Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.12.2010

OLG Düsseldorf (abonnement, beschwerde, wettbewerb, tageszeitung, berichterstattung, markt, zusammenschluss, internet, raum, werbung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 4/09 (V)
Datum:
22.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 4/09 (V)
Tenor:
I. Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1. bis 3. wird der Beschluss
des Bundeskartellamtes vom 21. April 2009 (B 6 – 150/08) aufgehoben.
II. Das Bundeskartellamt trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Es
hat zudem den Beteiligten zu 1. bis 3. die im Beschwerdeverfahren zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen
Kosten zu erstatten.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Beschwerdewert wird auf 2 Mio. € festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Die Beteiligte zu 1. beabsichtigt, sämtliche Geschäftsanteile an der Beteiligten zu 2. von
dem Beteiligten zu 3. zu erwerben.
3
Die Beteiligte zu 1. hält Beteiligungen in unterschiedlicher Höhe an verschiedenen
Verlags- und Presseunternehmen im süddeutschen Raum, unter anderem eine
Mehrheitsbeteiligung an dem H. D.- und V., V. H. T. und Geb. W. GmbH & Co. KG in G.
(nachfolgend: HDV) sowie … % der Anteile an der N. K.-R. GmbH in G. (nachfolgend:
NKR).
4
Die HDV gibt die regionale Abonnement-Tageszeitung "H. T." mit einer Auflage von
durchschnittlich … verkauften Exemplaren heraus. Ihr Kern-Verbreitungsraum ist das
Gebiet des Altkreises C., im Wesentlichen die Stadt C. und die unmittelbar
angrenzenden Gemeinden. Ferner ist HDV Herausgeber des Anzeigenblattes "H. W.",
welches mit einer Auflage von rund … Exemplaren im Verbreitungsgebiet des "H. T."
und einigen westlich sowie östlich angrenzenden Gemeinden erscheint.
5
Die NKR gibt die regionale Abonnement-Tageszeitung "Rundschau …" (nachfolgend:
Rundschau) heraus, deren durchschnittlich verkauften Auflagenzahl im Kern-
6
Verbreitungsgebiet Stadt G. sowie den umliegenden Gemeinden bei … Exemplaren
liegt.
Die zu … % vom Beteiligten zu 3. gehaltene Beteiligte zu 2. ist Herausgeberin der
Abonnement-Tageszeitung "H. T.", die an sechs Wochentagen mit einer durchschnittlich
verkauften Auflage von rund … Exemplaren in S. H. und den umgebenden Gemeinden
im Altkreis S. H. erscheint. Darüber hinaus gibt die Beteiligte zu 2. das Anzeigenblatt
"K." mit rund … Exemplaren je Auflage im Kern-Verbreitungsgebiet des "H. T." sowie in
einigen Nachbargemeinden angrenzender Kreise heraus.
7
Mit Ausnahme weniger marginaler Überschneidungen genießt einerseits das "H. T."
und andererseits des "H. T." in ihren Verbreitungsgebieten als Abonnement-
Tageszeitung jeweils im Wesentlichen eine Alleinstellung. In den Gebieten westlich des
Verbreitungsgebietes des "H. T." erscheint im H. die "H. S.", welche vom Verlag der H.
S. V. GmbH & Co. KG mit einer verkauften Gesamtauflage von rund … Exemplaren
herausgegeben wird.
8
Die Beteiligten zu 1. und 2. kooperieren gemeinsam mit anderen Lokalverlagen im
Großraum östliches B.-W. und bayrischer Landkreis N.-U. im Rahmen des "S. P.".
Dieser seit 1968 bestehende Verbund mittelständischer Zeitungsverlage bezweckt nach
eigener Darstellung die Erhaltung rechtlich selbständiger und wirtschaftlich, politisch
und konfessionell unabhängiger Zeitungsverlage in B.-W. (§ 2 des
Kooperationsvertrages zwischen der Genossenschaft S. Z. eGmbH und dem U. Z. E., T.
& Co. KG – die Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 1. – vom 11.09.1967). Die
Kernleistungen der Kooperation sind zum einen die Belieferung von .. teilnehmenden
Lokalverlagen mit einem zentral erstellten Zeitungsmantel der S. P. mit einem
allgemeinen (überregionalen) redaktionellen Teil und zum anderen dessen
Vermarktung als Werbeträger für überregionale Werbung im Rahmen einer
Anzeigengemeinschaft von .. dieser Lokalverlage. Mit der Herstellung des
Zeitungsmantels und der Verwaltung der Anzeigengemeinschaft ist die Beteiligte zu 1.
beauftragt. Im Fall der Beteiligten zu 2. und des von ihr herausgegebenen "H. T." stellt
sich die Kooperation im Einzelnen wie folgt dar:
9
Derzeit geltende Grundlage für den Bezug des Zeitungsmantels ist der zwischen
Beteiligten zu 1. und der Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 2. am 12.11.1997
geschlossene Mantel-Liefervertrag. Dieser ist unbefristet und kann von beiden Seiten
mit einer Frist von zwei Jahren zum Ende eines Kalenderjahres mit gerader Jahreszahl
gekündigt werden (§ 6 Abs.1 des Mantel-Liefervertrages). Der zugelieferte
Zeitungsmantel einerseits und der von der Beteiligten zu 2. durch die eigene
Lokalredaktion selbst hergestellte Lokalteil mit Nachrichten und Berichterstattung zu
regionalen und lokalen Themen andererseits machen jeweils etwa die Hälfte des
regelmäßigen Gesamtumfang des "H. T." aus.
10
Die Beteiligte zu 2. nimmt aufgrund des Anzeigengemeinschaftsvertrages vom
23.11.1970 ferner an der Anzeigenkooperation teil. In dieser übernimmt die Beteiligte zu
1. – als Rechtsnachfolgerin des U. Z. E., T. & Co. KG – die Werbung, Bearbeitung und
Rechnungslegung sowie das Inkasso für alle Anzeigen, welche in der Gesamtausgabe
der "S.-P."-Anzeigengemeinschaft oder ihren Teilausgaben erscheinen; hierbei schließt
sie die Anzeigenaufträge im eigenen Namen ab und wird im Verhältnis zu dem jeweils
partizipierenden Verlag – hier der Beteiligten zu 2. – als Werbemittler tätig (§ 4 Abs. 2
des Anzeigengemeinschaftsvertrages). Die Beteiligte zu 2. ist – wie jeder teilnehmende
11
Verlag - berechtigt, lokale Gelegenheitsanzeigenaufträge einschließlich
Stellenanzeigen aus ihrem eigenen Verbreitungsgebiet, die in der Gesamtausgabe und
Teilausgaben der "S.-P." erscheinen sollen, im Namen der Beteiligten zu 1.
anzunehmen (§ 6 des Anzeigengemeinschaftsvertrages). Der Netto-Anzeigenertrag wird
– abzüglich einer sogenannten "Regiegebühr" der Beteiligten zu 1. - in einem
vertraglich bestimmten Verteilerschlüssel an die teilnehmenden Verlage ausgekehrt.
Darüber hinaus vertreibt die Beteiligte zu 2. im eigenen Namen für die Lokalausgabe
des "H. T." und den "K." Anzeigen mittels einer eigenen Anzeigenabteilung.
Der Anzeigengemeinschaftsvertrag verlängert sich seit dem 01.01.1978 jeweils um
5 Jahre, wenn er nicht ein Jahr vor seinem jeweiligen Ablauf gekündigt wird (§ 6 Abs. 2
des Anzeigengemeinschaftsvertrages vom 23.11.1970).
12
Sowohl die Beteiligte zu 1. als auch der Verlag der H. S. V. GmbH & Co. KG hatten
Ende 2001 / Anfang 2002 versucht, das "H. T." und den "K." vom insolventen
vormaligen Eigentümer zu erwerben. Vor dem Hintergrund, dass das Bundeskartellamt
damals das Vorhaben der Beteiligten zu 1. zu untersagen beabsichtigte, hatte diese ihre
Erwerbsabsicht aufgegeben. Schließlich erwarb der Beteiligte zu 3. das
Tochterunternehmen der Beteiligten zu 1., welches zwischenzeitlich Inhaber der Rechte
aus einem Kaufvertrag zwischen der Beteiligten zu 1. und dem damaligen Eigentümer
des "H. T." und "K." über die Vermögensgegenstände dieser Presseobjekte geworden
war, und firmierte dieses später in die Beteiligte zu 2. um. Seither lässt die Beteiligte zu
2. das "H. T." in der Druckerei des HDV – zu dessen üblichen Listenpreisen – drucken.
Eine weitere Zusammenarbeit zwischen der Beteiligten zu 2. einerseits und der
Beteiligten zu 1. bzw. des HDV andererseits findet insbesondere in den Bereichen
Buchführung und elektronische Datenverarbeitung statt.
13
Nach Übernahme des "H. T." und des "K." durch die Beteiligte zu 2. beschränkte
einerseits diese das Verbreitungsgebiet des "K." seit Mitte 2003 im Wesentlichen auf
dasjenige des "H. T." sowie der "Rundschau" und zog sich mit Ausnahme einiger an
dieses Verbreitungsgebiet angrenzenden Gemeinden aus dem Altkreis C. zurück. Der
HDV andererseits reduzierte ab September 2002 das Verbreitungsgebiet des
Anzeigenblattes "H. W." um wesentliche Gebiete, in denen Überschneidungen mit dem
"K." bestanden, auf den Altkreis C..
14
Nunmehr möchte der Beteiligte zu 3. nach eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren
aus Altersgründen – er sei 72 Jahre alt – die Beteiligte zu 2. unter Sicherung deren
unternehmerischen Existenz sowie der von ihm geprägten verlegerischen Ausrichtung
an die Beteiligte zu 1. verkaufen.
15
Mit Beschluss vom 21. April 2009 hat das Bundeskartellamt das angemeldete
Zusammenschlussvorhaben untersagt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
16
Die Beteiligte zu 2. sei auf dem in räumlicher Hinsicht auf das Verbreitungsgebiet des
"H. T." abgegrenzten Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler und
regionaler Berichterstattung sowie auf dem mit dem Verbreitungsgebiet des "H. T." und
des "K." eingegrenzten lokalen (Print-)Anzeigenmarkt aufgrund der faktischen
Alleinstellung mit den von ihr herausgegebenen Zeitungen bereits jetzt
marktbeherrschend. Diese marktbeherrschende Stellung werde durch den
Zusammenschluss mit der Beteiligten zu 1., die sodann als potentieller Wettbewerber
wegfalle, verstärkt.
17
Die Beteiligte zu 1. sei durch die mit ihr verbundene HDV auf dem in räumlicher Hinsicht
dem Verbreitungsgebiet des "H. T." entsprechenden Lesermarkt für Abonnement-
Tageszeitungen mit lokaler und regionaler Berichterstattung im Raum C. bereits jetzt
marktbeherrschend. Desgleichen sei sie schon jetzt durch ihr Tochterunternehmen NKR
mit der "Rundschau" auf dem Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler
und regionaler Berichterstattung im Raum G. marktbeherrschend. Ihre jeweilige
marktbeherrschende Stellung werde durch den fusionsbedingten Wegfall der Beteiligten
zu 2. als potentielle Wettbewerberin mit dem "H. T." verstärkt.
18
Ferner führe der mit dem Zusammenschluss verbundene Ressourcenzuwachs für die
Beteiligte zu 2. dazu, dass andere potentielle Wettbewerber wie etwa der Verlag der H.
S. V. GmbH & Co. KG oder unabhängige Verlage von Anzeigenblättern entmutigt und
auf Dauer von einem Vordringen in den so abgegrenzten Anzeigenmarkt abgehalten
werden.
19
Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1. bis 3. mit ihren form- und fristgerecht
eingelegten Beschwerden. In formeller Hinsicht rügen sie eine Verkürzung rechtlichen
Gehörs durch Schwärzungen von Teilen der Befragungsergebnisse, die dem Beschluss
zugrunde liegen, sowie einen Zustellungsmangel, der ihrer Auffassung nach dazu führe,
dass der Beschluss nicht wirksam geworden und deshalb inzwischen die
Freigabefiktion des § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB eingetreten sei. In materieller Hinsicht
greifen sie zum einen die Abgrenzung des sachlich relevanten Anzeigenmarktes an, der
ihrer Auffassung nach unter Einschluss des regionalen und lokalen online-
Werbeangebots abzugrenzen sei; auf einem so verstandenen einheitlichen Markt im
Raum des Altkreises S. H. habe die Beteiligte zu 2. aufgrund des erheblichen
Wettbewerbsdrucks seitens der online-Werbeangebote keine marktbeherrschende
Stellung. Des Weiteren werde die Marktstellung der vom Bundeskartellamt in Betracht
gezogenen Verlage auf den räumlich relevanten Lesermärkten durch den erheblichen
Substitutionswettbewerb, dem ihre Printmedien vor allem durch regionale sowie lokale
Online-Portale, aber auch durch Gemeinde- und Anzeigenblätter sowie Stadt- und
Szenemagazine ausgesetzt sei, in einem Maße beeinflusst, dass die Beteiligte zu 2., die
HDV und die NKR nicht als marktbeherrschend betrachtet werden könnten. Schließlich
wenden sie sich gegen die Beurteilung des Amtes hinsichtlich eines künftig zu
erwartenden wechselseitigen potentiellen Wettbewerbs und der durch dessen Wegfall
fusionsbedingten Verstärkungswirkung.
