Urteil des OLG Frankfurt vom 10.09.2008

OLG Frankfurt: pfändung, einziehung, pfändbarkeit, drittschuldner, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, erlass, verwaltungsrecht, taschengeld

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Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UF 1/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1360 S 2 BGB, § 1360a BGB,
§ 850b Abs 2 ZPO
(Forderungspfändung: Pfändbarkeit des
Taschengeldanspruchs eines Ehegatten)
Leitsatz
Zum Taschengeldanspruch der haushaltsführenden Ehefrau
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27.08.2008 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Familiengericht Darmstadt teilweise abgeändert. Der Beklagte wird
verurteilt, an den Kläger 96,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszins seit dem 04.04.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben den Kläger 9/10 und der Beklagte 1/10 zu
tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Berufung wird auf 1.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger ist Gläubiger eines gegen seine Mutter gerichteten rechtskräftigen
Unterhaltstitels vom 16.08.2006. Er nimmt den Beklagten, den Ehemann seiner
Mutter, als Drittschuldner auf Zahlung in Anspruch, nachdem das Amtsgericht /
Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 09.03.2007 den „Unterhaltsanspruch,
der der Schuldnerin gegenüber ihrem Ehemann zusteht“, gepfändet und dem
Kläger zur Einziehung überwiesen hat. Mit seiner Klage macht er den gepfändeten
Anspruch für den Monat April 2007 in Höhe von 1.000,00 € geltend. Durch das
angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen
wird, hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, an den Kläger 1.000,00 € nebst
Zinsen seit dem 04.04.2007 zu zahlen. Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte
Klageabweisung. Er beruft sich darauf, dass der Anspruch der Schuldnerin auf
Naturalunterhalt gerichtet und daher nicht pfändbar sei. Er bestreitet zudem einen
Taschengeldanspruch. Sein nach Erlass des angefochtenen Urteils gegen den
Beschluss vom 09.03.2007 eingelegtes Rechtsmittel hat das Vollstreckungsgericht
mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Pfändung nach den für
Arbeitseinkommen maßgebenden Vorschriften eingeschränkt hat. Der Kläger
verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.
II. Die statthafte Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Gemäß den §§ 1360, 1360a BGB ist der Beklagte als Ehemann der
Titelschuldnerin zum Familienunterhalt verpflichtet. Ihr Anspruch ist zwar im
Wesentlichen auf Unterhaltung in Natur und nicht auf Zahlung eines Geldbetrages
gerichtet. Im Anspruch auf Familienunterhalt einbegriffen ist jedoch ein bedingt
pfändbarer (BGH FamRZ 2004, 1784) und auf Zahlung gerichteter
Taschengeldanspruch, den der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des
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Taschengeldanspruch, den der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des
Vollstreckungsgerichts vom 09.03.2007 mit umfasst.
Dem steht nicht entgegen, dass das Vollstreckungsgericht zunächst den
gesamten Anspruchs der Titelschuldnerin gepfändet hat, der, soweit er auf
Leistung in Natur gerichtet ist, gem. §§ 399 BGB, 851 ZPO nicht abtretbar und
auch nicht pfändbar ist. Durch die mit Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom
01.04.2008 erfolgte Einschränkung der Pfändung nach Maßgabe der Vorschriften
über die Pfändung von Arbeitseinkommen hat das Vollstreckungsgericht im
Ergebnis klargestellt, dass die Summe aus dem in Natur zu leistenden Unterhalt
und dem Taschengeldanspruch in der Höhe pfandfrei bleibt, in der sie die
Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO nicht übersteigt (etwa LG Stuttgart B. v.
17.08.2004, zitiert nach juris). Gegen die (eingeschränkte) Pfändung und
Überweisung des Taschengeldanspruchs als solche wendet der Beklagte nichts
ein, was er auch gar nicht könnte, weil das Prozessgericht im
Drittschuldnerprozess an die vom Vollstreckungsgericht angeordnete Pfändung
gebunden ist (BGH FamRZ 1998, 608).
2. In der Sache steht der Titelschuldnerin gegen den Beklagten ein
Taschengeldanspruch in Höhe von mtl. 130,00 € zu. Der haushaltsführende
Ehegatte hat, sofern nicht das Familieneinkommen durch den notwendigen
Grundbedarf der Familienmitglieder restlos aufgezehrt wird, gegen den anderen
Anspruch auf Zahlung eines Taschengelds (BGH FamRZ 2004, 1784), das in der
Regel 5 – 7 % des verfügbaren Nettoeinkommens ausmacht. Nach den
Darlegungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 03.03.2008 hat er in Jahr
2006 Renteneinkünfte in Höhe von 12.272,00 € und einen Überschuss der
Mieteinkünfte über die Ausgaben von 14.300,00 €, zusammen also 26.572,00 €
erzielt. Seine Aufwendungen für Krankenvorsorge sind nach den Darlegungen
seine Bevollmächtigten im Verhandlungstermin dabei bereits abgesetzt. Er hat für
das Jahr 2006 186,00 € Steuern gezahlt. Insgesamt beläuft sich das
Familieneinkommen daher auf rd. 26.000,00 € netto, was einem
Monatsdurchschnitt von rd. 2.165,00 € entspricht. Wenn man den Grundbedarf der
Familienmitglieder entsprechend dem notwendigen Selbstbehalt einer nicht
erwerbstätigen Person mit je 770,00 € ansetzt, ergibt sich ein beträchtlicher
Überschuss, der die Zahlung eines Taschengeldes an die Titelschuldnerin erlaubt.
Nach dieser Maßgabe setzt der Senat den Wert des Anspruch der Titelschuldnerin
auf Naturalunterhalt mit der Hälfte des Familieneinkommens (2.165,00 : 2 = rd.
1.083,00 €) und den Taschengeldanspruch mit 6 % des Familieneinkommens
(2.165 x 0,6 = rd. 130,00 €) an.
3. Der Anspruch auf Taschengeld entfällt auch nicht angesichts des im
Verhandlungstermin erstmals gehaltenen Beklagtenvortrags, dass die
Titelschuldnerin nunmehr eigene geringfügige Einkünfte erziele, aus denen sie
ihren Taschengeldbedarf bestreiten kann. Diese Behauptung hat keinerlei
Substanz, widerspricht allem, was die Titelschuldnerin im Betragsverfahren
dargelegt hat und hat ersichtlich nur den Zweck, die Einschränkung des
Taschengeldanspruchs zu begründen, die der BGH für den verdienenden
Ehegatten bejaht (BGH FamRZ 1998, 608).
4. Die Pfändungsfreigrenze einer nicht unterhaltsverpflichteten Person beträgt
nach § 850c ZPO derzeit mtl. 996,60 €. Nach Maßgabe der im Beschluss des
Vollstreckungsgerichts vom 01.04.2008 enthaltenen Einschränkung ist daher der
Taschengeldanspruch der Titelschuldnerin in Höhe von mtl. 96,40 € (1.083,00 –
996,60) wirksam gepfändet und dem Kläger zur Einziehung übertragen. Nachdem
der Kläger mit der Klage jedoch ausdrücklich nur den Anspruch für den Monat April
2007 geltend gemacht hat, hat das amtsgerichtliche Urteil nur insoweit Bestand,
soweit es den Beklagten verurteilt hat, an den Kläger 96,40 € nebst Zinsen seit
dem 04.04.2007 zu zahlen.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 711, 713,
3 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.