar, obwohl es
vorliegend um Realkredite gehe, weil die Kredite nicht zu marktüblichen
Bedingungen ausgegeben worden seien. Darüber hinaus übersehe das
Landgericht, dass es auch einen allgemeinen Einwendungsdurchgriff gebe.
Ferner verkenne das Landgericht, "dass dem Vortrag der sittenwidrigen
Kaufpreiserhöhung auch hinsichtlich der Argumentation des Vorliegens eines
gefahrerhöhenden Sonderwissens im Sinne der
Ausnahmetatbestandrechtsprechung des BGH nachzugehen sei, zumal im
vorliegenden Extremfall eines gemeinschaftlich begangenen Kapitalanlagebetrugs,
wobei hier schon eine schriftliche Schilderung des Zusammenwirkens der
einzelnen Parteien vonseiten des Vermittlers Z3 (Anlage K&H 54) vorliege".
Weiterhin führe der Umstand, dass der Vermittler Z3 von der Beklagtenseite
selbst - wie es unstreitig ist - eine Vermittlungsprovision von 1% des
Darlehensnominalbetrages erhalten habe, zur Nichtigkeit der Darlehensverträge.
Die Beklagte müsse sich die betrügerischen Handlungen und Aussagen des
Vermittlers Z3, des Untervermittlers Y sowie ihrer eigenen vormaligen Mitarbeiter
Z4, Z5, Z1 und Z2 nach § 278 BGB zurechnen lassen.
So sei dem Hausbrief der Rechtsabteilung der Beklagten vom 20.12.94 (Anlage
K&H 46) zu entnehmen, dass die Firma T des Herrn Z3 bis 1998 mit Wissen der
Bank den Zusatz "Vertragspartner der …-Bank" geführt habe.
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Herr Z3 sei seit 1990 für die …-Bank sowohl für die Vermittlung von
Kapitalanlageobjekten als auch deren Finanzierung tätig gewesen.
Die Festsetzung des sittenwidrig überhöhten Kaufpreises, der wucherischen
Innenprovision sowie die Täuschung der Kapitalanleger sei im kollusiven
Zusammenwirken mit den vormaligen Mitarbeitern der …-Bank Z4, Z5 und Z1
erfolgt, die hierfür von Herrn Z3 Schmier- und Bestechungsgelder erhalten hätten,
die im Fax der Rechtsabteilung der Beklagten vom 21.1.00 (Anlage K&H 49) bzw.
der Übersicht zu K&H 51 aufgeführt seien. Teilweise seien die Bankmitarbeiter
auch direkt in den Objektvertrieb des Herrn Z3 eingebunden gewesen.
Aus dem streitgegenständlichen Objektvertrieb habe der den
streitgegenständlichen Darlehensvertrag unterzeichnende Sachbearbeiter Z4 eine
Vermittlungsprovision von 2 % des Kaufpreises erhalten. Der beurkundende Notar
N1 habe von der ABC eine Provision von 3 % des Kaufpreises erhalten. Für den
Objektvertrieb habe Herr Z3 bzw. seine Firma T von der ABC 16,07 % vom
Kaufpreis erhalten. Die Firma Z des Herrn Y, die diesbezüglich als Untervermittlerin
eingeschaltet gewesen sei, vereinnahmte insoweit über die Firma T 11,26 % vom
Kaufpreis. Insgesamt hätten die Innenprovisionen bzw. Schmiergelder, die
zwischen Z3, den Mitarbeiter der …-Bank und dem Notar vereinbart gewesen
seien, rund 35 % des Kaufpreises ausgemacht.
Die Mitarbeiter der vormaligen …-Bank - Niederlassung O2 und O3 - hätten Herrn
Z3 freien Zugang zu der Bank-EDV, zu Blankoformularen, Briefpapier der Bank
und den internen Vorstandsanweisungen der Beklagten ermöglicht.
Der Widerruf mit Schreiben vom 10.10.00 sei wirksam; das HWiG sei auch auf die
vorliegenden Realkreditverträge anzuwenden.
Der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin zum Vorliegen einer Haustürsituation sei
ausreichend, das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen dagegen nicht.
