Urteil des OLG Frankfurt vom 10.03.2011

OLG Frankfurt: bus, bildmarke, kreis, eugh, wortmarke, verwechslungsgefahr, ware, abmahnung, zwangsvollstreckung, kunstfreiheit

Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Zivilsenat
Entscheidungsname:
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 56/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 14 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 14
Abs 2 Nr 3 MarkenG, § 14 Abs
5 S 1 MarkenG, Art 9 Abs 1
Buchst b EGV 40/94, Art 9 Abs
1 Buchst c EGV 40/94
Markenverletzung durch dekorativen Gebrauch auf
Blechschildern ("Blechschild")
Leitsatz
Die Dekorationszwecken dienende Wiedergabe bekannter, als dreidimensionale Marken
geschützter Kfz.-Modelle (hier: VW-Bus und VW-Käfer) sowie bekannter Kfz-Wort- und
Bildmarken auf Blechschildern stellt in der Regel keinen die Verwechslungsgefahr
begründenden Gebrauch dar. Jedoch liegt jedenfalls dann eine unlautere Rufausnutzung
dieser Marken vor, wenn die mit den Marken identischen oder fast identischen
Darstellungen den einzigen dekorativen Inhalt des Blechschildes ausmachen.
Tenor
Nach teilweiser Klagerücknahme wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am
Main vom 16. 2. 2010 (Az.: 2 – 18 O 87/09) teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
1. Die Beklagte bleibt verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000
€ - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden
Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr Blechschilder unter Verwendung der Abbildung
des VW-Käfer, des VW-Bus und/oder der Marken „VW“, „Volkswagen“ und/oder
„VW-Logo“ (VW im Kreis) ein- oder auszuführen, zu bewerben, anzubieten
und/oder zu vertreiben, wenn dies geschieht wie in den auf Seite 2 des
Schriftsatzes der Klägerin vom 1. 12. 2010 abgebildeten Blechschildern „VW-
Kombi“, Artikelnummer 1848343 und „VW Cabriolet“, Artikelnummer 1848364,
und wenn die Produkte nicht von der Klägerin oder einem anderen Unternehmen
der Volkswagen Gruppe oder mit deren Zustimmung im Inland, in der
Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht
worden sind.
2. Die Beklagte bleibt verurteilt, sämtliche in ihrem Besitz oder Eigentum
befindlichen, in Ziffer 1. konkret bezeichneten Blechschilder unter Erbringung eines
entsprechenden Nachweises zu vernichten.
3. Die Beklagte bleibt verurteilt, sämtliche in Ziffer 1. konkret bezeichneten
Blechschilder zurückzurufen.
4. Die Beklagte bleibt verurteilt, der Klägerin unter Vorlage aller
entsprechender Belege, also insbesondere durch Auftragsbestätigungen,
Rechnungen und Lieferscheine, seit Aufnahme der Verletzungshandlung Auskunft
zu erteilen über den Umfang der Verletzungshandlungen gem. Ziffer 1. und zwar
unter Angabe von Name und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und
anderen Vorbesitzern, gewerblicher Abnehmer oder Auftraggeber sowie der
Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren, sowie
über die Herstellungs-, Einkaufs- und Verkaufspreise und zwar durch Vorlage eines
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über die Herstellungs-, Einkaufs- und Verkaufspreise und zwar durch Vorlage eines
Verzeichnisses, das nach Kalenderjahren und Vertriebswegen gegliedert ist.
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Verletzungshandlungen gem.
