Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.12.2010

OLG Düsseldorf (mutter, eltern, erblasser, vater, leben, nachlassgericht, rechtsmittel, linie, anteil, elternteil)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 222/10
Datum:
28.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 222/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Düsseldorf, 91a VI 293/10
Leitsätze:
BGB § 1926 Abs. 3, 4
Sind die Eltern des kinderlosen Erblassers zur Zeit des Erbfalls bereits
verstorben und leben auch die Großeltern nicht mehr, so erben ein
gemeinsamer Abkömmling der Großeltern väterlicherseits und ein
Abkömmling der Großmutter mütterlicherseits je zur Hälfte.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. November 2010 – I-3 Wx 222/10
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2 hat dem Beteiligten zu 1 die ihm im
Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu
erstatten.
Geschäftswert: Bis 100.000 Euro
G r ü n d e:
1
I.
2
Der am 05./06. Mai 2010 verstorbene Erblasser war unverheiratet und hatte keine
Kinder. Er war geistig und körperlich behindert und lebte seit dem Tod seines Vaters,
am 04. Februar 2010, in einem Heim; seine Mutter und seine Großeltern väterlicherseits
und mütterlicherseits waren schon vorher verstorben. Die Großeltern mütterlicherseits
hatten eine gemeinsame Tochter (Mutter des Erblassers). Die Großmutter
mütterlicherseits hatte aus zweiter Ehe einen Sohn (Halbbruder der Mutter und Onkel
des Erblassers), den Beteiligten zu 1. Die Großeltern väterlicherseits hatten drei
gemeinsame Kinder, nämlich den Vater des Erblassers, eine ohne Abkömmlinge
vorverstorbene Tochter, sowie die Beteiligte zu 2.
3
Mit Erklärung zur Niederschrift des Nachlassgerichts vom 18. Mai 2010 hat der
Beteiligte zu 1 die Erteilung eines ihn neben der Beteiligten zu 2 als Erbe zu je 1/2 nach
dem Erblasser ausweisenden Erbscheins beantragt.
4
Die Beteiligte zu 2 hat dem widersprochen und hat geltend gemacht, sie habe den
Erblasser zu 3/4 beerbt. Da der Beteiligte zu 1 der zweiten Ehe der Großmutter
(mütterlicherseits) des Erblassers entstamme, sei bei dem Erbfall der Großvater
(mütterlicherseits) des Erblassers, der nicht der leibliche Vater des Beteiligten zu 1 sei,
ohne Abkömmlinge, mit der Folge, dass sein Erbteil (1/4 des Gesamtnachlasses) auf
das Großelternpaar väterlicherseits des Erblassers übergehe, die Beteiligte zu 2
demnach 3/4 des Gesamtnachlasses erbe und lediglich 1/4 aus dem Nachlass der
Großmutter (mütterlicherseits) des Erblassers und leiblichen Mutter des Beteiligten zu 1
auf diesen übergehe.
5
Durch die angefochtene Entscheidung vom 13. August 2010 hat das Nachlassgericht
die zur Erteilung eines entsprechenden Erbscheins nach dem Erblasser erforderlichen
Tatsachen für festgestellt erachtet und hat zur Begründung ausgeführt:
6
Der Auffassung der Beteiligten zu 2 könne nicht gefolgt werden. Würden die Eltern
des Erblassers noch leben, würden sie je zur Hälfte erben, § 1925 Abs. 2 BGB.
7
Bei den genannten Erben handele es sich jeweils um den einzigen in der 3.
Ordnung vorhandenen Erbberechtigten in der mütterlichen und in der väterlichen
Linie, daher erbten sie den jeweils auf diese Linie entfallenden 1/4 Anteil.
8
Erst wenn auf einer Seite weder Großeltern noch Abkömmlinge (eines
Großelternteils) vorhanden seien, erbten die Großeltern der anderen Seite bzw.
deren Abkömmlinge den auf die andere Linie entfallenden Anteil.
9
Der Umstand, dass der Beteiligte zu 1 lediglich ein Halbbruder der Mutter des
Erblassers ist, führe jedoch nicht zu einer Erhöhung des auf die väterliche Linie
entfallenden Anteils.
10
Gegen diesen ihr am 23. August 2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte
zu 2 mit ihrer am 31. August 2010 bei Gericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie
die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung des
Erbscheinantrages des Beteiligten zu 1 erstrebt.
