Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.04.2003

OLG Düsseldorf: stand der technik, erfindung, patentverletzung, aufzug, einheit, patentanspruch, erstreckung, vertragsstrafe, breite, örtliche zuständigkeit

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 6/02
Datum:
10.04.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 6/02
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13. November 2001
verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düssel-
dorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise
wie folgt abgeändert:
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise
Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im
Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
a)
Antriebsscheibenaufzüge mit einer Aufzugskabine, die sich entlang von
Aufzugsführungsschienen bewegt, einem Gegengewicht, das sich
entlang von Gegengewichtsführungsschienen bewegt, einem Satz von
Hubseilen, an denen die Aufzugskabine und das Gegengewicht
aufgehängt sind, und einer Antriebs-maschineneinheit, die eine
Antriebsscheibe umfasst, die durch die Antriebsmaschine angetrieben
wird und mit Hubseilen zusammenwirkt, wobei die
Antriebsmaschineneinheit des Aufzugs im obersten Teil des
Aufzugsschachtes angeordnet ist im Bereich zwischen dem
Schachtraum, der von der Aufzugskabine auf ihrem Weg benötigt wird
und/oder der oberen Verlängerung dieses Schachtbereichs und einer
Wand des Aufzugsschachtes,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen
oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder
zu besitzen,
bei denen die Hubseile über Umlenkrollen unter der Aufzugskabine
entlang geführt sind, und die Antriebsmaschineneinheit von flacher
Konstruktion ist,
und/oder
b)
Antriebsmaschineneinheiten von flacher Konstruktion, die eine
Antriebsscheibe umfassen, die durch die Antriebsmaschine an-getrieben
wird und mit Hubseilen zusammenwirkt,
und die geeignet sind,
in einem Antriebsscheibenaufzug mit einer Aufzugskabine, die sich
entlang von Aufzugsführungsschienen bewegt, einem Gegengewicht,
das sich entlang von Gegengewichtsführungsschienen bewegt, einem
Satz von Hubseilen, an denen die Aufzugskabine und das
Gegengewicht aufgehängt sind, im obersten Teil des Aufzugsschachtes
im Bereich zwischen dem Schachtraum, der von der Aufzugskabine auf
ihrem Weg benötigt wird und einer Wand des Aufzugsschachtes , wobei
die Hubseile über Umlenkrollen unter der Aufzugskabine entlang geführt
sind, angeordnet zu werden,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern,
ohne im Falle des Anbietens den Angebotsempfänger und im Falle des
Lieferns den Abnehmer unübersehbar (= deutlich erkennbar) schriftlich
darauf hinzuweisen, dass die Antriebsmaschineneinheit nicht ohne
Zustimmung der Klägerin als eingetragener Inhaberin des europäischen
Patents 0 631 967 in Antriebsscheibenaufzüge in der vorstehend
beschriebenen Weise eingebaut werden darf,
2.
der Klägerin Auskunft zu erteilen für die Zeit ab dem 3. Januar 1998 über
die Herkunft und den Vertriebsweg der vorstehend unter 1.a) und 1.b)
beschriebenen Erzeugnisse, jeweils insbesondere unter Angabe der
Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten, deren
Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Angebotsempfänger
sowie unter Angabe der Menge der hergestellten, ausgelieferten,
erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,
3.
der Klägerin Rechnung darüber zu legen , in welchem Umfang sie die zu
1.a) und 1.b) bezeichneten Handlungen seit dem 3. Januar 1998
begangen hat, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit der
Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach
Liefermengen, -zeiten, -preisen und Produktbe-
zeichnungen sowie Namen und Anschriften der
gewerblichen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots-
mengen, -zeiten, - preisen und Produktbezeichnungen
sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe-
trägern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und
Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klä-
gerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. a) und I. 1. b)
bezeichneten und seit dem 3. Januar 1998 began- genen Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
IV.
Die Kosten erster Instanz werden zu 80% der Beklagten und
zu 20 % der Klägerin auferlegt.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte
85% und die Klägerin 15% zu tragen.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nach- gelassen,
die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicher- heitsleistung in
Höhe von Euro 250.000,00 abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von
Euro 10.000,00 abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistungen können jeweils auch
durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik
Deutschland geschäftsansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen
Sparkasse erbracht werden.
VI.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt
Euro 242.863,64 (= DM 475.000,00).
VII.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichen
europäischen Patentes 0 631 967 (Anlage K 1; nachfolgend: Klagepatent), das einen
Antriebsscheibenaufzug ("Traction sheave elevator") betrifft. Die Erteilung des
Klagepatents ist am 3. Dezember 1997 veröffentlicht worden.
2
Der Patentanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:
3
Traction sheave elevator comprising an elevator car (1) moving along elevator guide
rails (10) , a counterweight (2) moving along counterweight guide rails (11), a set of
hoisting ropes (3) on which the elevator car and the counterweight are suspen- ded, and
a drive machine unit (6) comprising a traction sheave (7) driven by the drive machine
and engaging the hoisting ro- pes (3), wherein the drive machine unit (6) of the elevator
is placed in the top part of the elevator shaft (15) in the space between the shaft space
needed by the elevator car on its path and/or the overhead extension of the shaft space
needed by the elevator car and a wall of the elevator shaft (15), characterized in that the
hoisting ropes are passed under the elevator car by means of diverting pulleys, and that
the elevator motor has a discoidal rotor (117, 317) and/or that the machine unit (6) is of a
flat construction type and/or that the drive ma- chine unit (6) is gearless.
4
In der Klagepatentschrift (Anlage K 1) lautet die deutsche Übersetzung des Anspruches
1 wie folgt:
5
Antriebsscheibenaufzug mit einer Aufzugskabine (1), die sich entlang von
Aufzugsführungsschienen (10) bewegt, einem Ge- gengewicht (2), das sich entlang von
Gegengewichtsführungs- schienen (11) bewegt, einem Satz von Hubseilen (3), an
denen die Aufzugskabine und das Gegengewicht aufgehängt sind, und einer
Antriebsmaschineneinheit (6), die eine Antriebs- scheibe (7) umfaßt, die durch die
Antriebsmaschine angetrie- ben wird und mit den Hubseilen (3) zusammenwirkt, wobei
die Antriebsmaschineneinheit (6) des Aufzugs im obersten Teil des Aufzugsschachts
(15) angeordnet ist im Bereich zwischen dem Schachtraum, der von der Aufzugskabine
6
auf ihrem Weg benötigt wird und/oder der oberen Verlängerung dieses Schachtbereichs
und einer Wand des Aufzugsschachtes (15), dadurch gekennzeichnet, daß die Hubseile
über Umlenkrollen (4,5) unter der Aufzugskabine (1) entlanggeführt sind, und daß der
Aufzugsmotor einen scheibenförmigen Rotor (117, 317) und/oder eine flache
Maschineneinheit (6) und/oder eine getriebelose Antriebsmaschineneinheit (6) aufweist.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat am 2. April 1998 eine deutsche Übersetzung
der Klagepatentschrift veröffentlicht (Anlage K 2), in welcher der Anspruch 1 in gleicher
Weise übersetzt ist.
7
Gegen die Erteilung des Klagepatents ist von dritter Seite Einspruch eingelegt worden
(vgl. Anlage B 1 sowie Schriftsatz der Beklagten vom 26. Juli 2001 Seiten 2/3 - Bl. 79/80
GA). Was aus dem eingelegten Einspruch geworden ist bzw. wie der Stand des
Einspruchsverfahrens ist, haben die Parteien nicht vorgetragen.
8
Die Beklagte, ein in Spanien ansässiges Unternehmen, stellt her und bietet unter
anderem unter ihrer Domain "www.autur.com" komplette Aufzugsanlagen "Ascen-sores
completos" an (vgl. Anlage K 15 sowie der in Deutschland verteilte Prospekt gemäß
Anlage K 13 mit der Aussage: "Mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Herstellung von
Aufzugsanlagen"). Auf der Fachmesse "Interlift 99", die in der Zeit vom 12. bis 15.
Oktober 1999 in Augsburg stattfand, stellte die Beklagte eine Aufzugskonstruktion aus.
Über die ausgestellte Aufzugskonstruktion verhalten sich die von der Klägerin als
Anlagen K 12 überreichten 7 farbigen Fotografien, von denen nachstehend die Fotos 2,
4 und 5 in Schwarz-Weiß-Kopien wiedergegeben sind, sowie die als Anlage CCP 2
überreichten Fotografien.
9
Die aus dem vorstehend wiedergegebenen Foto 5 deutlich ersichtliche
Antriebsmaschineneinheit wird von der Beklagten unter der Bezeichnung "SCV -70"
unabhängig von einem Antriebsscheibenaufzug in der Bundesrepublik Deutschland
beworben, angeboten und vertrieben, wobei die nachstehend wiedergegebene
Darstellung von "SCV-70" aus dem von der Beklagten in der Bundesrepublik
Deutschland verteilten Prospekt gemäß Anlage K 13 herrührt.
10
Die Einbautiefe dieser Antriebsmaschineneinheit beträgt bei einer Länge bzw. Höhe
von 835 mm und einer Breite bzw. einem Durchmesser von 420 mm nur 274 mm.
11
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass Antriebsscheibenaufzüge, wie sie die Beklagte
auf der "Interlift 99" in Augsburg ausgestellt habe, sämtliche Merkmale des
Patentanspruches 1 des Klagepatents verwirklichten. Außerdem verletze die Beklagte
mit dem Anbieten und Liefern von Antriebsmaschineneinheiten entsprechend dem Typ
"SCV-70" in der Bundesrepublik Deutschland mittelbar ihre Rechte aus dem
Klagepatent. Diese Antriebsmaschineneinheit sei bestimmt und geeignet, in
patentgemäßen Antriebsscheibenaufzügen verwendet zu werden, so wie dies dem
Publikum auch auf der Messe "Interlift 99" mit dem ausgestellten
Antriebsscheibenaufzug von der Beklagten demonstriert worden sei.