vorstehender Ziffer 1. entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
6. Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 1.791,73 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. 8. 2009 zu
zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu
tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung
der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 180.000 €, die Klägerin kann die
Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die
Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Gründe
I.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem
angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verwiesen. Ergänzend ist
folgendes auszuführen:
Die Klägerin ist eine führende europäische Kraftfahrzeugherstellerin. Die Beklagte
ist nach eigenen Angaben der weltgrößte Poster- und Printstore und vertreibt
unter der Internetadresse www….de und der dortigen Rubrik „Volkswagen“ Poster,
Kunstdrucke, Fotographie-Drucke und Blechschilder, auf denen Fahrzeuge der
Klägerin abgebildet sind (Anlage K 2). Die Klägerin geht gegen die Verwendung
ihrer bekannten Marken auf zwei Blechschildern vor. Sie zeigen Abbildungen eines
Volkswagen – Kombi (VW Bus – Artikel Nr. 1848343) und eines Volkswagen Käfer
Cabriolets (Artikel Nr. 1848364), jeweils mit dem Signet der Klägerin (VW im Kreis):
Die Klägerin geht aus mehreren Marken gegen den Vertrieb dieser Blechschilder
vor, nämlich aus den Gemeinschaftsmarken „VW“ (Wortmarke Nr. G 1354216),
geschützt u. a. für die Klasse 12 (Kraftfahrzeuge), „Volkswagen“ (Wortmarke Nr. G
703702), geschützt u. a. für die Klassen 6 (Kleineisenwaren), 16 (Waren aus Papier,
Druckereierzeugnisse), „VW im Kreis“ (Wort-/Bildmarke Nr. G 703983), geschützt
u. a. für die Klassen 6, 12 und 16 im vorgenannten Umfang, „Käfer – 3-
dimensional“ (Bildmarke G 2069342), geschützt ferner für die Klasse 14 (aus
Edelmetallen hergestellte Waren), „Käfer – 3-dimensional“ (Bildmarke G 1985282
und nationale Marke 39650184.2), geschützt für die Klassen 12 und 16
(Werbeartikel, soweit in Klasse 16 enthalten), sowie aus den deutschen Marken
„VW Bus – 3-dimensional“ (Bildmarke 30627911.8) geschützt u. a. für die Klassen
12 und 16 (gedrucktes Werbematerial und Reklame) und „Käfer“ (Wortmarke Nr.
851994), geschützt für Kraftfahrzeuge. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
die Registerauszüge (Anlage K 1) verwiesen.
Die Klägerin hat ihre zunächst auf den Vertrieb etc. von Reklametafeln oder
Reklameschildern beschränkte Klage damit begründet, es lägen Verstöße gegen
Art. 9 lit. a-c Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV), § 14 Abs. 2 MarkenG vor. In
der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ist die Unterlassungsklage auf
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der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ist die Unterlassungsklage auf
den Vertrieb von Postern, Blechschildern, Kunstdrucken und Fotographiedrucken
unter Verwendung der Abbildungen des VW- Bus und des VW-Käfer und/oder der
weiteren streitbefangenen Marken erweitert worden.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung, zum Rückruf
und zur Vernichtung, zur Auskunftserteilung und Zahlung der Abmahnkosten
verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte den durch den Vertrieb der
angegriffenen Erzeugnisse entstandenen Schaden ersetzen muss.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung wirft die Beklagte dem
Landgericht vor, zu Unrecht von einer markenmäßigen Benutzung ausgegangen
zu sein. Die Nostalgieschilder würden vom Verkehr als Erinnerung an eine – durch
die Fahrzeuge der Klägerin mitgeprägte - Epoche und nicht als Werbeschilder
verstanden. Die Darstellung der Fahrzeuge ebenso wie die Zeichen „VW im Kreis“
und „Volkswagen“ würden rein beschreibend verwendet. Es liege auch keine
unlautere Ausnutzung des Rufs der klägerischen Zeichen vor. Das Landgericht
habe sich nicht mit den Vorgaben des Bundesgerichtshofs aus der Entscheidung
„Opel-Blitz II“ auseinandergesetzt und auch nicht berücksichtigt, dass die
Kunstfreiheit gem. Artikel 5 Abs. 3 GG ein Verbot ausschließe.
Die Klägerin hat in der Senatsverhandlung ihren Unterlassungsantrag und die
darauf bezogenen Folgeanträge auf den aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
beschränkt und die weitergehende Klage mit Zustimmung des Beklagten
zurückgenommen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht in der Abbildung der Fahrzeuge bzw. der klägerischen Marken auf den
Blechschildern eine markenmäßige Benutzung und widerspricht dem Vortrag der
Beklagten, der Verkehr erkenne die Motive nur als Referenz an das Lebensgefühl
der 60`er und 70`er Jahre. Die Motive spiegeln ihrer Ansicht nach vielmehr den
„Kult“ um besondere Fahrzeuge wider, den die Klägerin geschaffen und
vermarktet habe. Selbst in den heutigen Tagen verwende die Klägerin den VW-
Käfer und den VW-Bus im Wege der Traditionswerbung, um den Absatz aktueller
Fahrzeuge zu fördern.
II.