11
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 03. September 2010 dem Rechtsmittel nicht
abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der
Testamentsakten 91a VI 191/10 Amtsgericht Düsseldorf Bezug genommen.
13
II.
14
1.
15
Das gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1
und 2, 352 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 ist nach
der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1
16
Satz 1, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.
2.
17
Es hat in der Sache keinen Erfolg.
18
Der angekündigte Erbschein weist die gesetzlichen Erbquoten der Beteiligten mit 1/2
Anteilen richtig aus.
19
a)
20
Lebt zur Zeit des Erbfalls von einem Großelternpaar der Großvater oder die Großmutter
nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge, § 1926 Abs.
3 Satz 1 BGB. Wenn von einem Großelternpaar Großvater und Großmutter nicht mehr
leben, treten die Abkömmlinge ebenfalls ein (vgl. § 1926 Abs. 4 BGB); der Wortlaut des
§ 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB ist insoweit nicht ganz exakt. Dabei wird jeder Großelternteil
jeweils durch seine Abkömmlinge ersetzt, so dass gemeinsame und einseitige
Abkömmlinge verschiedene Quoten erhalten. (MünchKomm-Leipold, BGB 5. Auflage
2010 § 1926 Rdz. 4). Ist beim Erbfall kein Abkömmling eines vorverstorbenen
Großelternteils, sei er auch noch so entfernt, vorhanden, so gelangt der entsprechende
Erbanteil an den anderen Großelternteil dieses Großelternpaares bzw. (wenn auch
dieser vorverstorben ist) an dessen Abkömmlinge, § 1926 Abs. 3 Satz 2 BGB.
21
Das andere Großelternpaar (oder dessen Abkömmlinge) kommt also allein zum Zug,
wenn ein Großelternpaar vorverstorben ist, ohne dass beim Erbfall Abkömmlinge der
verstorbenen Großeltern am Leben wären, § 1926 Abs. 4 BGB.
22
b)
23
Dies vorausgeschickt beerben die Beteiligten den Erblasser – wie vom Nachlassgericht
angenommen - zu je 1/2.
24
Zur Zeit des Erbfalls lebten beide Großeltern väterlicherseits nicht mehr; an deren Stelle
ist mit der Beteiligten zu 2 ihr einziger noch lebender Abkömmling getreten und hat sie
demnach allein, d. h. auf den Anteil am Gesamterbe bezogen zu 1/2, beerbt, § 1926
Abs. 3 Satz 1 BGB.
25
Ein Abkömmling des vorverstorbenen Großvaters (mütterlicherseits), nämlich des E. W.
L., war beim Erbfall nicht vorhanden. Deshalb gelangte dessen Erbanteil (1/4) an den
anderen Großelternteil dieses Großelternpaares (M. J. L. /H.) bzw. (da auch diese
vorverstorben ist) an dessen Abkömmling, nämlich den Beteiligten zu 1, der somit 1/2
erbt ( § 1926 Abs. 3 Satz 2 BGB).
26
Das Großelternpaar väterlicherseits oder dessen Abkömmlinge – hier die Beteiligte zu 2
- käme hinsichtlich des Erbteils des Großelternpaars mütterlicherseits also allein zum
Zug, wenn dieses vorverstorben wäre, ohne dass beim Erbfall (nicht nur gemeinsame)
Abkömmlinge dieses Großelternpaares am Leben wären, § 1926 Abs. 4 BGB. Diese
Konstellation ist hier mit Blick auf den Beteiligten zu 1 nicht gegeben.
27
Hiernach hat das Nachlassgericht die zur Erteilung eines die Beteiligten zu jeweils 1/2
als Erben nach dem Erblasser ausweisenden Erbscheins erforderlichen Tatsachen zu
28
Recht für festgestellt erachtet und war das hiergegen gerichtete Rechtsmittel der
Beteiligten zu 2 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 ist nicht
Verfahrensgegenstand.
29
III.
30
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Die
Verpflichtung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten des erfolglosen Rechtsmittels
rechtfertigt sich aus § 84 FamFG.
31
Die auf den Angaben zum Wert des Nachlasses vom 04.Februar 2010 basierende am
geltend gemachten Interesse orientierte Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131
Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO i.V.m. § 107 KostO analog.
32