Urteil des OLG Frankfurt vom 23.12.2005

OLG Frankfurt: aufschiebende wirkung, ausschluss, grundsatz der gleichbehandlung, vergabeverfahren, lift, zeichnung, gerät, produkt, mangel, ausführung

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Gericht:
OLG Frankfurt
Vergabesenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 Verg 13/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 97 Abs 2 GWB, § 97 Abs 7
GWB, § 118 Abs 1 GWB, § 21
VOB A, § 25 VOB A
(Vergabeverfahren: Zwingende Ausschlussgründe;
Anspruch des Bieters auf Ausschluss aller Angebote und
Aufhebung des Verfahrens; Pflicht des Bieters zu
Rückfragen bei Unklarheiten)
Tenor
1.) Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss
der Vergabekammer des Landes Hessen vom 01.11.2005 (Az: 69 d VK 68/2005 )
wird bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde verlängert.
2.) Die Beteiligten werden gebeten, bis zum 06. 01.2006 mitzuteilen, ob sie sich
mit einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklären.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin (Vergabestelle) hatte 2004 im Rahmen der Gesamtsanierung
des Zentralgebäudes des Klinikums der A-Universität, O1, europaweit im Offenen
Verfahren die Beschaffung medizinisch- technischen Geräts ausgeschrieben.
Die Antragstellerin hatte ein Hauptangebot und fünf Nebenangebote abgegeben.
Nachdem ihr mitgeteilt worden war, dass der Zuschlag nicht auf ihr Angebot erteilt
werden könne, hat sie ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Die Vergabekammer
hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 20.01.2005 ( Az: 69 d VK 84 / 04 )
zurückgewiesen. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 21.04.2005 die
aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin verlängert
hat, hat die Antragsgegnerin das Offene Verfahren aufgehoben und ein
Verhandlungsverfahren eingeleitet.
Unter Ziff.3.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe war ein
Gewerbezentralregisterauszug verlangt, der nicht älter als drei Monate sein durfte
und „mit dem Angebot vorzulegen“ war. Ferner wurde mit den
Verdingungsunterlagen u.a. die Abgabe des Formblatts EFB Preis 2 verlangt.
Unter Punkt 851.1.1.1 des Leistungsverzeichnisses war gefordert:
Anästhesie-Deckenstativ, zweiarmig höhenverstellbar.
Das Deckenstativ ist als zweiarmiges Leichtlaststativ mit manuell
höhenverstellbarem Federarm auszuführen. Eine Höhenhubbremse und
Gelenkbremsen halten das Stativ pneumatisch in jeder Position.
...
Der Aktionsradius des zweiarmigen Deckenstativs soll ab Aufhängemittelpunkt 180
bis 200 cm betragen. Die Länge der beiden Arme darf nicht mehr als 15 cm
differieren“.
Den Verdingungsunterlagen lagen „Zusätzliche technische Vorbemerkungen
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Den Verdingungsunterlagen lagen „Zusätzliche technische Vorbemerkungen
(Medizintechnik Fachplaner)“ bei, in denen u. a. vorgesehen ist:
(3) Beschreibung
Dem Angebot sind Material- und Werkstoffbeschreibungen beizufügen, aus denen
zweifelsfrei Einzelheiten der angebotenen Produkte/Serie zu ersehen sind.
(4) Prospekte für jedes angebotene Gerät sind zwei Prospekte beizulegen. Die
Prospekte sind auf der Titelseite bzw. auf der entsprechenden Seite der Prospekte
jeweils an der rechten oberen Seite mit der entsprechenden Positions- und Artikel-
Nr. gut lesbar zu markieren.
Die Antragstellerin, die Beigeladene und ein weiteres Unternehmen haben
Angebote eingereicht. Die Antragstellerin reichte ein Hauptangebot ein, in dem sie
u. a. ein zweiarmiges Deckenstativ „X/Y“ mit manuell höhenverstellbarem
Federarm anbot. Sie fügte zu dem von ihr angebotenen Deckenstativ „X/Y“ keine
Prospekte, sondern eine Konstruktionszeichnung mit der Bezeichnung „Y“ im
Maßstab 1 : 50 bei, aus der zu entnehmen war, dass das Stativ mit einer
Pneumatikbremse ausgerüstet ist und über gleichlange Arme verfügt.
Das Angebot der Beigeladenen war hinsichtlich des angebotenen
„Versorgungsbalkensystems F“ bezüglich der technischen Angaben unvollständig,
es fehlte darüber hinaus das Formblatt EFB Preis, sowie ein
Gewerbezentralregisterauszug.
Unter dem Datum vom 08.07.2005 versandte die Antragsgegnerin
Aufklärungsschreiben an die Antragstellerin und die Beigeladene. Wörtlich heißt es
in dem Schreiben an die Antragstellerin:
„.... Zur abschließenden Prüfung und Wertung benötigen wir noch nachfolgend
aufgeführte Anlagen/Unterlagen:
1.) ....
2.) Technische Angaben/Informationen über die Ausführung und Funktion des von
Ihnen angebotenen manuell höhenverstellbaren Federarms.3.) Technische
Angaben/Informationen der pneumatischen Höhenhubbremse.4.) Anordnung und
Funktion der Bedienelemente der pneumatischen Bremsen.
Die vorgenannten Unterlagen übersenden Sie mir bitte bis zum 15.07.2005. Ich
weise vorsorglich darauf hin, dass Ihr Angebot ohne diese Angaben bei der
weiteren Wertung unberücksichtigt bleiben muss.
In Beantwortung dieses Schreibens legte die Antragstellerin dar, dass sie bei dem
Deckenträgerstativ einen Federzugarm der Firma B in Kombination mit C1-
Deckenlager einsetze und verwies wegen der technischen Daten auf ein
beigefügtes Datenblatt. Dort heißt es unter dem Punkt „Höhenverstellung“:
„DVE 8022, zweiarmig, 800/1000 mm-700 N“.
Ferner erklärte die Antragstellerin in ihrem Schreiben, dass eine pneumatische
Höhenhubbremse (System B) einen sicheren Halt in der vom Nutzer
vorbestimmten Höhe ermögliche, da ansonsten federausgeglichene Hubsysteme
nur eine Haltekraft von plus/minus 20 N hätten.
Die Beigeladene ergänzte ihr Angebot ebenfalls und legte nunmehr das Formblatt
EFB Preis 2 sowie einen Gewerbezentralregisterauszug vor, der jedoch älter als
drei Monate war. Ein aktueller Auszug wurde nach telefonischer Anforderung durch
die mit der Angebotswertung beauftragten Ingenieure am 10.08.2004
nachgereicht.
Ausweislich eines Prüfvermerks vom 10.08.2005 hat die Vergabestelle ein Angebot
„auf der Wertungsstufe der Formalprüfung“ ausgeschlossen, weil der Bieter, der
den Auftrag zu 100% an Nachunternehmer vergeben wollte, seine „Verfügbarkeit,
Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fachkunde“ nicht mit der Angebotsabgabe
nachgewiesen hatte. Die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen
waren dagegen zunächst in der Wertung verblieben.
In dem abschließenden Vergabevorschlag der mit der Prüfung beauftragten
Ingenieure vom 05.08.2005 heißt es zum Angebot der Antragstellerin u. a.:
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„Die Bieterin hat keine Prospektunterlagen beigefügt, die explizit die angebotenen
Medienversorgungseinheiten des Typs X/Y Lift zeigen.
Um diesen Sachverhalt aufzuklären, wurde die Firma C GmbH .... aufgefordert, die
fehlenden Informationen nachzureichen.