12
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Beklagte auf Unterlassung der unmittelbaren
Patentverletzung, der mittelbaren Patentverletzung, auf Auskunft über die Herkunft und
den Vertriebsweg der als patentverletztend angesehenen Erzeugnisse, auf
Rechnungslegung und auf Herausgabe der als patentverletzend angesehenen
Antriebsscheibenaufzüge zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen sowie
13
die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen der
unmittelbaren und mittelbaren Patentverletzung begehrt.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten, hilfsweise um Aussetzung des
Rechtsstreits wegen des anhängigen Einspruchsverfahrens betreffend das Klagepatent.
14
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Im übrigen
hat sie den Verletzungsvorwurf bestritten und geltend gemacht, dass sie Aufzüge der
beanstandeten Art weder herstelle noch anbiete. Sie sei ein Motoren- und
Getriebehersteller. Bei dem auf der "Interlift 99" gezeigten "Messeaufzug" habe es sich
lediglich um ein Demonstrationsobjekt gehandelt, welches den Einsatz der von ihr
hergestellten Getriebemotoren habe demonstrieren sollen. Der gezeigte "Messeaufzug"
sei nicht zum Kauf angeboten worden. Ihm habe es im übrigen auch an einer
Aufzugskabine gefehlt, so dass er ein wesentliches Merkmal der Erfindung nicht
verwirklicht habe. Vor allem aber habe er von dem letzten kennzeichnenden Merkmal
des Patentanspruches 1 des Klagepatents keinen Gebrauch gemacht. Wie die Klägerin
selbst einräume, habe der Aufzugsmotor weder einen scheibenförmigen Rotor
aufgewiesen noch habe es sich um eine getriebelose Antriebsmaschineneinheit
gehandelt. Tatsächlich handele es sich bei der "SCV-70"- Einheit um eine
Motorgetriebeeinheit mit Antriebsscheibe, wobei zwischen Motor und Antriebsscheibe
ein Winkelgetriebe vorgesehen sei. Aber auch das Merkmal, wonach der "Aufzugsmotor
eine flache Maschineneinheit aufweise", bzw. das Merkmal "that the machine unit (6) is
of a flat construction" sei nicht verwirklicht.
15
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents liege nicht vor, da das letzte
kennzeichnende Merkmal auch in der Alternative, dass die Antriebsmaschineneinheit
von flacher Konstruktion ist ("that the machine unit (6) is of a flat construction"), bei der
angegriffenen Ausführungsform nicht verwirklicht sei. "Flach" bzw. von "flacher
Konstruktion" sei eine Antriebsmaschineneinheit im Sinne der Erfindung nur, wenn sie
so auf den Teil des Aufzugsschachts, der sich über dem Gegengewichtsweg erstrecke,
angepasst sei, dass sie im Wesentlichen den gleichen Querschnittsraum einnehmen
könne, wie er bereits in dem Aufzugsschacht von dem Gegengewicht und den
zugehörigen Hubseilen belegt sei und ihre Anordnung damit keinen zusätzlichen Platz
erfordere. Über eine derartig "flache" Maschineneinheit im Sinne des Klagepatents
verfüge die angegriffene Ausführungsform nicht. Zwar sei nach den Maßangaben in
dem Prospekt gemäß Anlage K 13 die Einbautiefe der Antriebsmaschineneinheit
wesentlich geringer als ihre horizontale und vertikale Erstreckung, doch darauf komme
es nicht an. Entscheidend sei vielmehr, ob darüber hinaus die Einbautiefe gleich der
Dicke des Gegengewichts sei. Dass dies bei dem von der Beklagten auf der Fachmesse
"Interlift 99" ausgestellten Aufzug der Fall gewesen sei, könne nicht festgestellt werden.
Die Ausmaße des Gegengewichts und des für das Gegengewicht benötigten Raums
seien nicht vorgetragen worden. Die überreichten Fotografien gäben insoweit keinen
sicheren Aufschluss. - Eine mittelbare Patentverletzung sei ebenfalls nicht gegeben. Es
sei schon fraglich, ob es sich bei der von der Beklagten vertriebenen Antriebsmaschine
"SCV-70" um ein wesentliches Element der Erfindung im Sinne von § 10 PatG handele.
Jedenfalls seien aber die subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren
Patentverletzung nicht erfüllt. Im vorliegenden Fall könne nicht festgestellt werden, dass
die Angebotsempfänger der Beklagten aufgrund der Präsentation der angegriffenen
Antriebsmaschine auf der Messe "Interlift 99" eine Anleitung erhielten, wie diese
Antriebsmaschine im Schachtraum eingebaut werden müsse, um eine effiziente
16
Platzausnutzung zu erreichen. Für den Angebotsempfänger sei insoweit nicht
ersichtlich, dass das Einbaubeispiel eine Anordnung im Schachtraum ohne
zusätzlichen Platzbedarf betreffen solle.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, ohne den erstinstanzlich auch
verfolgten Anspruch auf Herausgabe von Antriebsscheibenaufzügen zum Zwecke der
Vernichtung weiterzuverfolgen. In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr
erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.
17
Die Klägerin macht ergänzend insbesondere geltend, dass das Landgericht das letzte
kennzeichnende Merkmal des Patentanspruches 1 in der hier geltend gemachten
Alternative unzutreffend ausgelegt habe und daher auch bei der Frage der Verletzung
zu einem unrichtigen Ergebnis gekommen sei. Aus der Sicht des durch die
Klagepatentschrift angesprochenen Fachmanns bestehe der "Witz" des Klagepatents
darin, im Unterschied zu dem Stand der Technik gemäß der japanischen Schrift (Anlage
K 8) einen Aufzug bereitzustellen, bei dem eine flache Antriebsmaschineneinheit
kombiniert werde mit der Anordnung der Hubseile unter der Aufzugskabine. Der
technische Wortsinn des Merkmals von der "Flachheit" bestehe darin, die Einbautiefe
(Dicke) im Verhältnis zur Breite gering zu halten bzw. zu verringern. Sie verweise
insoweit auf Seite 5 letzter Absatz der Beschreibung der deutschen Übersetzung der
Klagepatentschrift (Anlage K 2). Nur für eine besonders vorteilhafte Ausgestaltung der
Erfindung, die Gegenstand von Unteransprüchen sei, sei als Bezugsgröße für die
Flachheit der Maschineneinheit die Einbautiefe (Dicke) des Gegengewichts genannt.
Mit der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung würden - patentrechtlich
unzulässig - bereits Besonderheiten der Unteransprüche zum Gegenstand des
allgemeineren Anspruchs 1 gemacht. Mit dem Antriebsscheibenaufzug, den die
Beklagte auf der "Interlift 99" ausgestellt habe, habe sie auch unmittelbar den
Patentanspruch 1 des Klagepatents verletzt. Dieser Aufzug habe - wie bereits
erstinstanzlich vorgetragen - über eine voll funktionsfähige Aufzugskabine verfügt. Sie
verweise insoweit auch auf die überreichten Fotografien.
18
Die Klägerin beantragt,
19
zu erkennen, wie unter Ziffern I. 1.a) und 2., 3 sowie II. des Urteilsausspruches
geschehen, und zusätzlich zu Ziffer I. 1.a) die Beklagte auch zur Unterlassung des Her-
stellens in der Bundesrepubik Deutschland zu verurtei- len, und abweichend von Ziff. 1.
b) des Urteilsausspru- ches und weitergehend die Beklagte insoweit zu verur- teilen, es
zu unterlassen,
20
Antriebsmaschineneinheiten, die eine Antriebsscheibe umfassen, die durch die
Antriebsmaschine angetrieben wird und mit den Hubseilen zusammenwirkt und die An-
triebsmaschineneinheit von flacher Konstruktion ist,
21
und die geeignet sind,
22
in einem Antriebsscheibenaufzug mit einer Aufzugska- bine, die sich entlang von
Aufzugsführungsschienen bewegt, einem Gegengewicht, das sich entlang von
Gegengewichtsführungsschienen bewegt, einem Satz von Hubseilen, an denen die
Aufzugskabine und das Gegengewicht aufgehängt sind, im obersten Teil des
Aufzugschachtes im Bereich zwischen dem Schacht- raum, der von der Aufzugskabine
auf ihrem Weg benö- tigt wird, und einer Wand des Aufzugsschachtes, wobei die
23
Hubseile über Umlenkrollen unter der Aufzugskabine entlang geführt sind, angeordnet
zu werden,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern,
24
ohne
25
im Falle des Anbietens den Angebotsempfänger un- übersehbar schriftlich darauf
hinzuweisen, dass die An- triebsmaschineneinheit ohne Zustimmung der Klägerin als
eingetragener Inhaberin der EP 0 631 967 nicht in Antriebsscheibenaufzüge in der
vorstehend beschriebe- nen Weise eingebaut werden darf,
26
und
27
im Falle des Lieferns
28
den Abnehmer bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden,
an die Klägerin zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von Euro 5.200 zu verpflichten, die
Antriebsmaschineneinheit nicht ohne Zustimmung der Klägerin als eingetragener
Inhaberin der EP 0 631 967 in Aufzugsschächten von Antriebs- scheibenaufzügen in der
vorstehend beschriebenen Weise zu installieren.
