Urteil des OLG Frankfurt vom 02.11.2006

OLG Frankfurt: werbung, verkehr, irreführung, vollstreckung, slogan, unterlassen, werturteil, rechtshängigkeit, anwendungsbereich, sicherheitsleistung

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Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 188/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 5 Abs 2 Nr 3 UWG
(Wettbewerbsverstoß: Werbung eines Möbelhauses mit
dem Slogan "Die Nr. 1 zwischen Aachen und Berlin")
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.11.2005 verkündete Urteil
der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe von
bis zu 250.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft,
oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in an
Letztverbraucher gerichteter Werbung den Verkauf von Waren des Sortiments mit
dem Hinweis
"Die Nr. 1 zwischen Aachen und Berlin"
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen
wenn dies geschieht wie in der beigefügten Anlage.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 189 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 EUR abwenden, wenn die Beklagte
nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Streitwert wird für den Unterlassungsantrag auf 15.000 EUR
festgesetzt.
Gründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Werbeaussage "Die Nr. 1 zwischen Aachen und Berlin" enthalte keine zur
Irreführung geeignete Spitzen- oder Alleinstellungsbehauptung, weil sich der
Aussage nicht entnehmen lasse, worauf sich die mit der Aussage "die Nr. 1" in
Anspruch genommene Spitzenstellung beziehen solle.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,--
Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung – ersatzweise Ordnungshaft –
oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in an Letztverbraucher gerichteter
Werbung den Verkauf von Waren des Sortiments mit dem Hinweis "die Nr.
1 zwischen Aachen und Berlin" zu bewerben und/oder bewerben zu
lassen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 1 zur Klageschrift;
2. an die Klägerin 189,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Unterlassungs- und Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin folgt aus §§ 3, 5
Abs. 2 Nr. 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Bei der angegriffenen Werbeaussage handelt es sich um eine Angabe im Sinne
von § 5 Abs. 2 UWG, nicht bloß um eine reklamehafte Übertreibung oder ein reines
Werturteil, für die der Anwendungsbereich des § 5 UWG nicht eröffnet wäre (vgl.
dazu BGH GRUR 2002, 182, 183 – Das Beste jeden Morgen). Zwar enthält die
Behauptung, "die Nr. 1" zu sein eine Spitzenstellungsberühmung, bei der nicht
ganz eindeutig ist, worauf im einzelnen sich diese Spitzenstellung bezieht. Daraus
folgt jedoch nicht, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Angabe überhaupt
keinen nachprüfbaren Inhalt beilegen. Jedenfalls bringt ein Möbelunternehmen,
welches sich berühmt, "die Nr. 1" zu sein, zum Ausdruck, das größte Unternehmen
zu sein (Senat, WRP 1992, 328, 329; vgl. auch KG, ZUM 2000, 758 – BR 91,4 – "die
Nr. 1"). Etwas anderes folgt nicht aus dem Kontext der konkret angegriffenen
Werbeanzeige. Insbesondere führt die weiter darin enthaltene Aussage "Mutter ist
die Beste" nicht dazu, dass der Verkehr die Aussage "die Nr. 1" im Sinne von "das
beste Möbelhaus" interpretiert.
Inhaltlich begründet die Aussage "Die Nr. 1 zwischen Aachen und Berlin" die Gefahr
einer Irreführung. Denn darin liegt die Behauptung einer bundesweiten
Spitzenstellung. Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, wenn sie meint,
die angesprochenen Verkehrskreise verstünden diese Aussage dahin, dass sie
eine Spitzenstellung nur "im Bereich" zwischen Aachen und Berlin in Anspruch
nimmt. Das folgt schon daraus, dass sich eine sinnvolle geografische Begrenzung
eines solchen gedachten West-Ost-Bandes zwischen Aachen und Berlin nach
Norden und nach Süden weder geografisch noch politisch noch unter einem
anderen Gesichtspunkt finden lässt. Insbesondere haben die Leser der konkret
angegriffenen Werbeanzeige keinen Anlass, diesen Bereich, wie die Beklagte
meint, nach Norden mit einer gedachten Linie zwischen Bremen und Hamburg zu
begrenzen und nach Süden ausgerechnet mit dem Main. In diesem
Zusammenhang kann die Beklagte sich insbesondere nicht darauf berufen,
sämtliche Häuser der A … lägen nördlich der Mainlinie und südlich der Linie
Bremen/Hamburg.
Da die Beklagte auf diesen Umstand in der angegriffenen Werbeanzeige die
Verbraucher in keiner Weise aufmerksam macht, haben diese keinen Anlass, die
Werbeaussage im Sinne eines so gedachten Bandes zu verstehen.
Tatsächlich handelt es sich bei der Beklagten jedoch nicht um das größte
Möbelhaus Deutschlands. Wichtigstes Kriterium für die Größe eines Unternehmens
ist der Umsatz (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht 24. Aufl., § 5 Rdz.
5.71; Senat, WRP 1992, 328, 329). Hinsichtlich der Umsatzstärke rangiert die
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5.71; Senat, WRP 1992, 328, 329). Hinsichtlich der Umsatzstärke rangiert die
Beklagte ausweislich der Anlage K 8 zur Klageschrift nur an 4. Stelle. Entgegen der
Auffassung der Beklagten besteht kein Anlasse, die Firma B deshalb nicht in den
Vergleich einzubeziehen, weil es sich um einen Mitnahmemarkt handelt. Denn es
besteht kein Grund für die Annahme, dass die angesprochenen Verkehrskreise
von diesem Umstand auf die mangelnde Vergleichbarkeit der B mit denen der
Beklagten schließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vor-läufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§
543 Abs. 2 ZPO). Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten
Umstände des zu entscheidenden Einzelfalles, das heißt der konkret angegriffenen
Werbeanzeige, die das Gericht auf der Grundlage anerkannter Rechtsgrundsätze
bewertet hat.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.