Urteil des OLG Frankfurt vom 29.10.2010

OLG Frankfurt: letztwillige verfügung, verfügung von todes wegen, erblasser, arglistige täuschung, treu und glauben, eigentumswohnung, erbvertrag, medizinische betreuung, ärztliche behandlung

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Gericht:
OLG Frankfurt 21.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 U 9/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 2339 BGB
Orientierungssatz
Zum Vorliegen der Erbunwürdigkeitsgründe des § 2339 BGB
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.12.2009 verkündete Urteil der 25.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der
Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 357.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist der Sohn (aus erster Ehe) des am ...2006 verstorbenen X (im
Folgenden: Erblasser), bei der Beklagten handelt es sich um die zweite
Ehefrau/Witwe des Erblassers.
Mit der am 21.08.2007 bei Gericht eingereichten Klage vom 20.8.2007 macht der
Kläger gegen die Beklagte deren Erbunwürdigkeit geltend. Zustellung dieser Klage
an die Beklagte erfolgte am 30.11.2007.
Aus der ersten Ehe des Erblassers ist neben dem Kläger ein weiterer Sohn (A)
hervorgegangen; die Tochter B ist hingegen nicht aus der zweiten Ehe des
Erblassers mit der Beklagten hervorgegangen, sondern wurde durch den Erblasser
adoptiert. Sämtliche Kinder erklärten im Rahmen eines notariellen Vertrages vom
….1987, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 13ff d.A.) im
Hinblick darauf, dass der Erblasser und die Beklagte sich wechselseitig als Erben
eingesetzt hatten und Erben des überlebenden Ehegatten die Kinder zu je einem
Drittel sein sollten, den Verzicht auf ihr Pflichtteil.
Zu diesem Zeitpunkt existierte ein – im Verfahren nicht vorgelegter - Erbvertrag
des Erblassers und der Beklagten vom 15.03.1972, der am ….1987 durch die
Benennung von Testamentsvollstreckern ergänzt wurde (Bl. 11f d.A.).
Am 24.06.1999 schlossen der Erblasser und die Beklagte einen neuen Erbvertrag
(vorgelegt im Parallelverfahren des Senats, Az. 21 U 10/10, dort Bl. 34ff d.A.),
wonach der Erblasser und die Beklagte sich zwar weiterhin gegenseitig als Erben
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wonach der Erblasser und die Beklagte sich zwar weiterhin gegenseitig als Erben
einsetzten, Erbin des Überlebenden aber nunmehr allein die Tochter B sein sollte.
Zur Behandlung einer psychischen Erkrankung (Depressionen) befand sich der
Erblasser von September 1999 bis September 2000 stationär in einer
psychiatrischen Klinik. Nach vorübergehender Rückkehr nach Hause hielt er sich
seit Mai 2001 im Seniorenheim „Y“ in O1 auf, wobei die Parteien darüber streiten,
ob dieser Aufenthalt dem Wunsch des Erblassers entsprach.
Ein zwischenzeitlich bezüglich der Person des Erblassers eingeleitetes
Betreuungsverfahren endete durch Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main vom 10.09.2004 (Az. 20 W 426/04), mit dem eine im Wege der
einstweiligen Anordnung angeordnete vorläufige Bestellung eines Betreuers
aufgehoben wurde; wegen der Einzelheiten wird auf den vorgenannten Beschluss
Bezug genommen (Bl. 266ff d.A.).
Am 11.10.2004 schlossen der Erblasser und die Beklagte einen notariellen Vertrag
zur Übertragung des gesamten Vermögens des Erblassers auf die Beklagte, auf
den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 135ff d.A.).
Seit 01.07.2006 hielt sich der Erblasser im Seniorenheim „Z“ in O1 auf. Nach einer
am 15.08.2006 durchgeführten Operation wegen eines kurz zuvor diagnostizierten
Darmkarzinoms verstarb er am ….2006.
Zur Begründung der Erbunwürdigkeitsklage hat der Kläger vorgetragen, die
Beklagte habe zu Rechtsanwalt RA1, bei dem es sich – unstreitig - seit 1997 um
einen Freund und Berater der Familie gehandelt habe, im Jahr 1999/2000 eine
ehewidrige Liebesbeziehung aufgenommen. Sie habe deshalb zunächst versucht,
eine Rückkehr des Erblassers in den eigenen Haushalt nach Beendigung des
Klinikaufenthaltes zu verhindern. Nach der dennoch erfolgten Rückkehr habe sie
gegen den Willen des Erblassers veranlasst, dass dieser im Mai 2001 zunächst in
das Seniorenheim "Y" in O1 aufgenommen wurde, obwohl bei der
Inanspruchnahme von Pflegekräften auch eine Betreuung des Erblassers im
eigenen Hause habe gewährleistet werden können. Im Zuge des Heimaufenthaltes
selbst habe die Beklagte dafür Sorge getragen, dass der Erblasser weit gehend
isoliert geblieben sei; sie habe seine Post in Empfang genommen und die Besuche
des Erblassers durch entsprechende Anordnungen gegenüber dem Pflegepersonal
untersagt bzw. die Zulassung des Besuchs von ihrer eigenen Zustimmung
abhängig gemacht. Der Erblasser sei dadurch vereinsamt und psychisch krank
geworden.