29
Die Beklagte beantragt,
30
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
31
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend. Der
Durchschnittsfachmann werde durch die Beschreibung und die Figuren der
Klagepatentschrift in der Annahme bestärkt, dass sich die "Flachheit" der
Antriebsmaschineneinheit im Sinne des Anspruches 1 des Klagepatents auch an der
Dicke des Gegengewichts zu orientieren habe. Insoweit sei auch auf die Kritik in der
Klagepatentschrift an dem japanischen Gebrauchsmuster 4 - 50297 (Anlage K 8) zu
verweisen. Dieses werde nämlich dahingehend kritisiert, dass bei ihm die Basisfläche
der Antriebseinheit relativ groß sei, weshalb ein großer Abstand zwischen dem
Kabinenpfad und der Schachtwand vorgesehen werde, was eine größere Grundfläche
des Aufzugsschachtes und daher größere Aufwendungen bei den Bauwerkskosten
bedinge. Der Fachmann sehe, dass dort in der Tat die Basisfläche im Verhältnis zur
Dicke des Gegengewichts sehr groß sei, so dass dort ein Abstand zwischen dem
Kabinenpfad und der Schachtwand vorgesehen sei, der über das hinausgehe, was
durch die Dicke des Gegengewichts bedingt sei. Andererseits sehe der Fachmann aber
auch, dass dort die Einbautiefe der Maschineneinheit, zu der die Basisfläche 21 zähle,
im Verhältnis zur Breite, d. h. zur Erstreckung parallel zur Schachtwand, bereits gering
sei, so dass dies kein entscheidendes Kriterium für die erfindungsgemäße Flachheit
sein könne. Bei einem anderen Verständnis lösten die Mittel des Patentanspruches 1
auch nicht die Aufgabe des Klagepatents. Dabei müsse beachtet werden, dass nach
einem weiteren Merkmal des Patentanspruches, welches sich im Oberbegriff befinde,
die Maschineneinheit derart in dem Bereich zwischen Kabinenpfad und Schachtwand
angeordnet werden müsse, dass sie sich in und nicht etwa neben dem für das
Gegengewicht benötigten Querschnittsraum des Schachtes befinde. Bei der
angegriffenen Ausführungsform, wie sie auf Messe "Interlift 99" ausgestellt gewesen sei,
sei die eingesetzte Antriebsmaschineneinheit "SCV-70" doppelt so dick wie das
32
Gegengewicht gewesen und habe daher zu keiner effizienten Platzausnutzung führen
können. Die von der Klägerin vorgelegten Fotos belegten nichts Gegenteiliges. - Auch
die Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung lägen nicht vor. Im übrigen sei
der insoweit gestellte Antrag der Klägerin auch zu weitgehend mit dem Begehren, von
den Abnehmern ein Vertragsstrafeversprechen zu fordern. Vorsorglich berufe sie sich
schließlich überdies auf ein Weiterbenutzungsrecht gemäß Artikel II § 3 Abs. 5
IntPatÜG. Die fehlerhafte deutsche Übersetzung des Patentanspruches 1 im letzten
kennzeichnenden Merkmal gehe zu Lasten der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
33
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
34
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache überwiegend Erfolg.
35
Die Beklagte hat in der Bundesrepublik Deutschland Antriebsscheibenaufzüge
gewerbsmäßig gebraucht (vgl. Fotografien gemäß Anlagenkonvolut K 12 und CCP 2),
die von sämtlichen Merkmalen des Patentanspruches 1 des Klagepatents
wortsinngemäß Gebrauch machen, so dass die Beklagte wegen unmittelbarer
Verletzung des Patentanspruches 1 des Klagepatents zur Unterlassung,
Auskunftserteilung und Rechnungslegung und, da diese Verletzungshandlungen
schuldhaft begangen worden sind, auch zum Schadensersatz verpflichtet ist. Soweit das
Begehren der Klägerin im Hinblick auf die angegriffenen Antriebsscheibenaufzüge
allerdings dahin geht, die Beklagte auch zu verurteilen, es zu unterlassen, in der
Bundesrepublik Deutschland derartige Aufzüge herzustellen, war es jedoch
abzuweisen, da nichts dafür dargetan ist, dass die Beklagte als in Spanien ansässiges
Unternehmen in der Vergangenheit die in Rede stehenden Aufzüge in der
Bundesrepublik hergestellt hat oder aber insoweit nunmehr die Gefahr droht, sie werde
diese Antriebsscheibenaufzüge in der Bundesrepublik Deutschland herstellen.
36
Die Beklagte ist überdies aber auch wegen des in der Bundesrepublik erfolgten
Anbietens und Lieferns von Antriebsmaschineneinheiten, wie sie von ihr unter der
Bezeichnung "SCV-70" angeboten und in den Verkehr gebracht werden, ohne dabei die
Angebotsempfänger und Abnehmer unübersehbar (= deutlich erkennbar) schriftlich
darauf hinzuweisen, dass die Antriebsmaschineneinheit nicht ohne Zustimmung der
Klägerin als eingetragener Inhaberin des europäischen Patentes 0 631 967 in
Antriebsscheibenaufzüge in der im Patentanspruch 1 gelehrten Weise eingebaut
werden darf, wegen mittelbarer Patentverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung,
Rechnungslegung und Schadensersatz verpflichtet. Die Un-terlassungsverpflichtung im
Falle des Lieferns solcher Antriebsmaschineneinheiten geht damit nicht so weit , wie
dies von der Klägerin begehrt wird. Von der Beklagten kann nämlich im Falle des
Lieferns nicht verlangt werden, dass sie ihre Abnehmer bei Meidung einer für jeden Fall
der Zuwiderhandlung fällig werdenden Vertragsstrafe in Höhe von Euro 5.200
verpflichtet, die Antriebsmaschineneinheit nicht ohne ihre, der Klägerin, Zustimmung in
Aufzugsschächten von Antriebsscheibenaufzügen der im Urteilsausspruch zu Ziffer I.1.
beschriebenen Weise zu installieren. Insoweit war daher das Klagebegehren
abzuweisen.
37
I. Das Klagepatent betrifft einen Antriebsscheibenaufzug mit den Merkmalen des
Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 (Sp. 1, Z. 3,4). Merkmalsmäßig gegliedert handelt
38
es sich mithin um einen Antriebsscheibenaufzug mit
einer Aufzugskabine, die sich entlang von Aufzugsführungsschienen bewegt,
39
einem Gegengewicht, das sich entlang von Gegengewichtsführungsschienen bewegt,
40
einem Satz von Hubseilen, an denen die Aufzugskabine und das Gegenge- wicht
aufgehängt sind und
41
einer Antriebsmaschineneinheit, die
42
4.1 eine Antriebsscheibe umfasst, die durch die Antriebsmaschine angetrie- ben wird
und mit den Hubseilen zusammenwirkt,
43
wobei die Antriebsmaschineneinheit des Aufzugs im obersten Teil des Auf-
zugsschachtes angeordnet ist
44
im Bereich zwischen dem Schachtraum, der von der Aufzugskabine auf ihrem Weg
benötigt wird, und/oder der oberen Verlängerung dieses Schachtbereichs mit einer
Wand des Aufzugsschachtes.
45
Die Klagepatentschrift weist den angesprochenen Durchschnittsfachmann einleitend in
Spalte 1, Zeilen 5 - 20 darauf hin, eine der Aufgaben bei der Entwicklung von Aufzügen
bestehe in einer effizienten und ökonomischen Nutzung des Gebäuderaumes. In
konventionellen, durch eine Antriebsscheibe angetriebenen Aufzügen nehme der
Aufzugsmaschinenraum oder ein anderer Raum, der für die Antriebsmaschine reserviert
sei, einen beträchtlichen Teil des Gebäuderaumes ein, der für den Aufzug benötigt
werde. Das Problem bestehe nicht nur im Volumen des Gebäuderaumes , der für den
Aufzug benötigt werde, sondern auch in dessen Anordnung im Gebäude. Es gebe für
die Anordnung des Maschinenraumes mehrere Lösungen, aber sie schränkten im
allgemeinen wesentlich die Ge-staltung des Gebäudes mindestens im Hinblick auf die
Verwendung des Raumes oder bezüglich des Aussehens ein. Beispielsweise könne die
Anordnung eines Maschinenraumes als Störung des Erscheinungsbildes empfunden
werden. Da es sich hier um einen speziellen Platz handele, führe der Maschinenraum
im allgemeinen zu höheren Gebäudekosten. - Daraus entnimmt der Fachmann, dass die
Erfindung die Bereitstellung eines besonderen Raumes für die Antriebsmaschine
vermeiden will.
46
Die Klagepatentschrift verweist den Fachmann weiter darauf, dass hydraulische
Aufzüge des Standes der Technik relativ vorteilhaft bezüglich der Platzausnutzung
seien und sie oftmals gestatteten, die gesamte Aufzugsmaschine im Aufzugsschacht zu
plazieren. Sie bemängelt jedoch an diesen Aufzügen, dass sie nur in Fällen angewandt
werden könnten, bei denen die Hubhöhe nur ein Stockwerk oder höchstens einige
Stockwerke betrage. In der Praxis könnten hydraulische Aufzüge nicht für sehr große
Höhen konstruiert werden (Spalte 1, Zeilen 21 - 27). Der Fachmann erkennt aus dieser
Beschreibungsstelle, dass das Klagepatent im Hinblick auf eine vorteilhafte
Platzausnutzung nicht den Weg gehen will, Hydraulikzylinder zum Bewegen der Kabine
zu benutzen.
47
Schließlich erörtert die Klagepatentschrift die japanische Gebrauchsmusterschrift 4 -
50297 (Anlage K 8).
48
Der Fachmann, der in diese japanische Gebrauchsmusterschrift schaut, findet dort die
nachfolgend wiedergegebenen fünf Figuren , wobei die Fig. 5 einen "cross-sectional
view showing a convential elevator apparatus" darstellt, dem in den Fig. 1 bis 4 die
Neuerung nach der japanischen Gebrauchsmusterschrift gegenübergestellt ist.
49
Die Klagepatentschrift würdigt diese japanische Gebrauchsmusterschrift dahin, dass sie
einen maschinenraumfreien Rucksack-Typ- Aufzug (einen Klein-Typ Aufzug) zeige, bei
dem die Antriebseineinheit auf den oberen Enden der Führungsschienen montiert sei.