20
Die Beteiligten beantragen,
21
den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 21. April 2009, Gesch.-Z.: B 6-150/08,
aufzuheben.
22
Das Bundeskartellamt beantragt,
23
die Beschwerden zurückzuweisen.
24
Das Bundeskartellamt verteidigt seine angefochtene Untersagungsverfügung und tritt
dem Beschwerdevorbringen ausführlich entgegen.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
angefochtenen Beschluss sowie auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst
26
Anlagen Bezug genommen.
II.
27
Die zulässigen Beschwerden sind begründet. Zwar greifen die formellen
Beanstandungen der Beschwerdeführer nicht durch. Die angefochtene
Untersagungsverfügung ist jedoch gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 GWB aufzuheben, weil
das Bundeskartellamt zu Unrecht von den Voraussetzungen für eine Untersagung des
Zusammenschlusses nach § 36 Abs. 1 GWB ausgegangen ist.
28
A.
29
Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung
ergeben sich keine Bedenken.
30
1.
31
Der Regelungsbefugnis des Bundeskartellamtes steht vorliegend nicht die gesetzliche
Freigabefiktion des § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB entgegen.
32
Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB gilt der Zusammenschluss als freigegeben, wenn die
Verfügung des Bundeskartellamtes im Hauptprüfungsverfahren nach Satz 1 der
Vorschrift nicht innerhalb von vier Monaten nach Eingang der vollständigen Anmeldung
den anmeldenden Unternehmen zugestellt wird. Bei dieser – unter den
Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 GWB verlängerbaren - Frist handelt es
sich um eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist, deren Ablauf die Befugnis des
Bundeskartellamtes zur Untersagung des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens
erlöschen lässt (vgl. Bechtold, GWB, 6. Aufl., § 40 Rn. 9).
33
a)
eingegangene Anmeldung des beabsichtigten Zusammenschlusses die Frist des § 40
Abs. 2 Satz 2 GWB in Gang gesetzt hat. Dies steht hier allerdings im Streit, weil die Frist
nur bei Vollständigkeit der Anmeldung hinsichtlich der von § 39 Abs. 3 GWB geforderten
Angaben (hierzu Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht,
GWB, 4. Aufl., § 40 Rn. 15) beginnt, die Anmeldung vom 05.11.2008 hingegen
hinsichtlich der Beteiligten zu 1. unvollständig gewesen sein soll. Um den Fristenlauf
generell und frei von sachlichen Einzelfallabwägungen bestimmen zu können, ist die
objektive Vollständigkeit für den Fristbeginn maßgeblich (vgl. Ruppelt in Langen/Bunte,
Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1 Deutsches
Kartellrecht, 10. Aufl., § 40 Rn. 12 m.w.N.). Deshalb kommt es weder auf die Bedeutung
der fehlenden Angaben für die Fusionskontrolle im Einzelfall noch darauf an, welche
Vorstellungen die Kartellbehörde sowie die übrigen Verfahrensbeteiligten vom
Fristenlauf haben. Mithin ist es im Entscheidungsfall für die Fristberechnung
unerheblich, dass das Bundeskartellamt zum einen sich auch ohne die fehlenden
Angaben zu einer Entscheidung in der Lage sah und zum anderen in seinem
schriftlichen Hinweis vom 26.11.2008 die Anmeldung als "wahrscheinlich" unvollständig
beanstandet, im Weiteren in das Hauptprüfungsverfahren übergeleitet und hierin mit den
Verfahrensbeteiligten eine Verständigung über eine Fristverlängerung nach § 40 Abs. 2
Satz 4 Nr. 1 GWB herbeigeführt hat. Insbesondere die Überleitung in das
Hauptprüfungsverfahren und die Fristverlängerung nach § 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 GWB
34
setzen keine Vollständigkeit der Anmeldung voraus, zumal sich die Vollständigkeit
häufig erst nach näherer Prüfung feststellen lässt (vgl. hierzu: Ruppelt, a.a.O., § 40 Rn.
11; Mestmäcker/Veelken, a.a.O., § 40 Rn. 12 und 14).
b)
Anmeldung am 06.11.2008 begann, ist die Untersagungsverfügung noch vor Fristablauf
an die Verfahrensbevollmächtigten der Zusammenschlussbeteiligten wirksam zugestellt
worden.
35
aa)
Beteiligten gemäß § 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 GWB um insgesamt sieben Wochen
verlängerte Hauptprüfungsfrist mit Ablauf des 01.05.2009. Noch vor Fristablauf wurde
dem Verfahrensbevollmächtigten aller Zusammenschlussbeteiligten die
unterschriebene Untersagungsverfügung per Telefax am 21.04.2009 übermittelt.
36
bb)
Empfangsbekenntnis an die verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwälte aller drei
Beteiligten, die das Zusammenschlussvorhaben angemeldet hatten, ist nach § 61 Abs. 1
Satz 1 und 2 GWB i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 VwZG zulässig. Die Zustellung "auf andere
Weise, auch elektronisch", im Sinne dieser Vorschrift umfasst die Übermittlung durch
Telefax (Engelhardt/App, VwVG – VwZG, 8. Aufl., § 2 VwZG Rn. 7).
37
cc)
darin begründet, dass das per Telefax übermittelte Schriftstück die darin enthaltenen
Grafiken (Seite 21, 22, 31) in Schwarz-Weiß-Darstellung wiedergibt. Die schriftlich
abgefasste sowie von den Mitgliedern der Beschlussabteilung unterschriebene
Untersagungsverfügung, die nach § 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz
1 VwZG zuzustellen gewesen ist, umfasst im Original (VV 2130, 2131,2140) die
fraglichen Grafiken ebenfalls nur in einer Schwarz-Weiß-Darstellung. Mangels einer
wesentlichen Abweichung zwischen Urschrift und zugestelltem Schriftstück trifft die von
den Beschwerdeführern angeführte Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer
Zustellung von Schwarz-Weiß-Ausfertigungen eines farbig gefassten Originals nicht den
hier zur Entscheidung stehenden Fall.
38
Soweit die von den Beschwerdeführern zu den Akten gereichte Fotokopie des per
Telefax zugestellten Beschlusses vom 21.04.2008 eine gegenüber dem in den
Verwaltungsvorgängen befindlichen Originalbeschluss schlechtere Darstellungsqualität
in den Grauschattierungen und im Kontrast der grafischen Darstellungen erkennen lässt,
steht dies der Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls nicht entgegen. Nach der
allgemeinen Lebenserfahrung ist ein Faxausdruck in der bildlichen Darstellung
typischerweise qualitativ schlechter als das Original, zumal die notwendige
Datenkomprimierung bei der gebräuchlichen Fax-Technik – wie allgemein bekannt ist -
nicht verlustfrei arbeitet. Indem § 5 Abs. 4 VwZG die Art und Weise, in der an den
gesetzlich benannten Empfängerkreis vereinfacht zugestellt werden kann, ausdrücklich
in das Ermessen der Behörde stellt und damit die Zustellung durch Faxübermittlung
ermöglicht, hat der Gesetzgeber qualitative Verschlechterungen des Druckbildes bei
dieser Zustellungsweise bewusst in Kauf genommen. Dass nicht dasjenige übermittelt
worden ist, was beim Telefaxen des Originals technisch üblicherweise möglich ist, ist
nicht erkennbar.
39
Die von den Beschwerdeführern pauschal behauptete Unleserlichkeit kann selbst der
von ihnen zu den Akten gereichten Fotokopie des Faxausdrucks, die nach allgemeiner
Lebenserfahrung typischerweise weitere qualitative Verschlechterungen der
Textdarstellung mit sich bringt, nicht entnommen werden.
40
dd)
entgegengenommen sowie das beigefügte Empfangsbekenntnis mit Unterschrift vom
selben Tag zurückgesandt hat. Hierdurch hat der Verfahrensbevollmächtigte
dokumentiert, dass er das Dokument, auf das sich das Empfangsbekenntnis bezieht, als
in seinen Herrschaftsbereich gelangt ansieht und es auch als zugestellt ansehen will
(vgl. Engelhardt/App, a.a.O., § 5 VwZG Ran. 14 m.w.N.).
41
2.
42
Dass die Grafiken sowohl in der Originalfassung der angefochtenen Verfügung als auch
in deren Faxausdruck lediglich schwarz-weiß abgebildet sind, stellt ferner keinen
Begründungsmangel dar.
43
Das Begründungserfordernis nach § 61 Abs. 1 GWB umfasst die Mitteilung der
wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, welche die Behörde zu ihrer
Entscheidung bewogen haben. Die Begründung muss so vollständig sein, dass eine
rechtliche und tatsächliche Prüfung möglich ist und der Betroffene sich schlüssig
werden kann, ob er die Entscheidung hinnehmen oder sie anfechten will (Schmidt in
Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 61 Rn. 14 mw.N.). Ferner
muss sie für den Betroffenen aus sich heraus verständlich sein (Kopp/Ramsauer,
VwVfG, 9. Aufl., § 39 Rn. 18).
44
Hiervon ausgehend ist die angefochtene Untersagungsverfügung hinsichtlich der mit
der Beschwerde gerügten fünf Grafiken nicht zu beanstanden. Unabhängig davon, dass
den Grafiken erkennbar ein die textlichen Ausführungen des Bundeskartellamtes in der
Verfügung lediglich veranschaulichenden Charakter zukommt, ergeben sich keine
Anhaltspunkte dafür, dass die Schwarz-Weiß-Darstellung zu einer Verfälschung ihres
jeweiligen Aussagegehalts führt. Dies gilt insbesondere für die Grafiken zum
Pendlerverhalten auf Blatt 21 und 22 der Untersagungsverfügung, die anhand der
Grauschattierungen in der jeweiligen Grafik und Legende nachvollziehbar sind. Soweit
im Klammerzusatz zu den Darstellungen darauf hingewiesen wird, dass der jeweils
bewertete Ort (C. bzw. S. H.) "gelb markiert" sei, führt auch dies nicht zu einem
Begründungsmangel. Da sich der – zudem durch die Angabe "mittig rechts" bzw. "mittig
links" näher beschriebene - fragliche Bereich auch in der Schwarz-Weiß-Darstellung
deutlich als helle Stelle abhebt, bleibt die Darstellung verständlich und auswertbar.
45
Im Übrigen ist ein eventueller Begründungsmangel insoweit nach § 45 Abs. 1 Nr. 2
VwVfG geheilt, nachdem das Bundeskartellamt während des Verwaltungsverfahrens die
Grafiken in einer farbigen Fassung dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten per
E-Mail zur Verfügung gestellt hat.
46
3.
47
Schließlich greift auch nicht die Rüge der Beteiligten, ihr verfassungsrechtlicher
Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil die Befragungsergebnisse des Amtes
zu der Frage, ob S. H. und C. (schon) einen einheitlichen Wirtschaftsraum bilden, im
48
zu der Frage, ob S. H. und C. (schon) einen einheitlichen Wirtschaftsraum bilden, im
Verwaltungsverfahren nicht umfassend aufgedeckt, sondern ihnen die schriftlichen
Antworten zum Teil lediglich mit Schwärzungen zugänglich gemacht worden seien.
Die für die geltend gemachte Gehörsrüge maßgebliche Frage, ob die Antworten der
befragten Unternehmen trotz deren Verlangen nach Wahrung von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen den Beteiligten ungeschwärzt offenzulegen sind, ist unter zwei
Aspekten zu betrachten:
49
Indem das Bundeskartellamt im laufenden Fusionskontrollverfahren den Beteiligten die
schriftlichen Auskünfte der befragten Unternehmen nur in geschwärzter Fassung
zugänglich gemacht hat, hat es den Beteiligten die Akteneinsicht insoweit versagt. Die
rechtswidrige Versagung der Akteneinsicht, die selbst ein Verwaltungsakt ist, ist ein
Verfahrensfehler, der im laufenden Verwaltungsverfahren gerügt und gegebenenfalls mit
der Beschwerde (gesondert) geltend gemacht werden muss (vgl. Schmidt/Bach in
Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 56 Rn. 10 unter Hinweis auf KG, Beschluss v.