Der Kaufpreis sei sittenwidrig überhöht gewesen. Dies habe die Beklagte bzw. die
…-Bank gewusst. 1999 habe die Beklagte selbst den Verkehrswert mit nur
60.000,- DM angegeben. Der tatsächliche Verkehrswert zum Erwerbszeitpunkt
habe lediglich 55.300,- € betragen (- insoweit verweist die Klägerin auf ein
Privatgutachten des Sachverständigenbüros S. vom 3.7.03 - Anlage B 7). Ein
derartiger Verfall des Marktpreises sei nicht erklärlich und sei allein auf die
überhöhte Festsetzung des Verkehrswertes durch die vormalige …-Bank sowie die
wucherischen Innenprovisionen der unseriösen Vertriebe zu erklären. Die von der
Klägerin insoweit angebotenen Beweise seien auch keine Ausforschungsbeweise.
Die dargestellten wucherischen Vermittlungsprovisionen, die insgesamt 35 % des
Kaufpreises ausmachten, führten zur Sittenwidrigkeit des Maklervertrages, die sich
auf die Nichtigkeit des Hauptvertrages erstrecke und zudem zur deliktischen
Haftung der Beklagten nach §§ 826, 830 II BGB führe.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil einschließlich des ihm zugrunde liegenden
Verfahrens aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen;
hilfsweise,
1. festzustellen, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin aus den
Darlehensverträgen mit den Kundennummer … und -… keine Ansprüche mehr
zustehen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.782,30 € nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG vom 9.6.98 seit Rechtshängigkeit zu
zahlen;
3. (sinngemäß) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
sämtliche künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzten, die im
Zusammenhang mit dem Kauf der streitbefangenen Eigentumswohnung stehen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor:
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Die Beklagte habe keine Aufklärungspflichten verletzt. Es lägen keine
Anhaltspunkte für einen der Ausnahmetatbestände vor, in denen die
Rechtsprechung überhaupt Hinweis- und Aufklärungspflichten der Bank annehme.
Insbesondere habe die Beklagte ihre Kreditgeberrolle nicht überschritten.
Grundlage für eine derartige Vertrauenshaftung könnte allenfalls eine nach außen
hin sichtbare Wahrnehmung von Verkäufer- oder Vertriebsfunktionen durch die
finanzierende Bank sein. Diese liege hier aber nicht vor. Herr Z3 bzw. die Firma T
hätten das Darlehen vorliegend als Finanzierungsvermittler ausschließlich
vermittelt. Sie seien von der Beklagten nicht mit dem Vertrieb des Objekts
beauftragt gewesen. Es sei ihnen nicht gestattet gewesen, sich als
Repräsentanten, Agenten oder dergleichen der Beklagten zu bezeichnen. Die
Beklagte habe dies auch nicht geduldet. Ein Raum in der Filiale der Beklagten habe
Herrn Z3 lediglich im Zeitraum Mitte 1994 bis Mitte 1995 zur Verfügung
gestanden. Außerdem habe Herr Z3 gegenüber der Klägerin keine Handlungen
vorgenommen oder Erklärungen abgegeben, die den Anschein hätten erwecken
können, die Beklagte sei in das Erwerbsgeschäft einbezogen gewesen. Im Übrigen
wären etwaige gegenteilige Erklärungen des Herrn Z3 der Beklagten nicht
zuzurechnen.
Auch die behaupteten Schmiergeldzahlungen von Herrn Z3 an Mitarbeiter der
Bank hätten mit seiner Vermittlertätigkeit nichts zu tun. Sie seien vielmehr dafür
geleistet worden, dass die Mitarbeiter der Beklagten Herrn Z3 auch durch andere
Vermittler hereingereichte Baufinanzierungen "zuschlüsselten". Hier gehe es also
allenfalls um Schädigungen zulasten der Beklagten.
Was eine weiterhin behauptete Provision des Bauträgers an den Notar mit dem
Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zu tun habe, sei nicht ersichtlich.
Eine allein aufklärungspflichtige sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises werde
von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Das von der Klägerseite vorgelegte
Gutachten M. sei unter grober Missachtung der anerkannten Bewertungsregeln
erstellt worden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte dafür vor, inwiefern die
Beklagte hiervon zum relevanten Zeitpunkt des Abschlusses der
Darlehensverträge hätte Kenntnis haben können, zumal das Objekt zu diesem
Zeitpunkt noch nicht einmal erstellt gewesen sei. § 278 sei auf Angaben und
Erklärungen Dritter zu diesem Bereich nicht anwendbar, sie könnten der nur
finanzierenden Bank nicht zugerechnet werden, da es schon an einem sachlichen
Zusammenhang mit den Pflichten der Bank fehlt.