Weil jedoch die Basisfläche der Antriebsmaschineneinheit ziemlich bzw. relativ groß
("rather large") sei, müsse "ein großer Abstand zwischen dem Kabinenpfad und der
Schachtwand" vorgesehen werden. Dies bedinge eine größere Grundfläche des
Aufzugsschachtes und daher größere Aufwendungen bei den Bauwerkskosten (Spalte
1, Zeilen 28 - 36).
50
Der Fachmann, der in die Beschreibung der so gewürdigten japanischen
Gebrauchsmusterschrift sieht, entnimmt dieser, dass, um Bauraum zu sparen,
vorgeschlagen wird, den Antrieb eines Aufzugs des sog. Rucksacktyps - ein Typ, der
sich dadurch auszeichnet, dass die Führungsschienen für die Aufzugskabine
zusammen mit der Kabine an einer Seite (der Seite des Gegengewichts) angeordnet
sind - mit in den Aufzugsschacht zu nehmen und auf den Spitzen der unterhalb des
Kabinendachs endenden Führungsschienen zu installieren (vgl. den einzigen Anspruch
sowie Seite 3 Absätze 1 und 2 der englischen Übersetzung in Anlage K 8). - Hinsichtlich
der Ausbildung, Zuordnung zueinander und Dimensionierung der aus "drive unit 3",
"winding unit 7" und "attachement platform 21" bestehenden Antriebsmaschineneinheit
macht diese Druckschrift dem Fachmann weder im einzigen Anspruch noch in der
Beschreibung bestimmte Vorgaben, eine Feststellung, die im übrigen auch für die
Leistung des einzusetzenden Motors und damit der "drive unit 3" gilt. Die Darstellung in
den Figuren ist daher aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns mehr zufällig und
zeigt ein bloßes, in keiner Weise näher ausgerichtetes Konglomerat der verschiedenen
Teile der Antriebsmaschineneinheit auf einer Plattform 21, die diese Teile gleichsam
zusammenhält, wobei allein schon der Umstand, dass die Antriebsscheibe dort
senkrecht und nicht parallel zu der dem Kabinenpfad gegenüberliegenden
Schachtwand und mit ihrer Rotationsebene nicht in einer Linie mit der zylindrischen
Motoreinheit angeordnet ist, eine verhältnismäßig lange Erstreckung der Plattform 21 in
der Einbautiefe und damit insgesamt die Antriebsmaschineneinheit einen
verhältnismäßig großen Abstand zwischen dem Kabinenpfad und der
gegenüberliegenden Schachtwand bedingt.
51
Aus den oben wiedergegebenen Figuren 1 bis 4 der Neuerung nach der japanischen
Gebrauchsmusterschrift sieht der Fachmann, dass dort die Basisfläche der
Maschineneinheit deutlich größer ist als die entsprechende Fläche des Gegengewichts
9, und zwar deshalb, weil sie eine erheblich größere Einbautiefe - also eine Erstreckung
zwischen Kabinenpfad und Schachtwand - hat als das Gegengewicht (vgl.
insbesondere Fig. 1). Der Fachmann mag zugleich aus den Figuren ersehen, dass die
Breite - die Erstreckung parallel zur Schachtwand - der Basisfläche 21 (attachement
platform) der Antriebsmaschineneinheit mit dem Motor 3 (drive unit) und der
Antriebsscheibe 7 (winding unit) größer ist als ihre Einbautiefe, d.h. ihre Erstreckung in
Richtung senkrecht zur Schachtwand, zwischen dieser und dem Kabinenpfad (vgl.
insbes. Figuren 1 und 4). Der Fachmann erkennt aus den Figuren aber vor allem auch,
dass die Antriebsscheibe 7 und der Motor 3 nicht in einer Einbautiefe sparenden
52
Anordnung auf der Basisfläche 21 angeordnet sind, sondern die Antriebsscheibe 7
allein schon durch ihre senkrechte Anordnung der Rotationsebene zur Schachtwand
und zum Motor 3 verhältnismäßig viel Platz benötigt, so daß auch die Basisfläche 21,
die letztlich nur das Verbindungselement für die einzelnen Teile der
Antriebsmaschineneinheit darstellt, einen verhältnismäßig großen Abstand zwischen
Kabinenpfad und Schachtwand erfordert und daher ziemlich groß ist ("rather large").
Als Leser der Klagepatentschrift sieht der Fachmann, dass in ihr die Größe der
Basisfläche der Antriebsmaschineneinheit im Hinblick auf ihre Erstreckung zwischen
dem Kabinenpfad und der gegenüberliegenden Schachtwand beanstandet wird. Da die
japanische Gebrauchsmusterschrift keine Dimensionierungsangaben und auch keine
Leistungsangaben betreffend den einzusetzenden Motor be-inhaltet, wird der Fachmann
diese Beanstandung dahin verstehen, dass die Antriebsmaschineneinheit des Standes
der Technik ihrer Bauart nach ("construction type") nicht als hinreichend schmal bzw.
flach genug angesehen wird, und zwar selbst unter Berücksichtigung des Umstandes,
dass die Figuren bereits eine Ausbildung zeigen mögen, bei der die Basisfläche 21 in
ihrer Einbautiefe, d. h. in ihrer Erstreckung von dem Kabinenpfad zur
gegenüberliegenden Schachtwand geringer ist als in der Breite, d. h. in der Erstreckung
parallel zur vorgenannten Schachtwand. Der Abstand zwischen dem Kabinenpfad und
der Schachtwand soll, wie der Fachmann angesichts dieser Kritik sieht, jedoch kleiner
gehalten werden.
53
Der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift als Aufgabe (technisches Pro-blem),
welches mit der Erfindung nach Patentanspruch 1 gelöst wird, einen Aufzug zur
Verfügung zu stellen, bei dem kein getrennter Maschinenraum benötigt wird ("no
separate machine room is needed" - Spalte 1, Zeilen 56, 57), der überdies unabhängig
von der Hebehöhe ("irrespective of the hoisting height" – Spalte 1, Zeile 40) hinsichtlich
der Ökonomie und Platzausnutzung vorteilhaft ist ("is advantageous in respect of
economy and space utilization" - Spalte 1, Zeilen 38, 39) - jedenfalls vorteilhafter als der
Aufzug nach zuvor gewürdigten japanischen Gebrauchsmusterschrift - und der
zuverlässig (" reliable elevator" -Spalte 1, Zeile 37) insoweit ist, als der Seilverschleiß
vermindert wird ("a circumstance which reduces rope wear" - Spalte 2, Zeilen 7, 8).
54
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 des Klagepatents vor, bei
einem Antriebsscheibenaufzug mit den oben genannten Merkmalen 1 bis 4.3 folgende
weitere Maßnahmen vorzusehen:
55
Die Hubseile sind über Umlenkrollen (4,5) unter der Aufzugskabine (1) entlanggeführt.
56
a) Der Aufzugmotor weist einen scheibenförmigen Rotor (117,317 auf und/oder
57
die Maschineneinheit (6) ist von flacher Konstruktionsart und/oder
58
die Antriebsmaschineneinheit (6) ist getriebelos.
59
Dass die deutsche Übersetzung in der Klagepatentschrift und in der deutschen
Übersetzung der Klagepatentschrift nach Anlage K 2 des maßgebenden englischen
Textes des Anspruchs 1 des Klagepatents fehlerhaft ist, wenn es in dem
interessierenden Anspruchsteil heißt, der Aufzugsmotor weise eine flache
Maschineneinheit (6) auf, erkennt der angesprochene Fachmann auch ohne
Hinzuziehung des englischen Textes, denn ihm ist schon aufgrund des richtig
60
übersetzten Merkmals 4. 1 - und erst recht aufgrund der Beschreibung - klar, dass der
Aufzugsmotor bzw. die Antriebsmaschine ein Teil der Antriebsmaschineneinheit ist und
dass es auf die Flachheit der gesamten Einheit ankommt.
Dem angesprochenen Fachmann wird die erfindungsgemäße Lösung in der
Klagepatentschrift u .a mit Hilfe der nachfolgend (verkleinert) wiedergegebenen Figuren
beispielhafter Ausführungsformen beschrieben, wobei die Fig. 1 einen
erfindungsgemäßen Antriebsscheibenaufzug in schematischer Form zeigt und Fig. 2 ein
Diagramm darstellt, das die Anordnung eines Aufzugs der Erfindung gemäß der
Erfindung in einem Aufzugsschacht in einer Ansicht von oben zeigt, Fig. 3 einen
anderen erfindungsgemäßen Antriebsscheibenaufzug in schematischer Form zeigt, Fig.
4 a ein Diagramm darstellt, das die Anordnung eines Aufzugs gemäß der Erfindung in
einem Aufzugsschacht in einer Seitenansicht zeigt.
61
Nach dem Inhalt der Klagepatentschrift sollen durch das erste kennzeichnende
Merkmal, das Merkmal 5, die Seile die Antriebsscheibe und die Umlenkrollen aus einer
Richtung treffen, die sich in einer Linie mit der Seilrillen der Unmlenkrollen befindet, was
zu einer Verminderung des Seilverschleisses führe (vgl. Spalte 2, Zeilen 9 - 15).
62
Mittels des zweiten kennzeichnenden Merkmals, des Merkmals 6, wird im wesentlichen
zu einer effizienten Verwendung des Querschnittgebiets des Aufzugsschachtes
beigetragen (Spalte 1, Zeilen 58/59), wobei hier nur die zweite Alternative dieses
Merkmals interessiert, die dahin geht, dass die Maschineneinheit von flacher
Konstruktionsart sein soll ("the machine unit (6) is of a flat construction type"). Die
Anweisung, die Antriebsmaschine so auszugestalten, wird der Durchschnittsfachmann
dahin verstehen, insoweit eine Flachbauweise zu verwirklichen, bei der die zu dieser
Einheit gehörenden Aggregate, also insbesondere die Antriebsscheibe und die
Antriebsmaschine (Motor), aber auch die damit verbundenen Teile wie Getriebe und
dergleichen so ausgebildet und so ausgerichtet sind, dass die Einheit insgesamt relativ
zu dem, was der in der Klagepatentschrift gewürdigte Stand der Technik zeigt, eine
geringe Einbautiefe aufweist. Wie eine solche Flachbauweise beispielhaft im
Unterschied zu dem oben aufgezeigten Stand der Technik verwirklicht werden kann,
zeigen insbesondere die wiedergegebenen Figuren 1 und 3 der Klagepatentschrift mit
den Bezugsziffern 6 und 7 sowie der Bezugsziffer 8, mit der die zur Maschineneinheit
zugehörige Ausrüstung gekennzeichnet ist.