....
Das beigefügte technische Datenblatt beschreibt einen Federarm, der stark von
den im LV geforderten Spezifikationen abweicht. Der beschriebene Federarm weist
Armlängen von 800/1000 mm auf und ist mit Friktionsbremsen .... ausgestattet,
....
Aufgrund der von C GmbH gemachten Angaben kann trotz Aufklärung nach § 24
VOB/A nicht beurteilt werden, ob das für Typ I, II, III und V angebotene Deckenstativ
den Forderungen des LV entspricht. Die in der technischen Klärung nachgereichten
Informationen widersprechen den Angaben im LV, anstatt sie zu ergänzen. Somit
ist das Angebot auch nach der technischen Klärung als unvollständig anzusehen.“
Mit Schreiben vom 11.08.2005 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin,
dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle. Am
12.08.2005 rügte die Antragstellerin die Vergabeentscheidung, weil der von ihr
angebotene Federarm Typ „X/Y“ alle technischen Bedingungen der Ausschreibung
erfülle. Am 24.08.2005 reichte sie einen Nachprüfungsantrag bei der
Vergabekammer ein.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als unbegründet
zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Hauptangebot der
Antragstellerin habe wegen unklärbarer Mehrdeutigkeiten und Widersprüche von
der Wertung ausgeschlossen werden müssen. Aus der dem Angebot zunächst
beigefügten Konstruktionszeichnung gehe zwar hervor, dass das Produkt mit einer
Pneumatikbremse ausgestattet ist und beide Arme die Länge von 1000 mm
haben. Aus den Angaben in dem Datenblatt, das die Antragstellerin in Erledigung
des Aufklärungsschreibens der Antragsgegnerin vorgelegt habe, gehe jedoch
hervor, dass die Arme eine Länge von 800 mm und 1000 mm hätten und alle
Drehgelenke mit justierbaren Friktionsbremsen ausgestattet seien. Die Angaben in
der zunächst vorgelegten Konstruktionszeichnung stimmten daher mit den
Vorgaben im Leistungsverzeichnis überein, während die Angaben in dem
Datenblatt die zwingenden Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht erfüllten.
Somit lägen zwei widersprechende Angaben zu den technischen Anforderungen
vor, so dass eine zweifelsfreie Auslegung des Vertragsangebots nicht möglich
gewesen sei. Die Unklarheiten und Widersprüche des Angebots gingen zu Lasten
des Bieters. Eine erneute Nachverhandlung scheide aus, weil die Vergabestelle in
ihrem Schreiben vom 08.07.2005 darüber informiert habe, dass sie zur
abschließenden Prüfung und Wertung die angeforderten Informationen benötige.
Schließlich seien die Angaben zur EG-Konformitätserklärung unklar, weil die
vorgelegte EG-Konformitätserklärung ausdrücklich nur für die Produkte „D“, „Y“
und „E“ ausgestellt sei. Es bestünden Zweifel, ob die EG-Konformitätserklärung
auch für das Kombinationsprodukt gelte. Die Antragstellerin habe keinen Nachweis
für die Richtigkeit ihrer entsprechenden Behauptung erbracht.
Gegen den ihr am 08.11.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am
21.11.2005 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen:
Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sei vergaberechtswidrig, weil
dieses weder unvollständig noch widersprüchlich sei. Die beabsichtigte
Zuschlagserteilung an die Beigeladene sei vergaberechtswidrig, weil das Angebot
der Beigeladenen wegen fehlender Erklärungen zwingend hätte ausgeschlossen
werden müssen.
Da die Beigeladene ihrem Angebot keinen aktuellen
Gewerbezentralregisterauszug und kein EFB-Preisblatt 2 beigefügt habe, habe die
Antragsgegnerin das Angebot ausschließen müssen. In der Aufforderung zur
Angebotsabgabe werde unter Ziffer 3.1 ausdrücklich verlangt, dass der Auszug
„mit dem Angebot“ vorzulegen sei und nicht älter als drei Monate sein dürfe.
Deshalb sei das Angebot zwingend gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit
§ 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOB/A auszuschließen. Auch im Verhandlungsverfahren
dürften nur solche Angebote berücksichtigt werden, die den Bedingungen der
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dürften nur solche Angebote berücksichtigt werden, die den Bedingungen der
Ausschreibung entsprechen. Jedenfalls folge der zwingende Ausschluss daraus,
dass die Antragsgegnerin die Vorlage des Registerauszugs ausdrücklich „mit dem
Angebot“ verlangt habe. Nach der Rechtsprechung des Senats stelle das
Verlangen, bestimmte Nachweise zusammen mit dem Angebot einzureichen, eine
unabdingbare Forderung an alle Bieter dar, an die der Auftraggeber im Hinblick auf
den Transparenzgrundsatz und das Gleichbehandlungsgebot gebunden sei
(Beschluss vom 28.06.2005 – 11 Verg. 21/04). Auch nach der Rechtsprechung des
OLG Düsseldorf sei maßgeblich für die Frage, zu welchem Zeitpunkt die
geforderten Eignungsnachweise vorgelegt werden müssten, der in den
Ausschreibungsunterlagen genannte Zeitpunkt (Beschluss vom 22.12.2004 –
Verg. 81/04; Beschluss vom 09.06.2004 – Verg. 11/04). Die Beigeladene sei auch
deshalb auszuschließen, weil sie das EFB-Preisblatt 2 nicht bereits mit
Angebotsabgabe abgegeben habe.
Ihr, der Antragstellerin, Angebot sei nicht wegen Unvollständigkeit auszuschließen.
Das von ihr angebotene Federarm-Deckenstativ entspreche den Anforderungen
des Leistungsverzeichnisses. Das Angebot habe auch alle geforderten technischen
Angaben und Informationen enthalten und sei damit vollständig gewesen. Bei den
streitgegenständlichen Positionen im Leistungsverzeichnis handele es sich um das
Gerät „X/Y-Lift zweiarmig“, bei dem es sich um die Lift-Variante der C1 Y, bei der
anstelle des elektromotorischen Hubarms ein Federarm der Firma B – daher die
Variantenbezeichnung „X“ – mit pneumatischer Höhenhubbremse eingesetzt
werde, handele. Das Hauptprodukt (Deckenstativ) entspreche dem in den
technischen Unterlagen (technische Produktspezifikation, Montageanweisung,
Gebrauchsanweisung, Prospekt) dargestellten Typen Y Lift-Variante mit einem –
wie im Leistungsverzeichnis geforderten – pneumatischen Höhenhub und
Gelenkbremsen. Da diese Variante selten nachgefragt werde und es hierzu keine
gesonderten Prospektunterlagen gebe, sei eine detaillierte technische Zeichnung
erstellt worden, aus der alle die Höhenverstellung mittels Federarm betreffenden
ausschreibungsrelevanten Informationen ersichtlich seien. Daraus gehe klar
hervor, dass bei dem angebotenen Federarmtyp beide Auslegearme 1000 mm
lang seien und das System über pneumatische Hubbremsen verfüge. Seitens der
Antragsgegnerin sei diese Zeichnung offenbar nicht zur Kenntnis genommen
worden, da sich aus den in der Konstruktionszeichnung enthaltenen Angaben ohne
weiteres ein vollständiges Bild des von der Antragstellerin angebotenen Produkts
ergebe. Danach habe objektiv gar kein Aufklärungsbedarf bestanden. Er habe sich
nur deshalb ergeben, weil das mit der Prüfung beauftragte Ingenieurbüro die
Konstruktionszeichnung nicht zur Kenntnis genommen habe. Es sei nicht
ersichtlich, welche darüber hinausgehenden technischen Informationen und
Angaben die Antragsgegnerin erwartet habe. Sie, die Antragstellerin, habe dies
geprüft und sei davon ausgegangen, dass allenfalls noch eine Angabe zur
maximalen Tragkraft des Systems von Interesse sein könne. Deshalb habe sie
dem Antwortschreiben vom 15.07.2005 das technische Datenblatt, auf welches in
dem Antwortschreiben Bezug genommen werde, beigelegt. Darin sei eine
maximale Tragkraft von 700 N ausgewiesen, was heute noch gültig sei. Die
Antragsgegnerin habe nicht einmal konkret gesagt, welche technischen Angaben
und Informationen sie noch für erforderlich halte. Eine Angabe zur Haltekraft sei in
den Ausschreibungsunterlagen gar nicht gefordert gewesen. Es sei nicht
nachvollziehbar, warum die Antragsgegnerin nicht von vornherein oder zumindest
im Aufklärungsschreiben explizit eine solche Angabe gefordert habe. Bestimme
der Auftraggeber nicht ausdrücklich und eindeutig, welche konkreten Erklärungen
für das Vergabeverfahren verlangt werden, müsse der Bieter hierüber keine
Erklärungen abgeben. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung (OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 07.04.2005 – Verg. 12/05; BayOblG Beschluss vom
28.05.2003 – Verg. 6/03 = Vergabe R 03, 675) könne der Ausschluss der
Antragstellerin nicht damit begründet werden, dass sie nicht alle erforderlichen
technischen Angaben und Erklärungen vorgelegt hätte. Voraussetzung hierfür
wäre, so meint die Antragstellerin, gewesen, dass die Antragsgegnerin
ausdrücklich und eindeutig erklärt hätte, welche konkreten technischen Angaben
und Informationen sie für die Angebotswertungen noch benötigt.