Die Beklagte habe es ferner trotz der seit längerem von Seiten des Erblassers
geäußerten Schmerzen im Bauchraum unterlassen, eine fachärztliche Klärung
herbeizuführen, insgesamt sei die notwendige medizinische Betreuung des
Erblassers nicht veranlasst worden. Dies habe zu Siechtum des Erblassers geführt
und sein Leben um Jahre verkürzt, da er nur wegen der unterbliebenen
medizinischen Behandlung am nicht rechtzeitig erkannten Darmtumor verstorben
sei (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens). In diesem
Zusammenhang sei auch die von der Beklagten veranlasste Verlegung des
Erblassers in das Seniorenheim "Z" am 01.07.2006 zu sehen; es dränge sich auf,
dass diese Verlegung nur erfolgt sei, weil das Pflegepersonal im vorherigen
Seniorenheim eine medizinische Versorgung des Erblassers eingefordert habe.
Der Kläger hat weiter vorgetragen, die Beklagte habe den Erblasser über ihre
Liebesbeziehung zu Rechtsanwalt RA1 getäuscht, da deren Bekanntwerden den
Erblasser zu einer Aufhebung seiner letztwilligen Verfügung veranlasst hätte;
zudem habe sie Rechtsanwalt RA1 und seiner Familie auch erhebliche
Vermögenswerte zukommen lassen.
Nach dem Tod des Erblassers habe die Beklagte versucht, eine ursprünglich im
hälftigen Miteigentum der Eheleute stehende Eigentumswohnung in O3 in eine
Immobiliengesellschaft einzubringen, um sie auf diese Weise dem Nachlass zu
entziehen. Zu diesem Zweck habe sie die Erklärung des Rechtsanwaltes RA2 vom
13.12.2007 (Bl. 103ff d.A.), die Vollmacht vom 05.12.2007 (Bl. 106ff d.A.) und eine
Bestätigung des C vom 06.12.2007 (Bl. 111 d.A.) veranlasst, um unter Vorlage
dieser Erklärungen den Eindruck zu erwecken, der Erblasser lebe noch und
bevollmächtige seine Ehefrau zur Abgabe aller notwendigen Erklärungen für die
Grundstücksübertragung. Die entsprechenden Erklärungen seien den beauftragten
französischen Notaren vorgelegt worden, diese seien jedoch untätig blieben.
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Die Parteien haben die im Urteil des Landgerichts wiedergegebenen Anträge
gestellt.
Die Beklagte ist dem Klagevorbringen entgegengetreten und hat in erster Linie
geltend gemacht, Erbunwürdigkeitsgründe seien bereits nicht schlüssig dargelegt.
Die Verlegung des Erblassers in ein Seniorenheim habe dessen Wunsch
entsprochen, der Erblasser habe Angst vor einer Vergiftung durch eine
Mitarbeiterin im Haushalt der Eheleute gehabt. Eine Betreuung durch Pflegekräfte
im eigenen Haus habe der Erblasser nicht gewünscht. Der Erblasser habe auch
keinen psychischen Schaden im Rahmen des Aufenthaltes im Seniorenheim
erlitten, wie sich schon aus dem erfolglos betriebenen Betreuungsverfahren
ergebe. Der Erblasser sei auch während seines Aufenthalts im Seniorenheim stets
durch drei bis vier Ärzte betreuten worden.
Eine Liebesbeziehung zu Rechtsanwalt RA1 habe sie nicht unterhalten.
Die Beklagte ist der Auffassung, der dem Erblasser zustehende
Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung in O3 sei ohnehin aufgrund des
Vermögensübertragungsvertrags vom 11.10.2004 bereits dem Vermögen der
Beklagten zugehörig, falle also nicht mehr in den Nachlass. Die Beklagte habe
auch keine unzutreffenden Angaben gegenüber den in Frankreich beauftragten
Notaren gemacht, sie habe vielmehr eine übersetzte Sterbeurkunde zur
Weiterleitung an die Notarin E überlassen, diese sei aber offenbar durch die
beauftragte Person, die wohl als Lockvogel des Klägers fungiert habe, nicht
weitergeleitet worden.
Die Beklagte hat sich ferner darauf berufen, die Anfechtungsklage sei nicht binnen
Jahresfrist erhoben; demgegenüber macht der Kläger geltend, zuverlässige
Kenntnis bezüglich der Vorgänge in O3 erst durch Vorlage der eidesstattlichen
Versicherungen vom 13.12.2007 bzw. 26.5.2008 (Bl. 101f d.A.) erlangt zu haben.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit dem angefochtenen Urteil vom
23.12.2009, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen ergänzend
Bezug genommen wird (Bl. 328ff d.A.), die Beklagte für erbunwürdig erklärt. Im
Wesentlichen hat es ausgeführt, die Anfechtungsklage sei rechtzeitig erhoben, die
Zeitspanne von der Einreichung der Klageschrift (21.08.2007) bis zur Zustellung
am 30.11.2007 sei als geringfügig im Sinne des § 167 ZPO anzusehen.