63
Die Flachheit der erfindungsgemäßen Antriebsmaschineneinheiten geht bei sämtlichen
Figuren der Klagepatentschrift so weit, dass ihre Dicke die des Gegengewichts (2) nicht
übersteigt, was einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung nach
Unteranspruch 5 des Klagepatents entspricht. Auch wenn die Klagepatentschrift in
Spalte 5, Zeilen 53 ff im Rahmen der Beschreibung der Figur 3 der Klagepatentschrift
darauf verweist, dass die Maschineneinheit 6 von flacher Konstruktion verglichen mit der
Größe ("width") des Gegengewichts 2 sei, wobei ihre Dicke vorzugsweise ("preferably")
in etwa gleich der des Gegengewichts sei, einschließlich der Ausrüstung, die man für
die Zuführung der Energie zum Motor benötige, setzt der Patentanspruch 1 jedoch die
flache Bauweise des Merkmals 6 b nicht in Beziehung zu anderen Bestandteilen der
Aufzugsanlage wie zum Beispiel dem Gegengewicht. Solche Bezüge werden erst durch
die Unteransprüche 3, 4 und 5 hergestellt, die der Durchschnittsfachmann als
Besonderheiten bevorzugter Ausführungsbeispiele wertet, zumal die Klagepatentschrift
in Spalte 3, Zeilen 53 ff im Rahmen der Beschreibung der Figur 1 der Klagepatentschrift,
bei der die Maschineneinheit 6 von ebenso flacher Konstruktion verglichen mit der
64
Größe des Gegengewichts 2 wie in Figur 3 ist, die erfindungsgemäße Flachheit mit den
Worten zum Ausdruck bringt, dass die Maschineneinheit verglichen mit ihrer Breite von
flacher Konstruktion sei.
Abgesehen davon, dass der Patentanspruch 1 des Klagepatents die Flachheit der
Bauweise der Antriebsmaschineneinheit nicht in Beziehung zu anderen Bestandteilen
der Aufzugsanlage wie zum Beispiel dem Gegengewicht setzt, gibt er dem Fachmann
auch keine Dimensionierungen hinsichtlich Breite (Länge), Höhe und Dicke (Tiefe) der
Maschineneinheit vor, sondern überläßt die Wahl der geeigneten Dimensionierungen,
sofern eine flache Bauweise der Antriebsmaschineneinheit verwirklicht ist, dem
Fachmann. Dabei ist dem Durchschnittsfachmann durchaus bewußt, dass es
Antriebsmaschinen mit durchaus sehr unterschiedlicher Leistung gibt, die entsprechend
den Verhältnissen im Einzelfall zum Einsatz kommen, und dass auch die
Dimensionierung der Maschineneinheit von der Leistungsstärke abhängen kann. Die
einzusetzende Maschinenleistung hängt u. a. vom Gewicht der Aufzugskabine, dem
Gewicht des Gegengewichts, dem Verhältnis dieser beiden Größen, der zu
überwindenden Reibung, der Transportgeschwindigkeit und der Höhe des
Aufzugsschachtes ab. Insoweit sieht das Klagepatent keine Einschränkungen oder
Begrenzungen vor. Bei der im Patentanspruch 1 des Klagepatents gelehrten "Flachheit"
der Antriebsmaschineneinheit, die letztlich immer nur eine relative Größe sein kann,
kann die Einheit in ihrer Tiefe daher durchaus mehr Raum benötigen als für das
Gegengewicht nebst Sicherheitsabständen und dergleichen unbedingt erforderlich
wäre.
65
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, dass der durch die
Klagepatentschrift angesprochene Durchschnittsfachmann aufgrund der
Aufgabenformulierung in Spalte 1, Zeilen 37 – 46 ein davon abweichendes Verständnis
von der mit dem Merkmal 6 b verfolgten technischen Lehre gewinne. Die
Aufgabenformulierung geht nämlich keineswegs dahin, dass Vorgaben zur
Dimensionierung der Ma-schineneinheit in Relation zu Einrichtungsteilen der
Aufzugsanlage gemacht werden. Wenn es dort heißt, die Platzanforderung im Gebäude
sei im wesentlichen begrenzt auf den Platz, der für die Aufzugskabine und das
Gegengewicht auf ihren Wegen, einschließlich der Sicherheitsdistanzen, und des
Raumes für die Hubseile benötigt würden, so ist das nur eine Beschreibung der bei
einer gattungsgemäßen Aufzugsanlage bestehenden Verhältnisse bezüglich räumlicher
Anordnung der Aufzugsbestandteile, denen Rechnung getragen werden muß, wenn die
bei der japanischen Gebrauchsmusterschrift (Anlage K 8) kritisierten Nachteile
vermieden werden sollen. Dort wird der zu große Abstand aber nur in Beziehung zur
relativen Größe der Basisfläche der Antriebseinheit gesehen und damit zur Bauweise
dieser Einheit; eine Beziehung zur Größe und zum Raumbedarf des Gegengewichts
wird nicht hergestellt.
66
Die dargelegte Sichtweise des Durchschnittsfachmanns von der technischen Lehre des
Merkmals 6 b dahin, die Maschineneinheit in Flachbauweise zu verwirklichen, macht
auch ohne eine Bezugnahme auf andere Teile der Aufzugsanlage wie zum Beispiel das
Gegengewicht durchaus einen technischen Sinn. Mit ihrer Befolgung kann nämlich bei
vorgegebener Leistungsstärke und entsprechender Größe der Maschineneinheit eine
wesentlich effizientere Raumausnutzung erreicht werden, als sie bei einer Gestaltung
und Ausrichtung entsprechend der japanischen Gebrauchsmusterschrift (Anlage K 8),
die im Hinblick auf die Ausbildung der Maschineneinheit dem Fachmann keinerlei
Vorgaben macht und in den Figuren eine Ausbildung zeigt, bei der die einzelnen
67
Bestandteile der Maschineneinheit nicht in einer Flachbauweise ausgebildet und
zueinander ausgerichtet sind, möglich ist. Das wird beispielsweise auch durch die von
der Beklagten überreichte Anlage WKS 3 belegt, die eine durchaus flach ausgebildete
Maschineneinheit in einer gerade durch die Flachheit ermöglichten vorteilhaften
Ausrichtung im Aufzugsschacht zeigt. Man hätte bei Beibehaltung der dargestellten
Größe der Maschineneinheit diese auch nicht flach, sondern dick bauen können und
hätte dann einen größeren Abstand zwischen dem Kabinenpfad und der
gegenüberliegenden Schachtwand benötigt.
Allein auf diesen Vorteil einer Flachbauweise ("flat construction type") stellt jedoch der
Patentanspruch 1 des Klagepatents ab, was dem Durchschnittsfachmann gerade auch
aufgrund der Unteransprüche 3 bis 5 klar wird, die über die durch den Hauptanspruch
vorgegebene Flachheit hinaus (erstmals) eine relative Dimensionierungsvorgabe
machen, relativ insoweit, als die Tiefen- oder Dickenerstreckung der flachen
Maschineneinheit in eine Beziehung zu der jeweils vorgegebenen, aber auch nicht in
absoluten Zahlen beschriebenen Dimensionierung des Gegengewichts gesetzt wird,
wobei die besonderen Vorteile, die mit einer solchen vorteilhaften Ausgestaltung der
Erfindung verbunden sind, in der bereits oben zitierten Spalte 5, Zeilen 53 ff näher
dargestellt sind.
68
II. Von der sich so darstellenden technischen Lehre des Patentanspruches 1 des
Klagepatents hat die Beklagte mit dem gewerbsmäßigen Gebrauchen eines
Demonstrationsaufzuges auf der "Interlift 99" in Augsburg wortsinngemäß Gebrauch
gemacht, wobei sie das Merkmal 6 in der Alternative 6 b bei diesem Aufzug verwirklicht
hat.
69
Der auf der Messe ausgestellte Aufzug hat die Merkmale 1 – 4.2 und 5 wortsinngemäß
verwirklicht. Dies ist in der Berufungsinstanz unstreitig geworden und ergibt sich
überdies aus den überreichten Fotografien gemäß Anlagen K 12 und CCP 2, die
unstreitig den auf der Messe von der Beklagten demonstrierten Aufzug zeigen. Soweit
die Beklagte erstinstanzlich zunächst bestritten hatte, dass der ausgestellte Aufzug
entsprechend Merkmal 1 mit einer Aufzugskabine ausgerüstet gewesen sei, hat sie an
diesem Bestreiten jedenfalls in der Berufungsinstanz nicht festgehalten, nachdem die
Klägerin zu Recht darauf verwiesen hatte, dass die Fotos bereits das Vorhandensein
einer Aufzugskabine zeigten. Mit ihrer Be-rufungserwiderung hat die Beklagte lediglich
die Verwirklichung der Merkmale 4.3 und 6 b bei dem ausgestellten
Demonstrationsaufzug bestritten (vgl. Berufungserwiderung vom 9. Oktober 2002 Seiten
15, 16 – Bl. 159, 160 GA), so dass nachstehend auch nur darauf einzugehen ist.