Die Behauptung, die …-Bank habe zusammen mit Herrn Z3 die sittenwidrig
überhöhten Verkaufspreise und Innenprovisionen festgesetzt, sei substanzlos.
Allenfalls habe die Beklagte die Kalkulation des Bauträgers überprüft.
Der Umstand, dass die Beklagte den selbstständigen Kreditvermittlern im
Einzelfall Provisionen für den Nachweis von Finanzierungsinteressenten gezahlt
habe, sei rechtlich in jeder Hinsicht irrelevant.
Auch eine deliktische Haftung der Bank scheide aus, jedenfalls seien deliktische
Ansprüche aber verjährt; diese Einrede werde vorsorglich erhoben.
Ein Widerruf nach HWiG sei nicht begründet, und zwar schon deshalb nicht, weil
eine Haustürsituation nicht substantiiert vorgetragen sei. Aus dem Vortrag der
Klägerin sei nicht einmal ersichtlich, wo und unter welchen Umständen "mehrere
Beratungsgespräche im September und Oktober 1993" angeblich stattgefunden
hätten. Auch die weiteren Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf lägen
nicht vor. Zudem sei die Haustürsituation der Beklagten über § 123 II BGB nicht
zurechenbar. Im Übrigen habe ein wirksamer Widerruf lediglich zur Folge, dass das
ausgereichte Darlehen nebst marktüblicher Verzinsung an die Beklagte
zurückzugewähren sei. Vorsorglich werde insoweit die Aufrechnung erklärt.
Ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG sei vorliegend nach § 3 II Ziff. 2
VerbrKrG ausgeschlossen, weil es sich um Realkredite handele.
Nach allgemeinen Grundsätzen sei eine wirtschaftliche Einheit des Kauf- und der
Darlehensverträge schon deshalb nicht zu konstruieren, weil der BGH in seiner
Entscheidung vom 27.1.04 (Az. XI ZR 37/03) in Fällen wie dem vorliegenden den
Rückgriff auf § 242 BGB ausgeschlossen habe. Zudem wäre hierzu wiederum eine
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Rückgriff auf § 242 BGB ausgeschlossen habe. Zudem wäre hierzu wiederum eine
Überschreitung der Kreditgeberrolle erforderlich, die nicht vorliege.
Der Streitverkündete trägt vor, die Behauptung, er habe sich als Notar Provisionen
versprechen lassen oder solche entgegengenommen, sei falsch.
Der Streitverkündete beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die nach den Vorschriften der reformierten ZPO zu beurteilende Berufung ist
zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt,
und hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die
Sache gemäß § 538 II ZPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückzuverweisen, weil das erstinstanzliche Verfahren an einem
wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und
aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
A. Etwaige Bedenken des Senats gegen die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf
den ursprünglichen Antrag zu I. aus der Klageschrift sind dadurch beseitigt, dass
die Klägerin diesen Antrag in der Berufung sachdienlich umgestellt hat.
B. Die Ausführungen des Landgerichts zur Begründetheit der Klage tragen die
Klageabweisung aus den nachfolgend dargestellten Gründen nicht.
1. Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass die streitbefangenen
Darlehensverträge weder anfänglich unwirksam waren noch nachträglich geworden
sind.
Für eine anfängliche Unwirksamkeit der Darlehensverträge, insbesondere durch
die von der Beklagtenseite selbst an die Vermittler gezahlten Provisionen,
bestehen von vornherein keine Anhaltspunkte.
Die Darlehensverträge sind auch nicht nachträglich durch den Widerruf der
Klägerin vom 10.10.00 unwirksam geworden.
Ein Widerruf nach § 7 VerbrKrG scheitert jedenfalls daran, dass die Jahresfrist des §
7 II VerbrKrG im Oktober 2000 längst abgelaufen war.
Ein Widerruf nach § 1 HWiG käme in Betracht, wenn in Bezug auf den Abschluss
der Darlehensverträge eine Haustürsituation vorgelegen hätte, die der Beklagten
zugerechnet werden kann. Beides kann jedoch dahinstehen. Geht man zugunsten
der Kläger davon aus, dass ein Widerruf nach § 1 I HWiG möglich war und
gegenüber der Beklagten wirksam ist, wäre Rechtsfolge die Rückabwicklung des
Vertragsverhältnisses nach § 3 HWiG. Danach sind beide Parteien verpflichtet,
einander wechselseitig die Leistungen zurückzugewähren, die sie empfangen
haben. Der Beklagten stünde damit ein Anspruch auf Rückzahlung der
ausgezahlten Darlehensvaluta und eine marktübliche Verzinsung zu (BGH WM
2002, 2501, 2502 f.; 2003, 64, 66). Wenn der Beklagten aber jedenfalls
Rückabwicklungsansprüche aus den Darlehensverträgen zustünden, können die
Klageanträge zu I. und II. nicht begründet sein.
