Urteil des OLG Frankfurt vom 23.06.2006

OLG Frankfurt: beendigung des dienstverhältnisses, grobe fahrlässigkeit, widerklage, provision, höchstbetrag, verrechnung, anschlussberufung, vollstreckung, abrechnung, verjährung

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Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 83/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 157 BGB, § 826 BGB
(Provisionsvereinbarung: Übertragung und Anrechnung
erzielter Provision in das Folgejahr nach Vertragsende)
Leitsatz
Zur Auslegung einer Provisionsvereinbarung eines Geschäftsführers
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das
Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom
12.04.2005 werden zurückgewiesen.
Die Kosten erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Von den Kosten zweiter Instanz trägt der Kläger 3/8, die Beklagte 5/8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger und die Beklagte dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert zweiter Instanz beträgt 79.762,21 €.
Gründe
I.
Der Kläger und Berufungskläger verlangt Geschäftsführervergütung für die Monate
Oktober bis Dezember 2003. Er war für die Beklagte mit dem Verkauf von
Immobilien tätig. Entsprechende Verträge datieren vom 06.11.1998 (GA 5),
16.07.2001 (GA 11) und 13.10.2002 (GA19). Danach erhielt der Kläger ein festes
Grundgehalt und eine erfolgsabhängige Provision. Während im ersten Vertrag das
Gehalt des Klägers absolut gedeckelt war, enthielten die Folgeregelungen eine
jährliche Obergrenze. War die erzielte Provision höher als diese Grenze, sollte eine
Übertragung und Anrechnung in das Folgejahr erfolgen. Der Kläger war freigestellt
ab Oktober 2003.
Der Kläger hat gemeint, seine Provisionsansprüche seien nach Vertragsende nicht
verfallen, sondern müssten akkumuliert ausgezahlt werden. Aus Ziffer 2. 1. B. VI
des Vertrages (GA 22) ergebe sich, dass im letzten Jahr alle Provisionsansprüche
fällig würden. Bei einer endgültigen Deckelung seiner Provisionsansprüche hätte
der Kläger keine Motivation gehabt, möglichst viele Immobilien zu verkaufen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.947,65 € zuzüglich 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz aus je 7.982,55 € seit dem 01.11.2003, 01.12.2003 und
01.01.2004 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen und widerklagend den Kläger zu verurteilen, an die
Beklagte 3.247,26 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen sowie festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der
Beklagten alle Schäden zu ersetzen, die der Beklagten dadurch entstehen, dass
sich der Kläger zu Lasten der Beklagten im Jahre 2000 eine um 7.539,38 € zu hohe
Vergütung auszahlen ließ.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, die Übertragung von Ansprüchen auf Folgejahre habe
mit dem letzten Vertragsjahr zu enden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die
Aufrechnung der Beklagten greife durch, und die Beklagte habe darüber hinaus
einen Rückzahlungsanspruch auf zuviel bezahlte Provision. Das Einkommen des
Klägers sei durch Ziffer 2. 1. B. III und 2. 1. B. VII des zwischen den Parteien
geschlossenen Vertrages (GA 14) begrenzt. Demgegenüber enthalte Ziffer 2. 1. B.
VIII lediglich eine Fälligkeitsregelung.
Mit der Berufung des Klägers begehrt er Abänderung des landgerichtlichen Urteils
und verfolgt seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter: Der ursprüngliche Vertrag
sei extra in Bezug auf eine Übertragung der Provisionen ergänzt worden, um dem
Kläger eine entsprechende Belohnung für seine Verkäufe nicht zu versagen. Darin
liege aber nicht nur eine Übernahme der dem jährlichen Höchstbetrag
übersteigenden Provisionen im Folgejahr. Vielmehr gelte dies auch nach
Vertragsbeendigung für bis dahin noch nicht berechnete/ausgezahlte Provisionen.
Der Vertrag enthalte keine entsprechende Verfallsregelung. Die Deckelung der
Jahreseinkünfte des Klägers habe nur der jeweiligen Liquiditätssicherung der
Beklagten gedient. Die Widerklageerweiterung sei verspätet. Die Beklagte habe
auch die ins Folgejahr übertragenen Provisionsansprüche jeweils bilanztechnisch
eingestellt. Das Zahlenwerk der Beklagten werde bestritten. Die Voraussetzungen
der von der Beklagten angeführten Anspruchsgrundlage seien nicht erfüllt. Der
Kläger habe die von der Beklagten monierten Überzahlungen gar nicht alleine an
sich anweisen können, sondern nur mit dem Mitgeschäftsführer A. Dieser habe für
die Zahlungen jeweils die Gesellschafterversammlung und den Aufsichtsrat
informiert und sich die Auszahlungen absegnen lassen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts die Beklagte zu verurteilen, an
den Kläger 23.947,65 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je
7.982,55 € seit dem 01.11.2003, 01.12.2003 und 01.01.2004 zu zahlen und die
Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie mit erweiterter Widerklage den Kläger zu
verurteilen, an die Beklagte 52.567,30 € nebst 5 Prozentzinsen über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte führt aus, die jährliche Deckelung der Gesamtbezüge des Klägers sei
abschließend. Die zwischen den Parteien getroffene Übertragungsvereinbarung auf
das nächste Jahr habe nur während der Vertragslaufzeit zwischen guten und
schlechten Jahren ausgleichen sollen. Nicht jedoch sei damit ein Verdienst über die
vereinbarte jährliche „Höchstvergütung“ (GA 13) des Klägers hinaus gemeint
gewesen. Bei einer solchen akkumulierten Zahlungspflicht der Beklagten zum
Vertragsende wäre diese mit einer unabsehbaren und möglicherweise punktuell
hohen Belastung konfrontiert, während der Kläger eine sehr hohe Einnahme auf
einmal versteuern müsse. Dieses Problem hätten die Parteien bei entsprechend
gewollter Regelung durch eine entsprechend anteilige jährliche Zahlung
vermieden.