19.08.1986, 1 Kart 9/86, WuW/E OLG 3908, 3909; Kiecker in Langen/Bunte, Kommentar
zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1 Deutsches Kartellrecht, 10. Aufl.,
§ 56 Rn. 12 a.E.). Dies ist im Streitfall nicht geschehen.
50
Im Beschwerdeverfahren über die angegriffene Untersagungsverfügung besteht
ebenfalls das Akteneinsichtsrecht der Beteiligten. Soweit es die hier fraglichen
schriftlichen Auskünfte der befragten Unternehmen betrifft, sind diese Bestandteil der
Vorakten des Bundeskartellamtes, dessen Zustimmung Gewährung von Akteneinsicht
hierin es grundsätzlich bedarf (§ 72 Abs. 2 Satz 1 GWB). Bei Versagung der
Zustimmung wäre die Frage, ob die Offenlegung der Antworten der befragten
Unternehmen dennoch anzuordnen ist, ausschließlich im Zwischenverfahren nach § 72
Abs. 2 Satz 4 GWB zu klären (vgl. BGH, Beschluss v. 02.02.2010, KVZ 16/09, WRP
2010, 658 Rz. 33 – Kosmetikartikel). Das Ziel einer Offenlegung der – bislang nur
geschwärzt zugänglichen - Auskünfte – und erst recht ein erneutes Einsichtsverlangen -
verfolgt die Anfechtungsbeschwerde gegen die Untersagungsverfügung indes nicht.
51
B.
52
Die angefochtene Untersagungsverfügung ist jedoch materiell rechtswidrig, weil das
Zusammenschlussvorhaben nicht die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1
GWB erfüllt. Denn entgegen der Einschätzung des Bundeskartellamtes kann nicht
erwartet werden, dass der beabsichtigte Zusammenschluss zu einer Verstärkung der
jeweils bereits bestehenden marktbeherrschenden Stellung der Beteiligten zu 2., der
HDV sowie der NKR auf den vom Amt zutreffend abgegrenzten räumlich und sachlich
relevanten Märkten führen wird. Nach den vom Bundeskartellamt festgestellten
aktuellen Markt- und Wettbewerbsverhältnissen sind sämtliche betroffenen Märkte
monopolartig strukturiert, ohne dass das jeweils marktbeherrschende Unternehmen
einem aktuellen oder bereits jetzt vorhandenem potentiellen Wettbewerb ausgesetzt ist.
Die Erwartung, der Zusammenschluss werde zu einer noch weitergehenden
Einschränkung des Wettbewerbs und dessen die Marktmacht neutralisierenden Wirkung
führen, stützt das Bundeskartellamt vor diesem Hintergrund auf die Prognose, der
Zusammenschluss verhindere die für den betroffenen Markt zu erwartende Entwicklung
der Wettbewerbsbedingungen hin zu Marktstrukturen, in denen künftig – zumindest
potentieller - Wettbewerb entstehen werde. Für eine solche Entwicklung fehlt es indes
an der für eine hierauf gestützte Untersagung notwendigen Wahrscheinlichkeit.
53
Im Einzelnen:
54
1.
55
Nach Auffassung des Bundeskartellamtes sind von dem Zusammenschlussvorhaben in
sachlicher Hinsicht zwei getrennte Märkte betroffen: Zum einen sei der Lesermarkt für
Abonnement-Tageszeitungen mit regionaler und lokaler Berichterstattung relevant, auf
dem sich die Zeitungsverlage als Anbieter des Informationsmediums Abonnement-
Tageszeitung und die Leser/Abonnenten als Endnachfrager gegenüberstehen; zum
anderen sei der Anzeigenmarkt betroffen, auf dem sich die Verlage von Abonnement-
Tageszeitungen sowie Straßenverkaufszeitungen und Anzeigenblätter als Anbieter und
der (gewerbliche oder private) Inserent als Nachfrager einer Gelegenheit zur
Veröffentlichung von Print-Anzeigeninhalten gegenüberstehen. In räumlicher Hinsicht
hat das Bundeskartellamt den relevanten Markt auf das jeweilige Verbreitungsgebiet der
Zeitungen "H. T.", "H. T." und "Rundschau" mit der Folge begrenzt, dass drei
unterschiedliche räumliche Lesermärkte für Abonnement-Tageszeitungen mit regionaler
und lokaler Berichterstattung, nämlich im Raum S. H., im Raum C. sowie im Raum G.,
und der lokale Anzeigenmarkt im Raum S. H. betroffen seien.
56
Diese Marktabgrenzung begegnet keinen Bedenken.
57
a)
Rechtsprechung das Bedarfsmarktkonzept. Einen einheitlichen Markt bilden hiernach
sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen
Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige
Verbraucher sie für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter
Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht
(vgl. BGH, WuW/E DE-R 2451, 2453 – E.ON/Stadtwerke Eschwege m.w.N.).
Maßgebend ist die tatsächliche Handhabung durch die Abnehmer, wobei auf den
verständigen Durchschnittsnachfrager abzustellen ist (BGH, WuW/E DE-R 2327 ff., Rn.
65 f – Kreiskrankenhaus Bad Neustadt m.w.N.; Paschke in Frankfurter Kommentar,
Kartellrecht, Stand 2006, § 19 Rn. 90). Eine nur von wenigen Nachfragern
angenommene Austauschbarkeit reicht nicht (Paschke in Frankfurter Kommentar, aaO.,
§ 19 Rn. 91; KG WuW/E OLG 1602 – Vitamin B 12; KG Wuw/E OLG 1649 – Valium).
58
b)
Hinsicht grundsätzlich zwischen dem Lesermarkt einerseits und dem Anzeigenmarkt
andererseits unterschieden (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 18.12.1979, KVR 2/79 –
Anzeigemarkt, Elbe Wochenblatt I -, BGHZ 76, 55 – 75, zitiert nach juris Tz. 40; Senat,
Beschluss vom 27.10.2004, VI-Kart 7/04 (V) – Tagesspiegel/Berliner Zeitung II -, WuW/E
DE-R 1361, 1362; Bechtold, GWB, 5. Aufl., § 19 Rn. 13, § 36 Rn. 23).
59
aa)
sachlich relevanten Markt für Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler und regionaler
Berichterstattung abgegrenzt. Diese Marktabgrenzung, welche die Beschwerde mit
ihrem Einwand eines Substitutionswettbewerbes mit nicht zum relevanten Markt
gehörenden Produkten bzw. Informationsangeboten auch nicht angreift, ist nicht zu
beanstanden:
60
(1)
61
Abonnement-Tageszeitungen, überregionale Tageszeitungen und
Straßenverkaufszeitungen unterschiedlichen Leserbedürfnissen dienen und
dementsprechend aus Sicht der Leser nicht als funktionell austauschbar anzusehen
sind. Regionale bzw. lokale Abonnement-Tageszeitungen befriedigen das spezifische
Bedürfnis des im Verbreitungsgebiet der Zeitung lebenden Lesers, über lokal und
regional bedeutsame Ereignisse und Meldungen unterrichtet zu werden. Hierdurch
unterscheiden sie sich von den überregionalen Tageszeitungen. Im Vergleich zu den
Straßenverkaufszeitungen weisen die regionalen Abonnement-Tageszeitungen
typischerweise in der Breite und Tiefe der Berichterstattung, in der Art der Darstellung
sowie in den Nachrichten- und Berichtsschwerpunkten wesentliche Unterschiede auf.
Sie decken daher zumindest aus Sicht eines wesentlichen Teils der Leser einen
anderen Bedarf als die Straßenverkaufszeitungen (vgl. zu allem: BGH WuW/E BGH
1854, 1856 f. – Zeitungsmarkt München; WuW/E BGH 2425, 2428 – Niederrheinische
Anzeigenblätter; Senat, WuW DE-R 1361, 1362 – Tagesspiegel/Berliner Zeitung II –
m.w.N.).
(2)
Bedarfsmarktkonzepts ferner weder Gemeinde- und Anzeigenblätter noch Stadt- und
lokale Szenemagazine zuzuordnen. Denn diese weiteren Informationsangebote decken
nur Teile des Informationsbedarfs, den eine Abonnement-Tageszeitung mit ihrem zum
einen tagesaktuellen und zum anderen von Lokalem bis Überregionalem sowie
Internationalem breit gefächertem Informationsangebot bedient, so dass sie aus Sicht
des durchschnittlichen Verbrauchers eine lokale Tageszeitung nicht substituieren
können.
62
Bereits der unterschiedliche Erscheinungsrhythmus der Abonnement-Tageszeitung
einerseits und der fraglichen lokalen Print-Informationsangebote andererseits zeigt
augenfällig auf, dass hiermit jeweils unterschiedliche Bedürfnisse des Lesers in Bezug
auf den Aktualitätsgrad gedeckt werden. Die wochentäglich erscheinende Abonnement-
Tageszeitung bietet in einem für Printmedien höchstmöglichen Maße eine
Tagesaktualität der Berichterstattung sowie einen laufenden Überblick über aktuelle
Entwicklungen. Das spezifische Bedürfnis hiernach können die vom Bundeskartellamt
nicht einbezogenen Presseerzeugnisse aus Sicht des Lesers schon im Ansatz nicht
gleichermaßen bedienen, weil sie nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen
Feststellungen des Bundeskartellamtes in den Verbreitungsgebieten der hier
interessierenden Abonnement-Tageszeitungen – soweit es Gemeinde- und
Anzeigenblätter betrifft – maximal wöchentlich bzw. – soweit es Stadt- und
Szenemagazine betrifft – nur monatlich erscheinen.
63
Hinzu kommt, dass die in den hier interessierenden Verbreitungsgebieten
erscheinenden Gemeinde- und Anzeigenblätter sowie Stadt- und Szenemagazine
einerseits und Abonnement-Tageszeitungen andererseits aufgrund ihrer
unterschiedlichen Breite und Tiefe der Berichterstattung sowie ihrer verschiedenen
thematischen Schwerpunktsetzung nicht deckungsgleiche Interessen des Lesers
befriedigen. Eine Abonnement-Tageszeitung deckt als Bündelprodukt den Bedarf des
Lesers nach einem allgemeinen Überblick in einem umfassenden Themenspektrum,
welches von Politik über gesellschaftliche und wissenschaftliche Informationen bis zu
Sport und Kultur sowie von Lokalem bis Überregionalem und Internationalem reicht.
Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes sind die in Betracht zu ziehenden
Gemeinde- und Anzeigenblätter hingegen regelmäßig lokal fokussiert und bleiben in der
journalistischen Bearbeitung hinsichtlich Tiefe und Breite der Berichterstattung hinter
64
der Qualität einer Tageszeitung zurück. Die im fraglichen Raum erscheinenden Stadt-
und Szenemagazine setzen nach den Feststellungen des Amtes ihren
Themenschwerpunkt in der Regel auf das lokale und regionale Kultur-, Freizeit- und
Wirtschaftsleben, wobei sie in der Art und Weise der Berichterstattung bzw.
Meinungsbildung deutlich auf bestimmte Interessengruppen in der Leserschaft
zugeschnitten sind.
(3)
sachlich relevanten Lesermarkt. Lokale online-Informationsportale – ob sie von
Kommunen, lokalen Berufs- oder Wirtschaftsverbänden und Vereinen, lokalen
Zeitschriften oder sonstigen Privaten getragen werden – unterscheiden sich von der
klassischen Lokaltageszeitung aus Sicht des Lesers schon in der Darstellung und
Wahrnehmung sowie in der Verfügbarkeit der Information. Die Information aus dem
Printmedium ist wesentlich leichter sowie praktisch zu jeder Zeit und an jedem Ort
verfügbar. Die Tageszeitung im klassischen Papierformat kann spontan und ohne
Aufwand, auch nur für kurze Zeit zur Hand genommen und gelesen werden. Die
Wahrnehmung der Information über das Internet ist hiermit nicht vergleichbar. Sie
erfordert die – an einen bestimmten Ort oder Bereich, der Internetzugang gewährleistet,
gebundene – notwendige technische Ausstattung. Soweit heutzutage verfügbare
Hardware in Gestalt insbesondere internetfähiger Mobiltelefone, smart-phones und
vergleichbarer Geräte eine größere Mobilität erlauben, ist der Lesekomforts gegenüber
dem klassischen Papierformat regelmäßig ganz erheblich eingeschränkt. Hinzu kommt,
dass sich die Information dem Leser nicht wie im Falle des klassischen Papierformats
als Informationsbündel unmittelbar lesbar darbietet, sondern regelmäßig über links und
tools aktiv gesucht werden muss, im Falle thematisch beschränkter online-Portale
wohlmöglich sogar über verschiedene Websites. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass
die überwiegende Mehrheit der Internet-Nutzer im Umgang mit der Technik so vertraut
ist, dass ein Nutzungsverhalten, welches so selbstverständlich und alltäglich wie das
Zeitungslesen ist, allgemein verbreitet ist. Schon aufgrund dieser unterschiedlichen
Nutzungsweise ist die (klassische) Tageszeitung als Informationsquelle aus Sicht des
Verbrauchers nicht gegen Internet-Informationsangebote austauschbar (vgl. zu allem:
Senat, Beschluss vom 27.10.2004, VI-Kart 7/04 (V) – Tagesspiegel/Berliner Zeitung II,
zitiert nach juris Tz. 26; Beschluss vom 14.03.2007, VI-Kart 8/06 (V), WuW/E DE-R 1973
– 1978, zitiert nach juris Tz.26 f.). Im Übrigen sind die in den hier fraglichen
Verbreitungsgebieten in Betracht kommenden Internet-Informationsangebote nach den
Feststellungen des Bundeskartellamtes entweder regional und lokal oder überregional
fokussiert und daher mit dem Informations-Bündelprodukt Lokalzeitung in der
Informationsbreite nicht vergleichbar.