2. Im Ergebnis zutreffend ist auch die Auffassung des Landgerichts, dass sich die
Klägerin nicht auf den Einwendungsdurchgriff nach § 9 III VerbrKrG berufen kann.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, muss
dies schon deshalb gelten, weil es sich bei dem zwischen den Parteien
geschlossene Kreditvertrag um einen Realkreditvertrag handelt, auf den gemäß §
3 II Nr. 2 VerbrKrG die Vorschrift des § 9 III VerbrKrG nicht anwendbar ist.
Eine teleologische Reduktion dieses gesetzlichen Anwendungsverbots ist nach
Auffassung des BGH nicht möglich, weil es sich insoweit um eine bewusste und
abschließende, von der Rechtsprechung zu respektierende Regelung handelt (BGH
vom 12.11.02 - XI ZR 25/00 - BKR 2003, 112; BGH vom 23.9.03 - XI ZR 135/02 -
BKR 2003, 893, 895; anders wohl die Europäische Kommission in NJW 2004, XXX).
Soweit die Klägerin pauschal einwendet, § 3 II Nr. 2 VerbrKrG sei deshalb nicht
einschlägig, weil die Kredite nicht zu marktüblichen Bedingungen gewährt worden
sei, ist dies nicht erkennbar.
Der Senat ist in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die
Entscheidung des BGH vom 19.5.00 (WM 2000, 1287) davon ausgegangen, dass
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Entscheidung des BGH vom 19.5.00 (WM 2000, 1287) davon ausgegangen, dass
der Käufer und Darlehensnehmer beim finanzierten Kauf gegenüber dem
Darlehensgeber trotz rechtlicher Selbstständigkeit des Darlehensvertrages unter
bestimmten Voraussetzungen auch nach Treu und Glauben Einwendungen aus
dem Kaufvertrag erheben kann, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit
bilden und die Risiken des finanzierten Kaufes anderenfalls nicht angemessen
verteilt würden (allgemeiner Einwendungsdurchgriff). An dieser Rechtsauffassung
hält er aufgrund der neuen Entscheidung des BGH vom 27.1.04, Az.: XI ZR 37/03,
(NJW 2004, 1376) nicht fest. In dieser Entscheidung hat der BGH für einen
Parallelfall ausgeführt, dass ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung zum
finanzierten Abzahlungsgeschäft entwickelten und später auf fremdfinanzierte
Geschäfte anderer Art erweiterten, aus § 242 BGB hergeleiteten Grundsätze über
den Einwendungsdurchgriff nicht in Betracht kommen, weil § 9 VerbrKrG als
abschließende Sonderregelung zu verstehen sei.
3. Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht jedoch, soweit es in dem
angefochtenen Urteil - ohne Beweisaufnahme - zu dem Schluss gelangt, dass der
Klägerin keine Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen können.
Wenn solche Schadenersatzansprüche bestehen, hätten die Kläger gegenüber der
Beklagten einen Anspruch, so gestellt zu werden, als sei es nicht zum Abschluss
der Darlehensverträge gekommen. Dies könnte sie den Ansprüchen der
Beklagtenseite aus den Darlehensgeschäften gemäß § 242 BGB entgegenhalten
(dolo agit-Einwand).
a) Die Klägerin begründet ihre Schadenersatzansprüche u.a. mit einer Verletzung
von Aufklärungs- oder Hinweispflichten durch die Beklagte. Ein solcher Anspruch
würde - soweit er auf culpa in contrahendo gestützt wird - voraussetzen, dass eine
Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt, die sich auf eine sittenwidrige Überhöhung
des Kaufpreises bezieht, denn nur aus diesem Umstand kann der Klägerin
überhaupt ein Schaden erwachsen sein.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine finanzierende
Bank nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der
Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen
(BGH NJW 2000, 3558; BGH NJW-RR 2000, 1576 - beide mit weiteren Nachweisen).
