Urteil des OLG Frankfurt vom 14.03.2017

OLG Frankfurt: verordnung, unternehmer, arbeitsbedingungen, unterbrechung, freispruch, güterverkehr, führer, einspruch, anhänger, sicherheit

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Gericht:
OLG Frankfurt
Senat für
Bußgeldsachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ss-OWi 17/10, 2
Ss OWi 17/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 8a FahrpersStG, Art 6 EGV
561/2006, Art 7 EGV
561/2006, Art 8 EGV
561/2006, § 20 OWiG
Lenkzeitverstoß: Konkurrenzen bei Lenk- und
Ruhezeitverstößen von Fahrer und Unternehmer
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Der Betroffene wird wegen zweier vorsätzlicher Verstöße gegen die
Doppelwochenlenkzeit, davon in einem Fall tateinheitlich mit jeweils einem
vorsätzlichen Verstoß gegen die Tageslenkzeit und zwei Verstößen gegen die
Ruhezeiten gem. § 8a Abs. 2 Nr. 1 Fahrpersonalgesetz i.V.m. Art 6 Abs. 1, Abs. 3,
Art. 7, Art 8 Abs. 2 VO EG 561/2006 zu Einzelgeldbußen in Höhe von 120,-- € und
200,-- € verurteilt.
Die Rechtsbeschwerde wird im Übrigen verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe
Das Regierungspräsidium in O1 hat mit Bußgeldbescheid vom 27. Mai 2009 wegen
3 vorsätzlicher Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten gem. § 8a Abs. 2 Nr. 1
Fahrpersonalgesetz i.V.m. Art 6 Abs. 1 VO EG 561/2006 gegen den Betroffenen als
Führer eines LkWs Bußgelder i.H.v. 300 €, 90 € und 90 € verhängt.
Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Limburg Zwst. Hadamar
den Betroffenen wegen 4 vorsätzlicher Verstöße gegen die Lenkzeiten sowie
wegen 2 vorsätzlicher Verstöße gegen die Ruhezeiten gem. § 8a Abs. 2 Nr. 1
Fahrpersonalgesetz i.V.m. Art 6 Abs. 1, Abs. 3, Art. 7, Art 8 Abs. 2 VO EG 561/2006
zu Einzelgeldbußen in Höhe von 80 €, 40 €, 80 €, 20 €, 40 € und 60 € verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Betroffene, indem er über die Annahme von Vorsatz
hinaus im Wesentlichen Verstöße gegen das Verbot der Doppelverwertung und die
angenommen Konkurrenzen rügt.
I.
Nach den Feststellungen steuerte der Betroffene als Berufskraftfahrer in der Zeit
vom 4. August 2008 bis 31. August 2008 im gewerblichen Güterverkehr einen
Lastkraftwagen mit Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 t. Die
Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten sind dem Betroffenen bekannt.
Dabei kam es nach den Feststellungen zu folgenden Verstößen:
1. (sog. Doppelwochenverstoß)
Im Zeitraum vom 4. August bis 17. August 2008 überschritt der Betroffene
innerhalb von zwei aufeinander folgenden Wochen vorsätzlich die zulässige
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innerhalb von zwei aufeinander folgenden Wochen vorsätzlich die zulässige
Gesamtlenkzeit von 90 Stunden um 4 Stunden und 44 Minuten.
2. (sog. Doppelwochenverstoß)
Im Zeitraum vom 11. August bis 24. August 2008 überschritt der Betroffene
innerhalb von zwei aufeinander folgenden Wochen vorsätzlich die zulässige
Gesamtlenkzeit von 90 Stunden um 2 Stunden und 48 Minuten.
3. (sog. Doppelwochenverstoß)
Im Zeitraum vom 18. August bis 31. August 2008 überschritt der Betroffene
innerhalb von zwei aufeinander folgenden Wochen vorsätzlich die zulässige
Gesamtlenkzeit von 90 Stunden um 4 Stunden und 8 Minuten.
4. (sog. Ruhezeitverstoß)
Am 21. August 2008 unterließ er es vorsätzlich, in der Zeit von 8:08 Uhr bis 15:28
Uhr nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden die vorgeschriebene Unterbrechung von
mindestens 45 Minuten rechtzeitig einzulegen. Er überschritt die Lenkzeit in dieser
Zeit um 1 Stunde und 1 Minute ohne Einhaltung der gesetzlichen Pausenzeit.