Sie, die Antragstellerin, habe auch die nötige Prüfbescheinigung in Form der EG-
Konformitätserklärung vorgelegt. Sie habe eine Konformitätserklärung zum
Produkt Y vorgelegt, aus der hervorgehe, dass sie, die Antragstellerin, als
Herstellerin über ein Qualitätsmanagementsystem verfüge. Das bedeute, dass sie
autorisiert sei, besondere Gerätevarianten der Y im Rahmen einer
qualitätsmanagementkonformen internen Prüfung der EG-Konformität durch das
Projektmanagement zum Vertrieb freizugeben, so dass es für diese
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Projektmanagement zum Vertrieb freizugeben, so dass es für diese
Gerätevariante keiner gesonderten EG-Konformitätserklärung mehr bedürfe. Die
Konformitätsbescheinigung für die „Y“ decke danach die Variante „X/Y“ ab. Auch
für die von der Beigeladenen angebotene Gerätekombination „F“ gebe es keine
spezielle EU-Konformitätserklärung. Ebenso habe auch die Beigeladene für das
von ihr vorgelegte „F“ Balkensystem nur eine Konstruktionszeichnung vorlegen
können, so dass – wenn überhaupt – jedenfalls beide Angebote auszuschließen
wären.
Ihr Angebot habe auch keine unklärbaren Mehrdeutigkeiten und Widersprüche
aufgewiesen. Zutreffend habe die Vergabekammer zunächst festgestellt, dass aus
den technischen Angaben in der Konstruktionszeichnung entnommen werden
konnte, dass es sich um das im Leistungsverzeichnis angebotene Gerät „X/Y-Lift
zweiarmig“ handele. Zu Unrecht habe die Vergabekammer aber angenommen,
dass sich aus abweichenden Angaben in dem später vorgelegten Datenblatt ein
Widerspruch zu den Angaben im Angebot ergebe. Aus der Sicht eines objektiven
Empfängerhorizonts sei zweifelsfrei erkennbar, dass die in dem Datenblatt
enthaltenen Angaben – mit Ausnahme der max. Tragkraft – für das Angebot der
Antragstellerin ohne Relevanz seien. Das gelte insbesondere für die dort
aufgeführten Armlängen und Friktionsbremsen. Denn aus den eindeutigen und
übereinstimmenden Angaben im Leistungsverzeichnis und der
Konstruktionszeichnung gehe klar und unmissverständlich hervor, dass die
Antragstellerin eine bedingungsgemäße Ausführungsvariante mit Armlängen von
1000 mm und pneumatischen Hubbremsen angeboten habe. Aufgrund dieser
eindeutigen Angabe im Angebot der Antragstellerin sei klar, dass die technischen
Daten im nachträglich übersandten Datenblattvordruck für die von der
Antragstellerin angebotene Ausführungsvariante nicht relevant seien.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass die vermeintlich widersprüchlichen Angaben im
Angebot und dem später übergebenen Datenblatt durch die Antragsgegnerin
veranlasst worden seien, weil diese weitere Angaben verlangt habe, ohne diese
konkret zu benennen, obwohl tatsächlich überhaupt kein Aufklärungsbedürfnis
mehr bestanden habe. Selbst wenn man trotz des eindeutigen Angebots von
Widersprüchen ausgehen wollte, dürften diese jedenfalls nicht zu Lasten der
Antragstellerin gehen.
Jedenfalls aber habe die Antragsgegnerin gegen das Gleichbehandlungsgebot
verstoßen, weil sie – nach der Aufklärung gemäß § 24 VOB/A – der Beigeladenen
eine weitere Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben habe, während sie das
Angebot der Antragstellerin wegen der vermeintlichen Widersprüche und
Unvollständigkeiten ohne weiteres ausgeschlossen habe. Die Beigeladene habe
mit ihrem Antwortschreiben vom 15.07.2005 nämlich keinen den Anforderungen
der Verdingungsunterlagen entsprechenden Gewerbezentralregisterauszug
vorgelegt, weil der vorgelegte Registerauszug aus dem Jahr 2003 gestammt habe
und damit wesentlich älter als drei Monate gewesen sei. Gehe man – wie die
Vergabekammer – davon aus, dass sich die Antragsgegnerin hinsichtlich der
Nachbesserungsmöglichkeiten in dem Aufklärungsschreiben dahin festgelegt
habe, dass nur eine Gelegenheit zur Nachbesserung gewährt werde, so hätten
beide Angebote ausgeschlossen werden müssen. Sei aber von der
Antragsgegnerin der Beigeladenen gleichwohl noch eine weitere Gelegenheit zur
Nachbesserung gewährt worden, so hätte sie dies unter dem Aspekt der
Gleichbehandlung auch ihr, der Antragstellerin, einräumen müssen, statt ihr
Angebot auszuschließen und der Beigeladenen eine weitere
Nachbesserungsmöglichkeit einzuräumen.
Die Antragstellerin beantragt,
I. Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde wird bis zur
Hauptsacheentscheidung verlängert.
II. Der Beschluss der Vergabekammer des Landes Hessen vom 01.11.2005 (Az.:
69 d VK 68/2005) wird aufgehoben.
III. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Angebot der Beigeladenen
auszuschließen.
IV. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Hauptangebot der Antragstellerin
nicht vom Verfahren auszuschließen.
V. Hilfsweise: Dem Antragsgegner wird zur Wahrung des
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V. Hilfsweise: Dem Antragsgegner wird zur Wahrung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes aufgegeben, auch der Antragstellerin noch einmal
die Möglichkeit zur Vervollständigung bzw. Klarstellung ihres Angebotes zu
gewähren, wobei der Antragsgegner konkret benennen muss, welche Angaben
bzw. Erläuterungen er für die Angebotswertung noch benötigt und erwartet.