Das Rechtsmittel der Beklagten hat nach teilweiser Klagerücknahme nur noch
insoweit Erfolg, als der Klägerin ein geringerer als der vom Landgericht zuerkannte
Ersatzbetrag für die ihr entstandenen Abmahnkosten zusteht. Im Übrigen ist die
Klage begründet:
1. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, dass sie den Vertrieb, die Ein-
und Ausfuhr, die Bewerbung und das Angebot der streitgegenständlichen
Blechschilder unter Verletzung der Marken „Volkswagen“, „VW –Logo“ der „Käfer-
Bildmarke“ und der „VW-Bus-Bildmarke“ unterlässt. Der Anspruch ergibt sich aus
Artt. 98 Abs. 1, 9 Abs. 1 lit c. GMV, §§ 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 MarkenG wegen einer
Ausbeutung des guten Rufs der bekannten Marken. Die weiteren Tatbestände des
Art. 9 Abs. 1 GMV bzw. des § 14 Abs. 2 MarkenG sind nicht erfüllt.
Dazu im Einzelnen:
a) Es liegt kein Fall der Doppelidentität im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a GMV bzw. §
14 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG vor. Zwischen den dreidimensionalen „Käfer-“ und „VW-
Bus“ - Bildmarken und der zweidimensionalen Abbildung der Fahrzeuge auf den
Blechschildern kann schon keine Zeichenidentität bestehen (vgl. Ingerl/Rohnke,
MarkenG, 3. Aufl., Rn 279 zu § 14 MarkenG). Im Übrigen besteht zwischen den für
die Wortmarke „Volkswagen“ bzw. Wort-/Bildmarke „VW-Logo“ geschützten Waren
und den hier streitgegenständlichen Blechschildern zwar hochgradige
Warenähnlichkeit aber keine Warenidentität. Das wird in der Berufungserwiderung
von der Klägerin selbst eingeräumt.
b) Der Unterlassungsanspruch lässt sich nicht aus Art. 9 Abs. 1 lit b GMV, § 14
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b) Der Unterlassungsanspruch lässt sich nicht aus Art. 9 Abs. 1 lit b GMV, § 14
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG herleiten, weil es an einer markenmäßigen Benutzung des
Zeichens fehlt. Sie ist im Rahmen der Verwechslungsgefahr nur dann zu bejahen,
wenn die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion der
Marke, d. h. die Gewährleistung der Herkunft der Ware gegenüber den
Verbrauchern beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (EuGH, GRUR 2009, 756
= WRP 2009, 930, Tz. 59 – L`Oreal/Bellure; BGH GRUR 2010, 726 = WRP 2010,
1039, Tz 16 – Opel-Blitz II). Der angesprochene Verkehr müsste aus der
Verwendung der den Klagemarken identischen bzw. ähnlichen Abbildung(en) einen
Hinweis darauf entnehmen, dass die Blechschilder von der Markeninhaberin, also
von VW, oder von einem mit VW wirtschaftlich verbundenen Unternehmen
stammen. Das lässt sich aber nicht feststellen:
Das Landgericht hat – wie schon das LG Berlin (MD 2010, 104) - die
markenmäßige Benutzung mit der Begründung bejaht, die Schilder könnten nach
der Verkehrsauffassung durchaus als Werbemittel für den Absatz der Fahrzeuge
der Klägerin oder zur Verfestigung ihres Rufs eingesetzt werden. Der
Durchschnittsverbraucher nehme an, dass die Blechschilder selbst vom Hersteller
der Waren stammten oder von ihm in Auftrag gegeben worden seien, da die
Werbung für die eigenen Produkte eine der originären Tätigkeiten eines
Unternehmens darstelle (S. 7/8 des Urteils). Dieser Erwägung will der Senat nicht
folgen, weil die Darstellung der Kraftfahrzeuge und der Marken auf den
streitbefangenen Schildern als Dekoration der Schilder selbst und nicht als Hinweis
auf ein von der Klägerin oder in ihrem Auftrag hergestelltes Werbemittel
verstanden wird.
Das ergibt sich zum einen aus der Natur des Mediums „Blechschild“, zum anderen
aus deren inhaltlicher Ausgestaltung.
Die Schilder sind wie historische Werbetafeln aus den 50` bzw. 60`er Jahren
gestaltet. Sie präsentieren Fahrzeuge, die die Klägerin in dieser Form seit vielen
Jahren nicht mehr herstellt. Blechschilder waren ein in den 30`er Jahren des
vorigen Jahrhunderts gebräuchliches Werbemittel. Sie werden jedoch heute nicht
mehr als solche eingesetzt. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu dem der
„Arsenal-Fan-Schal“ - Entscheidung des EuGH zugrundeliegenden Sachverhalt
(WRP 2002, 1415, vgl. dort Tz. 56 f.). Es liegt aus Sicht der angesprochenen
Verkehrskreise eher fern, anzunehmen, dass die Klägerin jetzt (noch) zu
Werbezwecken historisch aufgemachte Blechschilder anfertigt oder anfertigen
lässt mit Modellen, die seit langer Zeit nicht mehr hergestellt und verkauft werden.
Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin – wie andere Automobilhersteller –
bei ihrer Imagewerbung auf die hier abgebildeten Fahrzeugmodelle als stil- und
zeitprägende Kraftfahrzeuge zurückgreift. Soweit dies geschieht, wie beispielsweise
in den Anlagen zur Berufungserwiderung geschehen, wird damit eine für den
Verbraucher offenkundige Verbindung zum heutigen Auftreten und zur heutigen
Produktpalette der Klägerin geschaffen, was den streitbefangenen Blechschildern
„völlig abgeht“.
Eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion lässt sich auch nicht damit
begründen, dass der angesprochene Verkehr aufgrund der Abbildungen der
Fahrzeuge und der Marken annimmt, es bestünden vertragliche Beziehungen
zwischen den Parteien im Sinne einer Lizenzvereinbarung. Sollten die Verbraucher
die Vorstellung haben, es handele sich um „VW-Lizenz-Ware“, so knüpft diese
Vorstellung nicht an die Ware „Blechschild“ oder gar „Druckereierzeugnis“,
sondern an die Ware „Kraftfahrzeug“ an. Dass die Klagemarken teilweise auch für
Druckereierzeugnisse eingetragen sind, ist für die lizenzbezogenen
Herkunftsvorstellungen des Verkehrs irrelevant (vgl. BGH GRUR 2010, 726, Tz. 24 –
Opel-Blitz II). Damit kommt es für die Prüfung der Verwechslungsgefahr darauf an,
ob zwischen Blechschildern einerseits und Kraftfahrzeugen andererseits
Warenähnlichkeit besteht (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 24, 26). Diese Frage ist zu
verneinen.
c) Der Klägerin stehen allerdings Ansprüche auf Unterlassung des Vertriebs,
Angebots etc. der Blechschilder wegen einer Ausbeutung des Rufs ihrer bekannten
Marken zu. Der Anspruch ergibt sich aus Art. 98 Abs. 1, 1. Alt, Art. 9 Abs. 1 lit. c
GMV und bezüglich der Bildmarke „VW-Bus“ aus § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3
MarkenG.
Bei den Klagemarken handelt es sich unstreitig um bekannte Marken.
Zeichenähnlichkeit liegt vor. Das gilt auch für die Darstellung des Bildes „VW im
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Zeichenähnlichkeit liegt vor. Das gilt auch für die Darstellung des Bildes „VW im
Kreis“ im Verhältnis zur Klagemarke Wortzeichen „VW“, denn der Verkehr wird das
auf den Blechschildern aufgebrachte Zeichen als Hinweis auf das
Unternehmenskennzeichen „VW“ der Klägerin begreifen.
Für einen markenmäßigen Gebrauch des Kollisionszeichens reicht es im Fall des §
14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG aus, dass der Verkehr die Aufmachung der Kennzeichen
mit der Klagemarke gedanklich verknüpft (vgl. BGH GRUR 2005, 583, 584 = WRP
2005, 896 – lila Postkarte; Rohnke/ Thiering GRUR 2011, 8, 13). Auch dies ist hier
unzweifelhaft, so dass es darauf ankommt, ob durch die Gestaltung der
streitbefangenen Schilder die Wertschätzung der Klagemarken ohne
rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt wird. Diese Voraussetzung
ist hier gegeben:
Nach den Vorgaben in der L`Oreal/Bellure – Entscheidung des EuGH liegt der
Unlauterkeitstatbestand der Rufausbeutung vor, wenn sich das angegriffene
Zeichen in die Sogwirkung der älteren Marke begibt, um von ihrer Anziehungskraft,
ihrem Ruf oder Ansehen zu profitieren. Hierfür ist eine umfassende Prüfung aller
Umstände des Einzelfalls erforderlich (EuGH GRUR 2009, 756, Tz. 41 ff.). Je
unmittelbarer und stärker die Marke von dem Zeichen in Erinnerung gerufen wird,
desto größer ist die Gefahr, dass die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der
Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird (EuGH a.a.O., Tz. 44).