65
bb)
Abonnement-Tageszeitungen auch Straßenverkaufszeitungen und Anzeigenblätter,
soweit sie mit den lokalen bzw. regionalen Abonnement-Tageszeitungen im
wesentlichen deckungsgleiche Anzeigenbelegungseinheiten anbieten, einbezogen.
Insoweit entspricht die Marktabgrenzung des Amtes der höchstrichterlichen
Rechtsprechung (BGH WuW/E BGH 2425, 2428 – Niederrheinische Anzeigenblätter)
sowie der des Senats (Beschluss vom 14.03.2007, VI-Kart 8/06 (V), WuW/E DE-R 1973
– 1978, zitiert nach juris Tz.25) und wird mit der Beschwerde auch nicht angegriffen.
66
Soweit das Bundeskartellamt darüber hinaus auch auf deckungsgleiche
Beilagenbelegungen abstellt, ist dies zu beanstanden. Der Druck, die Vervielfältigung
und die Veröffentlichung von Inseraten in dem redaktionellen Umfeld eines – in seinem
67
Verbreitungsgebiet verteilten – Anzeigenblatts oder einer Zeitung einerseits und die
Dienstleistung des bloßen Transports und Verteilens eines vom Auftraggeber (oder von
ihm beauftragten Dritten) selbst vollständig hergestellten Werbeträgers andererseits sind
unterschiedliche Leistungen gegenüber unterschiedlichen Nachfragern (vgl. Senat,
Beschluss vom 30.04.2002, Kart 1/01 (V), Beschlussumdruck Seite 10 f.; Beschluss vom
14.03.2007, VI-Kart 8/06 (V), WuW/E DE-R 1973 – 1978, zitiert nach juris Tz.26 f.).
Soweit ein Zeitungs- und Anzeigenblattverlag die Verteilung fremder Werbeträger
zusammen mit dem eigenen Blatt anbietet, wird er demzufolge auf einem anderen Markt,
auf dem er wohlmöglich mit Beilagen- und Prospektverteilungsdiensten in Wettbewerb
stehen kann, tätig, ohne dass dies dem hier sachlich relevanten Anzeigenmarkt
zuzurechnen ist.
Soweit sich die Beschwerde dagegen richtet, dass das Bundeskartellamt darüber
hinaus Stadtmagazine sowie Werbemöglichkeiten im Internet nicht dem sachlich
relevanten Markt zugerechnet hat, greift dies nicht durch. Der Senat hat sich bereits in
der Vergangenheit mit diesen Fragen ablehnend auseinandergesetzt (Beschluss vom
14.03.2007, VI-Kart 8/06 (V), WuW/E DE-R 1973 – 1978, zitiert nach juris Tz.26 f.) und
sieht auch unter Berücksichtigung des nunmehrigen Beschwerdevorbringens keinen
Anlass, im Entscheidungsfall hiervon abzurücken:
68
(1)
Straßenverkaufszeitungen und Anzeigenblättern nicht nur in ihrem hochwertigeren
Druckbild und ihrem Vertriebsweg, sondern insbesondere im Erscheinungszyklus und in
der ihnen typischen Ausrichtung auf einen spezifischen Leserkreis. Dies ist nach den
mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Bundeskartellamtes auch in
Bezug auf die vorliegend in Betracht kommenden Stadtmagazine, die monatlich oder
seltener erscheinen und sich an ein insbesondere in Hinsicht auf das Alter und den
Interessenschwerpunkt (Freizeit, Konsum, Kultur) spezifisches Spartenpublikum richten,
der Fall. Aus Sicht des (gewerblichen oder privaten) Anzeigenkunden ist die
Anzeigenveröffentlichung in einem Stadtmagazin daher mit einer Anzeigenschaltung in
– weitaus häufiger erscheinenden und an eine viel breitere Leserschaft gerichteten -
Zeitungen und Anzeigenblättern nicht funktional austauschbar. Der erheblich
weitläufigere Erscheinungszyklus begrenzt die Aktualität der Werbung, insbesondere in
Hinsicht auf zeitlich befristete Werbeaktionen. Die spezifische Zielgruppenausrichtung
beschränkt den Kreis der mittels dieser Werbeplattform erreichbaren potentiellen
Nachfrager.
69
(2)
Möglichkeiten einer lokalen Werbung im Internet dem sachlich relevanten Markt
zuzurechnen sei.
70
(2.1)
Gegenstand der im Entscheidungsfall maßgeblichen Marktabgrenzung ist die Nachfrage
nach einer fremden Publikationsplattform für die Anzeigenveröffentlichung. Als
Nachfrager einer solchen fremden Leistung scheidet der auf einer eigenen website
Werbende aus, weil er an dem Marktgeschehen – insoweit – nicht teilnimmt. Zudem
unterscheidet sich die online-Werbung auf eigenen websites im Internet von der
Anzeigenschaltung in Printmedien in der Wirkungsweise. Die Veröffentlichung in
Zeitungen – ob nun als sogenannte Aufmerksamkeitsanzeige im redaktionellen Umfeld
oder als Rubrikenanzeige – dient typischerweise dazu, den für die konkret beworbene
Leistung noch nicht interessierten potentiellen Kunden anzusprechen, während das
71
aktive Aufsuchen der website des Werbenden durch den potentiellen Kunden bereits
dessen Interesse naturgemäß voraussetzt und eine weitergehende Information des
interessierten Kunden erlaubt. Zutreffend ist das Bundeskartellamt daher nicht von einer
funktionalen Austauschbarkeit, sondern von einer Komplementarität ausgegangen.
(2.2)
Sicht des Anzeigenkunden nicht mit der Anzeigenschaltung in lokalen bzw. regionalen
Printmedien funktional austauschbar. Gegen eine funktionale Vergleichbarkeit spricht
bereits, dass es sich beim Internet einerseits und den Printmedien andererseits um
wesensverschiedene Kommunikationsmittel bzw. Veröffentlichungsmedien handelt, die
– aus Sicht des durchschnittlichen Inserenten - Unterschiede in der Nutzungsweise und
damit insbesondere in der Wahrnehmung der Werbung und nicht zuletzt im
Anzeigenpreis mit sich bringen (vgl. (KG WuW/E OLG 4811, 4826 – Radio NRW; OLG
Düsseldorf WuW/E DE-R 647, 655 – OTZ; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1413, 1414 -
Radio TON –Regional). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Rubrikenanzeigen
oder weitere Werbungsanzeigen handelt.
72
Die lokale Werbung im Internet wird von dem Nutzerkreis, dem auch die Mitglieder des
Senats angehören, erfahrungsgemäß nicht in vergleichbarem Umfang wahrgenommen
wie die Werbung in Anzeigenblättern und lokalen bzw. regionalen
Abonnementzeitungen.
73
Die Darstellung, insbesondere die Aufmachung einer Rubriken- oder sonstigen
Werbeanzeige im Internet mag – wie mit der Beschwerde geltend gemacht wird – mit
der einer Printanzeige vielfach ähnlich sein. Auch kann es letztlich auf sich beruhen, ob
durch die zunehmende Verbreitung des Internets (inzwischen) eine vergleichbare
Haushaltsabdeckung wie durch Tageszeitungen und Anzeigenblätter erreicht wird.
Insoweit ist allerdings zu bedenken, dass Anzeigenblätter an sämtliche Haushalte in
ihrem Verteilungsgebiet verteilt werden und deshalb eine fast vollständige
Haushaltsabdeckung erreichen. Lokale bzw. regionalen Abonnementzeitungen
erreichen demgegenüber zwar nur den betreffenden Leserkreis. Jedoch wird dieser
Unterschied erfahrungsgemäß durch die gesteigerte Aufmerksamkeit, die der Leser dem
Zeitungsinhalt entgegenbringt, ausgeglichen (vgl. BGH WuW/E BGH 1905, 1907 –
Münchener Anzeigenblätter).
74
Auf jeden Fall aber ist die Wahrnehmung lokaler Werbung in den Printmedien – wie
bereits zur parallelen Marktabgrenzung des sachlichen Lesermarktes ausgeführt -
wesentlich leichter als über das Internet, so dass aus Sicht der Anzeigenkunden eine
ungleich größere Erreichbarkeit erzielt wird. Das Anzeigenblatt bzw. die Zeitung kann
praktisch an jedem Ort zu jeder Zeit und insbesondere spontan sowie ohne Aufwand,
auch nur für kurze Zeit zur Hand genommen und gelesen werden. Hierdurch besteht
erfahrungsgemäß die Möglichkeit, dass beim Leser durch die zunächst vielleicht nur
beiläufig wahrgenommene, im Verlauf des Lesens sowie Blätterns auch wiederholt ins
Auge stechende Werbung spontan ein bestimmter Bedarf geweckt wird. Die
Wahrnehmung der Werbung über das Internet ist hiermit nicht vergleichbar. Sie erfordert
– wie bereits ausgeführt – nicht nur die notwendige und zumeist ortsgebundene
technische Ausstattung, sondern auch einen Umgang mit der Technik, der so
selbstverständlich und alltäglich wie das Zeitungslesen sein und einen spontanen und
jederzeitigen Zugriff auf das Internet ermöglichen muss. Bei der überwiegenden
Mehrheit der – vor allem älteren - Internet-Nutzer liegt ein solches Nutzungsverhalten
indes nicht vor. In der Regel wird das Internet für eine konkrete Suche, d.h. zur
75
Beschaffung konkreter Informationen genutzt. Zudem ist bei einer technischen
Ausstattung, die eine größere Mobilität ermöglicht (z.B. smart-phones), der Lesekomfort
gegenüber einer Zeitung oder einem Anzeigenblatt zumeist erheblich eingeschränkt.
Die zufällige oder beiläufige Wahrnehmung von Werbung, so wie sie durch die
Anzeigenblätter bzw. Zeitungen erreicht wird, ist nach wie vor eher die Ausnahme (vgl.
zu allem Senat, Beschluss vom 14.03.2007, VI-Kart 8/06 (V), WuW/E DE-R 1973 –
1978, zitiert nach juris Tz.27).
Ergänzend tritt hinzu, dass sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen des
Bundeskartellamtes die Preisgestaltung für Anzeigen im Rahmen einer online-Werbung
einerseits und in Printmedien andererseits in ihrer jeweiligen Art und Struktur
grundlegend unterscheidet.
76
Das mit der Beschwerde ausgeführte Argument, seit Jahren sei ein Wachstum des
Online-Werbemarktes und damit einhergehend eine Verlagerung der Nachfrage der
Inserenten von Anzeigenschaltungen in Printmedien hin zu Anzeigenveröffentlichungen
im Internet zu verzeichnen, vermag diese Erwägungen nicht zu entkräften. Selbst wenn
dies so sein sollte, handelt es sich nicht um eine Veränderung des Nachfrageverhaltens
auf demselben sachlich relevanten Markt, sondern um eine Konkurrenz verschiedener
durch das Trägermedium definierter Märkte, die aus Sicht des Inserenten nicht
gegeneinander austauschbar sind, sondern eine komplementäre Bedarfsdeckung
ermöglichen.
77
c)
der
Fusionsvorhaben betroffenen Zeitungsblätter abgestellt und drei räumlich eigenständige
Lesermärkte, die dem jeweiligen Erscheinungsgebiet der Abonnement-Tageszeitungen
"H. T.", "H. T." und "Rundschau" entsprechen, sowie ein auf das in den
Belegungseinheiten deckungsgleiche Verbreitungsgebiet des "H. T." und des
Anzeigenblatts "K." beschränkten (Print-)Anzeigenmarkt bestimmt.