5. (sog. Ruhezeitverstoß)
Am 22. August 2008 unterließ er es vorsätzlich, in der Zeit von 11:46 Uhr bis 18:57
Uhr nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden die vorgeschriebene Unterbrechung von
mindestens 45 Minuten rechtzeitig einzulegen. Er überschritt die Lenkzeit in dieser
Zeit um 1 Stunde und 14 Minuten ohne Einhaltung der gesetzlichen Pausenzeit.
6. (sog. Tageslenkzeitverstoß)
Am 29. August 2008 überschritt der Betroffene vorsätzlich die tägliche Lenkzeit
von 9 Stunden um 1 Stunde und 35 Minuten.
Das Amtsgericht hat
1. in den Fällen 1 bis 3 (Doppelwochenverstöße) bei dem dabei insgesamt
bewerteten Tatzeitraum vom 4. August bis 31. August 2008, die Woche vom 11.
bis 17. August sowohl bei der Tat 1 (Zeitraum vom 4. August bis 17. August 2008),
als auch bei der Tat 2 (11. August bis 24. August 2008) doppelt verwertet. Zur
Begründung hat es i.E. ausgeführt, dass ohne die Doppelverwertung bewusste
Umgehungen möglich wären.
2. Darüber hinaus hat das Amtsgericht die Überschreitung der Tageslenkzeit
(Verstoß 6) am 29. August 2008 auch beim Doppelwochenverstoß (Verstoß 3)
vom 18. August bis 31. August 2008 verwertet und auf den insoweit
unterschiedlichen Unrechtsgehalt bei Tageslenkzeit- und
Doppelwochenlenkzeitverstößen abgestellt.
3. Des Weiteren hat es die obigen Verstöße insgesamt jeweils selbständig
nebeneinander (tatmehrheitlich) bewertet und dabei darauf abgestellt, dass
unterschiedliche Begehungsweisen sowie mehrere Rechtsverletzungen gegeben
sind.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme hinsichtlich der
Doppelwochenverstöße (Verstöße 1 bis 3) eine Doppelbestrafung angenommen
und bezüglich des Verstoßes 2 insoweit Freispruch beantragt. Hinsichtlich des
Verstoßes 6 (Tageslenkzeitverstoß) hat sie mit der Begründung, dass
Tagesverstöße und Doppelwochenverstöße nicht notwendigerweise
zusammentreffen müssen, bzgl. der in den gleichen Zeitraum fallenden
Doppelwoche (Verstoß 3) wie das Amtsgericht Tatmehrheit angenommen und
deswegen im Übrigen Verwerfung der Rechtsbeschwerde beantragt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist als Rechtsbeschwerde
statthaft. Die Verstöße sind als eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO
anzusehen, so dass die in der Summe verhängten Bußgelder mit 320 € die
Rechtsbeschwerdegrenze gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG überschreiten.
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nur insoweit begründet, als sie zur tenorierten
Neuverurteilung führt.
Das vorliegende Verfahren und die darin geäußerten Rechtsansichten geben -
auch vor dem Hintergrund der nicht veröffentlichten Entscheidung des OLG
Frankfurt vom 15.12.2009 (Akz. 2 Ss-OWi 454/09) - zunächst Anlass für den Senat
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Frankfurt vom 15.12.2009 (Akz. 2 Ss-OWi 454/09) - zunächst Anlass für den Senat
zu grundsätzlichen Ausführungen über Frage der Konkurrenzen der in § 8a FPersG
i.V.m. Art 6 (Lenkzeiten) und Art. 7 (Ruhezeiten) der Verordnung (EG) Nr.
561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006
genannten Tatbestände unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Verbots der
Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG).
§ 8a Abs. 2 Nr. 1 Fahrpersonalgesetz regelt i.V.m. Art 6 - 8 VO EG 561/2006
konkret die Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten von Fahrern im
nationalen und grenzüberschreitenden Straßenverkehr innerhalb der
Gemeinschaft in allen Mitgliedsstaaten. Ziel der Verordnung ist die
Harmonisierung der Bedingungen des Wettbewerbs, der Verbesserung der
Arbeitsbedingungen und die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr
(EuGH, Urt v. 28.09.2009 –Rs. C-193/99, NZA-RR 2001, 103).