VI. Hilfsweise: Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Verfahren aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1. Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen
Beschwerde nach § 118 Absatz 1 Satz 3 GWB wird zurückgewiesen.
2. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Sie trägt vor, die Antragstellerin habe in den streitgegenständlichen Positionen das
Deckenstativ vom Typ „X / Y/“ angeboten, bis auf die Konstruktionszeichnung aber
keinerlei weitere – von der Antragsgegnerin geforderte – Prospekte,
Produktbeschreibungen beigefügt, aus denen sich die maßgeblichen technischen
Informationen, wie etwa Montage, Einstellmöglichkeiten und Funktionsweise der
Bremse usw., ergeben hätten, da sie über entsprechende Unterlagen für dieses
Produkt nicht verfüge. Das Angebot der Antragstellerin sei aufgrund der fehlenden
Angaben und Unterlagen unvollständig. Aus der Konstruktionszeichnung ergäben
sich die geforderten technischen Produktspezifikationen nicht. Bereits die
Benennung der von der Antragstellerin vorgelegten Konstruktionszeichnung als
„Y“ mache nicht deutlich, dass sich diese Zeichnung auf das von der
Antragstellerin angebotene Produkt vom Typ „Y/X“ beziehe. Aus der Zeichnung
gehe auch nicht hervor, dass ein Federarm der Firma B zum Einsatz komme. Aus
der Konstruktionszeichnung ergäben sich allein die Arm- und Säulenlängen des
Federarm-Deckenstativs in zweifelsfreier Art und Weise. Bereits die Bestückung
dieses Stativkopfes weiche von den Forderungen des Leistungsverzeichnisses ab,
weil es an zwei Sicherheitsstromversorgungssteckdosen (SV) fehle. Gemäß LV-
Position 851.1.1.1 seien jedoch sechs ZSV für zwei Stromkreise und zehn
Stromversorgungssteckdosen (SV) für drei Stromkreise vorgesehen. Aus der
Konstruktionszeichnung der Antragstellerin gingen jedoch nur vier Stromkreise
hervor, was bedeute, dass davon nur zwei Stromkreise für SV und zwei für ZSV zur
Verfügung stünden. Damit fehlten ein Stromkreis und zwei Steckdosen für SV,
denn nach VDI könne ein Stromkreis nur zwei Steckdosen versorgen.
Die Bestückung der Schnittstellenplatte weiche von den Vorgaben des
Leistungsverzeichnisses ab. Es fehle der Sicherheitsstromversorgungsstromkreis
und die geforderten Kugelabsperrventile für die medizinischen Gase, die in der LV-
Position 851.1.1.1 gefordert seien. Die in der Zeichnung angegebene maximale
Zuladung von 80 kg weiche von der seitens der Antragstellerin angegebenen
Zuladung von maximal 40 kg ab. Gemäß dem von der Antragstellerin vorgelegten
Datenblatt solle das Federarm-Deckenstativ eine maximale Tragkraft von 700 N
(70 kg) haben, so dass insgesamt drei unterschiedliche Angaben zu den
Zuladungen vorlägen. Auf der Konstruktionszeichnung sei schließlich auch nicht
die von ihr, der Antragsgegnerin, geforderte Gerätekonsole dargestellt. Auch sei
die Bedienung und Anordnung der Pneumatikbremse aus der
Konstruktionszeichnung nicht ersichtlich. Schließlich sei die Medienstützstelle
fehlerhaft dargestellt, weil ein Stromkreis und die Datenanschlüsse fehlten. Auch
die geforderte Material- und Werkstoffbeschreibung lasse sich aus der
Konstruktionszeichnung nicht entnehmen, so dass diese insgesamt nicht geeignet
gewesen sei, der Antragsgegnerin die Überprüfung der Ausschreibungskonformität
zu ermöglichen.
Wegen des bestehenden Aufklärungsbedarfs sei die Antragstellerin zu technischen
Angaben/Informationen über die Ausführung und Funktion des Federarmtyps und
zur pneumatischen Höhenhubbremse aufgefordert worden. Die Antragsgegnerin
habe dabei keineswegs genau angeben müssen, welche konkreten Informationen
sie noch benötige, weil in den Ausschreibungsunterlagen selbst bereits explizit
angegeben gewesen sei, welche Informationen und technischen Angaben die
Antragsgegnerin zur Angebotswertung benötige. Dies werde bereits dadurch
belegt, dass die Antragstellerin für sämtliche übrigen von ihr angebotenen
Produkte umfangreiche Prospektmaterialien vorgelegt habe, aus denen sich die
erforderlichen technischen Produktspezifikationen ergäben. Auch habe die
Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt gerügt, dass ihr nicht bekannt gewesen sei,
welche technischen Informationen/Angaben sie, die Antragsgegnerin, mit
Schreiben vom 12.07.2005 von ihr verlangt habe. Als technischer Fachfirma auf
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Schreiben vom 12.07.2005 von ihr verlangt habe. Als technischer Fachfirma auf
dem Gebiet der Medizintechnik sei der Antragstellerin durchaus bekannt, welche
technischen Angaben und Informationen im Zuge einer Angebotsabgabe
erforderlich seien. Allein das vorgelegte Datenblatt aus dem Jahr 1993 sei nicht
geeignet gewesen, dem Angebot der Antragstellerin zur Wertung zu verhelfen. Die
Angabe zur maximalen Tragkraft von 70 kg sei völlig widersprüchlich gewesen, die
im Datenblatt ausgewiesene Tragkraft von 700 N beziehe sich allein auf die dort
angegebenen Armlängen von 800/1000 mm und könne bereits aus physikalischen
Gründen nicht auf die Armlängen von jeweils 1000 mm übertragen werden. Auch
eine konkrete Aussage zur Haltekraft der Bremse habe die Antragstellerin in ihrem
Schreiben vom 15.07.2005 nicht gemacht. Aufgrund der fehlenden und
mangelhaften Angaben im Rahmen der Angebotsaufklärung sei diese
fehlgeschlagen, so dass das Hauptangebot der Antragstellerin von der Wertung
zwingend auszuschließen gewesen sei.
Gefehlt habe auch die erforderliche EG-Konformitätsbescheinigung für das
angebotene Federarm-Deckenstativ Y/X. Aus der vorgelegten
Konformitätserklärung gehe nämlich hervor, dass diese nur für elektrisch
betriebene Produkte gelte. Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie verfüge über ein
zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem, bestreitet die Antragsgegnerin dies
und meint, es sei der Antragstellerin gleichwohl verwehrt, durch ihr eigenes
Projektmanagement besondere Gerätevarianten zum Vertrieb freizugeben.
Die Vorlage eines eindeutigen und zweifelsfreien Angebots sei originäre
Bieterpflicht. Es sei nicht Aufgabe oder Pflicht der Vergabestelle, sich solange um
Aufklärung des Angebots zu bemühen, bis alle Zweifel und Unklarheiten
ausgeräumt seien.
Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Schließe die
Vergabestelle einen Bieter aus dem Wettbewerb objektiv zu Recht aus, sei dieser
nicht länger Teilnehmer an einem Vergabeverfahren im Sinne von § 97 Abs. 2 GWB
und habe keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den im Wettbewerb
verbliebenen Bietern. Das Angebot der Beigeladenen sei aber auch nicht zwingend
von der Angebotswertung auszuschließen.