Die Beklagte sei erbunwürdig im Sinne des § 2339 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BGB.
Hinsichtlich des letztgenannten Erbunwürdigkeitsgrundes lägen zwar die
gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, da keines der in der Vorschrift genannten
Urkundsdelikte verwirklicht sei, jedoch ergebe sich die Erbunwürdigkeit aus einer
Gesamtwürdigung dieser Umstände. Die Beklagte habe zum einen im Rahmen
einer Erklärung zu den Vermögenswerten des Nachlasses vom 19.09.2007 den
Eigentumsanteil des Erblassers an einer Eigentumswohnung in O3/Frankreich nicht
angegeben, im übrigen habe sie versucht, diese Eigentumswohnung durch Vorlage
der genannten Erklärungen dem Nachlass zu entziehen.
Darüber hinaus sei sie auch erbunwürdig, weil sie den Erblasser nicht über ihre
ehewidrige Beziehung zu Rechtsanwalt RA1 aufgeklärt und damit arglistig
verhindert habe, dass der Erblasser getroffene letztwillige Verfügungen abändere.
Diesbezüglich habe eine Aufklärungspflicht bestanden. Die ehewidrige Beziehung
zu dem genannten Rechtsanwalt stehe aufgrund der beigezogenen Strafakten der
Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Az. 7580 Js 229978/03, fest, sie ergebe sich
aus einem Videofilm vom 04.05.2000, der die Beklagte und den genannten
Rechtsanwalt im Haus der Beklagten zeige.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie
im Wesentlichen geltend macht, die Anfechtungsklage sei verfristet; zwischen
Einreichung und Zustellung der Klage liege ein Zeitraum von drei Monaten und
neun Tagen, der nicht mehr als geringfügig im Sinne des § 167 ZPO angesehen
werden könne.
Das Landgericht sei in verfahrensfehlerhafter Weise zu der Überzeugung gelangt,
zwischen der Beklagten und dem genannten Rechtsanwalt habe eine
Liebesbeziehung vorgelegen. Insbesondere habe das Landgericht die
entsprechenden Feststellungen nicht in zulässiger Weise aufgrund des genannten
Videofilms gewinnen können. Denn die beigezogene Akte sei nicht Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen, der genannte Videofilm sei ohne
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mündlichen Verhandlung gewesen, der genannte Videofilm sei ohne
Zustimmung/Kenntnis der Beklagten heimlich angefertigt worden und unterliege
daher einem Beweisverwertungsverbot.
Das Klagevorbringen sei unschlüssig, Erbunwürdigkeitsgründe seien nicht
dargelegt. Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 2339 BGB im Rahmen
einer "Gesamtwürdigung" sei wegen der enumerativen Aufzählung der
Unwürdigkeitsgründe und des bestehenden Analogieverbotes ausgeschlossen,
eine Aufklärungspflicht bezüglich der bestrittenen ehewidrigen Beziehung habe
nicht bestanden. Der Erblasser habe zu keinem Zeitpunkt eine Abänderung des
Ehevertrages vom 24.06.2006 erwogen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und
Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und macht geltend, eine
Verfristung der Anfechtungsklage liege schon deshalb nicht vor, weil er bis zum
Tod des Erblassers von dessen unzureichender medizinischer Versorgung und von
der ehelichen Untreue der Beklagten keine Kenntnis gehabt habe. Zuverlässige
Kenntnis von diesen Umständen habe er erst aufgrund des landgerichtlichen
Urteils erlangt. Im Übrigen trägt der Kläger unter Bezugnahme auf das im
Strafverfahren gegen Rechtsanwalt RA1 ergangene Urteil des Landgerichts
Darmstadt, Aktenzeichen 711 Js 202/07 KLs, ergänzend vor, die Liebesbeziehung
zwischen der Beklagten und Rechtsanwalt RA1 habe Mitte August 1999 anlässlich
einer gemeinsamen Reise zu den O4er Festspielen begonnen; die Beklagte habe
vom 29.09.1999 bis 04.12.2003 neben der Einräumung von Gesellschaftsanteilen
an Grundstücksgesellschaften Zuwendungen an Rechtsanwalt RA1 im Umfang von
ca. 2.700.000 € erbracht.
Unter Abstandnahme von einer weitergehenden Darstellung wird wegen des
Parteivorbringens im Übrigen ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und in
der Sache auch begründet.
Entgegen der angefochtenen Entscheidung liegen die Voraussetzungen für die
Feststellung der Erbunwürdigkeit der Beklagten nicht vor, vielmehr sind
Erbunwürdigkeitsgründe im Sinne des § 2339 BGB bereits nicht dargelegt. Es kann
daher dahinstehen, ob die Anfechtung binnen Jahresfrist seit Kenntnis des Klägers
von in Betracht kommenden Anfechtungsgründen erfolgte (§§ 2340 Abs. 3, 2082
Abs. 2 S. 1 BGB)
1. Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Beklagte habe durch Unterlassen einer
gebotenen medizinischen Behandlung den Erblasser getötet oder zumindest
versucht, ihn zu töten (§ 2339 Abs. 1 Nr. 1 1. und 2. Alternative BGB), fehlt es
bereits an einer schlüssigen Darlegung dieses Erbunwürdigkeitsgrundes.