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Mit der Widerklageerweiterung verweist die Beklagte auf Überzahlungen der
Beklagten an den Kläger in Höhe von 98.877,69 € für die Monate Dezember 2002,
Dezember 2000 und September 2002. Diese hätten zu staatlichen
Abgabenzahlungen der Beklagten in Höhe von 52.567,30 € geführt (GA 247, 249).
Die entsprechenden Überzahlungen seien vom Kläger veranlasst bzw. angeordnet
worden, weshalb er auf Rückzahlung nach § 826 BGB hafte. In der mündlichen
Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Kläger gegen die mit der
Widerklage geltend gemachten Forderungen die Einrede der Verjährung erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrags wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Berufungen beider Parteien erweisen sich als im Ergebnis
unbegründet.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Tendenz der vertraglichen Regelung zwischen
den Parteien dahin geht, dem Kläger verdiente Provisionsansprüche über die
jährlichen Höchstgrenzen hinaus auf Folgejahre zu übertragen. Dies gilt allerdings
nur bis zum letzten Vertragsjahr, wie sich aus Ziffer 2. 1. B. V, VI und VIII ergibt (GA
22). Ausweislich des Vertrages bestand nämlich für den Kläger eine jährliche
Verdienstobergrenze (GA 140). Diese ergibt sich aus einer absoluten Anrechnung
der Erfolgsprovisionen auf das Grundgehalt gemäß Ziffer 2. 1. B. III und VI (GA 22).
VI der genannten Vereinbarungen enthält darüber hinaus folgende Abrede: „Über
Art und Weise der Verrechnung werden sich die Parteien im jährlichen Rhythmus
abstimmen, vorbehaltlich des übernächsten Satzes dieses Abschnitts“.
Mit dieser Regelung sollten dem Kläger während der Vertragslaufzeit verdiente
Provisionen erhalten bleiben, sofern das jährliche Gesamteinkommen nicht
überschritten wurde. In einem eventuell schwächeren Folgejahr wären dem Kläger
demnach zu hohe verdiente Provisionen zugute gekommen, die den Höchstbetrag
im Vorjahr überschritten hätten. Mit Vertragsende war jedoch das Einkommen
entsprechend für das letzte Jahr abzurechnen, d. h. mit dem maximalen
Höchstbetrag ohne Fälligwerden eventuell noch überschießender Provisionen.
Diese Regelung macht auch Sinn, weil die Beklagte nur so die von ihr
ausbedungene Höchstvergütung an den Kläger zahlen musste. Dass eine
derartige Vergütung nur dann anfällt, solange der Kläger für die Beklagte tätig ist,
versteht sich von selbst. Anderenfalls hätte die Beklagte gegebenenfalls einen den
Höchstbetrag sogar übersteigenden Betrag an den Kläger ausgerechnet zu einem
Zeitpunkt zahlen müssen, zu dem der Kläger gar nicht mehr für die Beklagte tätig
war. Entsprechend enthält der Vertrag auch die Regelung, dass „der Übertrag für
mehrere Jahre infolge bis zum Jahr der Beendigung des Dienstverhältnisses
vorzunehmen“ ist. Ferner heißt es dort: „ Sollte der Geschäftsführerdienstvertrag
nach fünf Jahren nicht verlängert werden, gilt für die Provisionsberechnung des
letzten Jahres folgende Regelung:“. Kein Wort hingegen findet sich dahingehend in
dem Vertrag, dass noch weitere Provisionen in unbestimmter Höhe über das letzte
Vertragsjahr hinaus ausgezahlt werden sollen.
Soweit der Kläger hiergegen einwendet, dass er möglicherweise seine
Verkaufsbemühungen gedrosselt hätte, wenn er gegen Vertragsende
Provisionsansprüche verlieren würde, steht dem das Argument der Beklagten
entgegen, dass derartige eventuell hohe Einmalzahlungen nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses weder im Interesse des Klägers noch im Interesse der
Beklagten gewesen wären und eine derart beabsichtigte Regelung auch ihren
Eingang in den Vertrag gefunden hätte. Der Kläger verkennt auch, dass er
darlegungs- und beweispflichtig für die für ihn günstigen Tatsachen ist. Mag seine
Rechtsauffassung auch vertretbar sein, hat er gleichwohl nicht den Nachweis dafür
erbracht, dass Provisionen über das Vertragsende hinaus zu zahlen waren.