Die Verwendung des Kredits ist allein Sache des Kreditnehmers. Ihm allein obliegt
es, sich über die damit verbundenen speziellen Gefahren zu informieren und die
Entscheidung darüber, ob er sie eingehen will, eigenverantwortlich zu treffen. Das
mit der Verwendung des Darlehens verbundene Risiko hat der Darlehensnehmer
grundsätzlich allein zu tragen. Bei finanzierten Kapitalanlagen darf die
darlehensgebende Bank deshalb regelmäßig davon ausgehen, dass der
Kreditnehmer Konzeption und Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage hinreichend
geprüft hat, gegebenenfalls unter Einschaltung besonderer Fachberater. Dies gilt
auch und in besonderem Maß bei geschäftsunerfahrenen Kunden (OLG Stuttgart
WM 2000, 292).
Nur ausnahmsweise und in besonderen Fallgruppen kommt eine Aufklärungs- und
Beratungspflicht der Bank in Betracht, nämlich wenn sie ihre Kreditgeberrolle
überschreitet, einen besonderen Gefährdungstatbestand schafft, sich in einer
Interessenkollision befindet oder gegenüber dem Anleger einen konkreten
Wissensvorsprunges hat.
Für die Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestands oder eine
Interessenkollision bestehen keine Anhaltspunkte. Die Doppelfinanzierung des
Bauträgers und der Klägerin reicht hierfür nicht aus (OLG Stuttgart WM 2000, 292).
Auch ein Überschreiben der Kreditgeberrolle liegt nicht vor. Weil es insoweit um
eine Vertrauenshaftung geht, ist eine "Außenwirkung" erforderlich, d.h. die Klägerin
hätte in der Lage sein müssen zu erkennen, dass die Beklagtenseite sich nicht
allein auf ihre Kreditgeberrolle beschränkt. Das behauptet die Klägerin aber selbst
nicht. Alles, was sie jetzt vorträgt (Einbindung des Vermittlers Z3 in die … Filiale
der …-Bank, Objektvermittlung durch Bankmitarbeiter, Einflussnahme der …-Bank
auf den Kaufpreis), hat sie erst später - teilweise durch Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft - erfahren.
Soweit sich die Klägerin zur Begründung eines Schadenersatzanspruches jedoch
auf einen Wissensvorsprung der Beklagtenseite über die angebliche
Unangemessenheit des Kaufpreises bezieht, kann hierüber entgegen der Ansicht
des Landgerichts nicht ohne eine Beweisaufnahme entschieden werden.
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Allerdings kommt es insoweit nicht auf den Vortrag der Klägerin an, die
Beklagtenseite habe hierüber Bescheid gewusst, weil sie 1999 ein Gutachten über
den Wert der Wohnung eingeholt habe, in dem der Verkehrswert nur mit 60.000,-
DM angegeben werde. Aus dem Gutachten kann nämlich nicht auf eine Kenntnis
der …-Bank zum relevanten Zeitpunkt geschlossen werden, weil es erst Jahre nach
Abschluss des Darlehensgeschäfts eingeholt wurde.
Für einen Wissensvorsprung der Beklagtenseite ist aber relevant, dass von dem
Kaufpreis nach dem Vortrag der Klägerin ein ganz erheblicher Teil für Provisionen
gezahlt wurde. Generell muss die Bank zwar über solche Innenprovisionen nicht
aufklären (Edelmann MDR 2000, 1175 mit weiteren Nachweisen). Ausnahmsweise
ist dies aber anders, wenn die Bank erkennt, dass die Innenprovision zu einer so
wesentlichen Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert
beiträgt, die als sittenwidrige Übervorteilung des Käufers angesehen werden muss
(BGH WM 2000, 1245, 1247). Sollte die Behauptung der Klägerin zutreffen und die
Provisionszahlungen tatsächlich über 33 % betragen haben, wäre der Bereich einer
sittenwidrigen Übervorteilung erreicht.
Dabei reicht es aus, wenn - wie die Klägerin behauptet - der Vermittler Z3 über die
hohen Provisionen im Bilde war. Da er unstreitig jedenfalls die Darlehensverträge
vermittelt hat, ist er insoweit als Erfüllungsgehilfe der Beklagtenseite anzusehen,
was zur Folge hat, dass ihr gemäß § 166 BGB sein diesbezügliches Wissen
zugerechnet werden könnte.