78
Die Bestimmung des räumlich relevanten Marktes erfolgt – auf der Grundlage des
Bedarfsmarktkonzepts - nach Maßgabe der räumlich gegebenen
Austauschmöglichkeiten aus der Sicht der Nachfrager (Senat, Beschluss vom
14.03.2007, VI-Kart 8/06 (V), WuW/E DE-R 1973 – 1978, zitiert nach juris Tz. 22).
79
aa)
80
Der räumlich relevante Lesermarkt beschränkt sich demzufolge auf das
Kernverbreitungsgebiet der vom Zusammenschlussvorhaben betroffenen Abonnement-
Tageszeitungen mit lokaler und regionaler Berichterstattung. Die schwerpunktmäßige
Ausrichtung einer Abonnement-Tageszeitung auf die Berichterstattung über lokale und
regionale Ereignisse ihres Kernverbreitungsgebiets hat zur Folge, dass die
Tageszeitung aus der Sicht der an einer lokalen und regionalen Berichterstattung
interessierten Leser den nachgefragten Bedarf lediglich für ihr Kernverbreitungsgebiet
zu decken vermag, weshalb die Tageszeitung ganz überwiegend auch nur von
denjenigen Lesern nachgefragt wird, die im Kernverbreitungsgebiet ansässig sind
(Senat, Beschluss vom 27.10.2004, VI-Kart 7/04 – Tagesspiegel/Berliner Zeitung II -,
WuW/E DE-R 1361, 1363). Die hier fraglichen Kernverbreitungsgebiete sind nach den
Feststellungen des Bundeskartellamtes das Gebiet des Altkreises S. H. für das "H. T.",
das Gebiet des Altkreises C. für das "H. T." und die Stadt G. für die "Rundschau".
81
das Gebiet des Altkreises C. für das "H. T." und die Stadt G. für die "Rundschau".
bb)
82
Der räumlich relevante Anzeigenmarkt ist bei der fusionskontrollrechtlichen Beurteilung
des Erwerbs eines lokalen bzw. regionalen Printmediums nach dessen jeweiligem
Erscheinungsgebiet abzugrenzen (vgl. BGH WuW/E BGH 1905, 1906 f. – Münchener
Anzeigenblätter -; BGH WuW/E BGH 2195, 2196 – Abwehrblatt II -; KG WuW/E OLG
4095, 4103 – W + i Verlag/Weiss-Druck -; Senat Beschluss vom 30.04.2002, Kart 1/01
(V), Beschlussumdruck S. 12; Senat, Beschluss vom 14.03.2007, VI-Kart 8/06 (V),
WuW/E DE-R 1973 – 1978, zitiert nach juris Tz. 22). Aus Sicht des Anzeigenkunden,
der mit seiner Rubriken- oder Werbeanzeige die in diesem Erscheinungsgebiet
gelegenen Haushalte erreichen und die dortigen Leser ansprechen will, ist wegen
dieses lokalen bzw. regionalen Bezuges seiner Anzeige die Anzeigenwerbung in
Zeitungen oder Anzeigenblättern mit anderen Verteilungs- bzw. Verbreitungsgebieten –
selbst bei teilweiser Überschneidung mit dem Zielgebiet - insoweit nicht austauschbar.
Gleiches gilt für die Anzeigenschaltung in Blättern, die zwar das vom Anzeigenkunden
gewünschte Zielgebiet abdecken, aber räumlich auch darüber hinaus vertrieben werden
(vgl. zu allem: Senat, Beschluss vom 14.03.2007, VI-Kart 8/06 (V), WuW/E DE-R 1973 –
1978, zitiert nach juris Tz. 23). Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes ist das
Verbreitungsgebiet der im Entscheidungsfall vom Fusionsvorhaben betroffenen Blätter
"H. T." und "K." auf das Gebiet des Altkreises S. H. einzugrenzen.
83
3.
84
Auf den so abgegrenzten Märkten sind zum einen die Beteiligte zu 2. mit dem "H. T." auf
dem Lesermarkt sowie mit dem "H. T." und dem "K." auf dem Anzeigenmarkt im Raum
des Altkreises S. H. und zum anderen die Beteiligte zu 1. über die HDV mit dem "H. T."
auf dem Lesermarkt im Raum des Altkreises C. und schließlich über die NKR mit der
"Rundschau" auf dem Lesermarkt im Raum G. jeweils bereits jetzt marktbeherrschend
im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB.
85
a)
bereits aus deren jeweils monopolistischen Struktur, in der jedes der fraglichen Blätter
faktisch eine Alleinstellung inne hat.
86
aa)
im Raum des Altkreises S. H., das "H. T." im Raum des Altkreises C. und die
"Rundschau" im Gebiet der Stadt G. nebst angrenzenden Gemeinden jeweils die
einzige Abonnement-Tageszeitung mit regionaler und lokaler Berichterstattung. Die
verschiedenen Verbreitungsgebiete dieser Tageszeitungen grenzen unmittelbar
aneinander an, ohne dass zwischen diesen Zeitungen ein aktueller oder sich derzeit
auswirkender potentieller Wettbewerb besteht. Das Bundeskartellamt hat hierzu
plausibel und mit der Beschwerde auch nicht angegriffen festgestellt, dass
insbesondere aufgrund der bestehenden und zur Zeit auch nicht gefährdeten
Zeitungsmantel- und Anzeigenkooperation weder für die davon profitierende Beteiligte
zu 1. noch für alle drei an den Kooperationen teilnehmenden Verlage derzeit eine
Veranlassung zum Eintritt in den jeweils benachbarten räumlichen Markt des anderen
besteht (so beispielsweise UV 26f., 28). Lediglich in I. gibt es eine Überschneidung,
nämlich des Verbreitungsgebietes des "H. T.", welches dort mit durchschnittlich …
Exemplaren verkauft wird, mit dem des "H. T.", das in I. durchschnittlich mit …
87
Exemplaren verkauft wird. Der in diesem Überschneidungsraum bestehende
Wettbewerb betrifft aus Sicht des "H. T." rund 4,8 % seiner Gesamtauflage von
durchschnittlich … Exemplaren und aus Sicht des "H. T." rund 1,8 % dessen
Gesamtauflage von durchschnittlich … Exemplaren, so dass angesichts im Übrigen
deutlich ausgeprägter Grenzen der Verbreitungsgebiete sowie der schuldrechtlichen
Verbindungen zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. im Rahmen der Mantel- und
Anzeigenkooperation die nur marginale Überschneidung im Gesamtbild zu keinem
wesentlichen Wettbewerb zwischen den beiden Blättern führt.
bb)
Substitutionswettbewerb durch die Gemeinde- und Anzeigenblätter sowie die Stadt- und
Szenemagazine und durch die lokalen online-Informationsangebote.
88
Ob ein wesentlicher Wettbewerb (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB) besteht, ist funktional unter
dem Gesichtspunkt zu bestimmen, ob der Verhaltensspielraum des zu betrachtenden
Marktteilnehmers durch Wettbewerber kontrolliert wird (vgl. Bechtold, GWB, 6. Aufl., § 19
Rn. 22). Unter diesem Gesichtspunkt ist grundsätzlich auch ein vorhandener
Substitutionswettbewerb, also der Wettbewerb mit nicht zum relevanten Markt
gehörenden, diesen aber beeinflussenden Produkten, zu berücksichtigen (Bechtold,
a.a.O., § 19 Rn. 25 m.w.N.). Wettbewerblich relevant wird ein vorhandener
Substitutionswettbewerb aber nur dann, wenn er so intensiv ist, dass der
Verhaltensspielraum des marktbeherrschenden Unternehmens auf dem maßgeblichen
Markt hierdurch hinreichend begrenzt und kontrolliert wird (BGH, Beschluss vom
26.05.1987, KVR 3/86 – Niederrheinische Anzeigenblätter -, WuW/E BGH 2425 – 2432,
zitiert nach juris Tz. 30).
89
Im Entscheidungsfall geht von den mit der Beschwerde geltend gemachten Substituten
indes weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit ein solch starker
Wettbewerbsdruck auf die hier zu betrachtenden Abonnement-Tageszeitungen aus,
dass hierdurch der mit der praktischen Monopolstellung des jeweiligen Marktführers
verbundene weitest denkbare Entscheidungsspielraum nennenswert beeinflusst werden
kann.
90
(1)
Anzeigenblättern sowie Stadt- und Szenemagazine sind für den an einer tagesaktuellen
und umfassenden Information über lokale bis internationale Ereignisse interessierten
Leser kein gleichwertiges Substitut für eine Tageszeitung mit überregionaler sowie
regionaler und lokaler Berichterstattung. Dies gilt selbst, wenn und soweit sie – wie mit
der Beschwerde herausgestellt wird - kostenlos verteilt werden. Wie bereits zur
sachlichen Marktabgrenzung ausgeführt, stellen sie nach den mit der Beschwerde nicht
in Frage gestellten Feststellungen des Bundeskartellamtes aufgrund ihres größeren
Erscheinungsintervalls, ihrer lokalen Fokussierung, ihrer deutlich niedrigeren Breite und
Tiefe in der Berichterstattung sowie aufgrund ihrer thematischen Schwerpunktsetzung
keine Konkurrenz für das thematisch in jeder Hinsicht breit gefächerte Bündelprodukt
Abonnement-Tageszeitung dar. Dass – wie mit der Beschwerde vorgetragen wird – der
Leser gerade wegen des engen lokalen Bezuges dieser Printangebote diese "nicht
selten der Tageszeitung vorziehen" werde (BB 13), ist vor diesem Hintergrund weder
nachvollziehbar noch ersichtlich.
91
(2)
den Feststellungen des Bundeskartellamtes sowie dem Vorbringen der Beteiligten für
92
den Feststellungen des Bundeskartellamtes sowie dem Vorbringen der Beteiligten für
die hier betroffenen Lesermärkte in Betracht zu ziehen sind, kommt gegenüber den hier
zu betrachtenden Abonnement-Tageszeitungen allenfalls eine stark begrenzte
Substitutionswirkung zu, welche jedenfalls nicht geeignet ist, die jeweilige
Marktbeherrschung in Gestalt der praktischen Monopolstellung der Beteiligten zu 1. und
2. auch nur ansatzweise zu kontrollieren oder gar zu neutralisieren.
Ohnehin kommen als Substitut für eine Lokal- bzw. Regionalzeitung nur die online-
Informationsangebote in Betracht, die redaktionelle Inhalte aufweisen. Wegen der
bereits aus diesem Grund aus einem eventuellen Substitutionswettbewerb
ausscheidenden Internetportale mit regionalem und lokalem Bezug zu den vorliegend
betroffenen Lesermärkten wird auf die mit der Beschwerde auch nicht angegriffenen
Feststellungen des Bundeskartellamtes in der angefochten Untersagungsverfügung
verwiesen.
93
Wie bereits im Einzelnen zur sachlichen Marktabgrenzung ausgeführt, vermögen die im
Entscheidungsfall in Betracht zu ziehenden online-Informationsangebote nur höchst
eingeschränkt und allenfalls partiell eine regional und lokal orientierte Abonnement-
Tageszeitung als Bündelprodukt zu ersetzen. Hierfür spricht nicht nur die gegenüber
einem Printmedium eingeschränkte Wirkungsweise und Verfügbarkeit, die sich schon
aus den technischen Voraussetzungen einer Internetnutzung sowie dem allgemein
verbreiteten Nutzerverhalten ergibt. Vielmehr decken die fraglichen online-
Informationsangebote mit Bezug zu den Regionen S. H., C. und G. nur in einem
geringen Teil den Informationsbedarf des an tagesaktueller und umfassender – von
Lokalem bis Internationalem reichenden – Berichterstattung interessierten Lesers, der
eine regionale bzw. lokale Abonnement-Tageszeitung als Bündelprodukt bezieht. Nach
den insoweit unangefochtenen Feststellungen des Bundeskartellamtes sind die in
Betracht kommenden websites überwiegend im Schwerpunkt entweder lokal bzw.
regional oder überregional fokussiert und schon deshalb kein auch nur annähernd
gleichwertiger Ersatz für das Bündelprodukt Lokal- bzw. Regionaltageszeitung. Ein
inhaltlich breiteres Informationsangebot ist nach den Feststellungen des
Bundeskartellamtes vor allem in den den Zusammenschlussbeteiligten zuzurechnenden
Internetportalen ("www.s...de" wie auch die einzelnen Internetauftritte der jeweiligen
Abonnement-Tageszeitung selbst) zu finden; diese können – aus sich selbst
verständlich – nicht als Substitutionswettbewerb, sondern nur als komplementäre
Teilnahme auf einem eigenständigen online-Markt aufgefasst werden. Dass das von
den Beteiligten unabhängige Internetportal "www.h....de" einen nennenswerten
Wettbewerbsdruck ausübt, behaupten die Beteiligten weder selbst noch ist dies unter
Berücksichtigung der vom Bundeskartellamt unangefochten festgestellten weitaus
geringeren Breite der Berichterstattung und begrenzten Wirkung diese Internetauftritts
sonst ersichtlich.