70
Das Merkmal 4. 3 des Oberbegriffs des Patentanspruches 1 des Klagepatents besagt,
dass eine Antriebsmaschineneinheit im Bereich zwischen dem Schacht-raum, der von
der Aufzugskabine auf ihrem Weg benötigt wird, und /oder der oberen Verlängerung
dieses Schachtbereiches mit einer Wand des Aufzugschachtes angeordnet ist. Es wird
damit vor allem zum Ausdruck gebracht, dass – wie im Stand der Technik nach der
japanischen Gebrauchsmusterschrift (Anlage K 8) – die Antriebsmaschineneinheit nicht
in einem gesonderten Maschinenraum angeordnet werden soll, sondern im
Aufzugsschacht selbst zwischen dem Kabinenpfad bzw. einer Verlängerung dieses
Schachtbereiches einerseits und einer Wand des Aufzugsschachtes andererseits. Mit
diesem Merkmal des Oberbegriffes wird entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht
gelehrt, die Antriebsmaschineneinheit derart in dem Bereich zwischen Kabinenpfad und
Schachtwand anzuordnen, dass sich die Antriebsmaschineneinheit vollständig in und
71
nicht etwa neben dem für das Gegengewicht benötigten Querschnittsraum des
Schachtes befindet. Dem gegenteiligen Vortrag der Beklagten steht nicht nur der
eindeutige Wortsinn dieses Merkmals entgegen, sondern auch der oben unter Ziffer I.
dieser Entscheidungsgründe dargelegte technische Gehalt des Patentanspruches 1 des
Klagepatents, der keinerlei Bezugnahme der Antriebsmaschineneinheit und ihrer
Anordnung zum Gegengewicht und dem dafür benötigten Querschnittsraum erfordert
und zum Inhalt hat.
Dass bei der auf der "Interlift 99" von der Beklagten ausgestellten Aufzugsanlage die
Antriebsmaschineneinheit in dem vorgenannten Bereich des Schachtes entsprechend
dem Wortsinn des Merkmals 4.3 angeordnet gewesen ist, machen die als Anlagen K 12
und CCP 2 überreichten Fotos deutlich, insbesondere das Foto 7 der Anlage CCP 2,
aus der die Anordnung der Antriebsmaschineneinheit auf der der Schachtwand
zugewandten Seite der Kabinenführungsschiene erkennbar ist.
72
Schließlich war bei der auf der "Interlift 99" ausgestellten Aufzugsanlage auch das
Merkmal 6 in der Variante (Alternative) 6 b verwirklicht, da der Aufzug mit einer im Sinne
der oben unter Ziffer I. dieser Entscheidungsgründe beschriebenen
Antriebsmaschineneinheit von flacher Konstruktionsart ( "flat construction type")
ausgerüstet gewesen ist, nämlich mit der Antriebsmaschineneinheit "SCV-70" der
Beklagten, deren Einzelheiten sich aus dem Prospekt gemäß Anlage K 13 ergeben.
Diese Antriebsmaschineneinheit ist eindeutig in einer patentgemäßen Flachbauweise
ausgebildet, wobei die einzelnen Teile, nämliche Antriebsmaschine, Antriebsscheibe
und Getriebe so ausgebildet und zueinander angeordnet sind, dass sich insgesamt ein
flaches Gebilde mit einer Tiefe bzw. Dicke von nur 274 mm bei einer Breite bzw. einem
Durchmesser von 420 mm und einer Länge/Höhe von 835 mm ergibt. Anders als nach
den Figuren der japanischen Gebrauchsmusterschrift sind die Bestandteile der
Antriebsmaschinenheit nicht ohne jegliche besondere Orientierung zueinander
angeordnet, sondern Motor einerseits und Antriebsscheibe sowie Getriebe andererseits
sind gleichsam in einer Linie zueinander so ausgerichtet, dass insgesamt entsprechend
der erfindungsgemäßen Lehre eine "flache" Einheit entsteht. Die Fotografien von der auf
der Fachmesse "Interlift 99" ausgestellten Aufzugsanlage der Beklagten zeigen auch
einen dieser Flachheit entsprechend ausgerichteten Einbau dieser Einheit in dem Raum
gemäß Merkmalen 4.2 und 4.3.
73
III. Die Beklagte hat aber nicht nur mit dem Demonstrationsaufzug auf der Messe "Interlift
99" eine Vorrichtung entsprechend dem Wortsinn des Patentanspruches 1 des
Klagepatents in der Bundesrepublik Deutschland benutzt und damit eine unmittelbare
Patentverletzung begangen, sondern sie bietet mit der Antriebseinheit "SCV-70" in der
Bundesrepublik an und liefert Mittel, die sich auf ein wesentliches Element dieser
Erfindung beziehen, wobei dieses Anbieten und Liefern auch gegenüber Personen
erfolgt ist und erfolgt, die zur Benutzung der klagepatentgeschützten Erfindung nicht
berechtigt sind. Mit diesen Handlungsweisen begeht die Beklagte eine mittelbare
Patentverletzung im Sinne von § 10 PatG.
74
1. Mittel im Sinne des § 10 PatG sind körperliche Gegenstände, mit denen eine
Benutzungshandlung im Sinne des § 9 PatG verwirklicht werden kann (BGH GRUR
2001, 228, 231 - Luftheizgerät). Die angegriffene Antriebsmaschine ist aufgrund ihrer
Flachbauweise dazu geeignet, in einen Antriebsscheibenaufzug eingebaut zu werden,
der die in Anspruch 1 des Klagepatentes angegebenen Merkmale auf-weist. Sie ist - wie
oben dargelegt - von flacher Konstruktionsart ("of a flat con-struction type") im Sinne des
75
Merkmals 6 b.
2. Auch die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung liegen
hinsichtlich des Anbietens und Lieferns von Antriebsmaschineneinheiten "SCV-70"
gemäß dem Prospekt nach Anlage K 13 vor.
76
Die mittelbare Verletzung eines Patentes setzt neben der Eignung des Mittels als
subjektives Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Abnehmer dieses Mittel dazu
bestimmt, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, und dass der mittelbare
Verletzer diese Eignung und Bestimmung positiv kennt oder sie nach den Umständen
offensichtlich ist. Besteht die mittelbare Verletzungshandlung in der Lieferung einer
Vorrichtung, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, muß der
Abnehmer diese ihm gelieferte Vorrichtung so herrichten wollen, dass sie
patentverletzend verwendet werden kann, ohne dass es darauf ankommt, ob er diesen
Willen später verwirklicht und den ihm gelieferten Gegen-stand tatsächlich
patentverletzend nutzt. § 10 PatG 1981 setzt im Gegensatz zur früheren Rechtslage
keine unmittelbare Verletzungshandlung durch den Abnehmer voraus. Über die
Bestimmung zur patentverletzenden Benutzung entscheidet der Angebotsempfänger
oder Abnehmer, er besitzt die alleinige Verfügungsmacht über den gelieferten
Gegenstand. Diese Bestimmung durch den Abnehmer muß der Lieferant kennen und
wollen; er muß vorsätzlich handeln. Diese vom Lieferanten gewollte Zweckbestimmung
der Verwendung des gelieferten Gegenstandes und die Bestimmung des Abnehmers zu
dessen patentverletzender Benutzung bedeuten eine erhebliche Gefährdung der Rechte
des Patentinhabers, weil ein Zusammenwirken zwischen Lieferant und Abnehmer
stattfindet, ohne dass dieses mit herkömmlichen Kategorien von (Mit-)Täterschaft und
Teilnahme erfasst werden kann. Das rechtfertigt letztlich das Verbot der mittelbaren
Benutzung. Zum Nachweis des Handlungswillens des Abnehmers und der Kenntnis
und des Wollens des Lieferanten können Erfahrungen des täglichen Lebens verwertet
werden. Ist ein Gegenstand infolge seiner technischen Eigenart und Zweckbestimmung
auf eine zu einem Patenteingriff führende Benutzung zugeschnitten und wird er zu
einem entsprechenden Gebrauch angeboten, so kann das für die Annahme sprechen, er
sei auch beim Abnehmer zu einer patentverletzenden Benutzung bestimmt (BGH,
GRUR 2001, 228, 231 - Luftheizgerät).
77
So liegen die Dinge auch hier. Durch das von der Beklagten auf der von Herstellern und
Interessenten (Abnehmern) besuchten Messe "Interlift 99" ausgestellte
Demonstrationsobjekt mit der hier in Rede stehenden Antriebsmaschineneinheit,
welches - wie oben dargelegt - sämtliche Merkmale des Patentanspruches 1 des
Klagepatents wortsinngemäß verwirklichte, ist in Verbindung mit der Verbreitung des
Prospektes gemäß Anlage K 13 den Abnehmern ( auch Aufzugsherstellern) , ein Einbau
der Antriebsmaschineneinheit "SCV-70" in einen erfindungsgemäßen
Antriebsscheibenaufzug entsprechend der Merkmalsgruppe 4 des Patentanspruches 1
des Klagepatents nahegelegt, so dass auch die subjektiven Voraussetzungen des § 10
PatG ohne weiteres zu bejahen sind. Angesichts dieser Demonstration auf einer
Fachmesse kann davon ausgegangen werden, dass die Antriebsmaschineneinheit
beim Abnehmer zu einer patentverletzenden Benutzung bestimmt ist.
78
IV. Zur Rechtfertigung ihres Verhaltens kann die Beklagte - ein spanisches
Unternehmen - sich auch nicht mit Erfolg auf Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜG berufen. Nach
dieser Vorschrift darf dann, wenn die Übersetzung der europäischen Patentschrift
fehlerhaft ist, derjenige, der im Inland in gutem Glauben die Erfindung in Benutzung
79
genommen oder wirkliche und ernsthafte Veranstaltungen zur Benutzung der Erfindung
getroffen hat, nach Veröffentlichung der berichtigten Übersetzung die Benutzung für die
Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten unentgeltlich
fortsetzen, wenn die Benutzung keine Verletzung des Patents in der fehlerhaften
Übersetzung der Patentschrift darstellen würde.