Eine Erbunwürdigkeit nach dieser Vorschrift setzt zunächst schon nach ihrem
Wortlaut eine widerrechtliche und vorsätzliche Handlungsweise voraus, schließt
also eine fahrlässige Begehungsweise als Erbunwürdigkeitsgrund aus. Dem
weitgehend substanzlos gebliebenen Vorbringen des Klägers zu diesem
Erbunwürdigkeitsgrund sind jedoch keine Tatsachen zu entnehmen, die die
Schlussfolgerung eines direkten oder eines - ebenfalls ausreichenden - bedingten
Tötungsvorsatzes rechtfertigen könnten. Denn selbst ein bedingter Tötungsvorsatz
hätte zur Voraussetzung, dass die Beklagte es nach dem Klagevorbringen als
möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, ihr Tun – oder ein gleichstehendes
Unterlassen im Fall einer Garantenpflicht - werde zum Tod des Erblassers führen,
wobei sie diese Folge darüber hinaus billigend in Kauf nahm (vgl. BGH NStZ 2007,
700). Ausreichende Anhaltspunkte dafür lassen sich dem Vortrag des Klägers aber
nicht entnehmen.
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Denn unabhängig davon, ob man von einem Tötungsversuch durch aktives Tun -
Verhinderung der ärztlichen Behandlung - oder durch Unterlassen ausgeht, wobei
eine Qualifikation der aus § 1353 BGB resultierenden Verpflichtung der Ehegatten
zum gegenseitigen Schutz vor Leibes- und Lebensgefahren als Garantenpflicht im
Sinne des § 13 StGB hier dahinstehen kann (vgl. dazu BGHSt 19, 167), beschränkt
sich das Vorbringen des Klägers darauf, der Erblasser habe schon seit längerem
über Schmerzen im Bauchraum geklagt und sei dennoch nicht einer fachärztlichen
Behandlung zugeführt worden, die zu einer frühzeitigeren Erkennung des erst im
August 2006 festgestellten Darmkarzinoms geführt hätte. Daraus allein kann nicht
entnommen werden, dass und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine
Kenntnis der Beklagten von einer besonders schwerwiegenden Erkrankung vorlag,
die zwingend Anlass zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe gab und für den Fall des
Unterlassens dieser Hilfe die Annahme rechtfertigen könnte, die Beklagte nehme
den Tod des Erblassers billigend in Kauf. Denn es fehlt bereits jedes substantiierte
Vorbringen des Klägers sowohl zum Zeitpunkt des Auftretens dieser Schmerzen
als auch zu deren Intensität und Häufigkeit. Schon deshalb ist nicht zu erkennen,
dass und ab welchem Zeitpunkt auf Seiten der Beklagten Veranlassung bestanden
haben soll, eine fachärztliche Abklärung einzuleiten. Da bereits zu Zeitpunkt,
Häufigkeit und Intensität der behaupteten Schmerzen, die letztendlich die
Inanspruchnahme eines Arztes erforderlich machten, substantiiert nichts
vorgetragen ist, und allein die Kenntnis der allgemeinen Gefährlichkeit des
Unterlassens ärztlicher Behandlung für die Annahme eines bedingten
Tötungsvorsatzes nicht ausreicht, können die Voraussetzungen des
Erbunwürdigkeitsgrundes anhand des Klagevorbringens nicht festgestellt werden.
Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte zur Durchsetzung einer
fachärztliche Klärung – gegebenenfalls auch gegen den etwaigen Willen des
Erblassers - in der Lage gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist allerdings
vorsorglich darauf hinzuweisen, dass der Erblasser ausweislich des im
Betreuungsverfahren ergangenen Beschlusses des Oberlandesgerichtes Frankfurt
am Main vom 02.12.2004 (Bl. 266ff d.A.) zumindest bis zu diesem Zeitpunkt
aufgrund eingeholter gutachterlicher Äußerungen als geschäftsfähig angesehen
wurde, also notwendigerweise auch über die Frage der Inanspruchnahme ärztlicher
Hilfe selbst entscheiden konnte. Dass und gegebenenfalls wann sich an dieser
persönlichen Situation des Erblassers nach dem genannten Zeitpunkt
Maßgebliches geändert hat, ist dem Klagevorbringen nicht zu entnehmen.