Die Nachforderung eines Gewerbezentralregisterauszugs sei zulässig und führe
nicht zwingend zum Angebotsausschluss, wenn der Auszug nicht bereits mit dem
Angebot vorliege. Es handele sich um eine nicht kalkulationsrelevante Erklärung.
Der Registerauszug sei insbesondere nicht zur Vergleichbarkeit der Angebote
erforderlich und habe keinen Einfluss auf die Wettbewerbsposition. Die verspätete
Vorlage eines aktuellen Gewerbezentralregisterauszugs durch die Beigeladene
führe deshalb nicht zum Angebotsausschluss. Hinsichtlich des angebotenen
Balkensystems F habe die Beigeladene keineswegs nur eine
Konstruktionszeichnung, sondern auch verschiedene Lichtbilder vorgelegt. Das
fehlende EFB-Preisblatt 2 habe die Beigeladene ordnungsgemäß im Rahmen der
Angebotsaufklärung nachgereicht.
Die Beigeladene beantragt,
I. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur
Hauptsacheentscheidung zu verlängern, wird abgelehnt.
II. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des
Landes Hessen vom 01.11.2005 (Az. 69 d VK 68/2005) wird zurückgewiesen.
Sie trägt vor, das Angebot der Antragstellerin habe schon mangels Vorlage einer
EG-Konformitätsbescheinigung ausgeschlossen werden müssen. Die
Antragstellerin habe eine Kombination aus Stativarmen verschiedener Hersteller
angeboten, ohne den erforderlichen Konformitätsnachweis zu erbringen. Die
Antragstellerin habe von der Vergabestelle geforderte Prospektunterlagen nicht
vorgelegt und damit eine geforderte Erklärung nicht wie gefordert abgegeben.
Der Aufklärungsversuch der Vergabestelle habe nicht zum Erfolg geführt, die
Antragstellerin könne nicht geltend machen, sie habe nicht gewusst, was von ihr
verlangt werde, ohne die Vergabestelle auf eventuelle Unklarheiten in der
Nachfrage hingewiesen zu haben. Aus der vorgelegten Konstruktionszeichnung sei
allenfalls das Bedienfeld für die pneumatischen Bremsen von Decken- und
Zwischenlager beschrieben, die Bedienung des Stativkopflagers und der
pneumatischen Höhenhubbremse gehe aus der Zeichnung nicht hervor.
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Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt worden. Der rechtmäßige
Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nehme ihr jeglichen Anspruch auf
Gleichbehandlung im weiteren Vergabeverfahren.
Ergänzend wird auf die in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
II.1.) Bei der Entscheidung über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der
sofortigen Beschwerde hat das Gericht zunächst die Erfolgsaussichten der
Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 S. 1 GWB).
Der Ausgang des Nachprüfungsverfahrens erscheint derzeit offen, weil es
voraussichtlich zu einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof kommen wird
(dazu unten 2.). Bei einem offenen Ausgang des Nachprüfungsverfahrens ist
regelmäßig die aufschiebende Wirkung zu verlängern, wenn nicht gewichtige
Belange der Allgemeinheit einen raschen Abschluss des Vergabeverfahrens
erfordern. Im Zweifel ist dabei zugunsten der Effektivität des Primärrechtsschutzes
zu entscheiden und dem Verlängerungsantrag statt zu geben. Ist die fehlende
Erfolgsaussicht einer Beschwerde nicht offenkundig, so bedarf es schwerwiegender
Gründe des allgemeinen Wohls, um den Weg zu einem Zuschlag vor Abschluss
des Beschwerdeverfahrens zu eröffnen ( Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl. § 118
Rn. 1191; Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, Rn. 1629 ). Solche Gründe hat
die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 02.12.2005 nicht konkret dargelegt.
So ist nicht nachvollziehbar dargestellt worden, wie sich die Verzögerung der
Baufertigstellung von schätzungsweise sechs Monaten auf die medizinische
Versorgung der Bevölkerung konkret auswirkt, insbesondere welche
schwerwiegenden Nachteile drohen. Entsprechendes gilt von den behaupteten
Kostensteigerungen. Der Hinweis auf die Überschreitung eines „geplanten
Fertigstellungstermins“ besagt für sich allein nichts, da nicht ersichtlich ist, ob
dieser Termin ungeachtet des Vergabeverfahrens überhaupt realistisch war (
Jaeger a.a.O. Rn. 1170 ).
Da dem Interesse des übergangenen Bieters im Rahmen der Abwägung ein
besonderes Gewicht zukommt und die Gestattung des Zuschlags irreversible
Zustände schafft, genügt es nicht, im Rahmen der Abwägung nur ganz allgemein
Belange der Allgemeinheit anzuführen; die Nachteile müssen vielmehr real
bestehen und konkret dargelegt werden. Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin
ergeben sich solche, die Interessen der Antragstellerin an einem effizienten
Primärrechtsschutz ausnahmsweise überwiegenden Belange nicht.
Da das Rechtsmittel nicht als völlig aussichtslos erscheint, war die aufschiebende
Wirkung der sofortigen Beschwerde vom 21. 11.2005 bis zur Entscheidung über die
Beschwerde zu verlängern (§ 118 Abs. 1 S. 2 GWB).
2.) a) Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 116 Abs. 1 GWB) und auch im
Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§
117 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 GWB).
b) Zu Recht hat die Vergabekammer die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags
bejaht. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem nicht entgegen.
Rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages bestehen
auch nicht.
c) Bedenken bestehen jedoch gegen die Auffassung der Vergabekammer, die
Antragsgegnerin habe keine subjektiven Rechte der Ausschreibungsteilnehmer
verletzt und nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, indem sie die
Angebote nicht von der Wertung ausgeschlossen, sondern beiden Bietern
Gelegenheit zu einer Ergänzung gegeben habe. Diese Beurteilung beruht auf einer
unvollständigen Würdigung des Vortrags der Antragstellerin und lässt wesentliche
Aspekte des Sachverhalts unberücksichtigt.
aa) Allerdings hat die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin im
Ergebnis zu Recht von der Wertung ausgeschlossen. Wie die Vergabekammer
insoweit zutreffend ausgeführt hat, entsprach das Angebot nicht der Klarheit und
Eindeutigkeit, die eine annahmefähige Willenserklärung haben muss. Die
Unterlagen zu den technischen Einzelheiten des angebotenen Deckenstativs
waren unvollständig bzw. unklar. Ausweislich des Leistungsverzeichnisses wurde
ein Gerätetyp „X/Y Lift“ angeboten. Die beigefügte Konstruktionszeichnung bezieht
sich aber - jedenfalls nach der darauf befindlichen Bezeichnung - auf den
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sich aber - jedenfalls nach der darauf befindlichen Bezeichnung - auf den
Gerätetyp „Y“. Schon damit war fraglich, ob sich die dort enthaltenen Angaben auf
das Gerät „X/Y Lift“ beziehen sollten.
Ob schon diese Unklarheit in Verbindung mit dem fehlenden, aber geforderten
Prospekt einen zwingenden Ausschlussgrund darstellte oder ob die Vergabestelle
im Verhandlungsverfahren ohnehin berechtigt war, ergänzende Informationen zur
Technik des angebotenen Geräts einzuholen, kann dahin stehen, weil die
Antragstellerin durch das an sie gerichtete Aufklärungsverlangen keinen Nachteil
erlitten hat. Freilich scheint sich die Antragsgegnerin bzw. das beauftragte
Ingenieurbüro des Umstands, dass es sich um ein Verhandlungsverfahren handelt,
nicht bewusst gewesen zu sein, denn das Schreiben, mit dem die ergänzenden
Informationen angefordert wurden, nennt als Betreff „Aufklärung nach § 24
VOB/A“, obwohl diese Bestimmung im Verhandlungsverfahren nicht anzuwenden
ist ( Weyand a.a.O. Rn. 841 zu § 101 GWB ).