Zur Erreichung dieser Ziele hat die Verordnung die zulässigen Lenkzeiten nach
Tagen, Wochen und Doppelwochen gestaffelt, mit jeweiligen Höchstgrenzen
versehen und mit der Verpflichtung an die Fahrer verknüpft, regelmäßige
Ruhezeiten einzuhalten (amtl. Begründung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vom
15.03.2006 Rdn. 17).
Konkret geht die Verordnung von einem gestaffelten flexiblen System aus, das es
ermöglichen soll, durch Kompensationen vereinzelter (zulässiger) Überschreitung
übermäßige Lenkzeiten in der Summe zu verhindern, um den Zweck der
Verordnung zu erreichen.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 VO darf die tägliche Lenkzeit 9 Stunden nicht überschreiten,
wobei die tägliche Lenkzeit zweimal in der Woche auf höchstens 10 Stunden
verlängert werden kann. In der Summe ergäbe dies eine maximale Lenkzeit von
65 Stunden in der Woche.
In der zweiten Stufe (Abs. 2) darf die wöchentliche Lenkzeit jedoch 56 Stunden
nicht überschreiten. Damit soll sichergestellt werden, dass der Fahrer bei
maximaler Ausnutzung der Tageslenkzeit im Einzelfall innerhalb der Woche eine
Kompensation vornehmen muss.
In der dritten Stufe (Abs. 3) darf die summierte Gesamtlenkzeit während zweier
aufeinanderfolgender Wochen 90 Stunden nicht überschreiten. Damit wird die an
sich mögliche Lenkzeit innerhalb von zwei Wochen von 112 Stunden erneut
herabgesetzt, um auch hier eine Ausnutzung von wöchentlichen Höchstlenkzeiten
insgesamt durch Ruhezeiten an anderen Tagen zu kompensieren.
Dieses System der flexiblen Kompensation zeigt, dass jede Stufe eigenständige
Schutzgrenzen hat, dass die danach folgende Stufe im Ergebnis jeweils engere
Schutzgrenzen zur Vorhergehenden statuiert, und dass die jeweiligen
vorhergehenden Handlungen in der Regel, aber nicht zwingend, in der jeweils
nachfolgenden Stufe einfließen. So kann jede Stufe auch eigenständig begangen
werden, ohne die vorherige zu tangieren. Z.B. sind Wochenverstöße denkbar, ohne
dass es zu Tagesverstößen kommen muss. Umgekehrt sind Tagesverstöße
denkbar, ohne dass die Wochengrenze überschritten wird, wenn es an
nachfolgenden Tagen innerhalb der Woche zu Kompensationen kommt.
Rechtlich gesehen liegen damit eigenständige Tatbestände vor, die aber vom
Normsetzer so aufeinander bezogen sind, dass in der Regel, aber nicht zwingend,
einzelne Ausführungshandlungen mehrere Tatbestände verwirklichen. Ist dies der
Fall, ist das konkrete Handlungsunrecht der sanktionierten Ausführungshandlung –
nämliche Handlung des Betroffenen zweimal sanktioniert wird. Das darüber
hinausgehende Handlungsunrecht, -
-, ist rechtlich keine eigenständige neue Tat im Sinne des § 20 OWiG, sondern
setzt dann die bereits erfasste Ausführungshandlung voraus und wirkt damit nur
unrechtsvertiefend. Dies kann bei der Bußgeldhöhe Berücksichtigung finden.
Entsprechend dem systematischen Aufbau der Vorschrift hat der
Doppelwochenverstoß den weitesten Tatzeitraum, aber im Ergebnis die engste
Lenkzeitgrenze. Er ist damit Ausgangspunkt der Betrachtung des zur
Sanktionierung gestellten Tatzeitraums, der in der Verordnung mit 28 Tagen
vorgegeben ist, wenn wie vorliegend ein digitales Aufzeichnungsgerät gemäß
Verordnung (EG) Nr. 2135/98 Verwendung findet. Diese auf den
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Verordnung (EG) Nr. 2135/98 Verwendung findet. Diese auf den
Doppelwochenverstoß ausgerichtete Betrachtung ergibt sich auch aus der
amtlichen Begründung, nach der mit der Einführung des digitalen
Aufzeichnungsgeräts die Tätigkeit des Fahrers über einen Zeitraum von 28 Tagen
und die des Fahrzeugs über einen Zeitraum von 365 Tagen aufgezeichnet wird,
damit so die Einhaltung der Bestimmungen über die Lenk- und Ruhezeiten und
insbesondere der vorgeschriebenen maximalen Lenkzeit über einen Zeitraum von
zwei Wochen durchgesetzt werden kann (vgl. amtl. Begründung der Verordnung
(EG) Nr. 561/2006 vom 15.03.2006 Rdn. 35).