Soweit der Kläger sich ergänzend darauf beruft, die Beklagte habe durch
entsprechende Anordnungen für das Pflegepersonal den Erblasser isoliert und
damit nicht nur Besuche durch Familienangehörige und Freunde, sondern auch
Konsultationen durch Ärzte verhindert, entbehrt dieses Vorbringen ebenfalls der
Substantiierung und ist deshalb unschlüssig und zudem der beantragten
Beweiserhebung nicht zugänglich. Denn es fehlen Angaben dazu, bezüglich
welcher konkreten gesundheitlichen Situation des Erblassers zu welchem
Zeitpunkt Veranlassung zur ärztlichen Behandlung bestand und durch welche
konkreten Anordnungen oder sonstigen Handlungsweisen der Beklagten –
gegebenenfalls auch anderweitig veranlasste - Arztbesuche oder ärztliche
Untersuchungen unterbunden wurden. Das Vorbringen des Klägers bewegt sich
auch insoweit lediglich im Bereich der Mutmaßungen, als er bezüglich des zum
01.07.2006 erfolgten Pflegeheimwechsels vorträgt, er gehe davon aus, das
Pflegepersonal im bisherigen Altenheim habe die Schwere der Erkrankung erkannt
und deshalb Anstoß an einer unterbliebenen Abklärung genommen. Aufgrund
welcher konkreten gesundheitlichen Umstände das Pflegepersonal in relevanter
Weise Anlass zu welchen Interventionen gegenüber der Beklagten gesehen hat,
vermag der Senat anhand dieses Vorbringens nicht festzustellen.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf
hinzuweisen, dass sich ausweislich der von der Beklagten zur Akte gereichten
Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am
Main vom 19.12.2006 (Bl. 80ff d.A.) auch im Rahmen der strafrechtlichen
Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, die Beklagte sei in
strafrechtlich relevanter Art und Weise für eine Körperverletzung oder gar den Tod
des Erblassers verantwortlich. Zusammenfassend ist dort ausgeführt, dass ein
über Vermutungen hinausreichender Tatverdacht nicht vorliegt, da selbst nach
Angaben des Anzeigeerstatters (des Schwiegersohnes der Beklagten) nicht
festgestellt werden könne, dass die Beklagte Pflegepersonal beeinflusste, eine
ärztliche Behandlung verhinderte oder den Zugang zum Erblasser in relevanter Art
und Weise behinderte.
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Vor dem Hintergrund der unschlüssigen Darlegung der Klägerseite kommt es nicht
mehr auf die entgegenstehende Behauptung der Beklagten an, der Erblasser sei
ständig von drei bis vier Ärzten ärztlich betreut worden.
2. Ebenso wenig lassen sich dem Klagevorbringen ausreichende Anhaltspunkte
dafür entnehmen, die Beklagte habe den Erblasser in einen Zustand versetzt,
aufgrund dessen er bis zu seinem Tode unfähig zur Errichtung oder Aufhebung
einer Verfügung von Todes wegen war (§ 2339 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative BGB).
Denn der auf dieser Vorschrift beruhende Erbunwürdigkeitsgrund setzt die
vorsätzliche Herbeiführung eines dauerhaften Zustandes voraus, in dem der
Erblasser aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft gehindert war,
eine letztwillige Verfügung zu errichten oder aufzuheben (vgl. MK-Helms, BGB, 5.
Aufl. 2010, § 2339 Rn. 17; Staudinger-Olshausen, BGB, Neubearbeitung 2004, §
2339 Rn. 32; Soergel-Damrau, BGB, Stand Sommer 2002, § 2339 Rn. 4; Palandt-
Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2339 Rn. 4). Von der Vorschrift erfasst sind mithin
Veränderungen des körperlichen oder geistigen Zustandes, die zur
Testierunfähigkeit führen, nicht hingegen sonstige Einschränkungen ohne
Zustandsänderung im vorgenannten Sinn etwa durch räumliche Beschränkungen
des Erblassers (vgl. Staudinger-Olshausen, a.a.O., § 2339, Rn. 32). Es kann daher
in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die seitens des Klägers behauptete
Isolierung des Erblassers aufgrund entsprechender Anordnungen der Beklagten
vorlag, denn derartige Umstände sind allenfalls im Rahmen des
Erbunwürdigkeitsgrundes nach § 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB von Bedeutung.
Dem übrigen Vorbringen des Klägers, wonach dem Erblasser Psychopharmaka in
unglaublicher Menge verabreicht worden seien und er zunehmend vereinsamt sei
und psychischen Schaden genommen habe, kann dagegen mangels weiterer
Substantiierung kein der Testierfähigkeit entgegenstehender Zustand entnommen
werden. Es hätte vielmehr neben der pauschal gehaltenen Zustandsbeschreibung
der näheren Darlegung bedurft, dass und inwieweit und in welchem Zeitraum der
Erblasser aufgrund welcher konkreten Auswirkungen in seiner Testierfähigkeit
eingeschränkt gewesen sein soll. An einer substantiierten Darlegung in diesem
Sinne fehlt es aber, sodass entgegen der Auffassung des Klägers eine dem
Siechtum, der Geisteskrankheit oder der Verstümmelung vergleichbare Situation
auch nicht annähernd dargelegt ist.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die behauptete Verabreichung von
Psychopharmaka im Regelfall eine ärztliche Verordnung voraussetzt, was im
Hinblick auf den bereits erörterten Erbunwürdigkeitsgrund im Sinne des § 2339
Abs. 1 Nr. 1 BGB jedenfalls nicht auf eine fehlende ärztliche Versorgung hindeutet.