94
Der mit der Beschwerde erhobene Einwand, durch den intermediären Konkurrenzdruck
des online-Informationsangebot könne die Beteiligte zu 2. Preise und Qualität nicht
ohne massive Absatzverluste verändern und unterliege insoweit einem
Substitutionswettbewerb, ändert hieran nichts. Die damit geltend gemachte
Beeinflussung des den Zeitungsverlagen zukommenden Verhaltensspielraums findet
seine Ursache nicht in dem Produkt, welches mangels funktionaler Austauschbarkeit
zwar nicht dem relevanten Markt zugerechnet werden kann, diesen aber beeinflusst.
Vielmehr ist Ursache hierfür ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen medialen
Märkten selbst, wodurch die allgemeinen Wettbewerbsbedingungen des relevanten
Marktes und damit die für diesen geltenden Rahmenbedingungen jeglichen
95
Marktverhaltens bestimmt werden. Der vom Medium Internet ausgehende
Wettbewerbsdruck auf den Zeitungsmarkt trifft alle dort – hypothetisch – tätigen
Unternehmen in gleicher Weise.
(3)
gemachten Substitute zu einer Abonnement-Tageszeitung kann die Beschwerde einen
Substitutionswettbewerb auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die
Informationsfunktion einer (regionalen bzw. lokalen) Tageszeitung jedenfalls durch die
Gesamtheit der Substitute ersetzt werden könne. Ein solches
Informationsbeschaffungsverhalten des Lesers erfordert zudem die aktive Suche und
Kombination verschiedener Informationsquellen; dies erschwert die
Informationsbeschaffung, so dass einer solchen Gesamtwirkung der Ersatzangebote
gegenüber dem leicht verfügbaren Bündelprodukt Abonnement-Tageszeitung kaum
Substitutionswirkung zukommt.
96
(4)
wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Leser- und Anzeigenmarkt in Frage gestellt.
Die darin begründeten Wechselwirkungen (Auflagen-Anzeigen-Spirale) sind jedenfalls
vom Anzeigenmarkt auf den Lesermarkt regelmäßig begrenzt. Im Entscheidungsfall
ergeben sich keine Anhaltspunkte, dies anders zu bewerten.
97
b)
Wettbewerbsbedingungen ist die Beteiligte zu 2. auf dem lokalen Anzeigenmarkt im
Altkreis S. H. bereits jetzt marktbeherrschend.
98
aa)
abgegrenzten lokalen Anzeigenmarkt neben den von der Beteiligten zu 2.
herausgegebenen Blättern "H. T." und "K." kein weiteres Printwerbungs-Angebot mit
deckungsgleichen Belegungseinheiten. Hiergegen wendet sich die Beschwerde ohne
Erfolg. Entgegen der mit der Beschwerde geltend gemachten Auffassung sind die im
Altkreis S. H. erscheinenden Gemeinde- und Amtsblätter weder in den lokalen
Anzeigenmarkt einzubeziehen noch geht von ihnen unter dem Gesichtspunkt des
Substitutionswettbewerbs ein nennenswerter Wettbewerbsdruck auf die Printangebote
der Beteiligten zu 2. aus.
99
(1)
angefochtenen Untersagungsverfügung, auf die insoweit verwiesen wird (UV 34 – 36),
decken die Verbreitungsgebiete der in Betracht kommenden Publikationen nur kleinere
Teilbereiche des gemeinsamen Erscheinungsgebietes von "H. T." und "K" ab (V. A. I.
GmbH mit der "W.", die vom K. V. GmbH herausgegebenen Amts- und
Mitteilungsblätter) oder umfassen räumlich jedenfalls nicht unerheblich weiterreichende
Belegungseinheiten ("T. d. W." Ausgabe S. H./C. im gesamten Gebiet des Kreises S. H.,
"p.-M. für die Region H.-F." der E. V. OHG, "w.n. – Wirtschaftsmagazin der I. H.-F." im
Großraum H.-F., "H. t." des Verlages M. M.). In keinem Fall besteht eine (vollständige
oder nur annähernde) Deckungsgleichheit der Belegungseinheiten. Aus Sicht eines
Anzeigenkunden, der wegen des lokalen bzw. regionalen Bezuges seiner Anzeige an
einer Gesamtbelegung (nur) im Raum des Altkreises S. H. interessiert ist, sind das "H.
T." bzw. der "K." gegen diese weiteren Blätter nicht austauschbar. Anhaltspunkte dafür,
dass die aufgezeigten Abweichungen im Verbreitungsgebiet und bei den
Belegungsmöglichkeiten für den Anzeigenkunden nicht von wesentlicher Bedeutung
100
sind und er deshalb auf andere Blätter ausweichen kann, sind weder ersichtlich noch
mit der Beschwerde aufgezeigt.
(2)
unter Berücksichtigung der von den Gemeinde- und Amtsblättern erzielten Umsätze
immer noch eine ganz überragende Marktstellung haben.
101
Nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des
Bundeskartellamtes hat die Beteiligte zu 2. auf dem relevanten lokalen Anzeigenmarkt
im Jahr 2008 einen Bruttoumsatz in Höhe von … Millionen Euro erzielt, wobei .. %
hiervon – in absoluten Zahlen also … € - aus dem Anzeigen- und Beilagengeschäft
resultieren. Unter Berücksichtigung des mit der Beschwerde eingeräumten
Jahresumsatzes aus der Beilagenverteilung in Höhe von … € ergibt sich ein rein aus
dem Anzeigengeschäft resultierender Umsatz der Beteiligten zu 2. in Höhe von (… € ./.
… € =) … €. Die Beteiligten selbst haben mit der Beschwerde vorgetragen, dass der K.
V. – ihrer Einschätzung nach der wesentliche Konkurrent der Beteiligten zu 2. im Print-
Anzeigenbereich – mit den von ihm im Raum des Altkreises S. H. herausgegebenen
Gemeinde- und Amtsblätter im Jahr 2008 Anzeigenumsätze in geschätzter Höhe von …
€ erzielt. Ausgehend von diesen Daten beträgt der relative Anteil der Beteiligten zu 2. an
dem – sich unter Einbeziehung des geltend gemachten Anzeigenumsatzes des K. V.
ergebenden - Gesamtumsatzvolumen des Anzeigengeschäfts im Altkreis S. H. etwa ..
%.
102
Gleichzeitig bestehen faktisch kaum erhebliche Marktzutrittschranken für andere
Unternehmen, insbesondere weil nach den insoweit übereinstimmenden und plausiblen
Ausführungen des Amtes und der Beteiligten der Markteintritt eines Marktneulings
erheblicher finanzieller Aufwendungen bedarf, ferner das Volumen des relevanten
Marktes, der ohnehin der intermediären Konkurrenz des Internets ausgesetzt ist, sich
eher als gering darstellt und schließlich die schuldrechtliche Verflechtung der
Beteiligten zu 2. mit anderen, auf räumlich benachbarten Märkten tätigen Verlagen im
Rahmen der Mantel- und Anzeigenkooperation die ohnehin erstarrten Marktstrukturen
festigt.
103
(3)
der großen Sonntagszeitungen sind zum einen ebenfalls nicht dem vorliegend
relevanten lokalen Anzeigenmarkt zuzurechnen, da – wie das Bundeskartellamt
unangefochten festgestellt hat – deren kleinstmögliche Belegungseinheiten weitaus
größer sind als das Verbreitungsgebiet der beiden von der Beteiligten zu 2.
herausgegebenen Printangebote. Zum anderen geht von diesen überregionalen
Werbungsträgern kein nennenswerter Wettbewerbsdruck auf das "H. T." und den "K."
aus, zumal unter Berücksichtigung der Auflagen-Anzeigen-Zusammenhänge zwischen
Lesermarkt und Anzeigenmarkt die B.-Zeitung mit – wie die Beteiligten selbst
vorgetragen haben – regelmäßig rund … im Raum des Altkreises S. H. verkauften
Exemplaren gegenüber der Gesamtauflage des "H. T." mit durchschnittlich …
Exemplaren und des "K." mit rund … Exemplaren schon offensichtlich nicht ins Gewicht
fällt.
104
bb)
Verhaltensspielraum der Beteiligten zu 2. auf dem relevanten regionalen Print-
Anzeigenmarkt im Altkreis S. H. durch einen Substitutionswettbewerb der online-
Werbung hinreichend begrenzt werde.
105
Werbung hinreichend begrenzt werde.
Hiergegen spricht bereits, dass die im andersartigen Medium Internet angebotenen
Werbemöglichkeiten nicht marktgleichwertig sind. Es bestehen – wie bereits im Rahmen
der sachlichen Marktabgrenzung ausgeführt – erhebliche Unterschiede in der
Wahrnehmung und Verfügbarkeit der Werbung sowie regelmäßig in der Preisgestaltung
für die Anzeigenschaltung. Aufgrund dessen sind beide Werbungsangebote aus Sicht
des durchschnittlichen Anzeigenkunden keine Substitute, sondern dienen einer
komplementären Bedarfsdeckung (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 14.03.2007, VI-Kart
8/06 (V), WuW/E DE-R 1973 – 1978, zitiert nach juris Tz. 27 m.w.N.).
106
Im engen Zusammenhang damit steht, dass die mit der Beschwerde geltend gemachten
Wettbewerbseffekte der online-Werbung auf die Print-Werbeträger im Kern der
Konkurrenz zwischen den medialen Märkten entspringen. Wie bereits ausgeführt,
betreffen die Auswirkungen dieses Wettbewerbs zwischen dem lokalen bzw. regionalen
Print-Anzeigenmarkt einerseits und dem online-Werbemarkt andererseits im Grundsatz
jeden Anbieter auf dem relevanten Print-Anzeigenmarkt in gleicher Weise, weil die
Zugewinne des online-Werbemarktes ganz allgemein die Wettbewerbsbedingungen
des Print-Anzeigenmarktes, insbesondere dessen Nachfragevolumen prägen. Anderes
wird mit der Beschwerde auch nicht vorgetragen; vielmehr wird mit ihr eine
Umschichtung der Werbebudgets "weg von dem traditionellen Printmedium hin zur
Werbung im Internet" (beispielsweise BB 92 f., GA 265 f.) und allgemein ein
Wettbewerbsdruck "des Online-Bereichs auf den Printbereich" (BB 83 f., GA 256 f.)
geltend gemacht. Der daraus gezogenen Schlussfolgerung der Beschwerde, dass
"beide Veröffentlichungswege unmittelbar miteinander konkurrieren und demnach einen
einheitlichen Markt bilden" (BB 83, 84; GA 256, 257), vermag der Senat auf der
Grundlage des Bedarfsmarktkonzepts in Anbetracht der aufgezeigten erheblichen
Unterschiede zwischen den beiden Informationsmedien insbesondere in der
Verfügbarkeit, Wirkungsweise und Preisgestaltung nicht zu folgen. Das online-
Werbungsangebot hat eine begrenzende Wirkung auf den relevanten Print-
Anzeigenmarkt an sich, vermag aber nicht wirksam den Verhaltensspielraum des
marktbeherrschenden Anbieters auf dem – allenfalls in seiner Gesamtheit hierdurch
begrenzten - relevanten Print-Anzeigenmarkt zu kontrollieren.
107
4.
108
Die Voraussetzungen für die Untersagung des Fusionsvorhabens nach § 36 Abs. 1
GWB liegen jedoch deshalb nicht vor, weil die beabsichtigte Übernahme sämtlicher
Anteile an der Beteiligten zu 2. durch die Beteiligte zu 1. nicht die Erwartung begründet,
dass hierdurch die marktbeherrschende Stellung der Beteiligten zu 2. auf dem
Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler bzw. regionaler
Berichterstattung und dem lokalen Print-Anzeigenmarkt im Altkreis S. H. und/oder die
entsprechende Position der Beteiligten zu 1. auf dem Lesermarkt für Abonnement-
Tageszeitungen mit lokaler bzw. regionaler Berichterstattung einerseits mit dem "H. T."
im Altkreis C. und andererseits mit der "Rundschau" im Gebiet der Stadt G. verstärkt
wird.