Die Antragstellerin hat aber durch ihre eigenen – ergänzenden – Angaben ihr
Angebot unklar gemacht, so dass ein eindeutiges, durch Zuschlag
annahmefähiges Angebot nicht mehr vorlag.
Der Antragstellerin ist zwar einzuräumen, dass die Nachfrage viel zu allgemein
gefasst war, so dass aus ihr nicht hervorging, welche ergänzenden technischen
Informationen konkret die Vergabestelle noch für erforderlich hielt. Daraus folgt
aber nicht, dass die Nachfrage für die Antragstellerin unbeachtlich war oder durch
die Vorlage eines beliebigen Datenblattes ausreichend beantwortet werden
konnte.
Die Antragstellerin hätte etwaige Zweifel und Unklarheiten durch Rückfrage bei der
Antragsgegnerin klären müssen. Hält ein Bieter Aussagen in den
Verdingungsunterlagen für unklar oder auslegungsbedürftig, so muss er dies
unverzüglich dem Auftraggeber mitteilen und diesen um Klarstellung bitten (
Franke /Grünhagen, VOB-Kommentar, § 9 Rn. 220 ff ). Entsprechendes gilt auch für
spätere Anforderungen, so wenn das Verlangen nach einer ergänzenden
Information aus Sicht des Bieters unklar ist und er nicht erkennt, auf welche
Informationen sich die Nachverhandlung beziehen soll. Dem steht die von der
Antragstellerin angeführte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf
(Verg 12/05) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts ( BayObLG Verg. 6/03
= VergabeR 03, 675) nicht entgegen. Aus diesen Entscheidungen folgt nur, dass
die Vergabestelle in den Vergabeunterlagen unmissverständlich deutlich machen
muss, welche Bietererklärungen sie als Umstand betrachtet, der für die
Vergabeentscheidung relevant sein soll und dass sie im Falle einer unterlassenen
Erklärung hieran die einschneidende Folge des Angebotsausschlusses knüpfen
werde. Im vorliegenden Fall hat die Vergabestelle erklärt, dass sie weitere
technische Informationen und sonstige Angaben benötige und im Falle der
Nichtbeantwortung der Anfrage das Angebot ausschließen wird.
Dass die Anfrage denkbar pauschal und unkonkret war, berechtigt den Bieter
nicht, sie gar nicht zu beachten oder ohne Nachfrage bei der Vergabestelle
beliebige Auskünfte zu erteilen, die sich nicht einmal auf das konkrete Angebot
beziehen. So aber ist die Antragstellerin verfahren, indem sie ein Datenblatt mit
Angaben vorgelegt hat, die sich auf ein ganz anderes technisches Stativ als das
mit dem Leistungsverzeichnis angebotene bezogen und damit die in ihrem
ursprünglichen Leistungsangebot enthaltenen technischen Spezifikationen unklar
erscheinen lassen musste.
Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass aus der maßgeblichen Sicht eines
objektiven Empfängers aufgrund der eindeutigen Angaben im Angebot selbst klar
gewesen sei, dass die technischen Daten im nachträglich übersandten
Datenblattvordruck für die von der Antragstellerin angebotene
Ausführungsvariante nicht relevant sein sollten. Eine solche Auslegung ergibt sich
aus der Sicht des Auftraggebers gerade nicht, weil die Antragstellerin das
Datenblatt im Hinblick auf die konkret geplante Ausführung und die Nachfrage der
Antragsgegnerin, also zur Konkretisierung ihres Angebots, vorgelegt hat und
deshalb bei der Vergabestelle zumindest begründete Zweifel auftreten konnten,
welche technische Variante nach Vorstellung der Antragstellerin zur Ausführung
gelangen sollte. Zwar hätte die Antragsgegnerin im Rahmen des
Verhandlungsverfahrens diese Widersprüche noch aufklären können. Die
Antragstellerin hatte jedoch keinen Anspruch auf weitere Verhandlungen zu ihrem
Angebot, nachdem sich die Antragsgegnerin durch den Hinweis in dem
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Angebot, nachdem sich die Antragsgegnerin durch den Hinweis in dem
Aufklärungsschreiben vom 08.07.2005, in dem es unter Fristsetzung bis zum
15.07.2005 heißt, dass das Angebot ohne die nachgeforderten Angaben bei der
weiteren Wertung unberücksichtigt bleiben müsse, bereits selbst gebunden hatte.
Zu einer derartigen Fristsetzung war die Antragsgegnerin auch im
Verhandlungsverfahren berechtigt und musste sich danach an die von ihr selbst
gesetzten Ausschlussfristen halten (Weyand a.a.O. Rn. 837 f.).
Selbst wenn man dem nicht folgt, war der Ausschluss zwingend gerechtfertigt, weil
die Antragstellerin für das von ihr angebotene Gerät „X /Y“ keine CE-
Konformitätserklärung vorgelegt hat. Gem. Teil B Ziffer 18 der zusätzlichen
technischen Vorbemerkungen waren als notwendige Prüfbescheinigungen „mit
dem Angebot“ vorzulegen u. a. „CE-Konformitätserklärung“. Vorgelegt hat die
Antragstellerin jedoch nur EG-Konformitätserklärungen für die Produkte „D“, „Y“
und „E“, wobei jeweils eine Referenznummer zugeordnet war. Das
Kombinationsprodukt „X/Y“ ist nicht aufgeführt. Damit ist für dieses Angebot die
verlangte EG-Konformitätserklärung nicht – wie gefordert – mit dem Angebot
vorgelegt worden. Die nachträgliche Behauptung der Antragstellerin, die
vorgelegte Erklärung gelte auch für das Kombinationsprodukt „X/Y“, vermag daran
nichts zu ändern, dass das Angebot der Antragstellerin schon aus diesem Grund
zwingend auszuschließen gewesen wäre, weil die geforderte Erklärung nicht mit
dem Angebot gleichzeitig abgegeben worden ist. Dass und ob die EG-
Konformitätserklärung für das Produkt „Y“ auch für das Kombinationsprodukt gilt,
ergibt sich aus den eingereichten Angebotsunterlagen keineswegs von selbst. Die
Antragstellerin hätte hierauf zumindest eindeutig hinweisen und eine Erklärung
dazu abgeben müssen, ob sich die vorgelegte EG-Konformitätserklärung auch auf
diesen Gerätetyp bezieht. Es war nicht Sache der Vergabestelle, entsprechende
Rückschlüsse aus den für andere Gerätetypen vorgelegten Erklärungen zu ziehen.