3. Erbunwürdigkeitsgründe im Sinne des § 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB sind ebenso
wenig dargelegt, da die Vorschrift nur die bereits erfolgte letztwillige Willensbildung
schützt und daher voraussetzt, dass der Erblasser an der Errichtung oder
Aufhebung einer konkret beabsichtigten letztwilligen Verfügung durch das
Verhalten des Erbunwürdigen gehindert wird (vgl. Staudinger-Olshausen, a.a.O.,
Rn. 33; Soergel-Damrau, a.a.O., Rn 5; MK-Helms, a.a.O., Rn. 18; Palandt-
Edenhofer, a.a.O., Rn. 5). Vorliegend müsste daher bereits ein Wille des Erblassers
zur Abänderung der bereits vorliegenden letztwilligen Verfügung in Form des
Erbvertrags vom 24.06.1999 bestanden haben, mit dem der Erblasser und die
Beklagte sich wechselseitig als Erben einsetzten. Dabei kann hier dahinstehen, ob
diese letztwillige Verfügung wegen der Bindungswirkungen (§ 2289 Abs. 1 S. 2
BGB) überhaupt einer einseitigen Abänderung durch den Erblasser zugänglich
gewesen wäre. Denn zum einen erfordert die Vorschrift nicht, dass der Erblasser
an einer rechtlich wirksamen letztwilligen Verfügung gehindert wird (vgl.
Staudinger-Olshausen, a.a.O.; MK-Helms, a.a.O., Rn 22; Soergel-Damrau, a.aO.,
Rn. 6), zum anderen lässt sich dem Vorbringen des Klägers schon nicht
entnehmen, dass der Erblasser überhaupt eine wie auch immer geartete
letztwillige Verfügung unter Abänderung der bisherigen Anordnungen
beabsichtigte. Im Übrigen folgt auch aus den im Vermögensübernahmevertrag
vom 11.10.2004 wiedergegebenen Äußerungen – wie auch aus der Regelung
selbst -, dass der Erblasser zumindest bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei
Ambitionen im Sinne einer Änderung hatte.
Entgegen der Auffassung des Klägers findet die Vorschrift dagegen keine
Anwendung auf den Fall, dass der Erbunwürdige den Erblasser in arglistiger Weise
über maßgebliche Umstände täuscht und dieser in Folge dessen bereits eine auf
die Abänderung einer letztwilligen Verfügung gerichtete Willensbildung unterlässt.
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die Abänderung einer letztwilligen Verfügung gerichtete Willensbildung unterlässt.
Denn § 2339 BGB enthält nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes eine
erschöpfende Regelung der Erbunwürdigkeit, die der Schaffung neuer
Erbunwürdigkeitsgründe durch analoge Anwendung oder extensive Auslegung
verschlossen ist (vgl. BGH NJW 1968, 2051; Palandt-Edenhofer, a.a.O., § 2339 Rn.
2; Soergel-Damrau, a.a.O., § 2339 Rn. 2; teilweise einschränkend: MK-Helms,
a.a.O., § 2339 Rn. 7; Staudinger-Olshausen, a.a.O., § 2339 Rn. 21). Ein solcher
weiterer Erbunwürdigkeitsgrund würde aber entgegen der Absicht des
Gesetzgebers, bewusst eine eingeschränkte kasuistische Regelung zu treffen,
geschaffen, wollte man über die Regelungen des § 2339 Abs. 1 Nr. 2. und 3. BGB
hinaus grundsätzlich jede unterlassene Aufklärung über einen möglicherweise für
den künftigen Erblasserwillen bedeutsamen Umstand als Erbunwürdigkeitsgrund
ansehen. Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.06.1968
(Az. III ZR 67/66, NJW 1968, 2051) ergibt sich nach Auffassung des Senats nichts
Entgegenstehendes. Denn trotz der seitens des Bundesgerichtshofs dort
festgestellten Regelungslücke erfolgte nicht etwa eine analoge Anwendung der
Vorschrift des § 2339 BGB, sondern es wurde vielmehr die Vorschrift über die
Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts (§ 162 BGB)
entsprechend angewandt.
Es bedarf nach alledem hier keiner Entscheidung, ob die Beklagte im Fall der
seitens des Klägers behaupteten ehelichen Untreue zur unaufgeforderten
Offenbarung dieses Umstandes verpflichtet gewesen wäre, um dem Erblasser eine
von § 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erfasste künftige Willensbildung zu ermöglichen.
4. Auch Gründe für eine Erbunwürdigkeit im Sinne des § 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB
sind entgegen der angefochtenen Entscheidung weder dargelegt noch ersichtlich.
Denn nach der genannten Vorschrift ist erbunwürdig, wer den Erblasser durch
arglistige Täuschung dazu bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu
errichten oder aufzuheben. Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht
vor, weil die einzig in Betracht kommende letztwillige Verfügung des Erblassers nur
der Erbvertrag vom 24.06.1999 sein kann und eine arglistige Täuschung der
Beklagten zwecks Einwirkung auf den Willen des Erblassers vor oder zu diesem
Zeitpunkt schon aus dem Klagevorbringen nicht zu entnehmen ist.