Bei der Betrachtung der 28 Tage sind zunächst unter Beachtung des Verbots der
Doppelbestrafung alle Doppelwochenverstöße zu ermitteln, wobei bei dem
genannten Tatzeitraum maximal 2 Doppelwochenverstöße denkbar sind, die
zueinander in Tatmehrheit stehen. Ist es innerhalb der Doppelwochenverstöße
zusätzlich zu Wochenverstößen und/oder Tagesverstößen gekommen, stehen
diese mit dem jeweiligen Doppelwochenverstoß in Tateinheit.
Kommt es zu keinen Doppelwochenverstößen, sind Verstöße der Wochengrenze
zu prüfen. Dabei stehen selbständige Wochenverstöße untereinander in
Tatmehrheit. Innerhalb der Wochenverstöße stehen eventuelle Tagesverstöße zum
Wochenverstoß in Tateinheit. Entsprechend gilt, wenn kein Wochenverstoß
gegeben ist, Tatmehrheit für selbständige Tagesverstöße untereinander.
Kommt es nur zu einem Doppelwochenverstoß, stehen einzelne Wochenverstöße,
die nicht von dieser Doppelwoche (mit)erfasst werden, in Tatmehrheit.
Entsprechendes gilt für Tagesverstöße, die nicht von Doppelwochen und
Wochenverstößen (mit)erfasst sind.
Die Möglichkeit von bewussten Umgehungen mit der Folge von Ahndungslücken,
wie vom Amtsgericht angenommen, treten auf Grund der Staffelung der jeweiligen
Höchstgrenzen innerhalb des Tatzeitraums von 28 Tagen nicht auf. Lediglich dann,
wenn nur die mittleren zwei Wochen einen Doppelwochenverstoß ergeben, können
die Randwochen nicht zu den an den Tatzeitraum angrenzenden Wochen in Bezug
gesetzt werden, so dass mögliche weitere Doppelwochenverstöße nicht geprüft
werden können. Dies ist aber eine Frage des zur Überprüfung gestellten
Lebensausschnitts und damit Folge der Ausschnittsauswahl. Das Gericht hat nur
den Lebenssachverhalt rechtlich zu beurteilen, der ihm von den
Ordnungsbehörden zur Prüfung vorgelegt wird.
III.
Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:
Die Annahme von Vorsatz ist nicht zu beanstanden. Art 6 Abs. 5 der VO statuiert
die Pflicht des Fahrers, alle Lenk- und Ruhezeiten täglich festzuhalten. Auch
derjenige, dem es egal ist, ob er die Lenk- und Ruhezeiten einhält, handelt
zumindest bedingt vorsätzlich.
Die Verurteilung des Verstoßes 2 (Doppelwochenverstoß im Zeitraum vom 11.
August bis 24. August 2008) verstößt jedoch gegen das Verbot der
Doppelbestrafung, da das Handlungsunrecht des Betroffenen in diesem Zeitraum
bereits durch die Verurteilung bzgl. der Verstöße 1 und 3 voll erfasst wurde.
Die Verurteilung der Verstöße 4, 5 und 6 (Ruhezeitverstöße am 21. und 22. August
2008 und Tageslenkzeitverstoß am 29. August 2008) als jeweils rechtlich
selbständige Taten berücksichtigt nicht, dass bei den genannten Verstößen
teilweise Identität einzelner Handlungsteile besteht. So setzt vorliegend der
Doppelwochenverstoß vom 18. bis 31. August 2008 (Verstoß 3) den
Tageslenkzeitverstoß am 29. August 2008 voraus, um die Höchstgrenze von 90
Stunden zu überschreiten. Im gleichen Maße sind Lenk- und Ruhezeiten
voneinander abhängig, da bei der Berechnung der Lenkzeiten alle Zeiträume zu
addieren sind, die nicht durch ausreichende Ruhezeiten im Sinne von Art. 8 VO
unterbrochen worden sind (vgl. dazu OLG Koblenz Beschluss vom 02.07.2009 –
Akz. 2 SsBs 2/09 m.w.N.).
Im Ergebnis sind daher die hier benannten Ausführungshandlungen der Verstöße
4, 5 und 6 im Doppelwochenverstoß vom 18. bis 31. August (teilweise) miterfasst.