Es ist oben im Rahmen der Ziffer I. dieser Entscheidungsgründe darauf hingewiesen
worden, dass die deutsche Übersetzung (Anlage K 2) der Klagepatentschrift, einer
europäischen Patentschrift, die in der englischen Verfahrenssprache abgefasst ist, zwar
im Hinblick auf die hier interessierende Variante (Alternative) der Merkmalsgruppe 6 das
Merkmal 6 b fehlerhaft dahin übersetzt sei, dass der Aufzugsmotor eine flache
Maschineneinheit (6) aufweist, doch zugleich ist dort auch bereits festgestellt worden,
dass dem angesprochenen Fachmann auch ohne Hin-zuziehung des englischen Textes
klar sei, dass der Aufzugsmotor bzw. die Antriebsmaschine ein Teil der
Antriebsmaschineneinheit darstellen muß und dass es auf die Flachheit der gesamten
Einheit ankomme. Auf die oben unter Ziffer I. dieser Entscheidungsgründe insoweit
gegebene Begründung wird verwiesen.
80
V. Aus den zuvor getroffenen Feststellungen einer unmittelbaren und mittelbaren
Benutzung des Klagepatents durch die Beklagte und angesichts der aus den
begangenen Verletzungshandlungen folgenden Wiederholungsgefahr ergibt sich, dass
die Beklagte gemäß Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 1, 9, 10
PatG verpflichtet ist, die Verletzungshandlungen zukünftig zu unterlassen. Dabei gehen
die Unterlassungsverpflichtungen der Beklagten jedoch nicht soweit, wie dies von der
Klägerin begehrt wird.
81
Hinsichtlich der unmittelbaren Patentverletzung ist das Begehren aufgrund der
begangenen Patentverletzung nur insoweit gerechtfertigt, als es darauf gerichtet ist, der
Beklagten zu untersagen, in der Bundesrepublik Deutschland die angegriffenen
Antriebsscheibenaufzüge anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder
zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen. Insoweit besteht angesichts
des auf der Fachmesse "Interlift 99" begangenen Verstosses Wiederholungs- und
Begehungsgefahr. Soweit der Beklagten jedoch auch untersagt werden soll, derartige
Antriebsscheibenaufzüge in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, ist nichts
dafür ersichtlich, dass dies in der Vergangenheit erfolgt ist oder nunmehr die Gefahr
besteht, dass die in Spanien ansässige Beklagte (auch) in der Bundesrepublik
Deutschland die in Rede stehenden Antriebsscheibenaufzüge herstellen wird. Insoweit
fehlt es daher sowohl an einer Wiederholungs- als auch an einer Erstbegehungsgefahr,
die jedoch Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch sind.
82
Aber auch soweit die Klägerin die Beklagten wegen der begangenen mittelbaren
Patentverletzung in Anspruch nimmt, geht ihr Unterlassungsbegehren zu weit und ist
nicht in vollem Umfang gerechtfertigt. Vielmehr ist die Beklagte nicht verpflichtet, weitere
über den im Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. b) genannten Warnhinweis hinausgehende
Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Abnehmer von der Zweckbestimmung abzuhalten,
die angegriffene Antriebsmaschineneinheit in einen klagepatentgeschützten Aufzug
einzubauen. Da die angegriffene Einheit auch außerhalb der Lehre des Klagepatents
verwendet werden kann, kann der Beklagten das Anbieten und Liefern nicht
unbeschränkt untersagt werden, sondern nur, sofern sie nicht durch geeignete
Vorsorgemaßnahmen sicherstellt, dass ihre Abnehmer den ihnen gelieferten
Gegenstand nicht zum patentgemäßen Einbau in einer patentverletzenden
83
Aufzugsanlage benutzen.
Für den Fall des Anbietens verlangt die Klägerin zu Recht, dass die Beklagte ihre
Angebotsempfänger unübersehbar (= deutlich erkennbar) schriftlich darauf hinweist,
dass die Antriebsmaschineneinheit ohne Zustimmung der Klägerin als eingetragener
Inhaberin des europäischen Patentes 0 631 967 nicht in näher beschriebene und dem
Patentanspruch 1 des vorgenannten Patentes entsprechende Antriebsscheibenaufzüge
eingebaut werden darf. Ein solcher Warnhinweis ist notwendig, um den
Angebotsempfängern die Schutzrechtslage vor Augen zu führen und ihnen deutlich zu
machen, dass der Einbau entsprechend dem Patentanspruch 1 des Klagepatents in
einen Antriebsscheibenaufzug mit den Merkmalen dieses Patentanspruches die Rechte
der Klägerin aus dem Klagepatent verletzt. Er ist hier insbesondere auch deshalb
veranlasst, weil die Beklagte selbst auf der Fachmesse "Interlift 99" einen solchen
Einbau demonstriert hatte.
84
Für den Fall des Lieferns kann von der Beklagten jedoch nicht mehr an
Vorsorgemaßnahmen verlangt werden. Die von der Klägerin der Beklagten für diesen
Fall angesonnene Vorsorgemaßnahme, die Abnehmer zu verpflichten, ihnen gegenüber
eine Unterlassungsverpflichtung abzugeben und für den Fall der Zuwiderhandlung eine
Vertragsstrafe zu versprechen, geht dagegen zu weit.
85
Als geeignete Vorsorgemaßnahmen zur Wahrung der Ausschließlichkeitsrechte des
Patentinhabers hat die Rechtsprechung zur mittelbaren Patentverletzung nach dem bis
zum 31. Dezember 1980 geltenden Recht je nach Sachlage einen Warnhinweis, die
Auferlegung einer vertraglichen Unterlassungspflicht und gegebenenfalls auch die
Ausbedingung einer Vertragsstrafe angesehen. Welche dieser Vorkehrungen getroffen
werden müssen, richtete sich nach dem Grad der Gefahr patentverletzender
Benutzungen (BGH GRUR 1961, 627, 628 - Metallspritzverfahren; 1964, 496, 497 -
Formsand II). Die Verpflichtung zur Auferlegung einer Vertragsstrafe behindert den
Lieferanten erheblich in seiner geschäftlichen Tätigkeit. Steht er mit dem Inhaber des
Klagepatents in Wettbewerb, ist es nach der Lebenserfahrung wahrscheinlich, dass ein
Abnehmer bei sonst gleichen Konditionen das nicht mit einem Unterlassungsgebot
beschwerte Lieferangebot des Patentinhabers vorziehen wird, auch wenn er nicht an
eine patentgemäße Benutzung denkt, um aus seiner Sicht überflüssige Komplikationen
zu vermeiden, oder sich nach anderen und ungefährlicheren Bezugsquellen umsehen
wird (vgl. BGH a.a.O. - Formsand II; Teschemacher, Die mittelbare Patentverletzung,
1974, S. 119). Da die Auferlegung einer Vertragsstrafe aus diesen Gründen
wirtschaftlich einem uneingeschränkten Verbot gleichkommt, kann vom Lieferanten nur
unter ganz besonderen Umständen verlangt werden, seinen Abnehmern ein derartiges
Versprechen abzuverlangen. Nach der bis zum 31. Dezember 1980 bestehenden
Rechtslage kam das Auferlegen einer Vertragsstrafe nur in Betracht, wenn davon
ausgegangen werden konnte, dass die Abnehmer auch bei entsprechender Aufklärung
und Verpflichtung das Patent verletzt hätten und hiervon nur durch die Vereinbarung
einer Vertragsstrafe hätten abgehalten werden können (vgl. BGH a.a.O. -
Metallspritzverfahren).
86
Diese Regelung hat auch im Rahmen einer mittelbaren Patentverletzung nach § 10
PatG 1981 zu gelten. Sie ist zwar im Gesetz nicht erwähnt, rechtfertigt sich aber aus der
Zielsetzung des § 10 PatG, die nicht darauf gerichtet ist, den Verkehr mit Gütern zu
untersagen, an denen der mittelbar verletzte Patentinhaber kein
Ausschließlichkeitsrecht besitzt, sondern nur diejenige Gefährdung seiner Rechte
87
ausschalten soll, die davon ausgeht, dass Lieferant und Abnehmer zusammenwirken,
indem der Abnehmer die vom Lieferanten gewollte Zweckbestimmung trifft, den ihm
gelieferten Gegenstand in der erfindungsgemäß vorgesehenen Weise zu verwenden.
Wer einen Gegenstand ausliefert, der objektiv geeignet ist, im Rahmen einer Erfindung
verwendet zu werden, liefert ihn dennoch nicht zur Benutzung der Erfindung und
unterliegt demgemäß auch keinen Unterlassungsansprüchen aus § 10 PatG, wenn er
durch geeignete und zumutbare Maßnahmen Vorsorge dagegen trifft, dass der
Abnehmer das ihm gelieferte Mittel patentgemäß verwenden wird. Auch hier dürfen die
zu verlangenden Vorkehrungen nicht so weit gehen, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit
des Lieferanten zu stark beeinträchtigen. Dabei ist neben dem Grad der Gefahr einer
patentverletzenden Verwendung beim Abnehmer das Interesse des Lieferanten zu
berücksichtigen, jedenfalls mit denjenigen Kunden, denen die Gefahr einer
entsprechenden Zweckbestimmung nicht bekannt oder offensichtlich ist, sein Geschäft
auch mit dem zur Benutzung der Erfindung geeigneten Mittel noch machen zu können.
Es kommt regelmäßig nicht in Betracht, von ihm zu verlangen, das Mittel nur demjenigen
anzubieten oder zu liefern, der bereit ist, die Beachtung durch ein
Vertragsstrafeversprechen zu sichern (vgl. Scharen, GRUR 2001, 995, 998). Gerade
solche Abnehmer, die nicht beabsichtigen, das angebotene oder gelieferte Mittel
entsprechend seiner patentverletzenden Eignung einzusetzen, werden regelmäßig
keine Veranlassung sehen, dies durch rechtsgeschäftliche Erklärung zu bekräftigen (vgl.
