Urteil des OLG Frankfurt vom 08.10.2008

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Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UF 120/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 621 Abs 1 Nr 1 ZPO
(Zuständigkeit für Streit der Eltern eines minderjährigen
Kindes über die Herausgabe eines Bonusheftes für
zahnärztliche Behandlung)
Leitsatz
Der Streit zwischen den Eltern eines minderjährigen Kindes um die Herausgabe eines
Bonusheftes für zahnärztliche Behandlungen ist keine Angelegenheit der elterlichen
Sorge, über ihn ist im zivilprozessualen Verfahren zu entscheiden.
Tenor
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 173,33 EUR festgesetzt
Gründe
Der Kläger hat mit Klageschrift vom 14.08.2006 zunächst eine Klage auf
Herausgabe eines Sparbuchs gegen die Beklagte beim Amtsgericht Darmstadt
erhoben. Die Klage wurde zunächst von der allgemeinen Zivilprozessabteilung
bearbeitet. Mit Schriftsatz vom 27.01.2007 hat der Kläger die Klage mit zwei
weiteren Anträgen erweitert, wovon ein Antrag auf Erstattung von 123,33 EUR
Kindergeldanteil noch Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist. Mit
Schriftsatz vom 26.06.2007 hat der Kläger die Klage um weitere Anträge erweitert,
von denen ein Antrag auf Herausgabe einer Bonuskarte des minderjährigen
Sohnes X. über den Nachweis zahnärztlicher Untersuchungen ebenfalls
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Mit Beschluss vom 11.02.2008 hat die
allgemeine Zivilprozessabteilung das Verfahren bezüglich eines Teils der Anträge,
unter anderem bezüglich derjenigen, die Gegenstand des Berufungsverfahrens
sind, an die Familiengerichtsabteilung verwiesen.
In der Folgezeit hat der Kläger vor dem Familiengericht geltend gemacht, dass es
sich wegen eines Teils der Ansprüche um Sorgerechtsverfahren handele.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht im Verfahren nach § 495a
ZPO der Klage wegen fünf der geltend gemachten Herausgabeansprüche
stattgegeben und sie wegen des Antrags auf Auszahlung von 123,33 EUR
Kindergeld und wegen des Antrags auf Herausgabe des Bonushefts abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 04.07.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am
18. Juli 2008 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde
eingelegt. Der Vorsitzende hat den Beklagten mit Verfügung vom 30. Juli 2008
darauf hingewiesen, dass für das Berufungsverfahren Anwaltszwang besteht und
die Berufungssumme von 600,00 EUR nicht erreicht sein dürfte. Der Kläger hat in
der Folgezeit darauf beharrt, dass es sich um ein Verfahren nach dem FGG
handele.
Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Beklagten ist als Berufung
anzusehen, da das Amtsgericht richtigerweise im zivilprozessualen Verfahren
durch Urteil entschieden hat und gegen solche Urteile nur die Berufung das
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durch Urteil entschieden hat und gegen solche Urteile nur die Berufung das
statthafte Rechtsmittel ist (§ 511 ZPO). Die Berufung ist unzulässig, da die
Parteien im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht sich von einem
Rechtsanwalt vertreten lassen müssen und die Berufung nicht durch einen
Rechtsanwalt eingelegt ist (§ 78 Abs. 1 S. 2 ZPO). Ein Anwaltszwang bestünde
nicht, wenn es sich um ein Sorgerechtsverfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
handeln würde (§ 78 Abs. 3 ZPO). Wenn dies der Fall wäre, hätte das Amtsgericht
nicht durch Urteil sondern durch Beschluss entscheiden müssen. Wird in einer
Familiensache des § 621 Nr. 1 ZPO fälschlich durch Urteil entschieden, so kann die
Beschwerdepartei nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung gegen dieses Urteil
die dem Anwaltszwang nicht unterliegende befristete Beschwerde nach § 621e
ZPO einlegen (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl. vor § 511 Rdnr. 30 m.w.N.).
Das Amtsgericht hat jedoch zu Recht im zivilprozessualen Verfahren durch Urteil
entschieden.
Bei dem Antrag auf Erstattung eines Kindergeldanteils handelt es sich um eine
vermögensrechtliche Angelegenheit. Auch wenn solche Ansprüche ihren
Rechtsgrund im Sorgerechtsverhältnis haben mögen, führt ein Rechtsstreit
hierüber nicht zu einem Sorgerechtsverfahren.
Nichts anderes gilt für den Antrag auf Herausgabe des Bonushefts. Die
Herausgabe von persönlichen Sachen eines Kindes kann zwar unter bestimmten
Voraussetzungen im einstweiligen Anordnungsverfahren vor den Familiengerichten
geltend gemacht werden (§§ 620 Nr. 8 ZPO, 50d FGG). Soweit die einstweilige
Anordnung im Zusammenhang mit der Herausgabe eines Kindes nach § 50d FGG
ergeht, handelt es sich dabei um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Entsprechende Regelung für das Hauptsacheverfahren fehlen aber. Es spricht
daher viel für die Auffassung, dass solche Verfahren vor der allgemeinen
Zivilprozessabteilung zu führen sind. Selbst wenn man sie aber als Familiensache
ansieht, handelt es sich um vermögensrechtliche Streitigkeiten, die nicht den
Sorgerechtsverfahren zuzuordnen sind. Allerdings hat das Amtsgericht im
Verfahren 53 F 1354/06 einen Antrag des Klägers auf Herausgabe eines
Kinderausweises für den Sohn X. im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
behandelt. Der Senat hat damals dieses von den Beteiligten nicht gerügte
Verfahren im Beschwerdeverfahren nicht beanstandet. Es kann dahinstehen, ob
diese verfahrensrechtliche Behandlung richtig war oder nicht. Es lassen sich
Argumente dafür finden, das Verfahren um die Herausgabe von Kinderausweisen
und Personalausweisen von Jugendlichen ausnahmsweise als
Sorgerechtsverfahren anzusehen, weil der Besitz solcher Ausweise zur Ausübung
der elterlichen Sorge, insbesondere bei der Durchführung von Reisen mit dem Kind
erforderlich ist. Auf die Herausgabe von anderen Schriftstücken lässt sich eine
solche Ausnahme jedoch nicht ausdehnen. Das Bonusheft, um das es hier geht,
dient dazu, unter Vorlage des Nachweises von Zahnbehandlungen,
Zahnbehandlungskosten Kosten zu ersparen, die dann die Krankenkasse
übernimmt. Es handelt sich um eine typische vermögensrechtliche Streitigkeit, die
im zivilprozessualen Verfahren auszutragen ist.
Auf die Frage, ob die verschiedenen Eingaben des Klägers nach Zustellung des
angefochtenen Urteils überhaupt eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung
enthalten, welche auch im Sorgerechtsverfahren erforderlich wäre (§ 621e Abs. 3
S. 2 ZPO), kommt es daher nicht an, da schon die Berufung nicht in zulässiger
Weise eingelegt ist.
Schließlich spielt es auch keine Rolle, ob anstelle des Familiengerichts die
allgemeine Zivilprozessabteilung hätte entscheiden müssen. Zum einen ist diese
Frage durch das Berufungsgericht nicht zu überprüfen (§ 513 Abs. 2 ZPO), zum
anderen verbietet die Unzulässigkeit der Berufung jede weitere Sachprüfung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Wertfestsetzung folgt aus § 3
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.