Da diese einzelnen Verstöße aber auch eigenständige vom Doppelwochenverstoß
nicht erfasste Schutzbereiche haben, stehen sie zu dem Doppelwochenverstoß
vom 18. bis 31. August auch nicht in Gesetzeskonkurrenz, sondern bilden eine
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vom 18. bis 31. August auch nicht in Gesetzeskonkurrenz, sondern bilden eine
(ungleichartige) Tateinheit im Sinne des § 19 OWiG. Sie werden damit nicht
selbständig bußgeldrelevant, sind aber bei der Höhe des Bußgeldes für den
Doppelwochenverstoß bußgelderhöhend zu berücksichtigen.
Nach den vom Amtsgericht nicht zu beanstandenden Feststellungen verbleiben
somit als eigenständige Verstöße der Doppelwochenverstoß vom 4. bis 17. August
2008 sowie der Doppelwochenverstoß vom 18. bis 31. August 2008. Zu dem
zweiten Doppelwochenverstoß stehen der Tageslenkzeitverstoß vom 29. August
2008 und die Ruhezeitverstöße am 21. und 22. August 2008 jeweils in Tateinheit.
Da der Sachverhalt feststeht und es zumindest zu Gunsten des Betroffenen keiner
neuen tatsächlichen Feststellungen bedarf, nimmt der Senat gemäß § 79 Abs. 6
OWiG die neue rechtliche Zuordnung der festgestellten Verstöße und die
Bestimmung der angemessen Bußgelder selbst vor. Der Tenor war danach - wie
geschehen - neu zu fassen. Da der gesamte Sachverhalt bußgeldrelevant bleibt,
hat auch im ursprünglichen Fall 2 kein Teilfreispruch zu erfolgen.
Das unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen
angemessene Bußgeld setzt der Senat für den Fall 1 (Doppelwochenverstoß von
mehr als 4 Stunden) in Höhe von 120,-- € fest. Im Fall 2 (ebenfalls
Doppelwochenverstoß von mehr als 4 Stunden) ist das Bußgeld durch die
tateinheitlich mitverwirklichten Verstöße maßvoll auf 200,-- € zu erhöhen, wobei
der Senat insoweit durch das Verschlechterungsverbot gebunden ist.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die für die Gerichte
zwar nicht verbindlichen, über die Bußgeldbescheide der Ordnungsbehörden
gleichwohl vorskizzierten Bußgeldrahmen, wie sie sich gemäß der Vereinbarung
des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik aus dem Buß-
und Verwarnungsgeldkatalog zum Fahrpersonalrecht (LV 48) 2008 ergeben, als
Richtlinie zur bundesweiten Vereinheitlichung grds. geeignet erscheinen. Der Senat
regt allerdings an, die Höhe der Bußgelder zumindest für die Fahrer, gemessen an
den obigen Grundsätzen, zu überprüfen.
Da die Lenk- und Ruhezeitverstöße durch den Fahrer in der Regel vorsätzlich
begangen werden, weil entweder das eingesetzte technische Kontrollgerät den
Fahrer über die Verstöße informiert oder ihm die Einhaltung der Lenk- und
Ruhezeiten egal ist, was ebenfalls Vorsatz begründet, führen die in dem Buß- und
Verwarnungsgeldkatalog angegebenen Regelsätze in der Regel zu einer
Verdoppelung für vorsätzliches Tun. Dazu kommen die Aufschläge für häufig
ebenfalls vorsätzlich (mit)verwirklichte tateinheitliche Verstöße, so dass bei einem
zu betrachtenden Tatzeitraum von 28 Tagen (VO (EG) Nr. 561/2006 Rdn. 33) nicht
selten Bußgelder entstehen können, die leicht den Monatsverdienst des Fahrer
übersteigen. Zwar ist das Gefährdungspotential übermüdeter Fahrer von LKws im
Straßenverkehr erheblich, jedoch muss das Sanktionsgefüge zum Einen innerhalb
der Norm, aber auch im Ganzen, im Blick behalten werden. Vorliegend handelt es
sich (nur) um Ordnungswidrigkeiten, die bei Anwendung des Buß- und
Verwarnungsgeldkatalogs Bußgelder ergeben, die Geldstrafen übersteigen, die für
wesentlich gefährlichere Verkehrsstraftaten wie z.B. Trunkenheit im Verkehr
verhängt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die Zielsetzung
in Art. 1 der VO (EG) Nr. 561/2006 primär auf den Unternehmer bezieht, und der
Fahrer über die „Verbesserung der Arbeitsbedingungen im
Straßenverkehrsgewerbe“ in den Schutzbereich der VO einbezogen ist. Dies muss
auch bei der Bemessung der einzelnen Bußgelder, insbesondere im Vergleich zum
Unternehmer, Berücksichtigung finden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.