Grundsätzlich ist im Rahmen der Anwendung des § 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB davon
auszugehen, dass der Begriff der arglistigen Täuschung im gleichen Sinn zu
verstehen ist wie in § 123 BGB (vgl. BGHZ 49, 155). Danach ist für den
Anwendungsbereich der Vorschrift unter einer arglistigen Täuschung jedes
Verhalten zu verstehen, das bewusst darauf abzielt, den Erblasser in einen Irrtum
zu versetzen oder ihn darin zu halten und ihn hierdurch zu einer letztwilligen
Verfügung zu veranlassen. Eine arglistige Täuschung kann daher auch darin liegen,
dass der Erblasser über einen bereits vorhandenen wesentlichen Irrtum nicht
aufgeklärt wird; soweit dies rechtlich geboten war, kann eine arglistige Täuschung
auch durch Stillschweigen begangen werden, wenn Treu und Glauben nach der
Verkehrsauffassung ein Offenbaren erfordern. Arglistig ist die Täuschung, also das
Erregen oder Benutzen der irrigen Vorstellung, wenn sie als Mittel eingesetzt wird,
um auf den Entschluss des Erblassers bestimmend einzuwirken, der
Erklärungswille des Erblassers also vorsätzlich beeinflusst werden soll (vgl. BGHZ
49, 155, Rn. 26 m.w.N., zitiert nach juris).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist zwar davon auszugehen, dass das
Verschweigen einer ehelichen Untreue grundsätzlich eine arglistige Täuschung
darstellen kann. Da sich der Gesetzgeber jedoch bei der Regelung der
Erbunwürdigkeitsgründe über das Problem der erbrechtlichen Folgen einer
ehelichen Untreue im Klaren war (§§ 1933, 2335 BGB a.F.) und deren Vorliegen
auch als Grund für den Entzug des Ehegattenpflichtteils entfallen ist (§ 2335 BGB
n.F.), kann eine Aufklärungspflicht zum einen nur bei Vorliegen gravierender
Umstände angenommen werden und setzt zudem voraus, dass der untreue
Ehegatte durch das Unterlassen der Aufklärung auf die künftige
Willensentschließung des Erblassers in unlauterer Weise Einfluss nimmt (vgl. BGH
a.a.O., Rn. 29; Staudinger-Olshausen, a.a.O., Rn. 39; MK-Helms, a.a.O., Rn. 25
m.w.N.). Ansonsten käme dem Vorwurf der ehelichen Untreue entgegen der in §
2339 BGB getroffenen Regelung der Charakter eines allgemeingültigen
Erbunwürdigkeitsgrundes mit Strafcharakter zu.
Vorliegend fehlt es bereits an einer unlauteren Beeinflussung der seitens des
Erblassers im Erbvertrag vom 24.06.1999 abgegebenen Erklärungen, zudem auch
an sonstigen als besonders gravierend anzusehenden Umständen. Denn schon
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an sonstigen als besonders gravierend anzusehenden Umständen. Denn schon
nach dem Vorbringen des Klägers ist von einer zum Zeitpunkt des Erbvertrages
bestehenden ehewidrigen Beziehung der Beklagten zu Rechtsanwalt RA1 nicht
auszugehen. Im Rahmen der Klageschrift hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte
unterhalte seit Sommer 2000 eine derartige Liebesbeziehung; Korrektur fand
dieses Vorbringen im Schriftsatz vom 07.05.2009 dahingehend, dass die
Beziehung seit dem Jahr 1999 bestanden haben soll. Eine Konkretisierung
bezüglich des genauen Zeitpunktes erfolgte ebenso wenig wie Angaben dazu,
durch welche Umstände der Beginn des Liebesverhältnisses zum Ausdruck
gekommen sein soll. Zwischenzeitlich hat sich der Kläger im Schriftsatz vom
12.10.2010 die Feststellungen des Landgerichts Darmstadt im strafgerichtlichen
Urteil vom 26.03.2010, Az. 711 Js 202/07KLs, gegen Rechtsanwalt RA1 zu eigen
gemacht, wonach die genannte Liebesbeziehung Mitte August 1999 anlässlich
einer gemeinsamen Reise zu den Festspielen nach O4 aufgenommen wurde.
Dieser Zeitpunkt liegt - wenn auch nur ca. zwei Monate - nach dem Datum des
Erbvertrags, sodass auf die Willensbildung des Erblassers im Rahmen des
Erbvertrages durch Verschweigen einer - noch nicht bestehenden -
Liebesbeziehung nicht Einfluss genommen sein kann. Nachvollziehbare
Anhaltspunkte dafür, dass sich bereits vor diesem Zeitpunkt eine ehewidrige
Beziehung anbahnte, lassen sich dem Klagevortrag hingegen nicht entnehmen;
insbesondere erfolgten auch erste vermögensrechtliche Zuwendungen der
Beklagten an Rechtsanwalt RA1 nicht vor dem Datum des Erbvertrags, sondern
erst am 29.09.1999.
