Urteil des OLG Frankfurt vom 13.03.2017

OLG Frankfurt: anstalt, form, gefahr, verfügungsbefugnis, strafvollzug, beschränkung, immaterialgüterrecht, wiederholung, quelle, zivilprozessrecht

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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ws 762 - 763/05
(StVollz), 3 Ws
762/05 (StVollz), 3
Ws 763/05
(StVollz)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 83 Abs 2 S 2 StVollzG
(Strafvollzug: Voraussetzungen der Beschränkung der
Verfügungsbefugnis über Eigengeld bei dessen
Notwendigkeit als Überbrückungsgeld)
Gründe
Der Gefangene verbüßt Freiheitsstrafen in der O2. Das Strafende ist auf den
25.2.2009, der gemeinsame 2/3-Zeitpunkt auf den 25.6.2008 notiert. Im März
2005 beantragte der Gefangene, einen Betrag von 53, 10 € von seinem
Eigengeldkonto auf sein Hausgeldkonto umzubuchen, um damit (im
Gefangeneneinkauf) einkaufen zu können. Zum 24.3. 2005 wiesen das
Hausgeldkonto 0,90 €, das Eigengeldkonto 153, 13 € aus. Das Überbrückungsgeld
war auf 1.380 € festgesetzt, angespart waren hiervon 480, 30 €.
Mit Bescheid vom 24.3.2005 wies die Anstalt das genannte Begehren im
Wesentlichen mit der Begründung zurück, solange das Überbrückungsgeld nicht
vollständig angespart sei, könne über das Eigengeld nur dann verfügt werden,
wenn es nicht als Überbrückungsgeld notwendig sei. Ansparraten sehe das Gesetz
nicht vor. Vielmehr müsse das Überbrückungsgeld möglichst schnell in voller Höhe
vorliegen. Da der Gefangene derzeit - unverschuldet - ohne Beschäftigung sei, sei
ein weiterer Zufluss nicht zu erwarten.
Den Bescheid vom 24.3.2005 nahm der Gefangene zum Anlass,
Dienstaufsichtbeschwerde gegen den Vollzugsabteilungsleiter zu erheben. Die
Beschwerde wurde mit Bescheid vom 5.4.2005 zurückgewiesen.
Mit seinem - form- und fristgerechten - Antrag auf gerichtliche Entscheidung
wandte sich der Gefangene gegen die Bescheide vom 24.3.2005 und vom
5.4.2005. Durch den angefochtenen Beschluss hat die Kammer den Antrag
zurückgewiesen.
Hiergegen - indes wie die Auslegung ergibt, beschränkt auf die Verwerfung des
gegen den Bescheid vom 24.3.2005 gerichteten Antrags auf gerichtliche
Entscheidung - richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in gleicher
Weise mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde des Gefangenen.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der
Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§
116 I StVollzG). Es gilt, der Gefahr der Wiederholung des im Nachfolgenden
aufgezeigten Rechtsfehlers entgegen zu wirken.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Überprüfung auf die in zulässiger Form
erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des
- nur noch - angefochtenen Bescheides der Anstalt vom 24.3.2005 sowie zur
Verpflichtung der Vollzugsbehörde, den Antragsteller erneut zu bescheiden (§§
119 IV, 115 IV StVollzG).
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Der Einkauf vom Eigengeld kann grundsätzlich nur gestattet werden und
demzufolge eine Umbuchung vom Eigengeldkonto auf das Hausgeldkonto nur
erfolgen, wenn der Gefangene über das Eigengeld verfügen kann. Aus § 83 II 2
StVollzG folgt, wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat, dass diese
Verfügungsbefugnis nicht besteht, soweit das Eigengeld als Überbrückungsgeld
notwendig ist (vgl. Senat, ZfStrVo 1986, 380, 381; OLG Hamm, ZfStrVo 1981, 251;
OLG Karlsruhe, ZfStrVo 1981, 381; OLG Hamburg, NStZ 1981, 39 und OLG
Zweibrücken, NStZ 1984, 479). Dabei ist jedoch zu beachten, dass das
festgesetzte Überbrückungsgeldsoll erst zum Ende der voraussichtlichen Haftzeit
erreicht werden muss. Zwar wird das Überbrückungsgeld aus den Bezügen des
Gefangenen gebildet (§ 51 I StVollzG). Indes ist grundsätzlich mit einer
Beschäftigung des Gefangenen und fortlaufenden Geldeingängen für das
Überbrückungsgeld zu rechnen (OLG Zweibrücken aaO). Die Heranziehung von
Eigengeld ist daher nur notwendig i.S. des § 83 II 2 StVollzG, soweit bei
planmäßiger Aufstockung des Überbrückungsgeldes das Erreichen des Solls bei
Vollzugsende nicht gewährleistet ist (vgl. Senat aaO, OLG Hamm, aaO; OLG
München, ZfStrVo 1980, 122). Deshalb trifft die von der Kammer geteilte
Auffassung der Vollzugsbehörde, das Überbrückungsgeld sei mit allen verfügbaren
Bezügen so schnell wie möglich anzusparen, gerade nicht zu (Senat aaO;
Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Aufl., § 51 Rn 3; Lückemann, in:
Arloth/Lückemann, StVollzG, § 51 Rn 5;- jew. m.zw.Rspr.N). Vielmehr sind im Wege
einer Ermessensentscheidung auch niedrigere Sparraten festzusetzen (vgl. OLG
Hamburg, ZfStrVo 2003, 113), bzw. Teile des Eigengeldes freizugeben. Von
diesem Ermessen hat die Anstalt schon auf Grund ihres unzutreffenden
rechtlichen Ansatzes nicht rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht.
Bei der Bestimmung der Höhe des als Überbrückungsgeld notwendigen
Eigengeldes ist allerdings zu beachten, dass die konkrete Gefahr, dass der
Gefangene künftig keiner Beschäftigung nachgehen, mithin auch keine Bezüge
erhalten kann, in die Ermessensentscheidung mit einfließen darf (vgl. OLG Celle,
OLG Zweibrücken, ZfStrVo 1983, 383). Eine derartige Gefahr hat die Anstalt indes
nicht dargelegt. Die Tatsache, dass der Gefangene zum Zeitpunkt der
Entscheidung der Anstalt über sein Begehren unverschuldet ohne Arbeit war,
besagt nicht, dass er dies auch während der verbleibenden, recht erheblichen
Haftzeit bleiben wird. Es kommt auch nicht darauf an, ob sicher zu erwarten ist,
dass das notwendige Überbrückungsgeld zum Zeitpunkt der Entlassung zur
Verfügung stehen wird, sondern ob dies voraussichtlich der Fall sein wird (OLG
Zweibrücken aaO). Die Anstalt hätte daher zur fehlerfreien Ermessensausübung
Tatsachen darlegen müssen, aus denen - über allgemeine Befürchtungen hinaus -
sich ein konkreter Anlass ergibt, ernsthaft daran zu zweifeln, dass der Antragsteller
in der verbleibenden Haftzeit Arbeit und Bezüge erhält, die dazu ausreichen, das
volle Überbrückungsgeld anzusparen. Hierzu verhält sich indes weder der
angefochtene Bescheid, noch das Vorbringen der Anstalt vor der
Strafvollstreckungskammer.
Der aufgezeigte Ermessenfehler der Vollzugsbehörde zwingt zur Aufhebung ihres
Bescheides und der auf ihn bezogenen Entscheidung der Kammer. Mangels einer
Reduzierung des Ermessens auf Null war die Vollzugsbehörde zu einer
Neubescheidung des Gefangenen zu verpflichten.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung basiert auf § 121 II 1, IV StVollzG i.V. mit §
473 III, IV StPO.Die Festsetzung der Gegenstandswerte beruht auf §§ 60, 65, 63 III,
52 I, III GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.