Das Angebot eines Bieters, der in den Ausschreibungsunterlagen geforderte
Erklärungen nicht abgibt, ist nach der Rechtsprechung des BGH aber zwingend von
der Wertung auszuschließen. Die Forderung nach Vorlage einer EG-
Konformitätserklärung war ihrerseits berechtigt und zulässig. Da der Ausschluss
des Gebots unter diesem Gesichtspunkt zwingend war, spielt es keine Rolle, dass
die Vergabestelle selbst den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin auf
andere Umstände gestützt hat.
bb) Ist das Angebot eines Bieters auszuschließen, so kann der weitere Fortgang
des Vergabeverfahrens grundsätzlich weder seine Interessen berühren, noch kann
der Bieter durch eine etwaige Nichtbeachtung vergaberechtlicher Bestimmungen
in seinen Rechten nach §§ 97 Abs. 7 GWB verletzt sein (BGH, VergR 2003, 313 –
Jugendstrafanstalt; OLG Düsseldorf, VergR 2005, 195, 198).Sind an einem
Vergabeverfahren allerdings nur noch zwei oder wenige Bieter beteiligt, deren
Angebote unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes alle ausgeschlossen
werden müssen, so liegt ein möglicher Schaden (§ 107 Abs. 2 GWB) des
Antragstellers, auch wenn dessen Angebot ebenfalls von vornherein zwingend
auszuschließen war – darin, dass er sich im Falle einer Neuausschreibung des
Auftrags wiederum an dem Vergabeverfahren beteiligen könnte. Diese Chance
würde einem Antragsteller aber genommen, wenn der Auftrag im ersten
Vergabeverfahren unter Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt wird
(OLG Düsseldorf VergR 2005, 483; VergR 2005, 195 u. st. Rspr.; OLG Frankfurt,
VergR 2005, 487).
So liegt der Fall nach Auffassung des Senats auch hier, weil das Angebot der
Beigeladenen ebenfalls hätte ausgeschlossen werden müssen.
cc) Gemäß Ziffer 3.1 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes hatten die
Bieter zum Nachweis ihrer Zuverlässigkeit gem. § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A einen
Auszug aus dem Gewerbezentralregister mit dem Angebot vorzulegen. Weiter war
als Anlage 12 das EFB-Preisblatt 2 beigefügt und wurde in den
Bewerbungsbedingungen unter Ziffer 3.5 darauf hingewiesen, dass der Bieter die
seiner Kalkulationsmethode entsprechenden Formblätter ausgefüllt mit seinem
Angebot abzugeben habe. Die Beigeladene hatte im Zeitpunkt der
Angebotsabgabe ihren Unterlagen weder das Formblatt EFB-Preis 2 noch den
aktuellen Gewerberegisterauszug beigefügt. U.a. deshalb wurde sie von der
Antragsgegnerin mit Schreiben vom 08.07.2005 zur Ergänzung der Angaben in
dem Formblatt EFB Preis 2 sowie zur Vorlage eines Auszugs aus dem
Gewerbezentralregister aufgefordert.
Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen nach den Formblättern EFB-
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Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen nach den Formblättern EFB-
Preis gefordert, dann sind diese Erklärungen als Umstände ausgewiesen, die für
die Vergabeentscheidung relevant sein sollen, so dass die Nichtabgabe dieser
Erklärungen mit dem Angebot zwingend zum Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b
VOB/A führt (BGH, Urteil vom 07.06.2005 – X ZR 19/02 – Treppenanlage =
VergabeR 05, 617). Dasselbe gilt für die Vorlage des der Eignungsprüfung
dienenden Gewerberegisterauszugs. Die Verdingungsunterlagen der
Antragsgegnerin sehen zwingend vor, dass der Gewerberegisterauszug innerhalb
der Frist zur Angebotsabgabe „mit dem Angebot vorzulegen“ ist (Ziffer 3.1 der
Angebotsaufforderung).
Die Beigeladene hat infolge dessen ihre Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit
nicht mit den geforderten Unterlagen nachgewiesen. Auch dies führt zum
zwingenden Ausschluss des Angebots der Beigeladenen.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin nach Ablauf der
Angebotsfrist Unterlagen von der Beigeladenen nachgefordert hat. Die
nachgereichten Unterlagen vermögen einen Ausschluss nicht zu verhindern. Wie
bereits ausgeführt, sehen die Verdingungsunterlagen zwingend vor, dass die
Bieter ihre Eignung zur Auftragsdurchführung innerhalb der Frist zur
Angebotsabgabe nachzuweisen haben. An diese von ihr selbst aufgestellte
Vorgabe ist die Antragsgegnerin gebunden. Gem. § 97 Abs. 7 GWB kann zugleich
jeder Bieter die Beachtung und Einhaltung dieser Vorgabe beanspruchen.
Die unterbliebene oder nicht rechtzeitige Vorlage der geforderten
Eignungsnachweise sowie der Formblätter EFB-Preis zieht dann aber zwangsläufig
den Ausschluss des von dem betreffenden Bieter abgegebenen Angebotes nach
sich. Irgendein Entscheidungsspielraum steht der Antragsgegnerin insoweit nicht
zu (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2004 – Verg. 11/04).
Das gilt auch im Verhandlungsverfahren. Auch im Verhandlungsverfahren hat ein
Angebot grundsätzlich bis zum Ende der Angebotsfrist vollständig vorzuliegen.
Gibt die Vergabestelle in der Auftragsbekanntmachung oder in den
Vergabeunterlagen zwingend vor, dass bestimmte Erklärungen mit der
Angebotsabgabe vorzulegen sind, so ist die Vergabestelle an diese Festlegung
auch im Verhandlungsverfahren gebunden. Obwohl der öffentliche Auftraggeber im
Rahmen des Verhandlungsverfahrens über einen Verhandlungsspielraum verfügt,
muss er gleichwohl dafür Sorge tragen, dass die Bedingungen der
Verdingungsunterlagen, die er als zwingend eingestuft hat, eingehalten werden
(VK Nordbayern – 320.VK-3194-19/04; OLG München, Beschluss vom 12. Juli 2005
– Verg. 8/05).
Das gilt hier umso mehr, als die Vergabestelle ein mehrstufiges
Wertungsverfahren durchgeführt und das Angebot eins weiteren Bieters aus
formalen Gründen, nämlich mangels des Nachweises der Eignung und
Zuverlässigkeit, ausgeschlossen hat. Die konsequente Anwendung der
vergaberechtlichen Rechtsprechung und die Wahrung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes hätten es verlangt, auch das Angebot der
Beigeladenen wegen Unvollständigkeit schon auf der Ebene der formalen Prüfung
auszuschließen.
Jedenfalls aber verstieß die Antragsgegnerin gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz, als sie das Angebot der Antragstellerin aufgrund der
infolge der „Aufklärung“ eingetretenen Widersprüche von der Wertung ausschloss,
der Beigeladenen aber nochmals Gelegenheit zur Vorlage eines aktuellen
Gewerbezentralregisterauszugs gab, obwohl auch die Beigeladene in dem
Aufklärungsschreiben unmißverständlich darauf hingewiesen worden war, dass ihr
Angebot ausgeschlossen werden müsse, wenn die geforderten ergänzenden
Informationen und Unterlagen nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgereicht
würden. Die Beigeladene hat aber die geforderten Unterlagen nicht innerhalb der
gesetzten Frist nachgereicht, weil der vorgelegte Registerauszug älter als drei
Monate war und damit nicht den geforderten Unterlagen entsprach.
b) Waren beide Angebote zwingend auszuschließen, so entspricht es der
Rechtsprechung des Senats, dass sich die Antragstellerin auf eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgebots zu ihrem Nachteil berufen kann (Beschluss vom
30.05.2003 -11 Verg 3/03 = NZBau 03, 636; vom 21.04.2005 – 11 Verg. 1/05 =
VergR 2005, 487). Das Gebot, die Bieter gleich zu behandeln (§ 97 Abs. 2 GWB)
verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, solche Angebote, die vergaberechtlich
an dem selben (gleichartigen) Mangel leiden, vergaberechtlich gleich zu
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an dem selben (gleichartigen) Mangel leiden, vergaberechtlich gleich zu
behandeln, d. h. aus dem übereinstimmend vorliegenden Mangel jener Angebote
vergaberechtlich dieselben Konsequenzen zu ziehen (OLG Düsseldorf a. a. O., m.