109
a)
Zusammenschlussbeteiligten und der mit ihnen verbundenen Unternehmen - schon
bestehenden marktbeherrschenden Stellung erwarten lässt, ist auf Grund eines
Vergleichs der Wettbewerbslage, wie sie vor der Verwirklichung des Vorhabens
bestanden hat, und der nach dem Zusammenschluss wahrscheinlich eintretenden
110
Entwicklung festzustellen (BGH GRUR 1978, 439, 443 – Kfz-Kupplungen; BGH WuW/E
DE-R 668, 670 – Werra Rundschau). Die Annahme einer Verstärkungswirkung setzt
hierbei keinen bestimmten Grad an Spürbarkeit, insbesondere weder eine Ausweitung
des bestehenden Marktanteils noch einen Ressourcenzuwachs voraus. Es genügt
vielmehr, dass der Zusammenschluss überhaupt eine – wenngleich geringe –
Verbesserung der Wettbewerbssituation für das marktbeherrschende Unternehmen
nach sich ziehen kann, wobei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die zu
erwartenden Fusionsvorteile umso geringeres Gewicht haben müssen, je stärker die
Marktstellung des betroffenen Unternehmens bereits vor dem Zusammenschluss
gewesen ist; denn gerade dann gilt es, bestehenden Restwettbewerb zu schützen oder
potentiellen Wettbewerb nicht zu entmutigen. Bei Märkten mit einem hohen
Konzentrationsgrad – wie im Entscheidungsfall mit praktisch monopolistischen
Strukturen – genügt daher schon eine geringfügige Beeinträchtigung des
Restwettbewerbs oder potentiellen Wettbewerbs (vgl. zu Allem: BGH WuW/E DE-R 668,
Rz. 28 f. – Werra Rundschau, m.w.N.; BGH, Beschluss vom 21.12.2004, KVR 26/03 –
Deutsche Post/trans-o-flex, WuW/E DE-R 1419, zitiert nach juris Tz. 26 m.w.N.; BGH
WuW/E DE-R 1925 Rz. 24, 26 – National Geographic II). Ausreichend für die Annahme
einer solchen Beeinträchtigung ist die Gefahr, dass das marktbeherrschende
Unternehmen durch den Zusammenschluss seine Marktstellung gegenüber
vorhandenen Wettbewerbern absichern und potentiellen Wettbewerbern den Marktzutritt
weiter erschweren wird (BGH, WuW/E DE-R 668 Rz. 29 – Werra Rundschau) oder
potentielle Wettbewerber entmutigt, so dass diese von einem nachstoßenden
Wettbewerb abgehalten werden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2451 Rz. 61 –
E.ON/Stadtwerke Eschwege).
b)
Verstärkungswirkung nicht berechtigt.
111
aa)
Entscheidungsfall schon deshalb nicht in Betracht, weil ein solcher auf den relevanten
Märkten nicht vorhanden ist. Wie bereits im Einzelnen ausgeführt, sind die Beteiligte zu
2. sowie die HDV und die NKR auf dem jeweils von ihnen belegten räumlich relevanten
Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen mit regionaler und lokaler Berichterstattung
faktisch keinem aktuellen Wettbewerb ausgesetzt. Andere regionale Abonnement-
Tageszeitungen sind im jeweiligen Verbreitungsgebiet des "H. T.", des "H. T." und der
"Rundschau" – praktisch – nicht vorhanden. Die marginale Überschneidung der
Verbreitungsgebiete einerseits des "H. T." und andererseits des "H. T." in der Gemeinde
I. ist – wie bereits ausgeführt – für den Wettbewerb im jeweiligen Markt praktisch ohne
Bedeutung. Gleiches gilt für eine – nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes auf
einige wenige Exemplare begrenzte (UV 28, Fußnote 56; GA 32) – Überschneidung
zwischen den Verbreitungsgebieten des "H." und der "H. S.". Ebenso verhält es sich auf
dem lokalen Anzeigenmarkt im Verbreitungsgebiet des "H. T." und des "K."; hier besteht
mit diesem Belegungsangebot allein das Angebot der Beteiligten zu 2..
112
bb)
Untersagungsverfügung so gesehen und für die Verstärkungswirkung auf den Wegfall
des potentiellen Wettbewerbs abgestellt. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Weder besteht
derzeit ein (gegenseitiger) potentieller Wettbewerb zwischen der Beteiligten zu 2. und
den mit der Beteiligten zu 1. verbundenen Verlagsunternehmen HDV und NKR, der
infolge des Zusammenschlusses wegfällt, noch verhindert der Zusammenschluss einen
künftig zu erwartenden (gegenseitigen) potentiellen Wettbewerb zwischen diesen
113
künftig zu erwartenden (gegenseitigen) potentiellen Wettbewerb zwischen diesen
Unternehmen. Im Einzelnen:
(1)
wirtschaftlichen Entscheidungs- und Verhaltensspielraum der Marktteilnehmer zu
verstehen, der von einem nicht auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen allein
schon aufgrund seiner Fähigkeit zum künftigen Markteintritt ausgeht (vgl.: Bechtold,
GWB, 6. Aufl., § 19 Rn. 26; Zimmer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB,
4. Aufl., § 1 Rn. 116). Für die Annahme eines in diesem Sinne wirksamen
Wettbewerbsdrucks von außerhalb des relevanten Marktes genügt die bloß theoretische
Möglichkeit des Marktzutritts von Wettbewerbern nicht. Vielmehr muss nach der
Marktsituation sowie nach den Fähigkeiten und Möglichkeiten des betreffenden
Unternehmens wahrscheinlich sein, dass es demnächst aktuellen Wettbewerb
aufnehmen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 10.03.2010, VI-U (Kart) 13/09, WuW/E DE-
R 2897 – 2901, zitiert nach juris Tz. 22). Maßgeblich hierfür ist, dass sich der künftige
Markteintritt aufgrund objektiver und nachprüfbarer Anhaltspunkte unter
Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des relevanten Marktes, vor allem
der Marktzutrittsschranken, der Ressourcen des in Betracht gezogenen Unternehmens
und dessen Geschäftspolitik, als realistische und nahe liegende Möglichkeit darstellt
(vgl. EuG WuW/E EU-R 237 – European Night Services).
114
(2)
kein wirksamer potentieller Wettbewerb.
115
(2.1)
im Verbreitungsgebiet des "H. T." und umgekehrt ist für die Beteiligten weder
wirtschaftlich zweckmäßig noch kaufmännisch vernünftig, solange sie durch den
Mantellieferungsvertrag und den Anzeigengemeinschaftsvertrag gebunden sind.
Gleiches gilt für die Frage eines künftigen Markteintritts der Beteiligten zu 1. in den
lokalen Anzeigenmarkt im Verbreitungsgebiet des "H. T." und "K.". Es steht außer Streit,
dass die Kooperationen beiden Beteiligten erhebliche wirtschaftliche Vorteile bieten.
Die Beteiligte zu 1. profitiert in Gestalt der vereinbarten Entgelte aus der Zulieferung des
Zeitungsmantels und der Verwaltung des Anzeigengeschäfts; im Rahmen der
Mantelgemeinschaft ist sie insoweit sogar proportional am Erfolg des "H. T." beteiligt, da
sich ihr Entgelt am Verkaufsumsatz orientiert. Aus Sicht der Beteiligten zu 2. wird durch
die Kooperationen eine Senkung des notwendigen Investitions- und Kostenvolumen für
die Erstellung redaktioneller Inhalte und die Anzeigenverwaltung erreicht. Diese
beiderseitigen Vorteile werden durch Wechselwirkungen, die sich aus der Größe der
Gemeinschaften ergeben, noch verstärkt. Hierbei sind die Beteiligten zu 1. und 2. – im
maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem
Senat – noch über Jahre über die Kooperationen miteinander verbunden. Der
unbefristete Mantellieferungsvertrag kann von beiden Seiten mit einer Frist von zwei
Jahren zum Ende eines geraden Kalenderjahres (§ 6 Abs.1 des Mantel-Liefervertrages),
also aus heutiger Sicht theoretisch frühestens zum 31.12.2012, bei realistischer
Sichtweise, da derzeit jeglicher Anhaltspunkt für den Willen der Beteiligten zur
Aufkündigung des Vertrages fehlt, frühestens zum 31.12.2014 gekündigt werden. Der
Anzeigengemeinschaftsvertrag verlängert sich seit dem 01.01.1978 jeweils um 5 Jahre,
wenn er nicht ein Jahr vor seinem jeweiligen Ablauf gekündigt wird (§ 6 Abs. 2 des
Anzeigengemeinschaftsvertrages vom 23.11.1970); demnach kann er frühestens zum
01.01.2013 gekündigt werden.
116
Es fehlt jedweder konkrete Anhaltspunkt für die Annahme, dass sich an dem bisherigen
wettbewerbslosen Zustand etwas ändert, solange die Beteiligten zu 1. und 2. durch den
Mantellieferungsvertrag und den Anzeigengemeinschaftsvertrag gebunden sind. Die
Grenzen der Verbreitungsgebiete bestehen seit Jahren unverändert. Versuche, mit der
eigenen Zeitung in den jeweils benachbarten Lesermarkt einzudringen, sind weder in
der Vergangenheit ersichtlich noch sind entsprechende Strategien der
Zusammenschlussbeteiligten erkennbar. Im Gegenteil spricht die in den Jahren 2002
und 2003 seitens der Beteiligten zu 2. und der HDV vorgenommene Rückführung von
Überschneidungen in den Verbreitungsgebieten ihrer jeweiligen Anzeigenblätter für die
weitere Erstarrung der Zeitungsmärkte in der Region.
117
(2.2)
Untersagungsverfügung ausgegangen:
118
Nach den Ausführungen des Amtes hat die Beteiligte zu 1. aktuell ein wirtschaftliches
Interesse am Verbreitungsgebiet des "H. T." aus dem bestehenden
Mantellieferungsvertrag, der bestehenden Anzeigenkooperation und der
Inanspruchnahme der Druckerei der HDV mit dem Ziel, ein Ausscheiden des "H. T." aus
diesen Kooperationen zu verhindern (UV 24 f. Tz. 57; GA 28 f.). Weiter hat das
Bundeskartellamt ausgeführt, für die Beteiligte zu 1. habe "in der Vergangenheit keine
Veranlassung zum Markteintritt" bestanden, "solange der Mantellieferungsvertrag und
die Anzeigengemeinschaft nicht gefährdet waren"; ein entsprechender Anreiz für die
Beteiligte zu 1. entstehe aber "mittelfristig", insbesondere wenn ein Dritter die Beteiligte
zu 2. erwerbe, der "über eine eigene Anzeigenkooperation und eine eigene
Mantellieferungsmöglichkeit verfügt" und deshalb Anlass habe, die Zusammenarbeit zu
beenden; dann bestehe "die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit, dass sich an den
gegenwärtigen Verhältnissen tatsächlich etwas ändern könnte und ein neuer
Eigentümer des Z. (die Beteiligte zu 2.) Bewegung in den Markt bringen könnte (UV 26 f.
Tz. 60; GA 30 f.).
119
Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als dass unter derzeitigen Markt- und
Wettbewerbsverhältnissen auch nach Einschätzung des Bundeskartellamtes die
Beteiligte zu 1. objektiv keinen Anreiz zu einem Eintritt in das Verbreitungsgebiet des
"H. T." hat und dies auch künftig nicht anders zu beurteilen ist, solange die
Zusammenarbeit in der Mantel- und Anzeigengemeinschaft besteht.
120
In Bezug auf einen potentiellen Wettbewerb für die Beteiligte zu 1. durch die Beteiligte
zu 2. hat das Bundeskartellamt ausgeführt (UV 28 Tz. 65; GA 32):
121
"Zwar ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein eigenständiges Eindringen des Z. in
das Gebiet des "H. T." bzw. der "Rundschau" aufgrund ihrer vergleichsweise
geringen wirtschaftlichen Ressourcen und der schuldrechtlichen Verbindungen
nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. In der Fusionskontrolle hat
jedoch eine zukunftsgerichtete Prognose zu erfolgen. Wie oben ... dargestellt,
können sich die Marktverhältnisse wegen des absehbaren Eigentümerwechsels
beim "H. T." ändern, kann ein anderer Eigentümer den Z. erwerben. Für einen
solchen Verlag könnte es möglich und wirtschaftlich sinnvoll sein, in das relativ
kleine Verbreitungsgebiet der "Rundschau" oder in das Verbreitungsgebiet des
"H. T." einzudringen, ..."