Hier sind die Blechschilder so gestaltet, dass die Darstellung der zeichenrechtlich
geschützten Fahrzeuge ebenso wie der dort abgebildeten Marken den einzigen
Inhalt der Dekoration ausmacht. Der „nostalgische“ Anklang erschöpft sich in der
Wiedergabe des damaligen Fahrzeugmodells, ein Bezug zur damaligen
Zeitgeschichte wird nicht hergestellt. Für einen Verbraucher können die bekannten
Fahrzeugmodelle der Klägerin und eine hierauf bezogene Affinität den einzigen
Grund für den Erwerb der Artikel darstellen. Die Klägerin hat dies zwar plakativ aber
inhaltlich zutreffend damit umschrieben, dass sich die Beklagte den mit den
Fahrzeugen verbundenen „Kult“ zu nutze macht, um den Vertrieb ihrer
Blechschilder überhaupt zu ermöglichen. Es geht daher nicht in erster Linie darum,
Sympathie mit den KfZ-Modellen oder der damaligen Epoche zu erwecken sondern
vielmehr darum, den in den Klagemarken enthaltenen guten Ruf auszunutzen, um
überhaupt Kunden mit entsprechendem Affektionsinteresse anzusprechen.
Die Beklagte kann sich nicht auf die Erwägungen des Bundesgerichtshofs berufen,
mit denen in der Opel-Blitz II – Entscheidung eine Rufausbeutung abgelehnt
worden ist. Der Bundesgerichtshof hat dort darauf abgestellt, dass wegen der
Erwartungen, welche die angesprochenen Verkehrskreise an Modellspielzeug
stellen und der darauf beruhenden jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer
Nachbildungen ein berechtigtes Interesse der Beklagten bestand, das Original-
Zeichen der Klägerin als Kühlerbestandteil zu verwenden (BGH GRUR 2010, 726,
Tz. 31 – Opel-Blitz II). Hier besteht ein solches berechtigtes Interesse der
Beklagten nicht, denn der Beklagten stehen unzählige Gestaltungsmöglichkeiten
zur Verfügung, um ihren Blechschildern ein „historisierendes“ und ggf.
„sympathiegetragenes“ Bild der damaligen Fahrzeuge der Klägerin zu geben.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf Kunstfreiheit gem. Artikel 5 Abs. 3 GG
berufen. Der Kunstfreiheit kann kein Vorrang vor den Eigentumsrechten des
Markeninhabers gewährt werden, wenn mit der Zeichenverletzung ausschließlich
kommerzielle Zwecke verfolgt werden (BGH GRUR 2005, 583, 585 – lila Postkarte).
Letzteres ist hier der Fall, weil eine künstlerische Auseinandersetzung mit den
Produkten und Marken der Klägerin nicht stattfindet, sie vielmehr nur zum
Aufhänger für den Absatz der eigenen Produkte verwendet werden.
Der Vertrieb der Blechschilder mit gemeinsamer Darstellung der markenrechtlich
geschützten Abbildungen der Fahrzeuge und der Marken „Volkswagen“ und „VW
im Kreis“ begründet eine Erstbegehungsgefahr für eine den streitbefangenen
Blechschildern vergleichbare isolierte Darstellung der Fahrzeuge bzw. der Marken.
2. Im Umfang des Unterlassungsanspruchs stehen der Klägerin Auskunfts- und
Schadensersatzansprüche zu. Sie ergeben sich aus Art. 98 Abs. 2 GMV, §§ 125 b
Nr. 2, 19, 14 Abs. 6 MarkenG. Rückruf- und Vernichtungsansprüche gem. § 18
MarkenG können sich dagegen nur bezogen auf die streitbefangenen Artikel
ergeben (BGH GRUR 2006, 504 = WRP 2006 749, Tz. 52 – Parfümtestkäufe). Der
weitergehende Antrag ist von der Klägerin zurückgenommen worden.
3. Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten für das
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3. Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten für das
Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. Januar 2008 (Anlage K 6) in
Höhe von 1.791,73 € zu (§ 14 Abs. 6 MarkenG). Die mit der Abmahnung verlangte
Unterlassungserklärung ging inhaltlich über den berechtigten und zuerkannten
Umfang hinaus, was eine Herabsetzung des Ersatzanspruchs nach dem Verhältnis
des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung zum
Gegenstandswert der gesamten Abmahnung zur Folge hat (BGH GRUR 2010, 744
= WRP 2010, 1023, Tz. 52 - Sondernewsletter).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 S. 1 ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarzeit und die
Schuldnerschutzanordnungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.