w. N.). Hieraus hat der Senat gefolgert, dass unter dem Gebot der
Gleichbehandlung nicht das Angebot eines Bieters ausgeschlossen werden darf,
zugleich aber der Auftrag auf ein Angebot erteilt werden soll, das im selben oder
einem gleichartigen Punkt, in dem das Angebot des anderen Bieters wegen
unzulässiger Änderungen an den Vergabebedingungen ausgeschlossen worden
ist, Abweichungen von der geforderten Leistung enthält. Was unter einem
gleichartigen Mangel im Sinne dieser Rechtsprechung zu verstehen ist, ist bislang
noch nicht abschließend geklärt. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom
21.04.2005 einen gleichartigen Mangel bejaht bei Abweichungen von
Verdingungsunterlagen hinsichtlich technischer Anforderungen. Das Bayerische
Oberste Landesgericht (Beschluss vom 17.02.2005 - Verg 27/04) hat danach
differenziert, ob eine Abweichung von den Verdingungsunterlagen ein wesentliches
Qualitätsmerkmal betrifft und weniger schwerwiegende Abweichungen für
unbeachtlich gehalten. Auch im vorliegenden Fall könnte man bei einer sehr engen
Auslegung die Gleichartigkeit verneinen, weil das Angebot der Antragstellerin
aufgrund unvollständiger und widersprüchlicher Ausführungen zur technischen
Spezifikation auszuschließen ist, während das Angebot der Beigeladenen im
Hinblick auf die fehlenden Angaben zu Preisen und zum Eignungsnachweis
unvollständig war.
aa) Der Senat neigt jedoch zu einem weiteren Verständnis von Gleichartigkeit.
Eine konsequente Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebots ist nur
gewährleistet, wenn die Grundsätze des rechtmäßigen Vergabeverfahrens auf alle
Angebote gleichermaßen zur Anwendung gelangen. Daraus ergibt sich die
Konsequenz, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur
vorliegt, wenn Angebote im selben oder in einem vergleichbaren Punkt zur
Ausschließung führende Mängel aufweisen, sondern auch dann, wenn sie aufgrund
unterschiedlicher Mängel zwingend ausgeschlossen werden müssen. Vor diesem
Hintergrund hält es der Senat nicht für gerechtfertigt, Angebote, deren zum
Ausschluss führende Mängel unterschiedliche Wertungsbereiche betreffen – wie
hier den Bereich der Eignung und Preisbemessung einerseits sowie die
technischen Spezifikationen andererseits – unterschiedlich zu behandeln. Denn es
ist aus der Sicht eines auf die Einhaltung der Vergabevorschriften dringenden
Bieters nicht nachvollziehbar, wenn sein Angebot – wenngleich für sich genommen
korrekt – aufgrund eines Mangels vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen
wird, wenn die Vergabestelle über Mängel anderer Angebote, die ebenfalls
ausgeschlossen werden müssten, hinweggeht und auf solche Angebote einen
Auftrag erteilt. Der Senat neigt deshalb dazu, eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes und eine Interessenbeeinträchtigung des
Antragstellers in dieser besonderen Konstellation immer dann zu bejahen, wenn
hinsichtlich beider Angebote ein zwingender Ausschlussgrund vorliegt, ohne dass
es darauf ankommt, ob Gleichartigkeit der Mängel im Rahmen einer bestimmten
Position des Leistungsverzeichnisses oder in anderen, für die Angebotswertung
relevanten Bereichen vorliegt (vgl. auch Hardraht, VergR 2005, 200 = Anm. zu
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.12.2004 – Verg 47/04; Stolz, VergR 2005, 486
= Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2005 – Verg. 23/05; Erdl, VergR
2005, 491 = Anm. zu OLG Frankfurt 11 Verg 1/05; Hänsel, IBR 2005, 707).
bb) Der Senat sieht sich an dieser Entscheidung im Hinblick auf die abweichende
Entscheidung des OLG Naumburg (IBR 2005, 707; vgl. auch Divergenzvorlage OLG
Jena VerR 2005, 492 ) gehindert. Nach diesen Entscheidungen führt der
rechtmäßige Ausschluss eines Angebots dazu, dass einem Bieter ohne Rücksicht
auf die Wertungsfähigkeit der Angebote anderer Bieter kein Anspruch auf
Gleichbehandlung mehr zusteht. In dem vom OLG Naumburg entschiedenen Fall
waren insgesamt 7 Angebote eingegangen, die alle unvollständig waren. Allen
Angeboten fehlten mehrere, unterschiedliche Formulare. Insbesondere die
Formblätter „EFB-Preis 1 b“ waren – neben weiteren Versäumnissen – von
mehreren Bietern nicht vorgelegt worden. Das OLG Naumburg meint, eine falsche
Wertung zu Lasten der Antragstellerin könne sich nicht zu deren Nachteil
auswirken, weil ihr Angebot hätte ausgeschlossen werden müssen und damit eine
Aussicht auf erfolgreiche Zuteilung von vornherein nicht bestand. Schließt die
Vergabestelle einen Bieter aus dem Wettbewerb aus, so erlischt nach dieser
Auffassung das Rechtsverhältnis, aus dem sein Anspruch auf Gleichbehandlung
erwächst, wenn das beanstandete Angebot tatsächlich mit Mängeln behaftet ist,
die ihm die Teilnahmefähigkeit am Wettbewerb und die Zuschlagsfähigkeit
nehmen. Der rechtmäßige oder gar zwingende Ausschluss nehme einem Bieter
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nehmen. Der rechtmäßige oder gar zwingende Ausschluss nehme einem Bieter
ohne Rücksicht auf die Wertungsfähigkeit anderer Angebote den Anspruch auf
Gleichbehandlung nach § 97 Abs. 2 GWB. Bei unzulässigen oder unbegründeten
Nachprüfungsanträgen sei ein Eingriff in das Vergabeverfahren schon nicht
zulässig.
Dieser Rechtsprechung will der Senat nicht folgen. Dass ein Bieter mit
(gerechtfertigtem) Ausschluss aus dem Vergabeverfahren den Anspruch auf
Gleichbehandlung verliert, erscheint als ein zu formaler Ansatz, der dem Anspruch
auf Gleichbehandlung nicht ausreichend Rechnung trägt. Denn es ist aus der Sicht
eines Bieters nicht nachvollziehbar, dass die Vergabestelle einzelne Angebote, die
ebenfalls ausgeschlossen werden müssten, im Verfahren behalten und werten
kann, während andere Angebote ausgeschlossen werden. Eine solche
Verfahrensweise der Vergabestelle kann den Eindruck der Willkürlichkeit der
Entscheidungen erwecken und wäre nach Auffassung des Senats mit dem Ziel
eines transparenten und den Grundsatz der Gleichbehandlung wahrenden
Vergabeverfahrens nur schwer vereinbar. Richtig erscheint es deshalb, darauf
abzustellen, ob bereits der Ausschluss selbst unter Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgte, weil andere Bieter, deren Angebot einen
gleichartigen Mangel im vorstehend beschriebenen Sinn aufweisen, in der Wertung
belassen worden sind.
Da der Senat die beabsichtigte Entscheidung nicht treffen kann, ohne von der
Entscheidung des OLG Naumburg abzuweichen, sind die Voraussetzungen für die
Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gegeben (§ 124 Abs. 2 GWB). Im
Hinblick auf die mögliche Divergenzvorlage im weiteren Beschwerdeverfahren ist
ein Fall der offenkundig fehlenden Erfolgsaussicht nicht anzunehmen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.