Urteil des OLG Frankfurt vom 07.02.2005

OLG Frankfurt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, nebenintervention, rechtskraft, zustellung, bürgschaft, verschulden, verpfändung, akte, rechtsmittelfrist, sorgfalt

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Gericht:
OLG Frankfurt 21.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 U 105/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 67 ZPO, § 69 ZPO, § 233
ZPO, § 234 ZPO, § 517 ZPO
(Rechtsmittel des Nebenintervenienten: Einlegung
innerhalb der Frist für die Hauptpartei)
Tenor
Der Antrag der Streithelfer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen
Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des
Landgerichts Frankfurt a.M. vom 4.11.2004 (Az. 3-10 O 115/02) wird
zurückgewiesen.
Die Berufung der Streithelfer gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom
4.11.2004 (Az. 3-10 O 115/02) wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 741.373,23 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Bürgin aus einer selbstschuldnerischen
Bürgschaft vom 26.6.2000 in Anspruch, welche die Beklagte zur Sicherung der
Erfüllung vertragliche Verpflichtungen des Auftraggebers der Klägerin aus einem
VOB/B-Generalunternehmer-Werkvertrag begeben hatte. Die Streitverkündeten
hatten diese Bürgschaft gegenüber der Beklagten als Sicherungsgeber durch
Verpfändung eines Festgeldguthabens bei der Beklagten gesichert. Die Beklagte
hat die Sicherung in Anspruch genommen und das Guthaben in Höhe der
ihrerseits zu leistenden Zahlung verwertet.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Vorbehaltsurteil vom 17.10.2002
verurteilt, an die Klägerin 741.373,23 € nebst 5 % Zinsen über dem Zinssatz der
Spitzenrefinanzierungsfazilität der ... ...bank seit dem 16.6.2001 zu zahlen. Durch
am 4.11.2004 verkündetes Urteil hat es das Vorbehaltsurteil bestätigt und für
vorbehaltlos erklärt. Wegen der jeweiligen Einzelheiten der Urteile wird auf deren
Inhalt (Blatt 353 ff., 569 ff. der Akte) verwiesen. Das Urteil wurde der Beklagten am
15.11.2004 und den Streitverkündeten am 22.11.2004 zugestellt (Blatt 577, 576
der Akte). Hiergegen haben die Streitverkündeten mit am 22.12.2004 bei Gericht
eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt.
Die Berufung der Streitverkündeten war als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht
innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach der Zustellung des Urteils
eingelegt worden ist (§§ 517, 522 Abs. 1 S. 2 ZPO). Die Berufungsschrift vom
21.12.2004 ist am 22.12.2004 bei Gericht eingegangen. Das Urteil des
Landgerichts Frankfurt a.M. vom 4.11.2004 wurde der Beklagten jedoch bereits am
15.11.2004 zugestellt, so daß die Frist zur Einlegung der Berufung mit Ablauf des
15.12.2004 endete (§ 517 ZPO). Eine Rechtsmitteleinlegung durch die
Nebenintervenientinnen ist nur so lange möglich, wie die Rechtsmittelfrist für die
Hauptpartei läuft (vgl. BGH, NJW 1990, 190; 2001, 1355 f.; NJW-RR 1997, 919 f.).
Der Zeitpunkt der Zustellung an die Nebenintervenientinnen wäre nur dann
maßgebend, wenn es sich um eine streitgenössische Nebenintervention handelte,
mithin die Nebenintervenientinnen gemäß § 69 ZPO als Streitgenossen der
Hauptpartei gälten (vgl. BGH, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht
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Hauptpartei gälten (vgl. BGH, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht
vor. Eine streitgenössische Nebenintervention setzt voraus, daß nach den
Vorschriften des bürgerlichen Rechts oder des Prozeßrechts die Rechtskraft der in
dem Hauptprozeß erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des
Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist. Das ist der Fall, wenn
zwischen dem Streithelfer und dem Gegner der von ihm unterstützten Hauptpartei
ein Rechtsverhältnis besteht, auf das sich die Rechtskraft der Entscheidung
auswirkt. Hingegen genügt es nicht, daß Rechte oder Verbindlichkeiten der
Parteien bedingt oder in anderer Weise mittelbar von der Entscheidung des
Hauptprozesses abhängig sind (vgl. BGHZ 92, 275, 276 f.; NJW-RR 1997, 919 f.;
NJW 2001, 1355). Demzufolge fällt die Nebenintervention eines subsidiär
Verpflichteten im Prozeß des Gläubigers mit dem Primärschuldner nicht unter § 69
ZPO. Denn es liegt keine Rechtskrafterstreckung vor, sondern gegebenenfalls eine
besondere Art von Tatbestandswirkung. Diese rechtfertigt keine über § 67 ZPO
hinausgehenden prozessualen Befugnisse des Streithelfers (vgl. Stein/Jonas/Bork,
ZPO, 22. Aufl.2004, § 69, Rdnr. 2, 4 m.w.N.).