Insbesondere hat er keine entsprechend VI der Vereinbarung zwischen den
Parteien etwa getroffene Abstimmung „über Art und Weise der Verrechnung“
dargelegt.
Soweit der Kläger die Abrechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 04.10.2004
angegriffen hat, ist dies nicht in substantiierter Form erfolgt. Denn es kann
dahinstehen, ob dem Kläger nach seiner Abrechnung sogar noch höhere
Provisionsansprüche zustehen, da er an deren Geltendmachung durch die
zwischen den Parteien vereinbarte Deckelung seiner Ansprüche gehindert ist. Der
Beklagte konnte hiergegen wirksam aufrechnen mit Überzahlungen zugunsten des
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Beklagte konnte hiergegen wirksam aufrechnen mit Überzahlungen zugunsten des
Klägers. Soweit das Landgericht der übersteigenden Widerklageforderung
stattgegeben hat, steht dem auch nicht die unsubstantiierte Einrede der
Verjährung des Klägers entgegen, §§ 195, 199 Abs. 1, 203 BGB.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Gleiches gilt für die im Wege der Anschlussberufung geltend gemachte erweiterte
Widerklage. Denn die Beklagte hat die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht
dargelegt. Für die Begründetheit der Widerklageforderung müsste die Beklagte
darlegen und beweisen, dass die Zahlung von Steuern seitens der Beklagten auf
Gehaltsüberzahlungen an den Kläger von diesem nach den Voraussetzungen des
§ 826 BGB veranlasst worden sind. Demgegenüber hat die Beklagte nicht einmal
dargelegt, dass der Kläger sich sein Geschäftsführergehalt alleine hat anweisen
können. Vielmehr geschah dies im Zusammenwirken mit dem Mitgeschäftsführer
A, der Kämmerer der Stadt ... ist. Dies ist seitens der Beklagten noch mit
Schriftsatz vom 01.06.2006 (GA 276) bestätigt worden. Demnach sind eventuelle
Überzahlungen an den Kläger mit Wissen und Wollen der Beklagten selbst erfolgt.
Wenn die Beklagte jedoch auf ein Schreiben des Klägers wie das vom 18.09.2001
(GA 279) auf dessen bloße Bitte 60.000,00 € an den Kläger überweist, ist darin
doch ein erhebliches Mitverschulden zu sehen. Denn der Beklagten war doch die
zwischen den Parteien getroffene Provisionsvereinbarung mit ihren
Höchstbeträgen bekannt. Dass sich hingegen der Kläger bei der Bitte um
Auszahlung und der Entgegennahme des Geldes darüber Gedanken gemacht hat,
dass die Beklagte auf die Honorarzahlungen Steuern zahlen musste und diese
nach einem Rechtsstreit wie dem vorliegenden nunmehr uneinbringlich sind, ist
nicht anzunehmen. Dem Kläger ist – was gegen eine Anwendung des § 826 BGB
spricht – zumindest ein entschuldbarer Rechtsirrtum dahingehend zugute zu
halten, dass er die Vereinbarung des Vertrages anders werten konnte. Für § 826
BGB ist jedoch grobe Fahrlässigkeit allein nicht ausreichend, vgl. Palandt, 62. Aufl.,
Rn 4 und 12 zu § 826 BGB. Auch eine Verletzung von Nebenpflichten aus dem
Geschäftsführervertrag ist dem Kläger nicht nachzuweisen. Dem Kläger kommt
hierbei § 2 B VI des Geschäftsführervertrages zugute, wonach sich die Parteien
über Art und Weise der Verrechnung jährlich abstimmen werden. Insofern ist
zugunsten des Klägers zumindest unklar geblieben, warum die Beklagte im Jahre
2002 dem Kläger über diesen vereinbarten Höchstbetrag hinaus Zahlungen
angewiesen hat.
Die erweiterte Widerklage war deshalb abzuweisen, womit dem seinerzeit noch
unbezifferten Feststellungsausspruch des Landgerichts gleichfalls die Grundlage
entzogen ist. Dies gilt nach dem zur Klageforderung Gesagten nicht für den
Ausspruch des Landgerichts zur Gehaltüberzahlung in Höhe von 3.247,26 € nebst
Zinsen.
Den Wert zweiter Instanz hat das Gericht wie geschehen festgesetzt, da in der
bezifferten Anschlussberufung die unbezifferte Berufung bezüglich des
Feststellungsantrages in Höhe der vom Landgericht festgesetzten 27.487,80 €
enthalten ist. Die Kosten waren nach dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen
auch für die erste Instanz zu quoteln, §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.