5. Ein Erbunwürdigkeitsgrund im Sinne des § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB durch
Verwirklichung der dort genannten Urkundsdelikte ist ebenso wenig gegeben.
Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen der in der Vorschrift genannten
Urkundsdelikte erfüllt sind, denn jedenfalls wäre eine Straftat nach den §§ 267, 271
bis 274 StGB nicht „in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes
wegen“ begangen.
Zwar ist einzuräumen, dass der Erbunwürdigkeitsgrund dieser Vorschrift auch noch
nach dem Erbfall realisiert werden kann, die zugrundeliegende Straftat muss sich
jedoch schon nach dem Wortlaut der Vorschrift auf eine letztwillige Verfügung des
Erblassers beziehen. Denn der Grund für die Erbunwürdigkeit nach § 2339 Abs. 1
Nr. 4 BGB liegt in der beabsichtigten Verdunklung des wahren Erblasserwillens
durch Herstellen, Verfälschen oder Gebrauch machen von einer (unechten)
Verfügung von Todes wegen, durch Vernichtung einer letztwilligen Verfügung oder
durch Bewirken einer diesbezüglichen Falschbeurkundung. Als letztwillige
Verfügung in diesem Sinne kommt hier der Erbvertrag vom 24.06.1999 in
Betracht, der jedoch - unabhängig von der Frage, ob nicht ohnehin die spätere
Vermögensübertragung vom 11.10.2004 die Eigentumswohnung in O3 erfasste -
mangels Bezugnahme durch keine der in Betracht kommenden Urkunden
verfälscht wurde. Nach diesem Erbvertrag richtete sich der Wille des Erblassers
darauf, seine Ehefrau - die Beklagte - als alleinige Erbin des gesamten Vermögens
einzusetzen. Dass hiervon der Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung in
O3 ausgenommen sein sollte oder der Erblasser Kenntnis davon hatte, dass
möglicherweise wegen der in Betracht kommenden Anwendung französischen
Rechts der Erbvertrag insoweit keine Wirkung entfaltet, folgt weder aus dem
Erbvertrag noch trägt der Kläger derartiges vor. Von daher wird durch die
Vorgehensweise der Beklagten kein Erblasserwille verdunkelt. Anderes könnte
allenfalls dann gelten, wenn im Rahmen des Erbvertrags ein Wille des Erblassers
deutlich geworden wäre, die Eigentumswohnung in O3 nicht der Beklagten im
Wege des Erbgangs zukommen zu lassen. Dies kann - wie ausgeführt - nicht
festgestellt werden, zumal auch der Vermögensübertragungsvertrag vom
11.10.2004 jedenfalls nicht für einen solchen Willen spricht, da nach den
vertraglichen Bestimmungen auch nicht gesondert aufgeführte
Vermögensgegenstände übertragen werden sollten. Auf die Wirksamkeit dieser
Vermögensübertragung kommt es insoweit nicht an, da er jedenfalls keinen
entgegenstehenden Willen des Erblassers belegt.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB nicht vor.
Da eine analoge Anwendung der Vorschrift - wie ausgeführt - nicht in Betracht
kommt und sich damit die durch das Landgericht vorgenommene
„Gesamtwürdigung“ verbietet, bedürfen die genannten Umstände im
Zusammenhang mit der Eigentumswohnung in O3 keiner weiteren Aufklärung, da
sie eine Erbunwürdigkeit nicht begründen können.
Nach alledem war die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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Nach alledem war die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils
abzuweisen.
6. Da der Kläger im Rechtsstreit unterlegen ist, hat er die Kosten des Rechtsstreits
zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziff. 10,
711 ZPO.
Der Streitwert der Erbunwürdigkeitsklage bemisst sich nach der Beteiligung der
Beklagten am Nachlass (vgl. BGH NJW 1970, 197), nicht nach dem Interesse des
Klägers an der zu erwartenden Besserstellung. Im Hinblick auf die vor dem Erbfall
erfolgte Vermögensübertragung und die von den Parteien als streitig angesehene
Frage, ob dieser Vertrag auch die Wohnung in O3 erfasste, sieht der Senat unter
Berücksichtigung französischen Rechts den gegebenenfalls im Erbgang
erworbenen Anteil der Beklagten am hälftigen Miteigentumsanteil des Erblassers
an dieser Eigentumswohnung als wertbestimmend an. Auf der Grundlage des
unstreitigen Wertes der Eigentumswohnung von 2.500.000 € resultiert daraus ein
Wert von 312.500 €, sodass sich unter Berücksichtigung des übrigen Nachlasses
im Wert von ca. 45.000 € ein Streitwert von 357.500 € ergibt.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Sache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur
Vereinheitlichung der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts
veranlasst ist (§ 543 ZPO). Vielmehr folgt die Entscheidung aus der Anwendung
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und stützt sich im Übrigen auf die
tatrichterliche Würdigung der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.