Durch die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und den
Nebenintervenientinnen sind vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und
diesen nicht begründet worden. Die Nebenintervenientinnen haben durch
Vereinbarung mit der Beklagten die von dieser im Auftrage der X GmbH der
Klägerin gewährte Bürgschaft durch Verpfändung ihres Festgeldguthabens bei der
Beklagten gesichert. Die Klägerin war an dieser Vereinbarung soweit ersichtlich
nicht beteiligt; ihr kann demzufolge kein eigener Anspruch gegen die
Nebenintervenientinnen zustehen. Etwas anderes behaupten auch die
Nebenintervenienten nicht. Damit liegt ein Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin
und ihnen, auf welches die Rechtskraft der in dem Prozeß ergangenen
Entscheidung von Wirksamkeit sein könnte, nicht vor. Die Einwirkung der
Rechtskraft muß gerade das Rechtsverhältnis zwischen dem Streithelfer und dem
Prozeßgegner der unterstützten Partei betreffen, nicht genügt das Verhältnis zur
unterstützten Partei (vgl. BGH, a.a.O.). Insoweit bleibt es bei den Wirkungen des §
68 Hs. 2 ZPO sowie bei dem Grundsatz, daß der unselbständige Streithelfer im
Prozeß nicht selbst Partei ist, sondern lediglich Helfer der unterstützten Partei, und
er ein von der Partei abgeleitetes Recht ausübt. In der Berufung liegt prozessual
nur die Erklärung, die Berufung des Rechtsmittelführers unterstützen zu wollen
(vgl. BGH, NJW-RR 1997, 919 m.w.N.).
Aus dem Vorbringen der Nebenintervenienten im Schriftsatz vom 2.2.2005 ergibt
sich nichts anderes. Insbesondere bestehen zwischen der Klägerin und den
Nebenintervenienten nicht deshalb unmittelbare Rechtsbeziehungen, weil die
Beklagte das Guthaben des von ihnen verpfändeten Festgeldkontos eingezogen
und ihrerseits die gesamte ausgeurteilte Summe an die Klägerin gezahlt hat. Im
Falle der rechtsgrundlosen Zahlung bestehen Rückgewähransprüche lediglich im
Rahmen der jeweiligen Leistungsbeziehung, also zwischen Klägerin und Beklagter
sowie zwischen Beklagten und Nebenintervenienten, nicht aber unmittelbar
zwischen der Klägerin und den Nebenintervenienten (vgl. Palandt//Sprau, BGB, 64.
Aufl. 2005, § 812, Rdnrn. 44 ff.). Ein unmittelbarer Durchgriff ist ausgeschlossen.
Denn die Klägerin hat den gezahlten Betrag weder durch eine Leistung der
Nebenintervenienten noch durch einen einheitlichen Bereicherungsvorgang auf
deren Kosten erlangt.
Auch das Landgericht hat die Nebenintervenienten nicht als streitgenössische
Nebenintervenienten behandelt, indem es ihnen das Urteil förmlich zugestellt hat.
Zwar genügt es grundsätzlich, daß das Urteil dem Nebenintervenienten formlos
mitgeteilt wird, es muß ihm nicht zwingend von Amts wegen zugestellt werden (vgl.
BGH, NJW 1990, 190; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 67, Rdnr. 5 m.w.N.; § 317, Rdnr.
1). Daß den Nebenintervenienten das Urteil förmlich zugestellt wurde, belegt aber
eine Behandlung als streitgenössische Nebenintervenienten nicht.
Die Nebenintervenienten waren auch nicht gehindert, selbst ein Rechtsmittel
einzulegen. Sie mußten dies nur innerhalb der für die unterstützte Partei
geltenden Rechtsmittelfrist tun.
Der Antrag der Nebenintervenienten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung ist nicht begründet (§§
233 ff. ZPO). Zwar können sie in ihrer Person liegende Wiedereinsetzungsgründe
geltend machen; sie waren aber nach dem Vorbringen im Schriftsatz vom
2.2.2005 nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert. Denn
die Nebenintervenienten trifft eine Erkundigungspflicht, deren Verletzung
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die Nebenintervenienten trifft eine Erkundigungspflicht, deren Verletzung
Wiedereinsetzung ausschließt (vgl. BGH, NJW 1986, 257; Zöller/Vollkommer, a.a.O.,
§ 67, Rdnr. 5). Das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten ist ihnen dabei
zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Unkenntnis des Umstandes, daß die
Einlegung des Rechtsmittels durch die Nebenintervenienten nur innerhalb der für
die Hauptpartei geltenden Frist zulässig ist, ist verschuldet. Ob ein Verschulden
der Partei oder ihres Vertreters vorliegt, ist nach dem objektiv-abstrakten Maßstab
des § 276 Abs. 2 BGB zu beurteilen; maßgeblich ist die Sorgfalt einer ordentlichen
Prozeßpartei. Hinsichtlich anwaltlichen Verschuldens ist in der Regel die übliche,
also berufsbedingt strenge Sorgfalt vorauszusetzen, so daß insoweit regelmäßig
eine Fristversäumung verschuldet ist, wenn sie für einen pflichtbewußten
Rechtsanwalt abwendbar gewesen wäre. Abgesehen davon, daß der
Prozeßbevollmächtigte der Nebenintervenienten sich gar nicht ausdrücklich darauf
berufen hat, er sei davon ausgegangen, es liege eine streitgenössische
Nebenintervention vor, so daß die Berufungsfrist von dem Zeitpunkt der
Zustellung an die Nebenintervenienten an laufe, so bestand auch für diese
Annahme kein hinreichender Anhaltspunkt. Insoweit wird auf die obigen
Ausführungen verwiesen. Die von ihm zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung
betrifft ersichtlich andere Fallgestaltungen. Eine allgemeine Ausdehnung der
streitgenössischen Nebenintervention auf nahezu alle Fallgestaltungen der
Nebenintervention wird nirgendwo vertreten.
Die Nebenintervenienten haben die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten
Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.