Senat, GRUR-RR 2002, 369, 377/378 – Haubenstretchautomat).
Dagegen ist es dem Lieferanten ohne weiteres zuzumuten, den Abnehmer auf die
Schutzrechtslage hinzuweisen, wobei Inhalt und Intensität eines solchen
Warnhinweises sich nach dem Grad der Gefahr patentverletzender Benutzung richten
(Scharen, a.a.O.). Dafür, dass im Streitfall solche Warnhinweise nicht ausgereicht hätten
und die Abnehmer sich nur durch das Auferlegen eines vertragsstrafegesicherten
Unterlassungsversprechens davon hätten abhalten lassen, die ihnen gelieferte
angegriffene Antriebseinheit zur Herstellung einer klagepatentgeschützten
Aufzugsanlage zu verwenden, sind keine Umstände ersichtlich. Die aus dem
Vertragsstrafeverlangen resultierende praktische Unverkäuflichkeit des angegriffenen
Erzeugnisses kann der Beklagten aber nur zugemutet werden, wenn man davon
ausgehen müsste, praktisch jeder Hersteller von Aufzugsanlagen werde die
angegriffene Antriebseinheit klagepatentgemäß einbauen und nur nach dem Auferlegen
eines vertragestrafegesicherten Unterlassungsversprechens davon Abstand nehmen.
Diese Anforderungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
88
Die angegriffenen Antriebseinheiten lassen sich ohne weiteres auch außerhalb der
Lehre des Klagepatents technisch und wirtschaftlich sinnvoll verwenden. Die
angegriffene Antriebsmaschineneinheit kann, worauf die Beklagte zutreffend hinweist,
insbesondere auch außerhalb des Aufzugsschachtes abweichend von der
Merkmalsgruppe 4 in einem separaten Maschinenraum angeordnet werden.
89
Die Gefahr, dass die Abnehmer die ihnen gelieferte Antriebseinheit patentverletzend
nutzen, wenn ihnen durch einen entsprechenden Warnhinweis deutlich gemacht wird,
dass der auf der Messe "Interlift 99" dargestellte Einbau der angegriffenen Einheit
keinesfalls ohne Zustimmung der Klägerin als Patentinhaberin verwirklicht werden darf,
ist nur ganz gering. Ist den Abnehmern die Schutzrechtslage - beispielsweise aufgrund
eines solchen Warnhinweises - bekannt, kann man in der Regel davon ausgehen, dass
sie auch die Folgen einer Rechtsverletzung kennen und schon im eigenen Interesse
solche Verstöße zu vermeiden suchen (BGH GRUR 1964, 496, 497 - Formsand II).
90
Dafür, dass die einschlägig tätigen Aufzughersteller sich in Kenntnis des
Warnhinweises über die Schutzrechtslage hinwegsetzen werden, sind keine
Anhaltspunkte dargetan.
Nach alledem ist das Unterlassungsbegehren der Klägerin wegen der mittelbaren
Patentverletzung nur in dem aus dem Urteilsausspruch ersichtlichen Umfang
gerechtfertigt, im übrigen jedoch unbegründet.
91
Neben den Unterlassungsansprüchen im aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang
stehen der Klägerin auch gemäß Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs.
2 PatG die im Rahmen des nach § 256 ZPO zulässigen Feststellungsbegehrens dem
Grunde nach zuerkannten Schadensersatzansprüche wegen unmittelbarer und
mittelbarer Patentverletzung zu. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
hätte die Beklagte erkennen können, dass sie mit den beanstandeten Handlungen in die
Rechte der Klägerin an dem Klagepatent rechtswidrig eingriff.
92
Zur Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach genügt es, dass der
Eintritt der Vermögenseinbuße beim Verletzten hinreichend wahrscheinlich ist. Dies ist
hier aber nicht nur im Hinblick auf die Handlungen wahrscheinlich, durch die die
Beklagte unmittelbare Patentverletzungen begangen hat, sondern auch hinsichtlich der
Handlungen, durch die die Beklagte mittelbare Patentverletzungen begangen hat, auch
wenn nicht festgestellt werden kann, dass Abnehmer der Beklagten die angegriffene
Antriebsmaschineneinheit tatsächlich entsprechend der Merkmalsgruppe 4 in einen
Antriebsscheibenaufzug eingebaut haben, der sämtliche Merkmale des
Patentanspruches 1 verwirklicht.
93
Nach § 139 Abs. 2 PatG hat der mittelbare Verletzer dem Patentinhaber den Schaden
zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass der mittelbare Verletzer entgegen § 10
PatG Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, an zur
Benutzung der Erfindung nicht berechtigte Personen geliefert hat. Dabei ist nach
überwiegender Auffassung der nach § 139 PatG zu ersetzende Schaden auch bei
mittelbarer Patentverletzung derjenige, der durch die unmittelbare Patentverletzung des
Abnehmers entsteht. Ist es zu einer bestimmungsgemäßen Verwendung im Rahmen der
Erfindung nicht gekommen oder hat sie im patentfreien Ausland stattgefunden, wird in
der Literatur ein Schadenersatzanspruch mit der Begründung verneint, die in § 10 PatG
bezeichneten Handlungen seien keine Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts des
Patentinhabers (Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz Gebrauchsmustersgesetz, 9. Aufl.,
§ 10 PatG Rdn. 24; Benkard/Rogge a.a.O., § 139 PatG, Rdn. 40;
Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 5. Aufl., § 139 Rdn. 89; Bernhardt/Kraßer,
Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl. , S. 596, 597 und 624; Meier-Beck, GRUR 1993, 1,
3; König, Mitteilungen 2000, 10). Daran ist zutreffend, dass § 10 PatG einen
Gefährdungstatbestand enthält (BGH GRUR 201, 228, 230 - Luftheizgerät) und
Gefährdungen in aller Regel noch keine Vermögenseinbuße bedeuten, sondern
lediglich die Vorstufe eines Schadens darstellen. Bei § 10 PatG liegen die Dinge jedoch
anders. Da der Patentinhaber die dort beschriebenen Handlungen jedem Dritten
untersagen lassen kann, sind sie, auch wenn sie nicht zu den in § 9 PatG genannten
Ausschließlichkeitswirkungen gehören, letztlich ihm allein vorbehalten. Zutreffend wird
in der neueren Literatur darauf hingewiesen, dass es ihm dann auch vorbehalten sei,
Dritten die Vornahme derartiger Handlungen zu ge-statten und sich diese Gestattung
vergüten zu lassen (Holzapfel, GRUR 2002, 193,196 f.). Die Rechtsanmaßung des
mittelbaren Verletzers hat dann aber dazu geführt, dass es dem Patentinhaber nicht
94
mehr möglich ist, für die Handlungen des mittelbaren Patentverletzers gegen
entsprechende Vergütung seine Zustimmung zu erteilen oder die entsprechenden
Lieferungen selbst vorzunehmen. Die darin liegende Vermögenseinbuße unterscheidet
sich im Ergebnis nicht von derjenigen, die eine unmittelbare Patentverletzung auslöst.
Ist dem aber so, dann muss diese Einbuße auch als Schaden ersatzfähig sein. Wie
dieser Schaden zu berechnen ist, bedarf im vorliegenden Grundverfahren keiner
Entscheidung. Für die zur Feststellung der Schadenersatzpflicht erforderliche
Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes genügt es, dass es ausreichende
Ansatzpunkte für den Eintritt einer Vermögenseinbuße des Schutzrechtsinhabers gibt;
sie bestehen hier darin, dass der mittelbare Verletzer ihm durch die Missachtung des §
10 PatG die Möglichkeit genommen hat, die Lieferungen selbst vorzunehmen oder
gegen Entgelt zu gestatten. Hierfür hat der mittelbare Verletzer - etwa in Form einer
hypothetischen Lizenzgebühr - Ersatz zu leisten.
Die Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung
entsprechend den Urteilsaussprüchen zu Ziffer I. 2 und 3 ergibt sich aus §§ 242, 259
BGB, 140 b PatG . Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, um die
ihr zustehenden Schadenersatzansprüche beziffern und durchsetzen und um weitere
Verletzungshandlungen unterbinden zu können. Die Beklagte kann diese Auskünfte
auch unschwer erteilen, und sie wird mit der Verpflichtung zur Auskunfterteilung und
Rechnungslegung auch nicht unzumutbar belastet.
95
VI. Der Aussetzung der Verhandlung mit Rücksicht auf das das Klagepatent betreffende
Einspruchsverfahren besteht schon deshalb keine Veranlassung, weil die Beklagte
Einzelheiten zum Stand dieses Verfahrens nicht mitgeteilit hat. Dem Senat ist daher die
Beurteilung der Frage nicht möglich, ob der dort diskutierte Stand der Technik
Veranlassung dazu gibt, den Rechtsbestand des Klagepatents ernsthaft in Zweifel zu
ziehen.
96
VII. Entsprechend den beiderseitigen Unterliegensanteilen sind die Kosten des
Rechtsstreits gemäß §§ 92, 97 Abs. 2 ZPO verteilt worden.
97
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708. Nr. 10, 711, 108 Abs.
1 ZPO.
98
Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Rechtssache hat
wegen der sich im Zusammenhang mit einer mittelbaren Patentverletzung stellenden
Fragen, ob zu § 10 PatG 1981 beim Anbieten und beim Liefern auch patentfrei
verwendbarer Mittel eine nur eingeschränkte Verurteilung auszusprechen ist, ob und
unter welchen Voraussetzungen dem Lieferungsempfänger eines solchen Mittels das
vertragsstrafegesicherte Unterlassungsversprechen abverlangt werden kann, dieses
Mittel nicht patentverletzend zu verwenden, ob und unter welchen Voraussetzungen
Schadensersatzansprüche bestehen, obwohl der Abnehmer das ihm gelieferte Mittel
nicht patentverletzend eingesetzt hat, grundsätzliche Bedeutung im Sinne der zuvor
genannten Vorschrift.
99