122
Diese Ausführungen sind nicht plausibel in der Annahme, dass zum gegenwärtigen
123
Zeitpunkt die Aufnahme eines Wettbewerbs durch die Beteiligte zu 2. "nicht mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu erwarten" sei; aufgrund der vom Amt hierzu zugrunde gelegten
Umstände, nämlich die Ressourcen der Beteiligten zu 2. sowie die Mantel- und
Anzeigengemeinschaft und weitere schuldrechtliche Kooperationen mit der Beteiligten
zu 1. ergibt sich auch nicht im Ansatz ein Anhaltspunkt dafür, dass unter den derzeitigen
Markstrukturen und Wettbewerbsbedingungen ein Eindringen in die
Verbreitungsgebiete des "H. T." und der "Rundschau" mit dem "H. T." überhaupt zu
erwarten sein soll. Im Übrigen geht das Bundeskartellamt selbst davon aus, dass die
Aufnahme von Wettbewerb unter künftig – möglicherweise – veränderten
Wettbewerbsbedingungen, aber eben nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt möglich
erscheint. Es hat deshalb auch die Behauptung der Beschwerde, dass die Kooperation
sowohl für die Beteiligte zu 1. als auch für die Beteiligte zu 2. existenziell und
unverzichtbar sei, unbestritten gelassen.
(2.3)
potentieller Wettbewerb auch nicht mit der Erwägung begründet werden, dass die
Mantel- und Anzeigenkooperation an die Stelle eigener Wettbewerbshandlungen trete.
124
Das Bundeskartellamt hat hierzu ausgeführt, dass ohne die hier bestehenden
Kooperationsformen ein Eindringen in das räumlich unmittelbar benachbarte Gebiet des
jeweils anderen Zeitungsverlages unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nahe liege.
Die Kooperation dämpfe diesen wirtschaftlich nahe liegenden Anreiz und könne daher
im Rahmen der Fusionskontrolle nicht als neutrale Tatsache berücksichtigt werden.
Ansonsten könnte in Folge der Kooperation ein Zusammenschluss vollzogen werden,
der ohne sie nicht vollzogen werden dürfte. Dies wäre auch im Hinblick auf § 1 GWB
problematisch, weil die Kooperation wettbewerbsbeschränkende Wirkungen im Sinne
dieser Vorschrift hätte, wenn ohne sie von einem relevanten Wettbewerb zwischen den
kooperierenden Unternehmen auszugehen wäre (Schriftsatz vom 28.05.2010, Seite 8 f.;
GA 678 f.).
125
Dieser Argumentation vermag der Senat jedenfalls im Entscheidungsfall nicht zu folgen.
Es kann vorliegend auf sich beruhen, ob vorgefundene Marktstrukturen im Rahmen der
Zusammenschlusskontrolle außer Betracht gelassen werden können, wenn und soweit
sie unter dem Gesichtspunkt des § 1 GWB kartellrechtswidrig sind. Die Zeitungsmantel-
und Anzeigenkooperation des "S.-P.-Verbundes" ist – was zwischen den
Verfahrensbeteiligten nicht im Streit steht - durch die zuständige Landeskartellbehörde
kartellrechtlich überprüft und nicht beanstandet worden. Dass die Kooperationen
gleichwohl kartellrechtlich verboten sind, ist nicht festzustellen. Auch das
Bundeskartellamt zeigt nicht im Ansatz auf, warum die zwischen den Beteiligten zu 1.
und 2. insoweit bestehenden Verträge kartellrechtswidrig sein sollen. Allein der
Zirkelschluss, dass diese Kooperationen im Sinne des § 1 GWB
wettbewerbsbeschränkend wirken, wenn sie der Annahme eines wirksamen
potentiellen Wettbewerbs entgegenstünden, begründet einen im Sinne der Vorschrift
tatbestandlichen Kartellverstoß nicht. Das gilt umso mehr, als insbesondere die
Beteiligte zu 2. ohne die Zeitungsmarkt- und Anzeigenkooperation auf dem Leser- und
Anzeigenmarkt nicht bestehen könnte, so dass die genannten Kooperationen insoweit
sogar wettbewerbsfördernd wirken. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei beiden
Kooperationen um ein Faktum der Marktstrukturen, welches im Rahmen der
Zusammenschlusskontrolle hinzunehmen ist.
126
(3)
127
1835, 1836 – Deutsche Börse/London Stock Exchange) zwischen den Beteiligten zu 1.
und 2. ein gegenseitiger potentieller Wettbewerb zu erwarten ist, dessen Entstehung
durch den Zusammenschluss schon vorweg verhindert wird, lässt sich entgegen der
Auffassung des Bundeskartellamtes nicht mit der gebotenen Prognosesicherheit
annehmen.
(3.1)
Kfz-Kupplungen) sind die Auswirkungen eines Zusammenschlusses nicht nur anhand
der im Fusionszeitpunkt herrschenden Wettbewerbsbedingungen zu beurteilen.
Vielmehr ist eine Vorausschau auf die künftige Wettbewerbsentwicklung dann möglich
und auch nötig, wenn sich aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit
sagen lässt, dass die mit dem Zusammenschluss geschaffenen
Wettbewerbsvoraussetzungen sich alsbald verändern. Ergibt der Vergleich mit den mit
dem Zusammenschluss geschaffenen Wettbewerbsvoraussetzungen noch keine
Änderung der zu prüfenden marktbeherrschenden Stellung, so ist unter den genannten
strengen Voraussetzungen auch die künftige Wettbewerbsentwicklung in die Prognose
einzubeziehen.
128
(3.2)
künftige Veränderung der mit dem Zusammenschluss geschaffenen
Wettbewerbsvoraussetzungen, sondern auf eine gerade ohne den Zusammenschluss
zu erwartende Entwicklung der Wettbewerbsverhältnisse auf den relevanten Märkten.
Es kann auf sich beruhen, ob die im Bezugspunkt so gefasste Prognose zulässig ist,
wenn die Verhinderung eines zu erwartenden Wettbewerbs durch die Fusion des
marktbeherrschenden Unternehmens mit dem potentiellen Wettbewerber zu prüfen ist
(vgl. hierzu Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4.
Aufl., § 36 Rn. 232 mw.N.). Auch dann ist der Prognose der vom Bundesgerichtshof
geforderte strenge Maßstab zugrunde zu legen, d.h. es genügt nicht die rein
theoretische Möglichkeit einer solchen Wettbewerbsentwicklung, vielmehr muss die
durch konkrete Tatsachen gestützte hohe Wahrscheinlichkeit der künftigen Aufnahme
von Wettbewerb zwischen den Zusammenschlussbeteiligten begründet sein, wenn der
Zusammenschluss nicht vollzogen wird. Daran fehlt es im Entscheidungsfall indes:
129
Das Bundeskartellamt legt seiner Prognose, dass ohne den Zusammenschluss künftig
ein Anreiz für die Zusammenschlussbeteiligten zur Aufnahme wechselseitigen
Wettbewerbs entstehe, - wie bereits ausgeführt - verschiedene ineinandergreifende
Bedingungen einer Wettbewerbsentwicklung zugrunde. Hiernach sei ein
wechselseitiges Eindringen der zu betrachtenden Verlage mit ihren jeweiligen
Presseerzeugnissen in das räumlich benachbarte Verbreitungsgebiet des jeweils
anderen wirtschaftlich naheliegend, wenn anstatt der Beteiligten zu 1. ein Dritter die
Beteiligte zu 2. erwerbe, der zudem über eine eigene Anzeigenkooperation und
Mantellieferungsmöglichkeit verfüge und es deshalb für wirtschaftlich vernünftig halten
könnte, die Beteiligte zu 2. aus den bestehenden Kooperationen herauszulösen. In
diesem Fall bestünde für den Dritterwerber ein wirtschaftlicher Anreiz, in die
Verbreitungsgebiete des "H. T." und der "Rundschau" vorzustoßen, sowie umgekehrt für
die Beteiligte zu 1. ein wirtschaftlicher Anreiz, mit dem "H. T." und der "Rundschau" im
Verbreitungsgebiet des "H. T." und des "K." tätig zu werden (UV Seite 24 Tz. 57 und
Seite 28 Tz. 65 sowie Seite 36 Tz. 77).
130
Es mag unterstellt werden, dass die Beteiligten zu 1. und 2. wechselseitig Wettbewerb
aufnehmen können, sobald ihre Zusammenarbeit in der Zeitungsmantel- und
131
Anzeigenkooperation beendet ist. Für eine ernsthafte und naheliegende Möglichkeit des
künftigen Eintritts der hierzu vom Bundeskartellamt postulierten Voraussetzungen im
Prognosezeitraum ergeben sich jedoch keine konkreten Anhaltspunkte. Der Umstand,
dass der inzwischen wohl 74-jährige Beteiligte zu 3. aus Altersgründen die Beteiligte zu
2. veräußern will, begründet für sich genommen derzeit keine hinreichende
Wahrscheinlichkeit, dass im Prognosezeitraum ein Eigentümerwechsel in jedem Fall
und gegebenfalls auch zugunsten eines außerhalb des S.-P.-Verbundes stehenden
Dritten zu erwarten ist. Hiergegen spricht bereits die Erklärung des Beteiligten zu 3. im
Fusionsverwaltungsverfahren, mit dem Verkauf die von ihm geprägte verlegerische
Ausrichtung – was bei verständiger Würdigung auch die Anlehnung an den S.-P.-
Verbund umfasst – sichern zu wollen. Die wirtschaftliche Attraktivität der
(mittelständischen) Beteiligten zu 2. für einen Erwerber (Schriftsatz des
Bundeskartellamtes vom 28.05.2010, Seite 2 f.; GA 673) wie auch die allgemeine
technische Möglichkeit, einen Zeitungsmantel über Distanz zur Verfügung zu stellen,
führt ohne Berücksichtigung insbesondere der Ressourcen und Geschäftspolitik eines
ernsthaft in Betracht kommenden Dritterwerbers über die reine Vorstellbarkeit hinaus
noch nicht zu einer naheliegenden Möglichkeit eines Dritterwerbes und erst Recht nicht
zur ernsthaften Gefährdung der bestehenden Kooperationen. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass nach den eigenen Ausführungen des Bundeskartellamtes im
Falle eines Dritterwerbes mit der Aufnahme eines empfindlichen Wettbewerbs seitens
der Beteiligten zu 1. zu rechnen wäre. Soweit das Bundeskartellamt anhand der I.-
Gruppe beispielhaft aufzeigt, dass nicht nur angrenzende, sondern auch andere Verlage
mit eigenem Zeitungsmantel als Erwerber in Betracht kommen, ergibt sich auch hieraus
nicht mehr als die denkbare Möglichkeit eines Dritterwerbes unter den vom
Bundeskartellamt darüber hinaus zugrunde gelegten Bedingungen. Konkrete
Interessenbekundungen Dritter sind ebenso wenig ersichtlich wie
Markteintrittsversuche, aus denen sich das Interesse an einer Übernahme des
Verbreitungsgebietes des "H. T." im Erwerbswege ergeben könnte. Es besteht auch
keine Vergleichbarkeit der ersichtlichen Umstände des Entscheidungsfalls mit der
Werra-Rundschau-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 06.03.2001,
KVR 18/99, GRUR 2001, 861 – 864); anders als in dem vom Bundesgerichtshof
entschiedenen Sachverhalt gab es im Entscheidungsfall mit Ausnahme des inzwischen
8 Jahre zurückliegenden und durch die Insolvenz des damaligen Eigentümers des "H.
T." geprägten Erwerbsversuchs durch die "H. S." weder weitere Versuche anderer
Zeitungsverlage, im Verbreitungsgebiet des Zielunternehmens Fuß zu fassen, noch gibt
es Anhaltspunkte dafür, dass die Zusammenschlussbeteiligten durch die Fusion die
Existenz des "H. T." vor einem nach ihrer Einschätzung aufkommenden Wettbewerb mit
anderen Zeitungsverlagen sichern wollen.
III.
132
Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB.
133
IV.
134
Die Rechtsbeschwerde war nach § 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB zuzulassen. Die Rechtsfrage,
unter welchen Voraussetzungen die Vorausschau auf die künftige
Wettbewerbsentwicklung im relevanten Markt ohne den Zusammenschluss von
marktbeherrschendem Unternehmen und dem als potentiellen Wettbewerber in Betracht
kommenden Unternehmen eine Verstärkungswirkung im Sinne des § 36 GWB
begründen vermag, hat rechtsgrundsätzliche Bedeutung und ist – soweit ersichtlich –
135
höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Dr. J. K. O. B.
136
Rechtsmittelbelehrung:
137
Die Entscheidung kann – soweit zugelassen - mit der Rechtsbeschwerde angefochten
werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist
beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist
durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht
(Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen.
Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf
Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die
Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die
Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt
wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen
durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet
sein.
138
Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde
gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser
Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim
Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden
Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung
der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des
Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung
muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und
ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann
nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsschrift und –begründung müssen durch einen bei
einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
139