Das Landgericht wird danach eine Beweisaufnahme über die Behauptung der
Klägerin durchzuführen haben, die Provisionszahlungen hätten über 33 % des
Kaufpreises betragen und Herr Z3 habe hiervon gewusst. Entsprechender Vortrag
und Beweisangebote der Klägerin finden sich bereits in der Klageschrift (Bl. 10 ff.
d.A.) und werden in der Berufungsbegründungsschrift (Bl. 500 d.A.) wiederholt.
Sollte die Klägerin diese Behauptung beweisen können, müsste nachfolgend eine
Beweisaufnahme über den - zwischen den Parteien streitigen - tatsächlichen Wert
der Wohnung bei Vertragsschluss erfolgen. Der Klägerin ist nämlich nur dann ein
Schaden entstanden ist, wenn der Wert der Wohnung wegen der Provisionen
überhöht gewesen ist, was aber nicht schon dann der Fall sein muss, wenn die
Provisionen tatsächlich mehr als 33 % des Kaufpreises ausgemacht haben sollten.
Insoweit hat die Klägerin erstinstanzliche unter Berufung auf ein einzuholendes
Sachverständigengutachten behauptet, der Wert der Wohnung habe bei
Vertragsschluss lediglich 68.248,- DM betragen, was die Beklagte auch in der
Berufung noch bestreitet.
Bei der Frage, ob der Kaufpreis für die streitbefangene Wohnung wesentlich
überteuert war, kann auf die Rechtsprechung zur sittenwidrigen Überhöhung des
Kaufpreises im Sinne von § 138 BGB zurückgegriffen werden (zu den
Voraussetzungen vgl. BGHZ 146, 298, 302 ff.).
Die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts auf Seite 10 des
angefochtenen Urteils, das in anderem Zusammenhang zu dem Ergebnis gelangt,
eine sittenwidrige Überteuerung liege nicht vor, vermag der Senat nicht
nachzuvollziehen.
b) Mit der Frage, ob der Klägerin deliktische Schadenersatzansprüche gegen die
Beklagtenseite aus §§ 826 ff. BGB zustehen, wird sich das Landgericht nicht zu
befassen haben, weshalb es auch auf die Verjährungseinrede der Beklagten nicht
ankommt. Die von der Klägerin behaupteten Provisions- oder
"Schmiergeldzahlungen" wären insoweit nur dann von Bedeutung, wenn gerade sie
dazu geführt hätten, dass die Klägerin sich zu dem Kauf der (überteuerten)
Wohnung entschlossen hat bzw. dass Dritte es unterließen, die Klägerin auf die
Überteuerung hinzuweisen. Dafür - oder für ein sonst wie geartetes kollusives
Zusammenwirken der Bankmitarbeiter mit den Vermittlern - finden sich indes
keine Anhaltspunkte. Einleuchtender ist die Darstellung der Beklagten, wonach die
"Schmiergeldzahlungen" dazu dienten, das Vermittlungsvolumen des Herrn Z3
bzw. seiner Firma T aufzublähen, und zwar zum Schaden der Beklagtenseiten.
C. Der Senat hat davon abgesehen, gemäß § 538 I ZPO eine eigene
Sachentscheidung zu treffen. Der Hauptantrag der Klägerin auf Zurückverweisung
der Sache an die erste Instanz ist sachdienlich, weil das Interesse an eine
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der Sache an die erste Instanz ist sachdienlich, weil das Interesse an eine
schnelleren Erledigung des Rechtsstreits den Verlust einer Tatsacheninstanz nicht
überwiegt.
Die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 538 II Nr. 1 ZPO
liegen vor: Das Landgericht hat gegen § 286 ZPO verstoßen, indem es die
angebotenen Beweis nicht erhoben hat. Dies stellt einen wesentlichen
Verfahrensmangel dar (Zöller-Gummer ZPO 23. Auflage, § 538 Rn 25) und
rechtfertigt die Zurückverweisung, weil eine umfangreiche bzw. aufwändige
Beweisaufnahme notwendig ist, wie oben ausgeführt wurde.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 6.5. und 7.5.04 konnten für die
Entscheidung nicht mehr berücksichtigt werden, soweit sie neue Angriffs- und
Verteidigungsmittel enthalten (§ 296 a ZPO). Für eine Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO bestand keine Veranlassung.
Von einer Kostenentscheidung war abzusehen, da das Landgericht bei seiner
neuen Entscheidung auch über die Kosten der Berufung und der
Nebenintervention zu entscheiden hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht
vorliegen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Zulassung
der Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung geboten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.